FC Kopenhagen gegen Celtic war eines meiner letzten Spiele vor Beginn der Pandemie. Die Reise nach Ungarn mit den Hoops sollte jetzt zumindest das erste Spiel im Ausland nach langer Zeit sein.
Es ist ja nicht weniger als unsere verdammte journalistische Pflicht, uns dieses „Europapokal“ schon mal in Ruhe anzuschauen, ehe es für den FCSP dann nächste Saison ernst wird. Lasst es mich so sagen: Ungarn muss es nicht unbedingt werden und die Pandemie darf dann bitte auch schon vorbei sein.
No Irish (and Brits) need apply – Die Eintrittskarten
Die Geschichte der Eintrittskarten war organisatorisch (wie so oft) die spannendste, nachdem An-/Abreise und Unterkunft schnell geklärt waren.
Die Groupama-Arena vom ungarischen Meister Ferencvaros fasst offiziell 22.000 Fans und dank der deutlich höheren Preise für die Europapokalspiele im Vergleich zu den Ligaspielen war früh klar, dass das Stadion kaum ausverkauft sein würde. Die reisefreudigen Celts bremste man allerdings damit aus, dass am Einlass der Impfstatus kontrolliert werden sollte – und das UK-Zertifikat nicht gültig wäre. Der Brexit und seine Folgen, Teil 1888. Wer jetzt denkt: „Kann man doch alles faken!“, nee, in dem konkreten Fall nicht, dazu gleich mehr.
Für Deutsche hingegen kein Problem, wir sind ja alle in der EU. Im Detail wurde es dann aber doch noch unerwartet spannend: Celtic hatte auf das Gästekontingent komplett verzichtet, was insbesondere bei den vielen Fanclubs in Irland für Ärger sorgte – denn die hätten ja als EU-Bürger ganz offiziell den Gästeblock füllen können. Drei Tage vor dem Spiel wurde dann auch das UK-Zertifikat in der EU akzeptiert und alle Schotten durften nun theoretisch anreisen – bis Ferencvaros einen Tag vor dem Spiel erklärte, man könne die Einlass-Software nicht mehr so kurzfristig ändern, um das UK-Zertifikat auch prüfen zu können. (Der Grund war klassisch vorgeschoben, auch dazu später mehr.)
Ja, alles egal, das hat Celtic auch in der Vergangenheit nie davon abgehalten, in großer Zahl die Stadien zu füllen. In Valencia war der Verkauf außerhalb des Gästeblocks an UK-Pässe auch untersagt, dann haben halt vor Ort Hunderte Spanier im Auftrag und gegen Trinkgeld Karten gekauft und diese sofort übergeben.
Nur leider geht das in Ungarn so nicht. Lasst mich Euch die Next-Level-Kartenpersonalisierung vorstellen: Für den Erwerb einer Eintrittskarte braucht man eine „Stadion Kártya“, also eine Fan-ID. Diese ist nicht online zu erwerben, sondern nur physisch vor Ort, weil (Achtung:) man neben den üblichen persönlichen Angaben (inkl. vollem Vor- und Geburtsnamen der Mutter!) auch einen biometrischen Abdruck beider Hände vor Ort abgeben muss! Ernsthaft! Alle bekloppt.
Nur mit dieser Fan-ID kann man überhaupt eine Eintrittskarte kaufen und an den gut gesicherten Eingängen öffnen sich die Drehgitter dann eben nur, wenn man Fan-ID-Card und die Hand gleichzeitig präsentieren kann. Die Eintrittskarte will dann niemand mehr sehen, die ist ja digital der Fan-ID zugeordnet. Wahnsinn.
Dies war dann der technische K.O. für alle Fans aus UK, denn im Gegensatz zum Impf-Zertifikat eines anderen Landes sind Handabdrücke dann doch noch recht schwer zu fälschen. Für die trotzdem in knapp vierstelliger Zahl angereisten Fans mit UK-Pass, hieß es nun also, eine geeignete Kneipe zur Übertragung zu finden. Einige wenige investierten in VIP-Tickets – da brauchte man dann wohl keine Fan-ID.
Da unsere Ankunft am Mittwoch zu spät war, um die Ticket-Frage noch zu klären, begaben wir uns am Donnerstag zur Stadionoffice-Öffnung zur Arena und waren nach etwa einer halben Stunde mit Fan-ID und Eintrittskarte ausgestattet. Zwischen uns in der Schlange auch ein Ire, der zwar von den Offiziellen kritisch beäugt wurde, am Ende aber auch eine Karte erhielt – da begannen im Hintergrund aber schon hektische Telefonate. Und als dann eine Gruppe von etwa 30 Iren vorstellig wurde, gingen die Gitter runter und es wurde kurz beratschlagt – mit dem Ende, dass es für den Rest des Tages nur noch Fan-IDs für Ungar:innen geben würde. So zumindest die offizielle Version, ob man da jetzt mit jedem anderen Pass als UK und Irland noch bedient worden wäre, mussten wir ja zum Glück nicht mehr herausfinden.
Die Anreise zum Stadion
Nachdem wir uns am späten Nachmittag dann von den in den Kneipen Verweilenden verabschiedet hatten, ging es zum Stadion, welches mit der Metro eigentlich gut erreichbar ist – momentan allerdings aufgrund größerer Bauarbeiten nur mit Schienenersatzverkehr. So dauert die Anreise aus der Stadt eine gute halbe Stunde und es erreichte uns noch eine „Aufpassen beim Aussteigen!“-Nachricht. Eigentlich unnötig, da wir in der Regel bei solchen Spielen ja ohnehin ohne Farben unterwegs sind – aber als wir dann ausstiegen, wussten wir, warum diese Nachricht durchaus ihre Berechtigung hatte. Direkt an der Bushaltestelle schloss ein kleiner Park an, in dessen Schatten sich etwa 150 ganz in Schwarz gekleidete und bis auf Mini-Sehschlitze komplett Vermummte mit Handschuhen aufhielten, die wohl nicht zwingend darauf aus waren ihre Englischkenntnisse zu verbessern. Alles komplette Schränke mit Stiernacken – und keine Polizei in Sichtweite. Wir begaben uns dann mal lieber schnell auf unsere Plätze.
Der Einlass dann tatsächlich so, wie schon oben vermutet: Das Impf-Zertifikat wird zwar kurz betrachtet (übrigens, das einzige Mal auf der gesamten Reise, weder beim Flug noch im Hotel oder sonst irgendwo wurde es kontrolliert), aber nicht mittels „Software“, die man für die UK-Zertifikate hätte „anpassen“ müssen. Am Eingang dann die Fan-ID in das linke Lesegerät, die Hand in den Scanner – und zack, darf man durch das Drehgitter. Spooky.
Das „Spielerlebnis“
Wir haben ja nun schon öfter erleben „dürfen“, wie sich Heimspiele ohne Gästefans anfühlen. Nun durfte ich also einmal feststellen, wie es sich für die vereinzelten Gästefans anfühlt, die dann doch da sind – zumal, wenn es vorher die klare Ansage gibt, dass man doch im eigenen Interesse auf Jubel im Heimbereich bitte verzichten solle. Keine Überraschung: Doof fühlt es sich an.
Tatsächlich gab es aber noch deutlich unangenehmeres als nur das unterdrückte Jubeln: Als die Standard-UEFA-Message zum Thema „Respekt“ verlesen wurde, schmunzelten wir noch darüber, dass es ja schade sei, dass der schwarze Block da draußen dies jetzt gar nicht hören würde.
Mit Anpfiff gingen dann das Schiedsrichter-Team aus Portugal und Celtic auf die Knie – und fast das gesamte Stadion pfiff sie aus. Muss sich auch für die beiden People of Colour Spieler im Team von Ferencvaros gut angefühlt haben, doch dazu gleich noch mehr.
Denn das Spiel verlief für ein Celtic-Auswärtsspiel in Europa recht ungewohnt, man ging mit dem ersten Angriff in Führung und ließ sich auch vom zwischenzeitlichen Ausgleich nicht verunsichern. Spätestens mit dem 3:1 in der 60. Minute kippte die Stimmung im Stadion dann von Support zu Pöbeln – und als Budapests Mittelfeldspieler Tokmac Nguen kurze Zeit später einen Fehlpass spielte, pfiff und buhte ihn das komplette Stadion aus. Sein norwegischer Pass dürfte da sicher nichts mit zu tun haben, wohl aber seine Hautfarbe und seine Geschichte als Sohn südsudanesischer Flüchtlinge. Sein Trainer erlöste ihn kurze Zeit später durch eine Auswechslung, bei der er erneut ausgepfiffen wurde – als einziger der insgesamt fünf ausgewechselten Spieler, da die anderen ja auch keine dunkle Hautfarbe hatten.
Wenn man die Fans der Ungarischen Nationalmannschaft bei der EM wahrgenommen hat, so ist dies alles keine große Überraschung – es so unmittelbar mitzuerleben, ist aber dann doch noch mal umso erschreckender.
Als dann ein Celtic-Spieler angeschlagen vom Platz humpelt, schreit auf einmal das ganze Stadion „Auf Wiederseh’n!“. Und zwar nicht in der hierzulande geläufigen melodischen und eher hämischen Variante, sondern im Stakkato. Anschließend wieder Pfeifkonzert, wir waren sichtlich irritiert – Auflösung folgt…
Nun ist das mit Fußballfans und Emotionen ja so ’ne Sache und „Bitte bei Toren nicht jubeln!“ ist so eine Bitte, die je nach Alkoholgehalt dann auch vielleicht nicht mehr von jedem so befolgt wird. Wir saßen in der dem Fanblock gegenüberliegenden Kurve, wenn es so etwas wie einen ruhigeren, neutralen Bereich gab, dann zählte dieser Bereich sicher am ehesten dazu. In unserer Nähe jubelte ein Celtic-Fan dann beim 3:1 etwas zu laut, was dann spätestens beim 3:2-Anschlusstreffer zu entsprechenden Reaktionen der um ihn Herumsitzenden führte – und mit entsprechendem Alkoholgehalt auf beiden Seiten war dies dann tatsächlich kurz davor, zu eskalieren. Ein Heimfan baute sich vor dem Celtic-Fan auf, schrie mehrfach „This is Hungary!“ und sein Kumpel machte homophobe Gesten – dabei blieb es aber dann zum Glück. da der Celtic-Fan (wenn auch widerwillig) den Rückzug antrat.
Peter Stöger
Ah, die Aufklärung von dem „Auf Wiederseh’n!“ bin ich Euch noch schuldig. Tatsächlich ist Peter Stöger seit dieser Saison Trainer beim ungarischen Meister und auch wenn man in der Liga oben dran ist, so entspricht der Saisonverlauf wohl bisher nicht so ganz den Erwartungen – und Stöger scheint als der Schuldige dafür ausgemacht, denn tatsächlich galten die Rufe ihm, wie uns nach dem Spiel von einem der durchaus auch vorhandenen netteren Einheimischen erklärt wurde.
Und wen trifft man dann am nächsten Tag beim abschließenden Sightseeing in der Stadt? Genau, den Peter, mit seiner Frau bei einem Fotoshooting, herrlich verrückt.
Budapest als Stadt hat durchaus einiges zu bieten, wirkt aber sicher auch im Sommer und ohne Regen einladender als bei unserem Besuch – aber für touristische Tipps gibt es sicher empfehlenswertere Artikel.
Fazit
Für Celtic bedeutet der 3:2-Sieg den sicheren Verbleib in Europa, denn Platz 3 (und damit die nächste Runde in der Conference League) ist jetzt auch rechnerisch nicht mehr zu verlieren und auf Betis und damit Platz 2 ist es jetzt nur noch ein Punkt. Das nächste Spiel ist Ende November dann in Leverkusen – und ein entsprechend großes Gästekontingent ist bereits angefragt worden.
Für mich selbst endete damit eine seit 2001 andauernde Serie von 16 Pflichtspielen mit Celtic ohne Sieg – darf in Leverkusen dann gerne gleich so weitergehen. // Maik
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Ich kann mir das deutsche „Auf Wiederseh‘n“ nicht in Stakkato vorstellen. Haben die das echt auf Deutsch skandiert oder auf Ungarisch? Letzteres würde ganz gut in Stakkato gehen.
@Lukas: das war tatsächlich auf deutsch und wenn auch sehr abgehackt weil „Stakkato“ doch deutlich zu vernehmen. Stelle es Dir als drei Silben vor „Auf!“ „Wida!“ „Sehn!“ 😉
Respekt. Würde mich das im Moment glaube ich noch nicht trauen. War denn sonst gut Abstand halten dort?
Mit dem peniblen Nutzen der Maske waren wir zumindest nicht in der Mehrheit, insbesondere in den Kneipen.
Abstand war sonst aber schon ganz normal möglich, im Stadion im Sitzplatzbereich ja ähnlich wie am Millerntor.