Zwei Schritte vor, einer zurück, zwei Schritte vor?

Zwei Schritte vor, einer zurück, zwei Schritte vor?

Der FC St. Pauli hat seinen fast schon komfortablen Vorsprung in der 2. Bundesliga verspielt. Durch zuletzt nur zwei Punkte aus vier Spielen, ist das Team auf den 2. Tabellenplatz abgerutscht. Das ist weiterhin enorm gut und im Vergleich zur Tabellensituation vor rund einem Jahr ist das ein großer Schritt vorwärts. Aber blickt man auf die jüngere Vergangenheit, muss nun eine erneute Weiterentwicklung folgen.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zwei Schritte vor…

Auf den Tag genau vor einem Jahr, am 24.01.2021, gewann der FC St. Pauli mit 2:0 gegen Jahn Regensburg. Das war zu dem Zeitpunkt das erste Pflichtspiel der Saison 20/21 ohne Gegentor. In den 17 Spielen zuvor hatte es immer hinten geklingelt. Dass es das Team damals schaffte den eigenen Kasten sauber zu halten, war definitiv ein Schritt nach vorne.
Ebenfalls nach vorne ging es mit der Installation der Mittelfeldraute, die zwei Spiele zuvor das erste Mal über die volle Spielzeit praktiziert wurde.

…einer zurück…

Nach einer teilweise berauschenden Rückrunde machte das Team am Saisonende einen Rückschritt. Vielleicht deshalb, weil es nach einem nervenaufreibenden Winter nun in der Tabelle um nichts mehr ging. Vielleicht aber auch, da sich das Team nicht vollständig reinhaute. Timo Schultz stellte in dieser Phase fest, dass sein Team immer alles abrufen müsse, um erfolgreich zu sein. Ein paar Prozentpunkte weniger und es kommt das raus, was wir am Saisonende gesehen haben: Drei teils krachende Niederlagen in Folge.

Wisst ihr noch, damals, als der FC St. Pauli nicht schön spielte, aber irgendwie gegen Jahn Regensburg gewann?
(Stuart Franklin/Getty Images/via OneFootball)

…zwei Schritte vor…

Zur neuen Saison zeigte sich das Team gefestigt. Und konnte plötzlich auch dann sein Maximum zeigen, wenn es sich um vermeintlich leichte Gegner handelte. Das war so etwas wie der nächste große Schritt: Dem Team gelang es nun konstant sein eigenes Spiel durchzuziehen. Und noch einen Schritt ging es vorwärts: Dem FC St. Pauli gelang es gerade später im Herbst auch ein Ergebnis zu verwalten, konnte nach Führungen auch mal ein, zwei Gänge runterschalten, ohne komplett auseinanderzufliegen. Der FC St. Pauli hatte sich zu einem Spitzenteam entwickelt und begeisterte mit tollem Offensiv-Fußball.

…einer(?) zurück…

Von diesem Offensiv-Fußball sind zuletzt nur noch Bruchstücke erkennbar gewesen. Dem FC St. Pauli gelang es immer seltener, sein Spiel durchzuziehen. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass die jeweiligen Gegner gelernt haben, wie das Spiel des FCSP ins Stottern kommt. Zuletzt pressten alle Teams sehr hoch und stellten teilweise sogar ihr System auf eine Fünferkette um, damit man das Aufbauspiel des FCSP bestmöglich stören kann. So ist es dann eventuell gar kein Schritt zurück, sondern eher einer, den die anderen Teams aufgeholt haben.
Trotzdem, hier kommen wir nun auf eine sehr subjektive Ebene, blieb zuletzt der Eindruck haften, dass es nicht nur am guten Spiel der Gegner liegt, dass sich der FC St. Pauli offensiv nicht mehr so gut zurechtfindet. Es wirkte bisweilen so, als wenn das Team nicht ganz an sein Leistungslimit herangeht, etwas passiv agiert.

Definitiv ein Rückschritt ist das, was in der eigenen Defensive passiert: In den letzten neun Ligaspielen hat sich der FC St. Pauli immer mindestens ein Gegentor gefangen. Die zu Saisonbeginn vorhandene Stabilität, egal ob bei gegnerischen Standards oder Umschaltmomenten, sie ist abhanden gekommen.

Gegentor nach Standard – Lange Zeit war der FC St. Pauli sehr stabil bei gegnerischen Standards. Zuletzt klingelte es aber immer häufiger in solchen Situationen.
(c) Peter Böhmer

…zwei Schritte vor?

Nun kommt es also darauf an, ob es dem FC St. Pauli wieder gelingt Schritte nach vorne zu gehen. Oder ob dem Aufholen der anderen Teams ein eigener Rückschritt folgt. Sicher ist, dass sich die Gegner an die Spielweise des FCSP angepasst haben. Allein dadurch ist eine Weiterentwicklung notwendig. Erste Ansätze gab es bereits bei den letzten beiden Spielen zu sehen, als defensiv mit einem flachen 4-4-2 gearbeitet wurde. Ob das langfristig dazu führen wird, dass das Team stabiler steht (ohne seine offensive Power zu verlieren), wird sich zeigen. Und erst dann wird man wissen, in welche Richtung diese Schritte gehen.

Was aber bereits vorher klar ist: Die Ansprüche an das Team, sie haben sich innerhalb eines Jahres massiv verschoben. Wo Anfang des Jahres noch der Wunsch war, egal mit welchen Mitteln, die Klasse zu halten, ist es nun der Wunsch die Klasse gen Oberhaus zu verlassen. Das mag etwas aberwitzig klingen, denn man sollte nie vergessen, wo man herkommt. Aber in gewisser Weise ist dieser Anspruch verständlich.
Fußball ist einfach ein schnelllebiges Geschäft und innerhalb der letzten zehn Jahre waren die Chancen nie größer dieses, man muss es einfach mal sagen, zeitweise graue Elend namens 2. Liga zu verlassen. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum viele nun etwas schärfer darauf reagieren, dass die Form aktuell nicht zu stimmen scheint (neben der Tatsache, dass Derby-Niederlagen absolut scheiße sind). Denn sicher ist auch, dass sich die Möglichkeit eines Aufstiegs nur aufgrund guter Leistungen in dieser Saison nicht automatisch auf die nächste Saison übertragen lassen. Das Titelfenster, welches zur Winterpause weit aufgestoßen war, es wird sich nach der Saison womöglich erstmal wieder schließen. Der teils hochklassig besetzte Kader, er dürfte bei einem Nicht-Aufstieg empfindlichen Veränderungen unterliegen.

Um die notwendigen Schritte zu entwickeln, gibt es nun erst einmal ein spielfreies Wochenende. Die darauf folgenden Spiele dürften richtungsweisend sein. Erst das schwere Heimspiel gegen den auswärtsstarken SC Paderborn. Dann die Reise nach Regensburg. Besonders auswärts hat der FC St. Pauli in dieser Saison eine bestenfalls mittelmäßige Punkteausbeute (Platz 12) vorzuweisen. Es könnte aber von Vorteil sein, dass das Team in der Rückrunde die vermeintlich „leichten“ Kaliber, wie Ingolstadt, Dresden, Rostock und Sandhausen, auswärts besucht (das dient vielleicht auch ein wenig als Erklärung für die Auswärtsschwäche/Heimstärke). Die direkten Konkurrenten mit Ausnahme von Schalke kommen alle ans Millerntor (u.a. Bremen, Darmstadt, Heidenheim). Da hat der FCSP bisher bekanntlich 25 von 27 möglichen Punkten geholt. Es ist und bleibt also vieles, nein sogar alles möglich. Der FC St. Pauli hat die Fäden weiterhin selbst in der Hand, kann höchstselbst dafür sorgen, dass er aufsteigt. Der nächste Schritt, ich will unbedingt, dass er gegangen wird.

Immer weiter vor!
//Tim

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8 thoughts on “Zwei Schritte vor, einer zurück, zwei Schritte vor?

  1. Yo, Tim, Danke, meinem Optimismus wurde grade büschen mehr Leben eingehaucht 🙂 Klar, es sind nach fast 2/3 der Saison unglaublicherweise noch 9(!) Mannschaften im Aufstiegsbusiness, da kann und wird natürlich noch ne Menge sich verschieben. Es wird aber nun allerhöchste Eisenbahn, die -von mir aus- Minikrise zu beenden! Denn was Werder und S04 und die Lilien da abliefern ist beachtlich, und kommt vor Allem irgendwie zum richtigen -oder für uns leider falschen Zeitpunkt. Dann lass uns jetzt mal aus der „Länderspielpause“ mit neuem Mut, der Körpersprache aus der Hinserie und ner angepassten Taktik kommen (und BÜDDE die eigenen Einwürfe nicht immer herschenken!) und eben nicht die Parallele zum anderen Hamburger Club in puncto „wir können nur eine Halbserie und verdaddeln den Aufstieg als Herbstmeister“ wahr werden lassen.

  2. Danke Tim.
    „Es könnte aber von Vorteil sein, dass das Team in der Rückrunde die vermeintlich „leichten“ Kaliber, wie Ingolstadt, Dresden, Rostock und Sandhausen, auswärts besucht.“
    Sandhausen im Abstiegskampf, auswärts in Dresden halte ich nicht unbedingt für Selbstläufer.
    Egal. Immer weiter vor.

  3. Hier mal die durchschnittliche Punktzahl
    aller Plätze 1-4 in der 2. Bundesliga seit
    Einführung der drei-Punkte-Regel ab der
    Saison 1995-96:

    Platz 1: 1759/26 = 68 Punkte
    Platz 2: 1621/26 = 62 Punkte
    —————————————
    Platz 3: 1555/26 = 60 Punkte
    —————————————
    Platz 4: 1475/26 = 57 Punkte

    60 Punkte sollten auf jeden Fall
    das Ziel sein, sonst wird SP am
    Ende kaum eine Chance im
    1.BL-Aufstiegsrennen haben.

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