Die Jugend von heute – Möglicher Super-GAU für den FC St. Pauli

Die Jugend von heute – Möglicher Super-GAU für den FC St. Pauli

Während die Profis des FC St. Pauli (bei aller Enttäuschung der letzten vier Spieltage) immer noch um den Aufstieg in die 1. Bundesliga spielen, sieht es bei weiteren Teams des FCSP ganz anders aus. Sowohl die U23, als auch die U19 könnten diese Saison den Klassenerhalt verpassen – es droht ein Super-GAU.

Im Juni 1998 wurde die U19 des FC St. Pauli Meister der Regionalliga Nord. Eine Bundesliga gab es noch nicht, aus den fünf Regionalverbänden wurden acht Teams in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft berufen. Nach zwei Unentschieden gegen den 1. FC Kaiserlautern setzten sich die Kiezkicker in der 1. Runde im Elfmeterschießen durch und trafen im Halbfinale auf den späteren Deutschen Meister Borussia Dortmund, wo man mit 1:3 und 1:5 unterlag.

Im Kader des FCSP standen u.a. Christian Rahn, Ivan Klasnić und Zlatan Bajramović, trainiert wurde das Team vom heutigen U23-Coach Joachim Philipkowski – und bis heute war dies das erfolgreichste Abschneiden in den Jugend-Meisterschaften. Besagte Spieler schafften auch jeweils bemerkenswerte Profikarrieren – seitdem sucht man ähnliche Erfolge der Jugendarbeit beim FCSP eher vergebens.

Insbesondere durch die finanzielle Förderung der AFM wurde das Nachwuchsleistungszentrum des FC St. Pauli in den letzten Jahren aber immer besser und professioneller, auch die jeweils höchstmögliche Auszeichnung durch den DFB wurde regelmäßig erzielt. Mit Finn Ole Becker und Igor Matanović spielen zwei beim FCSP ausgebildete Spieler demnächst in der Bundesliga, auch die Dortmunder Youssoufa Moukoko und Tom Rothe haben am Brummerskamp gekickt. Sam Schreck und Svend Brodersen haben sich ebenfalls im Profifußball durchgesetzt, auch Kwasi Okyereh Wriedt und Maurice Litka spielen in der 2. Bundesliga und ich habe sicher noch einige vergessen. Regelmäßig werden Jugendspieler des FCSP zu den jeweiligen U-Nationalteams ihrer Länder eingeladen.

Doch in diesem Sommer könnte es einen gehörigen Dämpfer geben. Denn zuletzt hatte man konstant mit den U-Teams in den jeweils höchsten Ligen bzw. mit der U23 in der Regionalliga in der „gefühlt“ höchsten Liga spielt. Die U19 spielt seit 2011 ununterbrochen erstklassig, die U17 sogar schon seit 2010. Und während es früher oft eine Zitterpartie bis zum Schluss war, so wurde zuletzt doch meist eher frühzeitig der Klassenerhalt gesichert. Auch die U23 spielte zuletzt 2010/11 „nur“ in der Oberliga.

Die Situation bei der U23 in der Regionalliga Nord

Aktuell hat die U23 zwei Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz in der Abstiegsrunde der Regionalliga Nord. Aber der eh schon knappe Vorsprung ist trügerisch. Denn die vier Teams hinter dem FCSP haben jeweils ein Spiel weniger und somit kann aus dem kleinen Punktepolster auch schnell ein Rückstand werden.

Das ging schon doof los: Die 0:1-Niederlage im Derby im August. // (c) Lobeca / Ralf Homburg / Getty Images via OneFootball

Die letzten Ergebnisse sind leider auch alles andere als aufbauend: Gegen BSV Rehden setzte es eine herbe 0:5-Klatsche. Gegen Jeddeloh II reichte es beim 0:0 immerhin zu einem Punkt – wer weiß, was dieser noch wert sein kann. Zuletzt verlor das Team in den Schlussminuten gegen den Tabellenletzten FC Oberneuland mit 1:2. So gab es in bisher sechs Spielen dieser Abstiegsrunde für die U23 einen Sieg, zwei Unentschieden und drei Niederlagen. Am kommenden Wochenende ist für das Team spielfrei. Danach kommen mit Rehden, HSC Hannover und LSK Hansa drei Duelle gegen direkte Tabellennachbarn, ehe es am letzten Spieltag gegen Jeddeloh II geht. Es ist also noch viel zu drehen für die U23. Aber die Formkurve zeigt gerade eher nach unten, der Abstieg in die Oberliga Hamburg droht.

Die Situation bei der U19 in der A-Jugend Bundesliga

Über noch vier ausstehende Spiele würde sich die U19 des FC St. Pauli sicher freuen. Das Team steht einen Spieltag vor Saisonende auf einem Abstiegsplatz. Nur ein Sieg nächstes Wochenende beim direkten Konkurrenten aus Osnabrück, bei zeitgleicher Niederlage des Halleschen FC (gegen Tabellenführer Hertha BSC) reicht zum Klassenerhalt. Alle weiteren Teams mit gleicher Punktzahl wie Halle haben das deutlich bessere Torverhältnis als Braun-Weiß und sind damit wohl außer Reichweite.

Der Abstieg ist damit ein realistisches Szenario für die U19 des FC St. Pauli. Da hat auch der – im NLZ-Bereich eher untypische – Trainerwechsel Anfang März bisher nur bedingt geholfen: Seitdem konnte das Team zwei von fünf Spielen gewinnen und so den Punkteschnitt nur ein klein wenig anheben (sechs Punkte aus fünf Spielen, vorher zwölf Punkte aus zwölf Spielen), hinzu kam aber noch ein Derbysieg im Pokal.

Schöner Himmel, triste Kulisse in Schnelsen: Die Heimspielstätte von U19 & U17 am Königskinderweg.

Immerhin: Für die kommende Saison dürfte es im Falle des Klassenerhalts eher keine großen Sorgen geben. Beim 2:0 gegen Carl Zeiss Jena am Wochenende standen mit Tom Kankowski und Luis Steiger Borrero nur zwei Spieler des älteren Jahrgangs in der Anfangself. Mit Muhammad Dahaba und Selcuk Rinal waren zwei Startspieler sogar noch für die U17 spielberechtigt.
Was auch nicht vergessen werden darf: Mit Niklas Jessen und Igor Matanović gibt es zwei Spieler, die noch in der U19 spielen dürften, aufgrund der persönlichen Entwicklung aber schon zum Kader der Profis gehören.

Und überhaupt: Die U17 hat ihre Saison jüngst auf Platz 3 der B-Jugend Bundesliga abgeschlossen. Da darf man sich also schon auf eine gute nächste Saison in der A-Jugend freuen – umso schlimmer, wenn diese tatsächlich in der Regionalliga Nord stattfinden würde. Denn auch wenn der Ruf des NLZ grundsätzlich sehr gut ist, so wäre eine U19 in der nur zweithöchsten Klasse sicher für einige Spieler auch ein Grund, sich nach Alternativen umzusehen. Der Klassenerhalt durch einen Sieg am Samstag ist also alternativlos – schade, dass man zusätzlich auch noch auf das Ergebnis von Halle schauen muss und es nicht mehr alleine in der Hand hat.

Kleine Randnotiz: Im Hamburger Pokal hat man im Halbfinale den Nachbarn besiegen können und dürfte im Halbfinale und Endspiel klarer Favorit sein – zumindest den DFB-Pokal der neuen Saison könnte man also trotzdem gewinnen.

Die Situation bei den „Zweiten“

Wie dramatisch wäre denn ein Abstieg, insbesondere im Punkt „Verhandlungsposition“? Schauen wir uns also mal an, wie die anderen Vereine diesbezüglich aufgestellt sind.

Die überraschende Abmeldung des II. Teams von Bayer Leverkusen war ja bei Sam Schreck seinerzeit der große Karriereknick, nach einem Zwischenschritt über die Niederlande ist er nun zumindest bei Erzgebirge Aue wieder in der 2. Bundesliga angekommen. Spielpraxis auf hohem Niveau ist also durchaus wichtig für junge Spieler. Mit dem BVB und dem SC Freiburg spielen zwei Zweitvertretungen aktuell in der höchstmöglichen Klasse, der 3. Liga. Beide haben dort den Klassenerhalt drei Spieltage vor Schluss auch bereits gesichert. Alle anderen Erstligisten spielen in der Regionalliga oder aber haben gar keine Leistungsmannschaft mehr als zweites Team.

In der 2. Bundesliga ist es etwas aufgefächerter: Vier der 13 Clubs, die eine U23/U21 haben, spielen nicht in der Regionalliga. Das sind die von Hansa Rostock, Jahn Regensburg, SC Paderborn und dem FC Ingolstadt. Paderborn steht aktuell auf Platz 1, FCI und Jahn auf 2 und 3 in ihren Ligen. Lediglich Hansa Rostock in der NOFV Oberliga ist weit weg von einem Aufstiegsplatz.

Eintracht Frankfurt geht übrigens gerade den Schritt wieder zurück, dort spielt ab kommende Saison wieder eine U23 und darf sofort wieder in der Hessenliga starten. Derartiges Überspringen der Ligen in den unteren Klassen kannte man bisher nur von RaBa Leipzig…

Die Situation bei den Junioren-Bundesligen

Bei den 18 Erstligisten ist die Sache klar: Alle U19- und U17-Teams spielen aktuell in der jeweiligen Bundesliga. Hierzu muss man sicher auch berücksichtigen, dass die Ligen aufgrund der Pandemie aktuell so groß sind wie nie zuvor, da es in den letzten Saisons keine Absteiger gab, wohl aber vereinzelt Aufsteiger. Allerdings ist das dem FCSP drohende Schicksal des U19-Abstiegs Arminia Bielefeld und der SpVgg Fürth bereits widerfahren, hier steht der jeweilige Abstieg auch vor dem letzten Spieltag schon fest.

Bei den 18 Zweitligisten ist es etwas anders: Die U19-Teams von Regensburg, Sandhausen und Erzgebirge Aue spielen aktuell nicht in der Bundesliga, lediglich für Aue ist ein Aufstieg in dieser Saison noch möglich. Neben dem FCSP zittern am kommenden Wochenende auch noch Hansa Rostock, Dynamo Dresden und der FC Ingolstadt um den Klassenerhalt, mit unterschiedlicher Tiefe der Sorgenfalten.

In der U17 sind es sogar nur der SSV Jahn und der SV Sandhausen, die nicht erstklassig spielen, zumindest für Regensburg ist der Aufstieg allerdings noch möglich. Während hier, wie oben beschrieben, die U17 des FC St. Pauli durchaus erfolgreich abgeschnitten hat, sind die Teams des 1. FC Heidenheim, von Holstein Kiel und dem FC Ingolstadt in dieser Saison abgestiegen.

Und wie wichtig ist das alles?

Die Tatsache, dass überhaupt der Trainer zwischen U19 und U17 gewechselt wurde, zeigt die Wichtigkeit für das NLZ des FCSP, das „Flaggschiff“ U19 in der obersten Liga zu halten.
„Wir sind überzeugt, dass wir mit dieser Entscheidung die Chance auf den Klassenerhalt in der U19 vergrößern.“ sagte NLZ-Leiter Benjamin Liedtke damals.

Die U19 ist generell das Aushängeschild eines NLZ. Wenn dieses „nur“ in der Regionalliga spielt, dann hat das sicher einen Effekt. Denn Nachwuchsspieler wollen auf höchstmöglichem Level ausgebildet werden und das bietet die Regionalliga einfach nicht. Ein Aufstieg ist dort zwar (hoffentlich) vorprogrammiert, aber es wird (aus Sicht der Spieler und der oftmals ja schon vorhandenen Berater) in dieser enorm wichtigen Entwicklungsphase ein Jahr „verschenkt“.

Der Fußballpatz der U23 in Norderstedt, im Hintergrund Bäume.
„Hübsch“ ist auch hier eher wenig: Die Spielstätte der U23 in Norderstedt.

Eine enge Verzahnung zwischen dem Lizenzteam und der U23 – das ist das, was sich die Verantwortlichen beim FC St. Pauli immer wieder wünschen. Denn eine U23 auf hohem Level bietet zum einen die Möglichkeit, die Profis nach Verletzungen über Spiele in (mindestens) der Regionalliga wieder heranzuführen, aber zum anderen auch die Möglichkeit, dass U19-Spielern der Schritt in den Herren-Bereich erleichtert wird.

Hier muss es das Ziel sein, dass diese U23 auf höchstmöglichem Level spielt. Das wäre theoretisch die 3. Liga, welche aber aus finanzieller Sicht wohl nur Sinn ergibt, wenn die Lizenz-Mannschaft dauerhaft in der 1. Liga spielt. (Bevor die Nachfrage kommt: Ja, ein Abstieg der Profis in die 3. Liga würde einen Zwangsabstieg der U23 in die Oberliga bedeuten. Je ein Team in der 2. und 3. Liga wäre aber möglich, da diese sich auf DFL und DFB aufteilen, während im anderen Fall die 3. Liga und die Regionalliga beide zum DFB gehören und zwei Teams in diesen beiden höchsten Ligen des Verbandes nicht erlaubt sind. Bitte nicht beschimpfen, ich hab die Regeln nicht gemacht. Das ist aber ja auch aktuell eh kein Thema für uns, im Gegenteil.)

Ein verpasster Aufstieg der Profis nach dieser Saison wäre sicher das größte Ärgernis, auch für die finanzielle Situation des Vereins, keine Frage. Mit einem Abstieg der U23 und / oder U19 würde sich aber auch die Situation im Nachwuchsleistungszentrum deutlich komplizierter gestalten.

Forza St. Pauli!
// Maik

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2 thoughts on “Die Jugend von heute – Möglicher Super-GAU für den FC St. Pauli

  1. Wie kein Kommentar? Na, Nachwuchs…

    Danke Maik für den Artikel. Der Super Gau für den Verein würde sich ja erst dann ergeben, wenn der Aufstieg der Profis nicht gelänge, U23 und U19 abstiegen und dazu noch die 1. Frauen, was dann den Aufstieg der 2. verhindern würde.

    Keine U23 mehr in der RL und keine A-Junioren mehr in der BL gab es ja schon mal und trotzdem sah man noch das eine oder andere Talent, wie das immer der Fall sein wird. Soviel kann man in einem NLZ gar nicht verkehrt machen, dass das nicht hin und wieder – in starken Jahrgängen – vorkommt. Aus meiner Sicht ist es beim FCSP nach dem Weggang von Roger Stilz da nicht besser geworden. Der eigene Nachwuchs genügt den Ansprüchen von Schulle inzwischen ja auch nicht mehr. Na, anderes Thema.

    Die U17 hat wieder starke Jahrgänge, steht nicht umsonst am Ende auf Rang 3 (Vize-Meisterschaft leichtfertig verdaddelt, die Art und Weise (3 von 14 Saisongegentreffern in diesem Stadtderby!!!) hmmh, ergänze selber). Wer von den guten Leuten hat da Bock für die U19 in der RL zu kicken? Da geht dann selbst im Falle des direkten Wiederaufstiegs der U19 weit mehr als ein Jahr verloren. MMn gehen da 3-5 Jahre verloren, leichtfertig.

    Ob es einem gefällt oder nicht, es ist leider so, dass der FCSP auch hier aus seinen eingesetzten Mitteln viel zu wenig macht, gerade wenn man das mal mit anderen Vereinen wie Holstein Kiel oder aber zwischenzeitlich konstant auch Hansa Rostock oder der FCM.

    Diese Komfortzone die Jos auf seine unnachahmliche Weise anprangerte, sie existiert nach wie vor, vor allem für Trainer. Auch hie würde ein wenig frischer Wind mal gut tun. Warten wir mal ab welche Art von Gau eintreten wird und was dieer dann letztlich zum Guten bewirken kann.

    Und jetzt gleich 3 Punkte gegen Mats.

    Forza.

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