Am Freitagabend empfängt der FC St. Pauli den 1. FC Nürnberg. Für beide Teams dürfte es so etwas wie die letzte Chance auf den Aufstieg in die 1. Liga sein, auch wenn es da vor allem für den FCSP selbst im Falle einer Niederlage noch weitere Szenarien gibt. Trotzdem dürften beide Teams nur mit einem Sieg diesem Ziel wirklich einen Schritt näher kommen.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Zur Vorbereitung auf das Spiel könnt ihr auch in das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Michael mit Fadi von den Nürnberger Nachrichten/KaDepp-Podcast reinhören, welches, wie immer, wenn Fadi zu Gast ist, eine sehr launige Angelegenheit ist.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Es ist bittere Chronisten-Pflicht, aber wird sich diese Saison nicht mehr ändern: Auch für das Spiel gegen den FCN fallen Christopher Avevor, Jannes Wieckhoff und Sebastian Ohlsson aus. Zudem wird Eric Smith nicht spielen können, wie Timo Schultz auf der Pressekonferenz vor dem Spiel berichtete, denn Smith kann noch immer nicht voll am Training teilnehmen. Somit müssen wir uns wohl langsam damit anfreunden, dass Smith leider das Prädikat „verletzungsanfällig“ anhaftet, was vor seiner Verpflichtung eigentlich kein Thema für ihn war.
Ebenfalls verzichten muss der FC St. Pauli auf Jackson Irvine und Marcel Hartel, die sich bei der frustrierenden Niederlage gegen Darmstadt ihre jeweils fünfte Gelbe Karte abholten. Auch Marcel Beifus wird gesperrt fehlen, weil er am letzten Wochenende im Spiel der U23 die Rote Karte aufgrund einer Notbremse sah.
Somit muss das Team auf gleich drei von vier potenziellen Stammspielern in der Mittelfeldraute verzichten. Diese Ausfälle kommen natürlich zur Unzeit, aber die Sperren von Irvine und Hartel hatten sich auch über längere Zeit angedeutet. Bitter ist jedoch, dass sie nun zeitgleich aussetzen müssen.
1. FC Nürnberg: Wer kann spielen, wer fehlt?
Wesentlich kürzer ist die Liste der Ausfälle beim Glubb, die FCN-Trainer Robert Klauß auf der PK vor dem Spiel präsentierte. Mit Stürmer Felix Lohkemper (betreibt diese Saison nur noch Aufbautraining, um fit in die Sommervorbereitung einzusteigen) fällt nur ein Spieler sicher aus. Konstantin Rausch hat unter der Woche mit dem Training aussetzen müssen, stand aber in dieser Saison ohnehin eher selten im Fokus.
Ein Fragezeichen ist jedoch hinter einem der, wenn nicht sogar dem wichtigsten Spieler des FCN: Mats Møller Dæhli hat aus dem Sandhausen-Spiel einen „Schlag“ mitgebracht und laut Klauß bisher noch gar nicht richtig trainieren können in dieser Woche. Eine Entscheidung über seinen Einsatz fällt am Donnerstag.
Was hat der FCN zu bieten?
Bis zum 12. Spieltag hat es gedauert, ehe der 1. FC Nürnberg zum ersten Mal ein Ligaspiel verlor. Es folgten vier Siege und sieben Niederlagen in elf Spielen und dadurch schien das Team bereits etwas den Kontakt zu den Spitzenplätzen verloren zu haben. Dann siegte der FCN viermal in Serie und plötzlich war der Kontakt wieder hergestellt. Für den ganz großen Wurf hat es aber bisher nicht gereicht, denn aus den letzten fünf Spielen gab es nur noch einen Sieg und letzte Woche verlor man gegen Sandhausen „dank“ vier Ecken-Gegentoren mit 2:4. So liegt der FCN momentan mit vier Punkten Rückstand auf den Aufstiegsrelegationsplatz auf dem sechsten Rang.
Der Blick auf die Pizza-Grafik ist nicht sonderlich erbauend. Der 1. FC Nürnberg scheint, basierend auf den gezeigten Statistiken, eine eher unterdurchschnittliche Saison zu spielen. Der Grund für Platz sechs ist aber vor allem bei den Toren zu finden. Das Team erzielte drei Tore mehr als nach xG wahrscheinlich (xG: ~44, Tore: 47) und fing sich satte zehn weniger (xGa: ~53, Tore: 43).
Was beim Blick in die Daten besonders deutlich wird: Der FCN scheint eine klare Schwachstelle zu haben. Die Werte in den direkten Duellen, Platz 17 am Boden und Platz 18 in der Luft, sind schwach, auch wenn das auf dem Platz einen etwas anderen Eindruck macht. Und so passierte auf der PK vor dem Spiel fast historisches, als Timo Schultz ausnahmsweise mal nicht die „Physis“ als Merkmal bei der Beschreibung des Gegners nannte.
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass der FCN in den direkten Duellen einfach zu bespielen sei (gerade Innenverteidiger Christopher Schindler ist mit 74% gewonnener Duelle hervorzuheben). Im Hinspiel haben sie durch aggressives Anlaufen und knallharte Zweikampfführung im Mittelfeld gezeigt, wie unangenehm sie als Gegner sein können.
Während es bei den meisten Clubs in der Liga Spieler sind, die dem Team ein Gesicht in der Außendarstellung verleihen, dürfte nicht wenigen beim Gedanken an das aktuelle Team des FCN ihr Trainer Robert Klauß einfallen (also in unserem Fall, abgesehen von Mats). Der erlangte vor allem deshalb eher zweifelhafte Berühmtheit, weil er bei der PK nach dem Spiel gegen den FCSP aus der Vorsaison seinen Matchplan mit allerlei Taktik-Vokabular erklärte („breitziehende Zehn“).
Seitdem ist Klauß für viele der Inbegriff des Laptop-Trainers. Für mich steht er aber eigentlich sinnbildlich für eine Generation junger Trainer*innen, die nicht mehr bereit sind Phrasen auf Pressekonferenzen zu dreschen. Klauß steht viel mehr für enorm variablen Fußball, den der FCN unter seiner Führung spielt.
Denn der 1. FC Nürnberg ist, ganz im Gegensatz zum FC St. Pauli, im Vorfeld sehr schwer für den Gegner zu lesen. Robert Klauß lässt sein Team enorm variabel agieren, mal mit Raute, mal im 4-2-3-1 (mit drei „breitziehenden Zehnern“), mal, wie zuletzt gegen Bremen, mit einer Dreierkette. Und so hat Timo Schultz auch noch einige Fragezeichen bezüglich der Formation des FCN („All diese Formationen sind denkbar im Spiel gegen uns„). Das freut Robert Klauß besonders, der auf der PK genau auf diese Flexibilität angesprochen wurde und Timo Schultz mit einem Grinsen bestätigte. Er betonte aber auch, dass zwar die Formation immer wieder verändert wird, sich aber an den Grundprinzipien des Nürnberger Spiels nicht so viel verändere, sondern es dabei eher um die veränderte Raumbesetzung gehe.
„Eine von den drei Formationen wird es werden“ ist dann auch die gemütliche Antwort von Robert Klauß auf die Frage nach der geplanten Formation auf der Pressekonferenz. Explizit wurde er auf die vermeintlichen Probleme des FCSP gegen Dreierketten angesprochen. Hier brachte er das Beispiel Rostock, bei denen dieser Plan gegen den FCSP aus seiner Sicht voll aufging, aber auch das Negativ-Beispiel Regensburg, die ja bekanntlich zur Halbzeit wieder auf eine Viererkette umstellten.
Im Hinspiel wurde die Formation des FCSP mehr oder weniger gespiegelt, der FCN spielte also auch mit einer Raute. Dabei wurde vor allem Druck auf die gegnerischen Außenverteidiger gemacht, was trotz der schnellen 2:0-Führung des FCSP, Wirkung zeigte und zu einem sehr chaotischen Spiel führte. Dieser Druck auf Paqarada hat sich seitdem auch immer mehr bei anderen Gegnern des FCSP durchgesetzt (hier die Analyse des Hinspiels, bei dem ich mich intensiv mit dem Pressingverhalten des FCN befasst habe) und egal mit welcher Formation der FCN nun spielen wird, wir dürfen damit rechnen, dass wir genau dieses Anlaufverhalten wieder sehen.
So ist vor dem Spiel aber trotzdem eher unklar, was genau den FC St. Pauli erwarten wird. Timo Schultz betont auf jeden Fall die individuelle Stärke im zentralen Mittelfeld des FCN mit Mats Møller Dæhli, aber auch Freiburg-Leihgabe Lino Tempelmann (ich möchte da noch Taylor Duman und Tom Krauß hinzu zählen). Gerade in der Offensive verfüge das Team über „kleine, wendige und flexible Spieler“ und auf diese gelte es sich besonders vorzubereiten, führt er aus.
Wenn wir uns an das Hinspiel erinnern, dann dürfen wir uns in jedem Fall auf ein chaotisches Spiel einstellen. Allerdings betonte Klauß, dass diese „Wildheit“ des Spiels der frühen Führung des FCSP geschuldet war, sagte aber auch, dass sein Team mit einem etwas chaotischeren Spiel gut klarkommen würde. Das möchte ich dann doch etwas infrage stellen, da die letzten drei Spiele zwischen den beiden Teams allesamt äußerst wild waren und der FCSP aus diesen Spielen sieben Punkte holte.
Mögliche Aufstellung
Dadurch, dass das Lazarett in Nürnberg nur spärlich gefüllt ist, gibt es in Sachen Aufstellung einige Fragezeichen mehr. Grundsätzlich rechne ich mit einer Dreierkette, auch wenn die Spiegelung im Hinspiel gegen den FCSP eigentlich ganz gut funktioniert hat.
Unabhängig, ob als Rechtsverteidiger in einer Viererkette oder als rechter Flügelverteidiger in einer Fünferkette hat sich Kilian Fischer im Team festgespielt und somit Routinier Enrico Valentini verdrängt. Das ist aus Nürnberger Sicht eine sehr erfreuliche Entwicklung, da gerade diese Position so etwas wie ein wunder Punkt in der Hinrunde gewesen ist.
Aktuell etwas außen vor ist Johannes Geis, der in der Hinrunde noch der Dreh- und Angelpunkt des Nürnberger Aufbauspiels gewesen ist. Momentan haben aber Lino Tempelmann und Tom Krauß die Nase vorn. Ebenfalls etwas außen vor ist Fabian Nürnberger und so werden die immer wiederkehrenden medialen Wortspielchen („Ein Nürnberger aus Hamburg spielt für Nürnberg in Hamburg“) hoffentlich nicht so zahlreich wie sonst.
Besonders groß ist, trotz der Verletzung von Lohkemper, die Auswahl in der Offensive beim FCN: Mit Erik Shuranov, Manuel Schäffler, Nikola Dovedan und Pascal Köpke gibt es im Kader einige wirklich namhafte Stürmer. In der Rückrunde spielte sich aber Eigengewächs Lukas Schleimer stark in den Fokus und so erscheint es durchaus denkbar, dass er als einzige Spitze gegen den FCSP agieren wird.
Auch beim FC St. Pauli ist die Auswahl an Angreifern im Kader groß (Burgstaller, Matanovic, Makienok, Amenyido, Dittgen, Daschner), weil endlich mal alle fit sind. Und wie auch beim FCN hat sich zuletzt ein Spieler in den Fokus gebracht, der lange Zeit keine Rolle spielte: Lukas Daschner konnte gegen Darmstadt nicht nur aufgrund seines Tores beeindrucken. Trotzdem rechne ich nicht mit ihm in der Startelf.
Schuld daran sind die Ausfälle von Jackson Irvine und vor allem Marcel Hartel (die höchstwahrscheinlich von Becker und Buchtmann ersetzt werden). Denn wenn man das Hinspiel betrachtet und den enormen Druck, den der FCN auf das Mittelfeld erzeugte, dann benötigt es eigentlich aufbaustarke Spieler wie Hartel. Da dieser fehlt und nicht wirklich ersetzt werden kann, rechne ich damit, dass der FCSP einen Fokus auf das Überspielen legen wird. Und so rutscht Simon Makienok in die Startelf, der für diese Strategie benötigt wird. Diese hat laut Schultz gegen Sandhausen übrigens nicht so wirklich gut geklappt, weil die Positionierung der Mitspieler nicht optimal war, wenn Makienok mit langen Bällen gesucht wurde.
Nun überlege ich aber schon seit einigen Tagen, ob es eine Formation gibt, in der Daschner, Makienok, Kyereh und Burgstaller zeitgleich auf dem Platz stehen. Und dabei erinnerte ich mich an das erste Spiel, welches es zwischen den beiden Trainern Klauß und Schultz gegeben hat. Da hat sich der FC St. Pauli enorm offensiv und sehr mutig aufgestellt und wurde dafür fast belohnt. Vielleicht gibt es also doch eine Variante mit den vier Offensivspielern in der Startelf.
Was es aber auf jeden Fall nicht geben wird, ist Langeweile. Nicht nur, weil abermals ein chaotisches Spiel zwischen den beiden Teams erwartet werden darf. Auch deshalb, weil es für beide Teams um richtig viel geht, um die gesamte Saison sozusagen. Robert Klauß bezifferte die eigenen Aufstiegschancen auf „drei bis fünf Prozent„, die des FCSP sind durch drei Punkte mehr auf dem Konto natürlich höher. Sicher ist, dass wir das Stadion (ach nee, ich hänge ja in Corona-Quarantäne…), also ihr das Stadion mit mehr Aufstiegshoffnung als aktuell oder mit gar keiner Aufstiegshoffnung mehr verlassen werdet. Ich hätte da einen Favoriten in Sachen Hoffnung…
Forza!
// Tim
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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.
Aufstellungsmöglichkeiten gibt es ja noch einige – ich fände es auch gut, wenn TS & die Mannschaft mal mit einer anderen Formation den Gegner überraschen würde…
Angesichts der Ausfälle könnte sich z.B. das Tannenbaumsystem anbieten, mit Daschner / Kyereh hinter Burgstaller und Buchtmann / Aremu / Becker als ZMs. Wäre nicht so weit weg von der Raute, böte aber dennoch die Möglichkeit, Räume mal anders zu besetzen.
Um alle vier der von dir Genannten unterzubringen müsste es wohl auf ein 3-1-4-2 (3-3-2-2) hinauslaufen, das wäre jedenfalls mein Vorschlag:
Vasilj – Medic, Ziereis, Dwzigala (Beifus?) – Paqarada, Aremu, Zander – Kyereh, Daschner – Burgstaller, Makeniok. Wäre aber schon seehr offensiv, wenn man bedenkt, dass die Flügelspieler ihre Seite komplett alleine beackern.
Ansonsten bin ich vorsichtig optimistisch: Nürnberg ist es bisher selten gelungen, über 90 Minuten auf konstant hohem Niveau zu spielen. Wir werden sicherlich unsere Drangphasen und Chancen bekommen.
Ich sehe Benatelli in der Startelf. Entweder auf der 6 statt Aremu, da der noch nicht ganz fit und auch kein aufbaustarker Spieler ist, oder evtl sogar auf der 8 statt Buchtmann, da der mich in dieser Saison noch gar nicht überzeugen konnte.
So, dann also Daschner, Makienok und Kyereh (ohne den verletzten Burgstaller)?
Mit Makienok und ohne Burgstaller würde dann bedeuten, dass wir ohne Pressung spielen.