Am Donnerstag fand sich eine kleine Gruppe zum Training des FC St. Pauli an der Kollaustraße ein. Mit dabei: Eric Smith, der im Anschluss im Pressegespräch deutliche Worte zur aktuellen Situation des Teams fand.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Seit diesem Sommer ist Eric Smith in einer neuen Rolle beim FC St. Pauli unterwegs: Er wurde von seinen Teamkollegen in den Mannschaftsrat gewählt. Das sei „eine besondere Ehre“, sagt er dazu. Und diese Rolle, die ihm seine Mannschaftskollegen zutrauen, scheint er auch anzunehmen: Nach dem Training schob er noch eine Extra-Einheit. Es ging um den ersten Kontakt, die Vor-Orientierung und das Aufdrehen. Denn auf seiner Sechser-Position sei es „am schwersten mit dem Ball aufzudrehen“. Er müsse daher schneller werden, sich schneller drehen, wie er sagt.
Eric Smith Teil des Mannschaftsrates
Was Smith mit dieser Extra-Einheit auch macht: Vorangehen. Er zeigt seinen Team-Kollegen, dass aktuell etwas mehr getan werden muss als üblich. Und hier wird er seiner Rolle als Teil des Mannschaftsrates gerecht. Das zählt er auch selbst zu seiner neuen Verantwortlichkeit: „Gerade jetzt ist der Zeitpunkt, um einen Schritt voran zu gehen und dem Team so zu helfen“.
Vor dieser Extraschicht fanden sich 15 Feldspieler und drei Torhüter auf dem hinteren Teil des großen Rasenplatzes an der Kollaustraße ein. Erst trainierten die Torhüter ihr Passspiel mit vielen Hindernissen zwischen ihnen, während die Feldspieler ein intensives Warm-up absolvierten. „Intensiv“, weil da auch schon ein paar knackigere Läufe dabei waren. Im Anschluss gab es dann eine Übung mit drei Teams, welches ich mal als „Schweinchen in der Mitte XL“ bezeichnen würde (10 vs. 5). Gewann das „Schweinchen“ den Ball, hatte dieses Team die Möglichkeit auf kleine Tore zu schießen.
Das Training an der Kollausstraße war bereits in vollem Gange als Lukas Daschner mit Athletik-Trainer Christoph Hainc Scheller den Rasen betrat. In Laufschuhen. Kurz schaute er sich das Treiben seiner Kollegen an, die fleißig im 5 vs. 2 unterwegs waren, und ging dann in die Kabinen. Im besten Fall ist das Teil der Belastungssteuerung, aber Infos gibt es dazu (bisher) nicht. Des Weiteren fehlten auch Christopher Avevor, der laut Schultz einen Schritt kürzer treten musste in der Aufbauphase (sagte er letzte Woche auf der PK vor dem Regensburg-Spiel) und Niklas Jessen, der an einer Oberschenkel-Blessur laboriert.
Schultz findet deutliche Worte
Es folgte eine Pass- und Technikübung an dessen Ende jeweils ein Torabschluss stand und über dessen Erfolgsquote ich lieber nicht berichte. Zum Abschluss gab es noch ein kurzes Turnier der drei Teams auf einem kleinen Feld mit großen Toren. Es wurde also jeweils im 5 vs. 5 plus Torhüter gespielt. Nach rund zehn Minuten wurde es etwas lauter, sodass die Worte selbst in der Entfernung klar und deutlich hörbar waren. Timo Schultz hatte genug gesehen und war mit dem Einsatz seiner Spieler nicht zufrieden. Er verlangte lautstark eine „aggressivere und aktivere Körpersprache“ – gesagt, getan. Kurze Zeit später checkte Jannes Wieckhoff Gegenspieler Lars Ritzka ziemlich humorlos um, dann wurde Afeez Aremu gefällt und musste kurz am rechten Fuß behandelt werden. Das Turnier gewonnen hat übrigens Team Gelb mit Carlo Boukhalfa, Franz Roggow, Lars Ritzka, Johannes Eggestein und… Eric Smith.
Smith fiel für das letzte Spiel gegen Regensburg aus, fehlte damit auswärts bereits zum zweiten Mal nach der Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern in dieser Saison. Die Blessuren waren bisher glücklicherweise nur kleinere. Dabei möchte es der 25-jährige belassen, der betont, dass er aktuell viel im präventiven Bereich arbeitet und Fragen zu seinem Gesundheitszustand nur ungern beantwortet, da er sich die letzten Male immer direkt nach einer Presserunde verletzt hatte.
Viel eher, wenngleich vermutlich nicht viel lieber, spricht Smith über die aktuellen Probleme des Teams. Und dabei wird er sehr deutlich:
„Ich denke wir Spieler müssen uns selbst im Spiegel anschauen und uns eingestehen: Im Moment machen wir es nicht gut genug. (…) In der Analyse nach dem (Regensburg-)Spiel konnten wir erkennen, dass die Dinge an denen wir arbeiten, funktionieren. Momentan machen wir Spieler das aber nicht gut genug. Wir haben volles Vertrauen in den Plan der Trainer. Wenn wir die Sachen genauso umsetzen würden, wie wir es planen, dann würden wir uns vermutlich deutlich mehr Torchancen erspielen und wären auch fähig die Null zu halten.“
Eric Smith
Er selbst möchte den Fokus dabei eher auf die Verminderung der Anzahl der Gegentore legen, sagt, dass dies der „einfachere Weg“ sei, um erfolgreich zu sein. Dabei helfen kann die Doppelsechs, mit der das Team seit einigen Wochen spielt. Es ist eine defensivere Formation als die Mittelfeldraute aus der Vorsaison („Wir fühlen uns damit stabiler, wenn wir tiefer stehen und verteidigen.“). Smith selbst mag beide Formationen, hebt aber hervor, dass er mit Jackson Irvine an seiner Seite sehr gut klarkommt („Wir denken Fußball in der gleichen Art und Weise“).
Doppelsechs mit Jackson Irvine gibt dem Team Sicherheit
Die Arbeitsteilung auf der Doppelsechs ist dann aber schon recht klar: Smith übernimmt zumeist den defensiveren Part, damit „Jackson atemberaubende Kopfballtore erzielen kann“, wie er selbst mit einem Lächeln sagt. Doch diese Formation bietet auch ihm die Möglichkeit ab und an etwas offensiver zu werden. Nennenswerte Offensivaktion soll es spätestens dann geben, wenn der FC St. Pauli zu aussichtsreichen Freistoßoptionen auf „seiner“ Seite kommt. Denn Smith hat bei all seinen bisherigen Teams auch die Standards getreten. Nachdem Daniel-Kofi Kyereh den Verein verlassen hat, teilt er sich die Freistöße nun mit Leart Paqarada auf. Doch bisher seien Abschlusspositionen immer auf „Paqas Seite“ gewesen, daher müssen wir uns noch gedulden, um mal einen Smith-Freistoß gen Tor zu sehen. Wie gut er Standards treten kann, hat er aber mit Freistoßflanken gegen Nürnberg und Straelen gezeigt.
Sorgen aufgrund der aktuellen Tabellensitutation macht Eric Smith sich nicht, auch wenn der FC St. Pauli mit zehn Punkten aus neun Spielen eher Kontakt nach unten als nach oben hat. Dazu sei die Liga zu „verrückt“, weil jeder jeden schlagen kann und er erinnert an Schalke und Werder Bremen aus der Vorsaison, die ebenfalls nicht gut gestartet waren. Ein „kleiner Lauf“ reiche schon, um, Smith nutzt hier ein schwedisches Sprichwort, „goldene und grüne Wälder zu erreichen“. Dabei sieht er das Team „auf einem guten Weg“, betont, dass auch der recht junge Kader die Qualität habe, um „die meisten unserer Spiele zu gewinnen“. Doch ehe die Lobpreisungen zu groß werden kommt wieder der mahnende Zeigefinger von Smith als Teil des Mannschaftsrates: „Aber dafür müssen wir eine bessere Performance hinlegen.“
Ich habe bisher nicht allzu viele Presserunden mitgemacht. Das Gespräch mit Eric Smith war aber sicher das interessanteste. Smith wirkt wie jemand, der spürbar aus dem Schatten der Führungsspieler der letzten Saison getreten ist und nun Verantwortung übernehmen will und sich nicht nur hinter den üblichen Phrasen versteckt, sondern das Team, und damit auch sich selbst, klar in die Pflicht nimmt. Ich mag diese Art zu denken.
// Tim
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Danke Tim, für den Bericht und speziell die Aufarbeitung von der PK Smiths.
Es ist angenehm zu hören, dass zumindest Teile der Mannschaft selbstkritisch mit sich umgehen.
Der Ansatz über eine stabilere Defensive zu gehen, ist allerdings Ewald-alt- hat aber schon mal funktioniert.
Wie sagte meine Omi immer: “ Wir schon schief gehen!“