Ganze zehn Spieler haben den FC St. Pauli nach Ende der letzten Saison verlassen. Sie sind nach Österreich gegangen, zurückgekehrt in die Heimat, in die Bundesliga „aufgestiegen“, in die 3.Liga gewechselt oder der 2. Liga erhalten geblieben. Wir haben mal geschaut, wie es ihnen seitdem ergangen ist.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Ja, der Blick auf die Liste an Spielern, die den FC St. Pauli verlassen, löst bei mir auch ein wenig Wehmut aus. Denn es waren dann doch gleich einige Spieler dabei, die das Team jahrelang geprägt haben und zu denen dann teils eine etwas innigere Bindung aufgebaut wurde.
Entsprechend verfolgen wir natürlich schon etwas genauer den Werdegang dieser Spieler. Wie es bei der Vielzahl an Spielern zu erwarten war, ergibt sich bei der Bewertung der Wechsel ein geteiltes Bild: Einige haben bei ihren neuen Clubs eingeschlagen, andere befinden sich noch im Wartestand und wieder andere sind noch gar nicht spielberechtigt. Schauen wir uns das mal einzeln an:
Philipp Ziereis
Es waren große Worte mit denen sich LASK-Sportdirektor Radovan Vujanović im Zuge der Bekanntgabe des Wechsels von Philipp Ziereis nach Linz zitieren ließ:
„Mit Philipp Ziereis konnten wir einen erfahrenen Innenverteidiger für uns gewinnen, der uns in der Abwehr Stabilität geben wird. Philipp konnte uns nicht nur sportlich überzeugen. Seine Persönlichkeit wird auch abseits des Spielfelds eine echte Bereicherung für unser Team sein. Wir sind stolz, dass er sich trotz anderer Angebote aus dem Ausland für den LASK entschieden hat.“
Damit war klar, dass sie in Linz viel vorhatten mit Ziereis und es sich bei dem Transfer um ein höheres Kaliber gehandelt hat. Nach dem Saisonstart muss man festhalten: Der Erfolg gibt ihnen recht.
Der LASK ist mit famosen 16 Punkten aus den ersten sechs Ligaspielen gestartet, grüßte von der Tabellenspitze. (Fast) Immer mit auf dem Platz: Philipp Ziereis.
Das allein ist auch schon ein persönlicher Erfolg für Ziereis, dessen Körper zu seiner Zeit beim FC St. Pauli nicht immer den Strapazen des Profifußballs standzuhalten schien. So verpasste er nur eine Partie in der österreichischen Bundesliga wegen einer Rotsperre, die er aufgrund einer Notbremse im ÖFB-Cup aufgebrummt bekam (ja, Sperren werden anscheinend auch mit in die Liga genommen). Ansonsten verpasste der inzwischen 29-jährige keine Minute beim LASK und ist unangefochtener Stammspieler.
Doch die starken Leistungen zum Saisonstart haben zuletzt etwas nachgelassen. Das deutliche 1:4 gegen WSG Tirol zuletzt bedeutete die erste Saisonniederlage und ein Grund für diese Niederlage wird an der Defensivleistung festgemacht. Trotzdem: Dem LASK ist ein richtig guter Saisonstart gelungen. Und Philipp Ziereis hat als bester Zweikämpfer seines Teams (74% gewonnene Duelle) großen Anteil daran.
James Lawrence
Der einzige Spieler in dieser Liste, der der 2. Bundesliga erhalten geblieben ist heißt James Lawrence. Er ist nun in Diensten des 1. FC Nürnberg und darf dort zusammen mit Mats Møller Dæhli abhängen. Dem FCN ist es damit gelungen zwei der beliebtesten Spieler des FC St. Pauli der letzten Jahre unter Vertrag zu nehmen.
Sportlich läuft es für den FCN aber nicht so richtig rund. Nachdem letzte Saison lange der Kontakt an die Aufstiegsplätze gehalten wurde, gab es sicher die ein oder andere Person, die für diese Saison auf einen Aufstieg gehofft hatte. Nach neun Spieltagen und zehn Punkten dürfte die Stimmung in etwa so ähnlich sein, wie beim punktgleichen FC St. Pauli.
Lawrence ist seit seinem Wechsel Stammspieler, verpasste nur im Spiel gegen den HSV ein paar Minuten. Statistisch konnte er dabei überzeugen (Top10 in Sachen gewonnene Zweikämpfe, Top3 bei den abgefangenen Pässen). Das Problem des FCN scheint aktuell so oder so eher die eigene Offensive zu sein, die in den letzten sieben Spielen nur fünf Tore erzielte. Lawrence jedenfalls spielt eine wichtige Rolle in Nürnberg.
Finn Ole Becker
Weit weg vom Stammspieler-Dasein ist Finn Ole Becker. Bereits früh in der Vorsaison, nämlich in der Winterpause, wurde sein Wechsel zur TSG Hoffenheim kommuniziert. Und auch wenn er sogar zuletzt beim FCSP in der zweiten Liga eher die Reservisten-Rolle einnehmen musste, so gab es sicher die Hoffnung, dass sein Spielstil in der ersten Liga etwas besser zur Geltung kommen würde.
Am ersten Spieltag der Bundesliga und in der ersten Pokalrunde stand Becker immerhin im Kader der TSG. In den folgenden Ligaspielen fehlte er aber gänzlich im Aufgebot. Stattdessen spielte er zuletzt in der Regionalliga Südwest für die zweite Mannschaft der TSG (vier Spiele, keine Torbeteiligung). Sicher war damit zu rechnen, dass Finn Ole Becker nicht sofort eine zentrale Figur im Hoffenheimer Spiel sein würde. Dass er aber so weit weg ist von Bundesliga-Fußball, weiter noch als mit dem FC St. Pauli, damit hat er vermutlich nicht gerechnet. Die ersten Monate bei der TSG Hoffenheim sind für Becker enttäuschend verlaufen.
Sebastian Ohlsson
Als Letzter der Spieler, die den FC St. Pauli verlassen haben, fand Sebastian Ohlsson einen neuen Arbeitgeber. So neu ist der gar nicht, denn Ohlsson kehrte zurück zu IFK Göteborg, von wo er damals auch zum FC St. Pauli gewechselt war. Nach der für ihn sehr enttäuschenden Nicht-Verlängerung des Vertrages beim FCSP, kehrt er also zurück in die Heimat. Eine schöne Geschichte, dessen erstes Kapitel aber noch gar nicht richtig begonnen hat. Denn Ohlsson ist erst im neuen Jahr spielberechtigt, wird also im Jahr 2022 nicht mehr für Göteborg auflaufen.
Rico Benatelli
Als einer von gleich drei Spielern, deren Verträge beim FC St. Pauli endeten, zog es auch Rico Benatelli nach Österreich. Er unterschrieb bis Ende der Saison 23/24 bei Austria Klagenfurt. Während seine anderen beiden ehemaligen Mitspieler zum Stammpersonal bei ihren Teams zu zählen sind, musste sich Benatelli etwas hinten anstellen. In seinen ersten fünf Ligaspielen wurde er eingewechselt, konnte beim 1:0-Sieg gegen den SV Ried dann das spielentscheidende Tor auflegen. Und auch mit dem vorherrschenden Dialekt bei seinem neuen Arbeitgeber hat er sich bereits vertraut gemacht:
Am siebten und achten Spieltag war Benatelli in der Startelf auf der Sechserposition. Bei seinem zweiten Startelfeinsatz wurde er zur Halbzeit ausgewechselt und saß am letzten Spieltag komplett auf der Bank. Es scheint also weiter schwierig für Benatelli zu sein, der in Klagenfurt aber erheblich mehr Spielzeit sammelt, als zuletzt beim FC St. Pauli. Sein Team steht nach neun Spieltagen im Liga-Mittelfeld, vor dem eines anderen FCSP-Sommer-Abgangs.
Guido Burgstaller
Rapid Wien heißt der neue Arbeitgeber von Burgstaller. Es ist, ebenso wie für Ohlsson, eine Rückkehr, denn der Stürmer spielte dort zwischen 2011 und 2014 sehr erfolgreich Fußball. Da kann die aktuelle Situation sicher nicht ganz mithalten. Der ambitionierte Klub hat einen schwierigen Saisonstart hingelegt, samt Ausscheiden in der Qualifikation für die Conference League. Und im Binnenverhältnis besteht Optimierungsbedarf, wie just erst der kicker beschrieb.
Auch Guido Burgstaller, Kapitän des Teams, konnte diesen schwachen Saisonstart nicht verhindern. In seinen 16 Einsätzen erzielte er vier Treffer Den ersten gab es in der Nachspielzeit zum 1:0 im ÖFB-Cup gegen SK Treibach (3. Liga), wodurch gerade so eine Blamage abgewendet werden konnte. Drei weitere Treffer, zwei in der Liga, einer in der Qualirunde zur Conference League, kamen noch hinzu. Sowohl Burgstaller als auch Rapid Wien hinken den Ansprüchen aktuell gewaltig hinterher.
Christopher Buchtmann
Den Sommer über waren die Instagram-Stories von Christopher Buchtmann voll mit NvdA-Content. Denn der 30-jährige hielt sich unter anderem zusammen mit Jan-Marc Schneider und Robin Himmelmann in Hamburg fit und wartete auf passende Angebote. Zeitweise war der SC Paderborn in der Verlosung, schlussendlich wurde es der VfB Oldenburg, der kurz vor Transferschluss Buchtmann an Land zog (mit Sebastian Schachten ist dort ein alter Bekannter Sportchef).
Die Freude über den neuen Verein von Buchtmann währte nur ganz kurz. Einen Tag nach seinem Transfer wurde Buchtmann im Spiel gegen den MSV Duisburg eingewechselt (er traf dabei auf Aziz Bouhaddouz und Marvin Senger, Marvin Knoll fehlte im Kader). Nach nur 23 Minuten musste er aber wieder raus, Buchtmann brach sich das Wadenbein und wird nun lange ausfallen. Ist das eine bittere Geschichte! Einmal mehr wird Christopher Buchtmann von einer Verletzung ausgebremst. Wir wünschen an dieser Stelle beste und schnelle Genesung!
Daniel-Kofi Kyereh
Völlig utopisch ist es gewesen, dass Daniel-Kofi Kyereh auch in der Saison 22/23 beim FC St. Pauli spielen würde. Vermutlich hätte selbst ein Aufstieg in die Bundesliga nichts daran geändert. Die Liste an Interessenten allein aus der Bundesliga war ziemlich lang: Union Berlin, Mainz 05, VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach, FC Augsburg, Werder Bremen (und ich habe sicher jemanden vergessen). Schlussendlich entschied sich Kyereh für den SC Freiburg und klärte dort erstmal auf, wie sein Name denn nun wirklich ausgesprochen wird. Kolportierte 4,5 Millionen Euro gingen an den FC St. Pauli – ein unfassbar gutes Geschäft für einen Spieler, der zwei Jahre zuvor zum Nulltarif ans Millerntor kam und in dieser Zeit eine ziemliche Säule im braun-weißen Fußballspiel gewesen ist.
Wie weit die Bundesliga und die zweite Liga inzwischen voneinander entfernt sind, zeigt der Transfer von Kyereh ziemlich gut. Denn der womöglich beste Spieler der vergangenen Zweitliga-Saison musste sich etwas hinten anstellen beim SC Freiburg. Zu Saisonbeginn fand er sich auf der Bank wieder, kam über Kurzeinsätze nicht hinaus und spielte Anfang September in der 3. Liga beim Spiel gegen den FC Ingolstadt (ohne Maximilian Dittgen).
Doch dieser „Abstieg“ war so etwas wie der Beginn für seinen persönlichen Aufstieg. In der Bundesliga stand er seitdem zweimal in der Startelf und einen wirklich überzeugenden Auftritt legte der 26-jährige beim Europacup-Auftritt der Freiburger bei Olympiacos Piräus hin (samt Assist zum 2:0). Vieles deutet aktuell darauf hin, dass Daniel-Kofi Kyereh auch eine Liga höher eine gewichtige Rolle spielen wird. Bei einem Team, welches wohl auch diese Saison um die europäischen Plätze mitspielen wird.
Maximilian Dittgen
„Als Führungsspieler vorangehen“ wolle er, sagte Maximilian Dittgen kurz nach Bekanntwerden seines Wechsels zum FC Ingolstadt in die 3. Liga. Dittgen kehrte damit zurück zu „seinem“ Trainer: Unter Rüdiger Rehm spielte er bereits bei Großaspach und Wehen Wiesbaden. Das kam schon etwas überraschend, da Dittgen auch Interesse aus der 2. Liga auf sich zog und ihm auch ohne jeden Zweifel eine gute Rolle in dieser Liga zuzutrauen gewesen wäre.
Nun also der FC Ingolstadt, der gerne wieder direkt zurück in die 2. Liga möchte. Der Saisonstart des Teams ist eher durchwachsen, die Schanzer liegen aktuell auf dem achten Tabellenplatz. Und Maximilian Dittgen hat das bisher alles von der Tribüne aus beobachten müssen. Zuerst zwang ihn eine Oberschenkelverletzung zu einer längeren Pause. Nachdem er Anfang September gerade wieder ins Training eingestiegen war, folgte eine Muskelverletzung, die sogar eine Operation notwendig machte. Wir wünschen gute und schnelle Genesung nach Ingolstadt!
Simon Makienok
Mit etwas mehr Wehmut als bei so manchem anderen Spieler, wurde Simon Makienok beim FC St. Pauli verabschiedet (zumindest digital, da es keine Verabschiedung im Stadion gab). Der inzwischen 31-jährige war lange auf Vereinssuche, wurde zwischendurch hoch gehandelt beim KSC, während er sich nach Dänemark zurückzog und seine Bude renovierte.
Am vorletzten Tag des offenen Transferfensters gab es dann erfreuliche Nachrichten: Makienok hatte mit dem Aufsteiger AC Horsens einen neuen Klub gefunden und brachte kurze Zeit danach im Inteview mit Tipsbladet noch einmal seine Enttäuschung über den Ablauf der Nicht-Verlängerung seines Vertrages beim FCSP zum Ausdruck („Mir wurde über einen Großteil des Frühlings gesagt, dass mein Vertrag verlängert werden soll.“). In Horsens hat er es seitdem auf drei Kurzeinsätze in der Liga gebracht (Horsens steht aktuell auf dem sechsten Platz in der 12er-Liga) und lief eine Halbzeit für das Reserve-Team auf. Ob die Fans in Horsens Gesänge aus dem Millerntor übernommen haben, ist bisher nicht bekannt…
Das war schon ein ereignisreicher Sommer, was die Kader-Veränderungen angeht. Und bei dem ein oder anderen Spieler ist es schon schade, dass sie sich nun „nur“ noch in der NvdA-Rubrik befinden. Wir werden die Wege dieser Spieler in jedem Fall weiter eng begleiten und wünschen sportlich wie persönlich viel Erfolg!
// Tim
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Also wenn ich mir die bisherige Bilanz so anschaue, hat Bornemann da nicht so viel falsch gemacht. Alles nette Jungs mit alten Problemen bei neuen Vereinen.
Naja, Ziereis oder vor allem Lawrence mit ihrer Erfahrung hätten unserer jungen Abwehr sicher in einer Situation wie jetzt durchaus gut getan. Denke der Umbruch war ein bisschen zu schnell. Hätte nicht geschadet einen der beiden noch für 1-2 Jahre zu halten.
@Tim: Hast du Christian Viet vergessen? Den vermisse ich aktuell eigentlich mindestens genauso wie einen der Innenverteidiger. Gerade wenn Irvine nen Teil der Doppelsechs gibt. Mit dem Jungen haben wir das nicht so besonders hinbekommen. Verleihen um Erfahrung und Spielpraxis zu bekommen? Check, hat geklappt. Und danach ? Schade drum.