Aufbaugegner FC St. Pauli?

Aufbaugegner FC St. Pauli?

Vor dem Auswärtsspiel bei Arminia Bielefeld, das aktuell auf dem letzten Platz liegt, stelle ich mir mal wieder die Frage: Ist der FC St. Pauli der perfekte Aufbaugegner für kriselnde Teams? Teile der Antwort könnten Sie verunsichern.

„Auswärts beim Tabellenletzten? – Das steht im Drehbuch, dass der FC St. Pauli da verliert, Diggah! Das Team ist der perfekte Aufbaugegner!“ So ist die These. Und sie ist gewagt. Oder etwa nicht? Zeit für ein Blick in die letzten 15 Jahre, voller schmerzhafter Erinnerungen.

Bevor ich hier aber jetzt einfach mal die nackten und schmerzlichen Zahlen präsentiere, muss ich einmal erklären, was diese Zahlen aussagen und was nicht. Um die These „Der FC St. Pauli ist Aufbaugegner für kriselnde Teams“ zu untersuchen, habe ich nachgeschaut, wie gegen Teams gespielt wurde, die zum Zeitpunkt des Spiels auf Platz 16 bis 18 in der Liga lagen. Das aber erst nach dem fünften Spieltag, da die Tabelle davor noch eher wenig Aussagekraft besitzt.

These: „Gegen Krisen-Teams ist auswärts nichts zu holen“

Damit eine Vergleichbarkeit gegeben ist, habe ich mir zusätzlich die Statistik angeschaut, wie viele Punkte der FCSP gegen Teams holte, die zum Zeitpunkt der Partie im Tabellenmittelfeld lagen (Platz 8-12). Und natürlich bietet es sich auch an, einfach mal die generelle Punkteausbeute auf fremden Plätzen anzuschauen. Alles seit der Saison 07/08, also seit der FCSP nach dunklen Jahren wieder in der zweiten Liga angekommen war. Warum nicht vorher? Weil kein Bock auf noch mehr Zahlensuche. 15 Jahre müssen reichen, habe ich mir gedacht. Und da ich zwischendurch auch „DU MEINE GÜTE!“ stöhnte, weil ich zu oft an Niederlagen erinnert wurde, hatte ich die Motivation verloren.

Sicher ist, dass nicht jedes Team auf den Plätzen 16-18 auch zum jeweiligen Zeitpunkt gerade so schlecht war, dass es einen Aufbaugegner gebraucht hätte. Und einige Teams brauchten (und bekamen) ihn, obwohl sie nicht so weit unten standen. Jahn Regensburg in dieser Saison ist ein gutes Beispiel: Die hatten sechs Spiele lang kein einziges Tor erzielt, lagen aber auf Platz 14 als sie den FC St. Pauli empfingen – und gewannen mit 2:0. Da würde ich schon davon sprechen, dass der FCSP in gewisser Weise ein Aufbaugegner war. In die Statistik ist dieses Spiel (glücklicherweise) nicht eingegangen.

So ist die Herleitung der Zahlen für die Antwort auf die These wackelig, keine Frage. Und trotzdem schauen wir uns die Zahlen mal genauer an. Ich habe mit der Zahlensuche angefangen, weil ich endlich was in der Hand haben wollte, um all jenen, die sagen/schreiben, dass der FC St. Pauli der perfekte Aufbaugegner ist ein „Stimmt nicht!“ entgegenzuschmettern. So war zumindest der Plan…

Auswärts insgesamt: 1,1 Punkte pro Spiel

In den letzten 15 Jahren hat der FC St. Pauli auf fremden Plätzen im Ligabetrieb pro Spiel durchschnittlich 1,1 Punkte geholt. Das ist eine bescheidende Quote, aber der FCSP ist bekannt für seine notorische Auswärtsschwäche. Übrigens ist die bisherige Punkteausbeute in dieser Saison (0,33 Punkte pro Spiel) der schlechteste Schnitt, den es in den letzten 15 Jahren gab. Schlechter noch als die 0,53 Punkte pro Spiel unter Jos Luhukay (wo wir übrigens einen Punkt in Bielefeld holten). Herausragend waren wiederum die 1,76 Punkte pro Spiel in der Aufstiegssaison 09/10.

Diese 1,1 Punkte pro Spiel stellen also den Mittelwert von allen Auswärtspartien des FC St. Pauli dar, unabhängig vom Tabellenplatz des Gegners. Da sollte man also meinen, dass es gegen stärkere Teams im Schnitt etwas weniger und gegen schwächere Teams etwas mehr Punkte pro Spiel geben sollte.

Auswärts gegen Platz 16-18: 1,0 Punkte pro Spiel

Aber nein, so ist es nicht! Gegen Teams, die in der Liga zum Zeitpunkt des Spiels auf einem der letzten drei Plätze standen, hat der FC St. Pauli weniger Punkte pro Spiel geholt, 1,0 nämlich (Gesamtzahl Spiele: 35). Da waren so schmerzhafte Dinger dabei wie das 0:1 beim FSV Frankfurt kurz vor Weihnachten 2008, welches nur nicht ganz so wehtat, weil der FCSP Ostern 2008 beim Schlusslicht SC Paderborn 1:4 verlor. Oder das 0:1 beim neun Spiele sieglosen FC Ingolstadt 2011. Oder, ein echter Klassiker, das 0:3 in Aue in der Saison 14/15. Das 0:4 in Fürth im Herbst 2017 markierte den Anfang vom Ende von Olaf Janßen. Und das 0:4 in Sandhausen direkt nach dem 0:4 im Derby war sicher auch einer der schmerzhaften Tiefpunkte.

Der FC St. Pauli holt also auswärts durchschnittlich weniger Punkte gegen Teams, die im Tabellenkeller stehen, als insgesamt. Ich habe das mal mit einer Vergleichsgruppe angeschaut: Gegen Teams, die zum Zeitpunkt der Partie auf den Plätzen 8-12 standen, holte der FCSP knapp 1,3 Punkte pro Spiel, also doch deutlich mehr (Gesamtzahl Spiele: 57).

Die Zahlen zeigen es also schon deutlich, wenn man mal einige Gesetze der Statistik ignoriert (Gegenrede unerwünscht, I want to make a point here!): Der FC St. Pauli ist ein ziemlich guter Aufbaugegner, wenn er bei kriselnden Teams zu Gast ist. Und damit viel Spaß in Bielefeld…

Im Ernst: Ist natürlich völlig wumpe, wie in den zig Jahren zuvor auswärts und gegen wen gespielt wurde (fundiertes zum Spiel findet ihr im Vorbericht). Völlig egal, was so ein paar zusammengewurstete Statistiken ergeben. Ich habe das trotzdem gemacht. Denn die Englische Woche fordert auch von meinem Hirn einiges ab, da ist am Freitagnachmittag eigentlich nur noch ein Affe mit ’ner Trommel drin, der das Atmen rhythmisch begleitet.
Fahrt also bitte einfach nach Bielefeld und holt drei Punkte! Forza!
// Tim

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6 thoughts on “Aufbaugegner FC St. Pauli?

  1. Wenn es wirklich egal ist, was die Zahlen und Statistiken sagen, dann dürfte dieser Satz:

    „Das ist eine bescheidende Quote, aber der FCSP ist bekannt für seine notorische Auswärtsschwäche.“

    keinen Sinn machen, denn er würde suggerieren, dass es da eine Gesetzmäßigkeit gäbe.

    Und trotzdem ist es so, dass bestimmte Dinge hier über Jahre konserviert scheinen, ohne dass es eine Rolle spielt, wer auf dem Platz und an der Linie steht, oder den Kader zusammenstellt. Es sei z. B. die nun jahrelange Gesetzmäßigkeit genannt, nach der die Mannschaft es nicht schafft, eine konstante Hin- und Rückrunde auf dem Platz zu bringen. Oder ist das alles ein blöder Zufall und jene notorische Auswärtsschwäche eben auch?

    Es ist keine rhetorische Frage. Ich weiß es nicht.

    Als Mutmacher für Samstag denke ich an den Rückrundenbeginn der im Text genannten Saison 09/10. Es ging auch eben anders.

  2. Vom Gefühl her bestätigt sich deine Statistik ja auch. Wobei wir auch daheim schon gute Aufbauhilfe für angeschlagene Gegner geliefert haben.

    Ich denke, heute kommt es auch darauf an, wie Bielefeld die Niederlage im Pokal weggesteckt hat, ob sie sagen „jetzt erst Recht“ oder die Motivation total am Boden ist.
    Dazu kommt allerdings noch, dass wir auf der Alm ja nie so erfolgreich waren, hatte mal geschaut, 2017/18 war mal ein 2:1 Sieg sogar drin. Aber ansonsten verbinde ich die Alm immer mit 1:0 Führung und spätem Ausgleich.

    Vielleicht hat Daschner aber auch den Torriecher entdeckt und ballert heute alles in Grund und Boden!

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