FC Lugano – FC St. Pauli 2:7 (2:5) – ein Reisebericht

FC Lugano – FC St. Pauli 2:7 (2:5) – ein Reisebericht

Luca reiste zum ersten Testspiel des FC St. Pauli im Jahr 2023, welches am Samstag im Meliá Villaitala Football Center in Benidorm gegen den Schweizer Pokalsieger FC Lugano stattfand.
(Alle Fotos: (c) Luca)

„Cocaina“ und Reiseplanung

Der erste Schmunzler kam schon kurz vor Ankunft an der Costa Blanca, als man in den spanischen Twittertrends das Wort „Cocaina“ entdeckte. Ich stieg aus dem Bus und stand in meinen „deutschen Herbstklamotten“ bei 20 Grad in knallender Sonne. 

Überdimensionale Buchstaben BENIDORM in der Mitte eines Kreisels vor einem Springbrunnen und der Skyline.

Ich muss aber für die Leser*innen noch kurz als Info zwischenschieben, dass ich nicht mit dem Bus aus Hamburg angereist bin. Kurz nach der Bekanntgabe des Vereins, die erste KW des Jahres 2023 in Benidorm zu verbringen, checkte ich sofort die Flugverbindungen. Beim ersten angedachten Spiel gegen Werder Bremen, am 04. Januar, hätte ich nicht dabei sein können und so plante ich meine Anreise für dieses zweite Spiel, welches damals für Sonntag, den 08.01. angedacht war. Die Flugpreise von Hamburg nach Valencia und zurück waren echt eine Frechheit und bodenlos. So bastelte ich mir eine wesentlich günstigere Alternative via Madrid zusammen. Per Flugzeug ging es nach Madrid, von dort aus per Zug nach Valencia und am nächsten Vormittag mit dem Bus nach Benidorm. Der Rückflug sollte dann aber ab Valencia sein. Dieser ganze Plan B, inklusive der Übernachtung in Valencia, war immer noch wesentlich günstiger als die erste Option. Absurd.

Umso erfreulicher war es (für mich persönlich), dass das Spiel gegen Werder Bremen abgesagt und das zweite Spiel (jetzt stand auch der FC Lugano als Gegner fest) auf Samstag 14:00 Uhr vorgezogen wurde. Positiv stimmte mich auch die Änderung, dass die 3x45min Spielzeit auf 2x60min „reduziert“ wurde.

Sightseeing

Der Busbahnhof war ca. einen Kilometer vom Stadtkern entfernt und so schlüpfte ich in sommerliche Klamotten und machte mich auf den Weg in die Stadt. Das hatte schon ein bisschen das Feeling vom Europapokal. Wie ging noch gleich das Lied von dieser einen Woche Sandstrand…?
Benidorm ist relativ überschaubar. Den Spaziergang an der Playa de Llevant bis zum „Balcón del Mediterráneo“ kann man schon mal machen. Leider hörte ich vor Ort wenig spanisch, sondern eher deutsch und englisch. Wer dort hinfährt, sollte dies im Hinterkopf behalten. Ebenso hatte ich das Gefühl, einer der jüngeren Menschen hier zu sein. Das Durchschnittsalter war schon höher als gedacht.

Strandpromenade und Hotelskyline in Benidorm

Nach kurzem Blick auf die Uhr brach ich zum Hotel der Mannschaft und dem Spielort auf. Es war 12:50 Uhr und vom Stadtkern bis zum Hotelgelände waren es fast genau 5km. Eigentlich wollte ich die Strecke zu Fuß laufen. Nach dem ersten Kilometer und auf der Höhe des Busbahnhofes merkte ich, dass es knapp werden und ich sogar zu spät kommen würde. Wenn man jetzt noch 20 Grad und meinen dicken Rucksack mit meinen Wechselklamotten als Faktor mit einrechnet, wäre dies ein schweißtreibendes Unterfangen. Also positionierte ich mich an der Hauptstraße und winkte das erste Taxi raus, das mich nach acht Minuten an der Einfahrt des Meliá Villaitala rauswarf.

Sportanlage Meliá Villaitala

Mein erster Eindruck vom Hotel? Geiles Ding und passt mit seinem Stil perfekt an die südliche Küste Spaniens. Nun stand ich da und wusste nicht wohin. Kurz darauf erblickte ich einen älteren Mann in FC Lugano Trainingsuniform und folgte ihm hinter das Hotel. Über die große, menschenleere Swimmingpool-Anlage ging es auf die beiden Fußballplätze. Gefühlt waren nur die beiden Mannschaften und vereinzelte Gäste im Hotel. Es sei wirklich ruhig und manchmal gespenstisch, sagte er.

Schnell fiel man auf und man wurde von zwei, drei Leuten des eigenen Vereins begrüßt und kam ins Gespräch. Nach einem „Fist-Bump“ mit Marcel Hartel machte ich mich auf den Weg auf die andere Seite des Sportplatzes. Auf dem Weg rüber erblickte ich einige Leute vom FC St. Gallen, die ihr Trainingslager in Algorfa aufschlugen, etwa eine Stunde von Benidorm entfernt. Da Betim Fazlij als Eigengewächs der Schweizer letzte Saison noch für sie spielte, fand ich den Besuch ganz schön. Auch ein kleines Zeichen, dass man einen Spieler nicht sofort nach dem Wechsel vergisst. Auch der FC Lugano hatte mit Babić einen ehemaligen St. Galler im Kader.

Da es hier keine richtige Sitzmöglichkeit oder Art Tribüne gab, stellte ich mich mit einer handvoll anderen FCSP-Fans, die eine Woche in Südspanien ihren Urlaub verbrachten, am Spielfeld auf. Bei strahlender Sonne wurde das Spiel angepfiffen. Die Startaufstellung war erst einmal mit den bekannten Namen, nichts besonderes. Die Neuzugänge würden wohl nach und nach eingesetzt werden und Sascha Burchert postierte sich zwischen den Pfosten. Nikola Vasilj war am Tag zuvor auf Grund eines Trauerfalls in der Familie vorzeitig abgereist (Dir viel Kraft, Niko!).

Ich ging am Spielfeldrand entlang und stellte mich kurz auf die andere Seite des Platzes. Im Hintergrund der Meliá Villaitala konnte man „Mojón“ erblicken. Eine kleine Bergkette bot ein hübsches kleines Panorama, sie wird auch oft bewandert und die Spitze „erklommen“. Mit seinen 440m durchaus ein machbares Ding und eventuell eine Idee, wenn man im nächsten Wintertrainingslager wieder herkommen sollte.

Das Spiel

Im Vordergrund der Rasenplatz des Hotels, im Hintergrund die Bergkette.

Ehe man sich versah, stand es auch schon 2:0 für die Boys in Brown. Nach dem vierten Tor rieb man sich kurz die Augen und fragte sich wirklich, ob gerade in der 25. Minute (!) das vierte Tor für uns gefallen war. Irgendwie konnten wir die Sturmflut an Angriffen und den Druck des FCSP nicht ganz verarbeiten und selbst die Nachfrage eines englischen Groundhoppers aus Kent, ob es jetzt wirklich 4:0 stehe, konnte man nicht sofort beantworten und überprüfte dies auf dem YouTube-Livestream.
Tatsächlich. Es stand 4:0.
Dabei fiel uns auf, dass der Livestream ca. 20 Sekunden Verzögerung hatte. Aber dies ist wohl aus technischen Gründen normal – und SkyGo-Abonnent*innen wären wohl froh, wenn das bei ihnen auch nur 20 Sekunden wären.

Zurück zum Spiel: Sehen wir da gerade den zukünftigen Europapokal-Teilnehmer mit Fabian Hürzeler am Spielfeldrand? Als der FC Lugano zwischen Minute 40 und 48 auf 4:2 verkürzte, reduzierten wir die Ambitionen auf die Meisterschaft der 2. Liga. Nach dem 5:2 von Dźwigała vor dem Ende der ersten Hälfte zogen wir trotzdem ein positives Fazit daraus, ebenso die Theorie, dass man Dźwigała in der Woche des Trainingslagers heimlich zum Stürmer umgeschult hat.

Es folgten einige Wechsel und Maurides wurde mit Elias Saad in der Offensive eingesetzt. Der erste Eindruck von Maurides? Maschine. Breites Kreuz, schnell und kann schießen. Seine höchste gemessene Geschwindigkeit waren 32km/h, erzählte er mir nach dem Spiel.
Und Elias Saad? Kann echt gut mit dem Ball umgehen und mit seiner Wendigkeit ist er bestimmt eine wertvolle Waffe für die Rückrunde. Wie er einige Spieler von Lugano stehen ließ, da klatschten auch wir am Seitenrand Beifall. In den ersten zehn Minuten der zweiten Hälfte erzielte Eggestein das 6:2 und dann war die Messe so gut wie gelesen. Das Spiel plätscherte so vor sich hin und die Schweizer hatten auch nicht mehr wirklich etwas entgegenzusetzen. Kurz vor Schluss knallte Franz Roggow den Ball zum 7:2 sehenswert in den Winkel.

Leart Paqarada vor der Ausführung einer Ecke.

Wird jetzt alles gut?

Ein 7:2 sieht man nicht alle Tage, auch nicht bei einem Testspiel zweier Profimannschaften. Zwar gilt es natürlich zu sagen, dass man Testspielergebnisse nicht zu hoch hängen sollte, aber es sah schon relativ gut aus, was wir da auf dem Rasen sahen. Die intensive Woche mit bis zu zwei Einheiten täglich scheint sich ausgezahlt zu haben. „Train hard, fight easy“, würde man da wohl sagen. Ich war trotzdem ein bisschen überrascht, dass der FC Lugano nicht „auf der Höhe“ war und dies viel zu einfach schien.

„Die waren schon vor dem Spiel platt. Gestern Abend waren Sie in der Stadt, Party machen“, sagte mir einer unserer Boys in Brown nach dem Spiel mit schüttelnden Kopf. „Wer macht denn sowas vor einem Testspiel? Das kann man doch heute Abend machen, da man eh am nächsten Tag frei hätte.“

„Der FC St. Pauli hat die Begegnung angenommen wie eine Meisterschaft und hat uns die ersten 30 Minuten überrollt“, erzählte mir der Trainer des FC Lugano. „Da waren meine Jungs überfordert. Das ist okay. Sie müssen das lernen. Wir mussten viele Stammspieler verletzt in Lugano lassen und der Kader bestand aus sehr vielen Spielern aus der Reserve und Jugend.“
Die Nachfrage, ob da auch die Party von gestern Abend eine Rolle gespielt haben könnte, ersparte ich mir.

Maurides wurde während der zweiten Halbzeit ausgewechselt und kam mir nach dem Spiel mit einem dicken Kühlpack entgegen. Ich machte große Augen und mir blieb kurz das Herz stehen. Da hat man schon einen Mittelstürmer geholt und dann das?! „Keine Sorge. Ist nicht so schlimm wie es aussieht“, beruhigte mich Maurides und stieg in den eiskalten Pool des Hotels. Elias Saad, Lennart Appe und Jannes Wieckhoff gesellten sich dazu.

Die vier Spieler Saad, Wieckhoff, Appe und Maurides in Sportklamotten im Swimming Pool.
Saad, Wieckhoff, Appe und Maurides (von links)

Nach 15 Minuten Klatsch und Tratsch verzogen sich die Jungs in ihre Zimmer zum Duschen, ehe sich die Mannschaft zum Abendessen traf. Morgen sei trainingsfrei, sagte Maurides. Mein Vorschlag, dass man in die Stadt zum spazieren gehen reinfahren könnte und bei super Temperaturen eventuell ein kleiner Strandbesuch möglich wäre, nahm er mit Interesse auf. Er hätte keine privaten Klamotten mit, lachte er. Er fragte mich, wie ich zurück in die Stadt fahren würde. Auf meine Antwort, dass ich zu Fuß gehen würde, wurden seine Augen ganz groß. „Nimm ein Taxi.“„Ich hab noch zwei Stunden Zeit bis mein Bus zurück nach Valencia fährt. Das passt.“ Sein kopfschüttelndes Lachen ist ansteckend. (Die Zusatzinfo, dass ich mir die zehn Euro Taxikosten sparen wollte, lies ich aus). Die Sonne verschwand und es wurde kälter. Wir verabschiedeten uns und ich machte mich auf den Weg, die Avenida entlang gen Busbahnhof.

Als ich im Bus Richtung Valencia saß, konnte ich zwei Stunden lang meine Gedanken und Eindrücke des heutigen Tages auf mich einwirken lassen. Ich weiß, dass die Entlassung von Timo Schultz für viele Fans immer noch ein hochemotionales Thema ist und verstehe beide Seiten in ihrer Argumentation. Wir können das Rad aber nicht mehr zurückdrehen und müssen jetzt Fabian Hürzeler und seinen Trainerstab zu 100% unterstützen. Auch wenn man jetzt dieses deutliche Resultat nicht überbewerten sollte, haben mich viele Aktionen im Spiel beeindruckt und lassen mich optimistisch nach vorne schauen. Die Mannschaft ist richtig gut. Wir haben heutzutage Spieler mit einer Qualität im Kader, von denen hat man vor 15 Jahren noch geträumt. Ich bin mir sicher, dass in der Rückrunde mehr Spiele gewonnen und wir uns an der Mannschaft (wieder) erfreuen werden. Aus diesem Negativtrend kommen wir wieder raus. Ich glaube dran.
Forza St. Pauli!
// Luca

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One thought on “FC Lugano – FC St. Pauli 2:7 (2:5) – ein Reisebericht

  1. Vielen Dank für den Reisebericht, für ein Testspiel nimmst du wirklich einiges auf dich! Ich hätte mir ja wenigstens noch einen sonnigen Tag zusätzlich gegönnt – immerhin konntest du dich an der Leistung der Mannschaft wärmen.
    Ich fand auch, dass das Spiel gut anzuschauen war, auch wenn man im zweiten großen Abschnitt gemerkt hat, dass die Abstimmung nicht ganz so gut war und offenbar Hürzeler auch die Ansage gemacht hatte, das Pressingverhalten zu ändern. Was mir generell gut gefällt, ist die Konsequenz, mit welcher Hürzeler spielen lässt. Es war auch schon gegen Union phasenweise zu sehen, dass die Mannschaft wirklich bemüht ist, durchgängig offensiv zu denken und zu spielen, früh zu pressen und kritische Situationen nach vorne aufzulösen. Insgesamt wirkt das Spiel auch wieder schneller und dynamischer. Mir gefällt auch die Umstellung auf das atypische 3-4-3.
    Nimmt man die Chancen, die Lugano durchaus auch in HZ 1 hatte, dann ist das Ergebnis sicherlich zu hoch ausgefallen. Aber des Trainers Ausrede, es hätte quasi eine B-Mannschaft auf dem Platz gestanden, kann man für die ersten 60 Minuten nicht stehen lassen. Da spielte schon so ziemlich alles, was bei denen Rang & Namen hatte (TMs Marktwerte sind ja nur mit großer Vorsicht zu genießen, dennoch ist es mehr als ein Fingerzeig, dass der MW der Luganoer in den ersten 60 Minuten über unserem lag)… die Party finde ich schon glaubwürdiger: Den Eindruck, dass deren Jungs das Spiel nicht so ganz ernst genommen haben, hatte ich im ersten Viertel recht deutlich.

    Was mich noch interessieren würde, wäre dein Eindruck von Appe: Mit Ball fand ich ihn bärenstark – selbst unter Druck erstaunlich ruhig und abgeklärt, meistens dann noch mit dem Auge für den konstruktiven Ball nach vorne, ohne dass ich mich an Fehlpässe seinerseits erinnern kann. Der war mir gegen Union schon positiv aufgefallen.

    P.S. Schön zu sehen übrigens, dass Medic wieder auf dem Platz stand!

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