Bericht von der Kollaustraße, 11.01.2023

Bericht von der Kollaustraße, 11.01.2023

Der FC St. Pauli startet nach dem Trainingslager in die letzte Phase der Vorbereitung. Ein Besuch an der Kollaustraße brachte dabei Anstrengendes, Erhellendes und Ernüchterndes.

Mimimi

Jaja, die guten Vorsätze und so. Wie habe ich sie gehasst, als ich gestern morgen erst aus dem Fenster und kurz danach, bereits massiv gefrustet, auf das Regenradar schaute. Aber es nützte nix, die Tour war fest eingeplant, der Vorsatz nun wieder häufiger an die Kollaustraße zu kommen ist vorhanden. Da wird mich doch so ein bisschen Regen nicht aufhalten, oder? ODER?! Naja, ich wartete lieber noch ein bisschen. „Hört bestimmt gleich auf!“ dachte ich, starrte rund 15 Minuten auf die Pfütze vor meiner Haustür und versuchte die Tropfenstärke und -dichte zu interpretieren. Lässt der Regen nach? Doch das einzige was weniger wurde, war die Zeit bis zum Trainingsstart. Es musste losgehen.

So richtig Regen kann man es beim Fahrradfahren eigentlich erst nennen, wenn die Tropfen vom Helm ins Gesicht blubbsen oder sich während der Fahrt den Weg, kalt und nass wie sie nunmal sind, vom Helm über die Kapuze in den Nacken und dann den Rücken hinunter suchen. Das untrüglichste Zeichen für heftigere Regengüsse während einer Radtour ist die nasse Hose an den Oberschenkeln (jahaaa, Regenhose, ich weiß…). Die klebt dann so richtig schön den ganzen restlichen Tag vor sich hin. Herrlich… nicht!

Mimimimimimi

Genug der Klage, genug des Mimimi – immerhin erlaubt es mir mein Job tagsüber zur Trainingsanlage des FC St. Pauli zu fahren. Aber Halt! Einmal muss ich noch losjammern: Angekommen an der Kollaustraße, alle Attribute eines nassen Sackes erfüllend und mit Matschsprenklern bis hoch ans Knie bedeckt, musste ich festellen, dass der Rasen im vorderen Bereich des Platzes ausgetauscht wird. Dort wo sich nun kein saftig grüner Belag, sondern nur eine matschige Unterlage befand (komplett mit Wasser getränkt, klar), hatte ich eigentlich eine ganze Menge sich bewegender Fußballschuhe erwartet…

Aber nein, der gute Vorsatz, er wurde auf eine harte Probe gestellt: Der FC St. Pauli sollte weit hinten auf dem Platz trainieren. Dort, wo der Unterschied zwischen Connor Metcalfe und Lars Ritzka nur anhand der Schuhe erkennbar ist und bei all den bunten Farben der Treter komme ich nicht mehr mit. Dort, wo man sich aus der Ferne zwischendurch fragt, ob da nun plötzlich ein neuer Testspieler rumtanzt oder aber nur einer seine Trainingsjacke ausgezogen hat.

Hamburg, Deutschland, 11.01.2023 - Der Rasen am Trainingszentrum des FC St. Pauli an der Kollaustraße wird ausgetauscht.
„Wo Profisportler ihre Fähigkeiten auf höchstem Niveau präsentieren sollten, zeigte sich am Mittwoch nur brauner Matsch“ und so weiter und so mimimi…

MimimimimimimimiMIMIMIMIMIIII!!!

Ehe das Training startete, war die Enttäuschung bereits maximal groß. So stand ich also zwischen allerlei großen und kleinen Geräten zur Bearbeitung von Rasenflächen, während sich eine Vielzahl von Spielern durch diese Masse an brummenden Maschinen schlängelte und weit hinten verschwand und ich so ernüchtert, nass und erschöpft war, dass ich nichtmal ein Winslet-mäßiges „Kommt zurück!“ stammeln konnte. Mimimi-Ende.

Eggestein fehlt, Hartel läuft

Insgesamt 25 Spieler nahmen am Training teil. Gar nicht gesichtet wurden Franz Roggow, Niklas Jessen, Christopher Avevor und Johannes Eggestein. Auch Lennart Appe, der im Trainingslager noch Teil des Kaders war, fehlte. Ebenfalls nicht am Mannschaftstraining nahmen Marcel Hartel und David Nemeth teil. Beide waren aber während der Einheit mit Laufschuhen auf dem Platz unterwegs.

Im Verlauf des Trainings stiegen weitere Spieler aus: Luca Zander beendete die Einheit nach etwa 30 Minuten und drehte anschließend noch ein paar Runden. Zur selben Zeit stieg auch Eric Smith aus, der dann aber direkt in der Kabine verschwand. Nach rund einer Stunde folgte ihm Etienne Amenyido und Afeez Aremu tat Gleiches nach knapp 90 Minuten. In allen Fällen wage ich mal die Prognose, dass es sich um Belastungssteuerung handelte, denn Zander, Smith und Amenyido hatten auch in Benidorm reduziert oder gar nicht trainiert.

Vier Kurzarbeiter

Moment mal! Aremu beendete die Einheit nach 90 Minuten? Ja, das bedeutet, dass das Training länger gewesen ist. Fast zwei Stunden ackerten die Spieler auf dem hinteren Rasen. Und „ackern“ ist hierbei das richtige Wort. Denn die Einheiten unter der Leitung von Fabian Hürzeler sind sehr intensiv. Eine Trainingslänge von zwei Stunden scheint aktuell üblich zu sein und ebenso üblich ist es, massiv pumpende Spieler zu sehen, die in den kurzen Pausen ihre Hände auf den Oberschenkeln abstützen. Kurzum: Es geht richtig zur Sache an der Kollaustraße.

Zu Beginn stand eine kurze Herausforderung an, bei dem die Spieler einen Ball in eine gewisse Zone passen mussten, um sich für das Warm-up zu „qualifizieren“. Will sicher niemand wissen, aber Maurides und Aremu schafften das zuletzt. Es folgte fast eine Stunde mit Trainingsformen, die sich bis runter zur Bezirksliga vermutlich nicht unterscheiden: Erst gab es die üblichen Läufe zum Warmwerden, dann eine Passübung mit verschiedenen Stationen, gefolgt von „Schweinchen“. Auffällig war dabei die Präzision mit der Co-Trainer Peter Németh die Übungen anleitete.

Tor geschossen? Dann Glückwunsch zum Vollsprint!

Nach knapp einer Stunde ging es in einem 11-gegen-11 auf einem Platz in fast kompletter Länge weiter. Der Fokus lag dabei klar auf den Abläufen im 5-2-3, was ich eigentlich inzwischen eher als 3-4-2-1 bezeichnen möchte. Zuerst ging es um die Spieleröffnung gegen – zumindest basierend auf dem was ich erkennen konnte – verschiedene andere Formationen. Sobald eines der Teams einen Torschuss abgab (egal ob erfolgreich oder nicht), spielte jemand aus dem Trainerteam einen Ball in die andere Spielfeldhälfte zum anderen Team und die zuvor am Angriff beteiligten Spieler mussten sich im Vollsprint zurückbewegen (Stichwort: Defensives Umschaltverhalten). Alle, die jemals Fußball gespielt haben, dürften wissen, dass diese Sprints (rückwärts nach Ballverlust) zu den beschissensten Dingen in diesem doch so schönem Spiel gehören. Die Übung wurde nach den Umschaltmomenten immer wieder für eine kurze Pause unterbrochen. Und je länger die Einheit dauerte, umso deutlicher wurde, wie anstrengend es für die Spieler war.

Dabei war diese Übung noch nicht einmal die intensivste. Im letzten Abschnitt ging es im 3-gegen-3 mit jeweils einem Torhüter auf große Tore weiter. Insgesamt sechs Dreierteams wechselten sich rege ab, damit immer zwei Teams kurz durchatmen konnten. Nachdem die Spieler bereits rund 90 Minuten Training hinter sich hatten, sollte ihnen diese Übung den Rest eben. Statt abgestützten Händen auf den Oberschenkeln wurde jetzt vermehrt auf „Zwischendurch mal hinlegen“ als Ausruh-Methode zurückgegriffen.

Auspumpen

So endete das fast zweistündige Training mit eher leeren und ausgepumpten Gesichtern, die sich wieder an zusammengerolltem Rasen und brummenden Maschinen vorbeizwängten. Und ich war froh, dass ich endlich mal nicht der Einzige an der Kollaustraße gewesen bin, der völlig erschöpft von sportlichen Einheiten gewesen ist. Es ist sicher ein schmaler Grad in Sachen Belastung, wenn das Training immer so abläuft, wie am gestrigen Mittwoch. Doch trotz der Entfernung, trotz des Wetters und trotz lärmender Gartengeräte rundherum, hat genau das Spaß gemacht, zu sehen, wie sich die FCSP-Spieler komplett auspumpen. Und so plane ich, während ich immer noch die nasse Hose anhabe und mein Shirt aus einer Mischung aus Schweiß und Regenwasser besteht bereits die nächste Tour an die Kollaustraße.
// Tim

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6 thoughts on “Bericht von der Kollaustraße, 11.01.2023

  1. Danke, Tim, für Deinen Einsatz und den lebensnahen Bericht.
    Einzig fehlte mir eine Aussage über Deine Einschätzung zur Stimmung im Team.
    Waren sie trotz „Ausgepumptheit“ fröhlich oder wirkten sie eher genervt?
    Manchmal merkt man das ja auch, wenn sie auf dem Weg in die Umkleide an einem vorbei kommen…..

    Greetz, Käpt´n Queerpass

  2. Zu Deinem Nässe-Problem. Bei uns in der Familie haben sich Rainlegs inzwischen sehr bewährt. Schnell an- und schnell auch wieder ausgezogen.

    Den Rest des Berichts habe ich mit Interesse gelesen. Bin gespannt, wie sich das entwickelt.

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