Schiri, wir wissen wo die Doku läuft!

Schiri, wir wissen wo die Doku läuft!

Schiedsrichter*innen – die unbekannten Wesen. Aktuell gibt es tiefe Einblicke in ihre Arbeit und Kommunikation. Wir haben uns die Dokumentationen angeschaut.
Titelbild: Selim Sudheimer/Getty Images via OneFootball

Als Schiedsrichter im Amateurbereich des Kreises Segeberg (Schleswig-Holstein) sowie der Blindenfußball-Bundesliga ist das Thema für mich natürlich grundsätzlich sehr spannend, weshalb ich solche Dokus mit besonderem Interesse verfolge.
Vor einigen Jahren machte die Doku „Referees at work“-Schlagzeilen, die inzwischen auch als DVD erhältlich ist, vor drei Jahren gewährte Deniz Aytekin bei der Sportschau Einblicke in seine Arbeit – und zuletzt kamen einige wirklich gute Neulinge in der Kategorie „Schiedsrichter-Doku“ dazu.

Schleswig-Holstein: Kreis- bis Bundesliga

Beginnen wir mal ganz grundsätzlich, an der Basis. Der Kreisfußballverband Kiel hat eine Doku veröffentlicht, in der Schiedsrichter-Gespanne (kein Gendern nötig) „Von der Kreisliga bis in die Bundesliga“ in der abgelaufenen Saison begleitet wurden. // YouTube
Gezeigt wird dabei der Alltag in den Kreisen, inklusive der Lehrgänge des Perspektivkaders – also der Schiedsrichter, die sich ggf. auch noch in die höheren Ligen vorarbeiten können. 45 Minuten, die ich persönlich sehr spannend und interessant fand, zumal ich einige der dort gezeigten Personen auch kenne.

Während die Doku als solche sehr professionell erstellt wurde, sind die gezeigten und interviewten Schiedsrichter allesamt Amateure, die diese Tätigkeit ehrenamtlich ausüben – logischerweise dafür aber mit ebenso viel Herzblut. Besonders interessant natürlich auch hier die Aufnahmen aus dem Schiedsrichter-Funk, gerade wenn es auch um Beleidigungen seitens der Spieler geht.
Und wer bis zum Ende durchhält, kriegt dann auch noch ein paar Worte von Fin Bartels.

Fabienne Michel – FIFA-Schiedsrichterin

Okay, keine Schiedsrichterin dabei, dann wechseln wir den Verband. Fabienne Michel wurde vom ZDF in der Reihe „37 Grad“ begleitet.
Unter anderem erfährt man hier, welche „Wette“ zum Spiel man auch als Schiedsrichtergespann gefahrlos abschließen kann.

Hier ist die Besonderheit ein kurzer Einblick in ein Beratungsgespräch mit jemandem von der UEFA, wo u.a. auch erzählt wird, dass man als Schiedsrichterin in der Bundesliga der Frauen 500€ pro Spiel erhält. Fabienne Michel könnte man in der kommenden Saison durchaus häufiger auch überregional sehen, sie pfeift ab sofort auch in der 3. Liga der Männer. // YouTube

Bremer Landespokalfinale

Im Juni wurde eine Doku (22min) über die Pokalendspiele 2023 in Bremen veröffentlicht, bei denen die beiden Gespanne bei den Finals der Männer und Frauen begleitet wurde. Simon Rott durfte das Endspiel bei den Männern leiten (FC Oberneuland gegen SG Aumund-Vegesack). Jennifer Rehnert leitete bei den Frauen ATS Buntentor gegen TuS Schwachhausen, zwei Teams die ja auch Fans des Frauenteams des FC St. Pauli gut kennen.

Beide Spiele werden quasi nebeneinander gelegt und man merkt schnell, dass die Aufregung und Anspannung auch in regionalen Pokalendspielen ganz ähnlich ist, wie bei einem normalen Kreisligaspiel oder einem Hamburger Bundesligaderby.
Gefühlt ist der Ton bei den Frauen untereinander zwar auch deutlich, allerdings untereinander dann doch sehr viel entspannter.
// YouTube

„Unparteiisch“

Medial die größte Aufmerksamkeit erfuhr zuletzt eine fünfteilige Doku der ARD: „Unparteiisch“
Alle fünf Folgen a‘ ca. 30 Minuten sind in der Mediathek abrufbar.

In Folge 1 geht es um die „Elite“, die Folge beginnt mit Einblicken in das Trainingslager und die Leistungsprüfung vor der Saison. Auffällig, wenn auch wenig verwunderlich: Die Professionalität steht hier der eines Bundesligateams nicht Nichts nach.
Und ja, auch Fehler werden eingestanden – wohl in den internen Besprechungen auch deutlich offener als oftmals nach außen.

Folge 2 („Gegenwind“) beginnt mit den vier Platzverweisen beim Spiel HSV – Darmstadt zum Beginn der letzten Saison – und dem damit verbundenen medialen Wirbel um Schiedsrichter Robert Schröder. Nachvollziehbar schildert er, was für verschiedene Maßstäbe bei der Kommunikation der Spieler und der Schiedsrichter angelegt werden – und dass ein Spiel wahrscheinlich jedes Mal schon vor dem Halbzeitpfiff aufgrund zu vieler Platzverweise würde abgebrochen werden müssen, wenn man gleiche Maßstäbe anlegen würde.
Auch die Auslegung der Handspiel-Regel ist Thema…

Folge 3 („Neustart“) begleitet Daniel Siebert bei der WM in Katar – der beim Ausscheiden von Uruguay als Schuldiger ausgemacht wurde. Wie er die Szenen nach Abpfiff beurteilt, wie er auf einzelne Szenen im Spiel mit etwas Abstand schaut – spannend.
Weiter geht es dann mit dem Winter-Trainingslager – und erneut recht offenem Ansprechen von Fehlern bei der Video-Analyse. Anschließend geht es um das Zusammenspiel bzw. Gegeneinander von Schiedsrichtern und Trainern in der Bundesliga.

Folge 4 („Derby“) beschäftigt sich in großen Teilen mit dem Hamburger Derby der letzten Rückrunde, mehr dazu dann gleich nochmal.

Folg 5 („Berlin“) begleitet erneut Daniel Siebert, rund um das DFB-Pokalfinale in Berlin.

Das Hamburger Derby

Zurück zu Folge 4, die nehmen wir uns jetzt nochmal genauer vor. Sie ist alternativ auch (leicht gekürzt) auf YouTube einsehbar: YouTube

Spannend hier natürlich die Bewertung und vor allem die Kommunikation bei den entscheidenden Szenen, sowohl beim 1:0 durch Saliakas (Check auf Abseits) als auch dem Foul von Schonlau an Daschner, wo der Gästeblock wohl kollektiv gerne eine Rote Karte gesehen hätte.
Und: Bundesliga-Schiedsrichter sind auch nur Menschen und schauen in der Halbzeit auf ihr Handy…
Die zweite Halbzeit startet mit zwei Toren für die Gastgeber und u.a. dem Check von Paqaradas Foul an Jatta, ehe dann auch bei den anderen Tore jeweils die Checks durchlaufen.
Am Ende gibt dann auch noch Sören Gonther gegenüber Jablonski seine Einschätzung zum angeblichen Foul von Afolayan vor dem nicht gegebenen 1:0. Spoiler: Ehrenmann, natürlich.

Fazit: Für mich, der auch (auf ganz anderem Niveau) mit Spielern auf dem Feld kommuniziert, ist es wirklich super interessant zu sehen, wie die Kommunikation von Schiedsrichtern, Spielern und Trainern dann im Profibereich abläuft. Unterm Strich ist es nicht viel anders – aber auch dies mal zu sehen, ist natürlich sehr hilfreich.

Fußball ohne Meckern?

Und wer es bis hierhin geschafft hat, dem zeige ich jetzt mein aktuelles Lieblingsvideo:
Der SC Empor aus Berlin hat in der Oberliga versucht, eine Halbserie komplett ohne Meckern und Schiedsrichter-Beeinflussung auszukommen. Dies gelingt auch erstaunlich gut (kleine Ausnahmen bestätigen die Regel), hat aber natürlich direkte und indirekte Folgen.
Nichts zum schnell nebenbei gucken, die knapp 27 Minuten solltet Ihr Euch in Ruhe anschauen:
ZEIT // YouTube

Ich hoffe, mit diesem Artikel auch etwas Verständnis für die Schiedsrichterei geschaffen zu haben – und solltet Ihr selber Lust haben, Euch diesem Thema aktiv zu widmen, kontaktiert doch Euren lokalen Fußballverband – oder macht hier einen Selbsttest und meldet Euch für ein „Praktikum“ an.

Gut Pfiff!
// Maik

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3 thoughts on “Schiri, wir wissen wo die Doku läuft!

  1. In der „Unparteiisch“-Folge übers Derby finde ich befremdlich, wie unterschiedlich die Reaktionen im Schiri-Funk bei den Toren ausfallen, wo man bei den FCSP-Toren ein nüchtern-feststellendes „Tor“ hört, während die HSV-Tore ein enthusiastisches „Tor, Tor, Tor, Tor!“ hervorrufen (ich weiß nicht, ob das Jablonski oder der VAR ist). Muss natürlich nichts heißen, aber gerade wenn die eigene Gemütslage genau gegensätzlich ist, fällt das schon auf.

    1. Das „Tor, Tor, Tor“ ist wohl eher üblich, wie es auch bei „Foul, Foul, Foul“ einfach oftmals wiederholt wird, um bei der qualitativ ja nicht herausragenden Übertragung Missverständnisse auszuschließen.
      Aber ja, ich bin da auch zusammengezuckt 😎

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