Working class Ritzka

Working class Ritzka

Lange schaute er von außen zu, nun ist Lars Ritzka aber beim FC St. Pauli endlich auf dem Platz gefragt. Bis dahin war es ein arbeitsreicher Weg, der sich gelohnt hat.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Es gibt Spieler, da sind die Fragen der Journalist*innen länger als die Antworten. Und es gibt Spieler da ist es genau andersherum. Und wenn dann nicht nur lange Antworten (voll mit den üblichen Phrasen) und das übliche rhetorische Wischiwaschi herauskommen, sondern eine zitierfähige Aussage nach der anderen, dann weiß ich gar nicht, was genau ich eigentlich alles hier abtippen soll. So geschehen mit Lars Ritzka, der am Mittwoch in einer Medienrunde Rede und Antwort stand.

Stammplatz nach zwei Jahren

Vor etwas mehr als zwei Jahren wechselte Lars Ritzka vom SC Verl zum FC St. Pauli. Zwei Jahre, in denen er an den Wochenenden meist auf der Bank saß, denn an Leart Paqarada war kein Vorbeikommen. Nun aber hat sich der inzwischen 25-jährige vorerst einen Stammplatz erarbeitet. Und vorweg: Ja, es ist schon wieder so eine „cheesy Feel-Good-Story“, die ich hier gerade abtippe.

Natürlich drehten sich die Fragen an Lars Ritzka hauptsächlich um seine veränderte Rolle. Wie ist es nach zwei Jahren endlich Stammspieler zu sein? Wie war es zwei Jahre lang hinter Paqarada zu stehen? Die Antworten von Ritzka zeigen, dass er eine hohe Eigenmotivation besitzt und Fußballprofi sein für ihn mehr ist, als am Wochenende auf dem Platz zu stehen. Und, dass er sich als Teil eines Teams betrachtet.

Auch wenn es sich viele so nicht vorstellen können, war die Rolle hinter Leart Paqarada für Ritzka selbst kein allzu großes Problem. Er erklärte, dass es sicher auch „eine Charakter-Frage“ sei, ob man damit klarkomme. Und er betonte: „Für mich waren das keine zwei schlechten Jahre.“ Entscheidend, und das wurde im Zuge der Medienrunde immer deutlicher, ist für Lars Ritzka, dass er persönlich vorankommt, was auch beim FCSP stets der Fall gewesen ist: „Bei dem hohen Trainingsniveau habe ich immer gemerkt, wie ich mich verbessere.“

Wechselgedanken contra Weiterentwicklung

Gerade der letzte Satz scheint von enormer Bedeutung für Ritzka zu sein. Denn er sagte so etwas oft in der rund 20-minütigen Medienrunde. Ob er trotzdem Gedanken an einen Wechsel hatte? Klar! „Ich glaube die hat jeder Spieler, der nicht regelmäßig spielt. Weil wir deswegen alle Fußballer geworden sind, um auf dem Platz zu stehen. Da macht auch keiner ein Geheimnis draus, dass man über diese Situation unglücklich ist, wenn man nicht spielt.“
Allerdings, sagte er, möchte er auch nochmal betonen, dass ihm das Training Spaß mache und er auch die letzten zwei Jahre stets mit vollem Einsatz dabei gewesen ist. Das hat sich gelohnt, denn „Ich habe auch den Eindruck vermittelt bekommen, dass ich hier geschätzt werde und auch nicht wechseln muss.“

Nun aber haben sich die Dinge geändert: Lars Ritzka stand in den drei Ligaspielen dieser Saison stets in der Startelf, sammelte sogar bereits mehr Spielminuten als in der gesamten abgelaufenden Saison. Eine Genugtuung sei das nicht, aber es „bestätigt einen, dass man gut trainiert hat und belohnt wird.“ Dann ergänzte Ritzka noch, dass es eben an einem selbst liege, ob man diesen Schritt schafft oder nicht: „Wenn man sich selber verbessern will, dann reicht es irgendwann. Wenn man das nicht will, dann wird man auch nie spielen.“

Fürth, Deutschland, 19.08.2023, Fussball, 2. Bundesliga - Lars Ritzka (FC St. Pauli) im Spiel gegen die SpVgg Greuther Fürth - Copyright: Peter Boehmer DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Lars Ritzka hat sich seinen Stammplatz beim FC St. Pauli erarbeitet.
(c) Peter Böhmer

Immer weiter vor!

Die aktuelle Situation führt aber nicht dazu, dass Lars Ritzka sich nun in irgendeiner Weise ausruht. Im Gegenteil: „Wenn man sich darauf ausruht, rutscht man auch schnell wieder raus. So ist das Geschäft.“
Viel eher gehe es nun für ihn darum, die Leistungen konstant abzurufen. Spannend ist, dass er bei dieser an ihn persönlich gerichteten Frage mit einem „wir“ antwortet und erstmal beschreibt, dass das Team konstanter werden muss und er davon profitiert („Wenn wir uns da weiter verbessern können, dann wäre das für mich sehr positiv“). Passend dazu auch die Antwort auf die Frage, wie zufrieden er mit seinem Saisonstart sei: „Ich betrachte das immer mit gemischten Gefühlen, weil für mich die Mannschaftsleistung ausschlaggebender ist.“

Persönlich habe er aber auch schon einige Schritte gemacht. Aktuell unter Fabian Hürzeler lerne er, wie detailorientiert man arbeiten kann, wie wichtig kleine Elemente sein können. Kurzfristig richtete er den Blick nach rechts zur anwesenden Person aus der Medienabteilung, als er auf die Frage nach Gesprächen mit Fabian Hürzeler unter anderem mit einem Lächeln sagte: „Für mich spielt Eigenmotivation eine größere Rolle – wenn ich selber nichts anpacke, dann hilft mir auch das ganze Gequatsche auch nicht.“ Ritzka sieht den größten Hebel der Verbesserung bei sich selbst. Das dürfte Fabian Hürzeler gefallen, der immer wieder erklärte, dass er sich von seinen Spielern eine „intrinsische Motivation“ wünscht.

Aber natürlich ist er auch spielerisch vorangekommen und es gibt viele Themen an denen gearbeitet wird. Ritzka berichtete über die tägliche Arbeit im Kettenverhalten, im 1-gegen-1, die Videoanalysen dazu, wann man gut abgestimmt Laufwege geht, um gegnerische Spieler rauszuziehen. Grundsätzlich habe er jetzt im Offensivbereich mehr Optionen, „weil ich sie sehe“, welches auch ein Ausdruck gestiegenen Selbstvertrauens sei. Trotzdem sieht er seine Stärken klar als „defensiver Zweikämpfer“, was die Statistiken ja auch immer untermauern.

Arbeit! Arbeit! Arbeit!

So darf sich der FC St. Pauli seit nunmehr über zwei Jahren – Ritzka ist damit hinter Eric Smith und Adam Dźwigała der dienstälteste Profi des FCSP – über einen Spieler freuen, der sich über die tägliche Arbeit zu definieren scheint. Ritzka geht damit voran und versteht sich dadurch auch als Führungsspieler: „Ich sehe mich weniger als lautstarken Führungsspieler. Ich versuche da eher über Leistung und Engagement vorweg zu gehen und da ein Beispiel zu sein. Weil ich eben immer alles gebe und man sich deshalb auf dem Platz auf mich verlassen kann.“

Lars Ritzka geht also mit Taten und einer hohen Eigenmotivation voran, hat zudem immer das Team im Blick und ist sich seiner Rolle bewusst – da dürfte man beim FC St. Pauli sehr zufrieden sein, so einen Spieler in seinen Reihen zu haben. Umso schöner, dass sich die harte Arbeit der letzten Zeit für ihn persönlich gelohnt hat und er sich aktuell Stammspieler des FC St. Pauli nennen darf.

// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Print Friendly, PDF & Email

One thought on “Working class Ritzka

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert