Mutig flach gegen langer Hafer – die Statistiken zu FCSP vs. S04

Mutig flach gegen langer Hafer – die Statistiken zu FCSP vs. S04

Eggestein überzeugt offensiv, Ritzka defensiv, Hartel immer und überall, Wyscout gar nicht – Die Statistiken zum Heimsieg des FC St. Pauli gegen den FC Schalke 04.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Da war ganz schön viel drin in der Partie zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Schalke 04. Leider nicht nur auf dem Platz, sondern nach Abpfiff auch auf den Rängen, besser gesagt in der Nordkurve (Schalke und die Szenen nach dem Spiel). Auf dem Platz entwickelte sich von Beginn an ein hochintensives Spiel, welches der FCSP in der ersten halben Stunde in beeindruckender Art und Weise dominierte. Dann aber wurde es kompliziert und chaotisch, ehe die erneute Führung der Elf von Fabian Hürzeler enorm half (In der Ruhe liegt die Kraft).

Wir haben die Statistiken nach dem Spiel zusammengetragen. Leider sind diese am späten Sonntagabend nicht vollständig. Bei Wyscout sind die Zahlen zum Spiel leider noch nicht verfügbar. Daher müssen wir uns dieses Mal mit etwas weniger Zahlenwerk zufriedengeben. Dafür legen wir den Fokus etwas mehr auf die taktischen Entscheidungen während der Partie.

Kern-Statistiken

Keine Wyscout-Daten bedeuten, dass wir keinen Einblick in die tiefen Aktionen der beiden Teams bekommen (Pässe ins letzte Drittel, Ballkontakte im Strafraum, deep completions). Schade, denn gerade die hätten sicher einigen Aufschluss darüber gegeben, wie klar die Machtverhältnisse im Spiel wirklich gewesen sind.

So fair wie nie!

Auffällig ist die geringe Anzahl an Fouls des FC St. Pauli. Nur dreimal entschied Schiedsrichter Frank Willenborg, der eine sehr großzügige Linie fuhr, auf Foul gegen den FCSP. Das ist ein All-time Low in der „Daten-Ära“, also seit Wyscout-Daten verfügbar sind (seit der Saison 15/16). Den bisherigen Tiefstwert (vier Fouls des FCSP) gab es in einer Partie, die ähnlich intensiv war: Am 20.02.2020 nämlich, als der FC St. Pauli mit 2:0 beim HSV gewann.

FC St. PauliFC Schalke 04
21 (9)Torschüsse (aufs Tor)*11 (3)
3Fouls*19
53 %Ballbesitz*47%
407 (85 %)Pässe (erfolgreich)*371 (87 %)
42 (40 %)… davon lange Pässe (erfolgreich)*51 (53 %)
167erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte*100
71 (54 %)Bodenzweikämpfe (erfolgreich)*71 (46 %)
32 (44 %)Kopfballduelle (erfolgreich)*32 (56 %)
116,8 kmLaufdistanz**110,8 km
202Sprints**172
*fotmob
**Laufdistanz von Bundesliga.de

Die Torschuss-Statisik von 21 zu 11 (9 zu 3 auf das Tor) zeigt zwar ein klares Übergewicht an. Doch innerhalb des Strafraums steht es nach Torschüssen 12 zu 9. Dem FC Schalke ist es also recht zuverlässig gelungen, in die Box des FC St. Pauli zu gelangen. Wie die Schalker das anstellten, lässt sich an der Anzahl und Quote der langen Bälle ablesen, von denen sie relativ viele auf Zielspieler Sebastian Polter spielten.

Der FC St. Pauli hingegen arbeitete wenig mit langen Bällen, setzte diese oft nur situativ ein. Zusammen mit dem hohen Pressing der Schalker führte das dazu, dass der FCSP oft ganz nahe vor dem eigenen Tor versuchte, sich flach heraus zu kombinieren. Eine Spielweise, die mehr als einmal zu einem Raunen auf den Rängen führte, weil es dann ab und an doch sehr eng wurde. Fabian Hürzeler erklärte aber nach der Partie, dass er vom Mehrwert dieser Spielweise komplett überzeugt ist und sie sogar von seinen Spielern noch mehr fordert. Besonders gegen Schalke sei diese Spielweise sinnvoll gewesen:

„Das ist unser Spiel. Und wenn es klappte, dann hatten wir sofort Räume (…) Wenn wir da lange Bälle gespielt hätten auf Kaminski und Baumgartl, mit Cello und Jojo Eggestein als Zielspieler, dann hätten wir viel mehr Bälle zurückbekommen. Für die Jungs ist es kein Risiko, weil sie sowas hundertmal in der Woche machen.“

Fabian Hürzeler erklärt, warum er den flachen Spielaufbau auch unter hohem Druck von seinen Spielern fordert.

Expected Goals

Flaches Herausspielen, wie der FC St. Pauli oder langer Hafer, wie der FC Schalke 04 – beide Spielweisen haben dafür gesorgt, dass die Teams zu Chancen kamen (xG: 2,2 zu 1,3). Und zieht man den Elfmeter (xG: 0,76) von den Zahlen einmal ab, so sind beide Teams gar nicht so weit auseinander beim durchschnittlichen xG-Wert. Abgesehen vom Elfmeter hatte Sebastian Polter die größte Chance der Partie nach xG, als er in der 64. Minute am stark reagierenden Nikola Vasilj scheiterte (xG: 0,52). Die größte FCSP-Chance hatte Johannes Eggestein bei seinem Pfostentreffer in der 18. Minute, kurz bevor Tempelmann die Hand zu Hilfe nahm und es Elfmeter gab (xG: 0,23).

FC St. PauliFC Schalke 04
(2,2 / 2,1)
–> 2.2
expected goals (xG)
(DFL / fotmob)
(1,3 / 1,3)
–> 1,3
0,6xG – herausgespielt1,2
0,7xG – Standards0,1
1,6xGOT*1,5
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von fotmob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Da kommen wir dann erneut zur Anzahl der Torabschlüsse innerhalb des Strafraums und vielleicht sogar generell zur Art und Weise der Chancen beider Teams. Denn während sich der FC St. Pauli oft beim Erspielen der Chancen gegen eine massive und tiefstehende Abwehrreihe durchsetzen musste, versuchten es die Schalker sehr, sehr oft mit tiefen Bällen hinter die Kette. Das beeinflusst natürlich dann auch die Art, wie und wo die Teams zu Torabschlüssen kamen. Gut auf jeden Fall, dass der FCSP in Person von Marcel Hartel erneut zeigte, dass Schüsse aus der Distanz ein erfolgversprechendes Mittel sind, um Tore zu erzielen.

Einzelbewertung

Kommen wir zum nächsten Abschnitt dieses Artikels, der Einzelbewertung. Und schon wieder fällt der Name Marcel Hartel. Denn der 27-jährige hat auch dank zweier Treffer ein durchschnittliches Rating von sage und schreibe 9,4 vorzuweisen. Das lag nicht nur an den Treffern, sondern auch daran, dass Hartel fünf Torschüsse auflegte und, für einen Mittelfeldspieler, unfassbare 13 Bälle eroberte, viele davon im Gegenpressing. Bereits letzte Woche stach Hartel mit einem Rating von 8,8 heraus. Aktuell ist er, basierend auf den Ratings, zusammen mit Laszlo Benes und Haris Tabakovic bei allen drei Webseiten unter den Top3 der Liga. In diese Region und Riege würde ich ihn auch aus rein subjektiver Sicht einordnen.

Teamwhoscored / sofascore / fotmob
FC St. Pauli(6,8 / 7,1 / 7,3) -> 7,1
FC Schalke 04(6,5 / 6,9 / 6,7) -> 6,7
Spieler
Nikola Vasilj(6,3 / 6,6 / 6,1) -> 6,3
Manolis Saliakas(6,9 / 7,1 / 7,3) -> 7,1
Hauke Wahl(6,5 / 6,9 / 6,9) -> 6,8
Eric Smith(6,8 / 7,1 / 7,6) -> 7,2
Karol Mets(6,6 / 7,0 / 7,1) -> 6,9
Lars Ritzka(7,3 / 7,3 / 7,4) -> 7,3
Connor Metcalfe(6,9 / 7,3 / 7,5) -> 7,2
Marcel Hartel(9,1 / 9,4 / 9,6) -> 9,4
Dapo Afolayan(6,8 / 6,9 / 7,5) -> 7,1
Johannes Eggestein (bis 61.)(7,3 / 7,1 / 7,0) -> 7,1
Andreas Albers (ab 61.)(6,2 / 6,6 / 6,4) -> 6,4
Elias Saad(6,8 / 6,8 / 7,1) -> 6,9
Berücksichtigt sind nur Spieler, die mindestens 25 Spielminuten auf dem Feld waren.

Albers für die Defensive

Einen etwas kontroversen personellen Wechsel gab es beim FC St. Pauli in der 61. Minute: Für den bis dahin offensiv starken Johannes Eggestein, Vorbereiter des zwischenzeitlichen 2:1, kam Andreas Albers in die Partie. Albers hatte danach offensiv leider deutlich weniger erfolgreiche Aktionen als Eggestein. Hürzeler erklärte, dass es bei diesem Wechsel darum ging „wieder mehr Druck gegen den Ball“ zu bekommen und auch „mehr Präsenz bei Standards“ zu haben. Hürzeler erklärte aber auch, dass Eggestein es „sehr gut machte“, er aber eine „gewisse Müdigkeit im Anlaufen“ bei ihm ausgemacht habe. Es ging bei diesem Wechsel also primär darum, die eigene Defensive zu stärken.

Stärken in der Defensive leiten perfekt über zum nächsten Spieler: Lars Ritzka gewann laut fotmob die meisten Zweikämpfe der Partie und dabei alle seine Kopfballduelle. Zudem war er mit sieben Balleroberungen hinter Hartel und Smith bester FCSP-Spieler. Inzwischen ist er nur noch ganz schwer aus dem Team wegzudenken. Und endlich bekam man ihn nach der Partie auch mal in der Mixed Zone zu fassen. Kommt es uns nur so vor oder wirst du mit jedem Spiel in der Startelf sicherer, Lars?

„Natürlich gibt es eine gewisse Sicherheit, wenn man Woche für Woche spielt, eine leichte Bestätigung auch, dass man im Training immer Gas gibt und die Dinge gut umsetzt. Ich glaube die Sicherheit kommt dann automatisch. Ich merke nicht aktiv, dass es sicherer wird. Aber es sind Abläufe, die man eher drin hat, je häufiger man sie durchspielt.“

Lars Ritzka

Neben dem starken Marcel Hartel, dem defensiv starken Lars Ritzka und dem offensivstarken Johannes Eggestein, gab es mit Carlo Boukhalfa noch jemanden, der eine ganz besondere Geschichte in diesem Spiel schrieb. Seine Worte aus der Mixed Zone folgen im Stimmen-Artikel zum Heimsieg gegen Schalke. Genauso wie jene von Eric Smith und ganz viele und tolle Worte („Hinten kackt die Ente“) konnte ich auch von Hauke Wahl einsammeln.

Die Statistiken zum Spiel zeigen auf jeden Fall noch einmal deutlich auf, dass es für den FC St. Pauli in dieser Partie sehr viel enger zuging, als viele das vielleicht empfunden haben. Die individuelle Stärke der Schalker ist einfach enorm, das Team ist jederzeit für Treffer gut, auch wenn es auf dem Platz beschissen für sie aussieht. Aber auch der FC St. Pauli zeigte, dass sie Widerstände überwinden können. Fabian Hürzeler war, einmal mehr, damit zufrieden, dass sein Team – trotz hohem Gegnerdruck und einer Phase mit vielen Ballverlusten – weiter Fußball spielte, weiter den taktischen Plan umsetzte. Der Lohn ist weiter verdientermaßen, das einzig ungeschlagende Team der Liga zu sein.

// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert