Fortuna Düsseldorf vs. FC St. Pauli 1:2 – Big points im Rheinland

Fortuna Düsseldorf vs. FC St. Pauli 1:2 – Big points im Rheinland

Im Spitzenspiel behält der FC St. Pauli gegen Fortuna Düsseldorf die Oberhand und gewinnt verdient mit 2:1 dank einer überragenden Defensivleistung. Die Analyse.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Nein, ich werde mich nie, nie, niemals daran gewöhnen, dass das mit den knappen Führungen seit einiger Zeit in den meisten Fällen gut ausgeht für den FC St. Pauli. Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass der FCSP zumeist Führungen über die Zeit bringen kann, ohne die Vorentscheidung per eigenem Treffer zu erzwingen. Aber alles andere als drei Punkte am Samstagabend aus Düsseldorf mitzunehmen, wäre nach dieser Leistung auch unfair gewesen.

Die Aufstellung

Wie zu erwarten war, gab es keine Veränderungen in der Startelf des FC St. Pauli. Auch auf der Bank war alles wie zum Rückrundenauftakt. Neuzugang Erik Ahlstrand war nach seiner am Samstag verkündeten Verpflichtung noch nicht Teil des Spieltagskaders.

Bei Fortuna Düsseldorf gab es in der Startformation eine Veränderung: Innenverteidiger Tim Oberdorf, der Matthias Zimmermann auf der rechten Abwehrseite ersetzen sollte, konnte aufgrund muskulärer Probleme kurzfristig nicht spielen. Nicolas Gavory ersetzte ihn, allerdings nicht positionsgetreu. Denn Gavory agierte auf der linken Abwehrseite, Emmanuel Iyoha rückte dafür nach rechts.

Rot-braun soweit der Rasen reicht

Es ist nun fast schon ein gewohntes Bild, wenn der FC St. Pauli auf Fortuna Düsseldorf trifft: Sobald der FCSP im Ballbesitz ist, bilden sich zehn rot-braune Pärchen auf dem Platz. Fortuna setzte auf die gute alte Manndeckung. Das führte grundsätzlich zu vielen direkten Duellen und dadurch zu einem äußerst intensiven Fußballspiel. Diese krasse Mannorientierung ist eine, vom Grundgedanken her, einfache, aber eben oft auch sehr effektive Spielweise. Dadurch gelang es der Fortuna sowohl im Hinspiel dieser, als auch im Rückspiel der Vorsaison, den Rythmus des FC St. Pauli deutlich zu stören.

Auch am Samstagabend war das wieder der Fall. Der FCSP hatte für seine Verhältnisse ungewohnt wenig Ballbesitz und konnte nur selten durch längere Ballbesitzphasen sein dominates Spiel aufziehen. Eine Vielzahl an Kurzpässen gab es im Aufbauspiel nicht. Viel öfter spielte der FCSP risikoreich nach vorne. Das aber in dem Wissen, dass die Fortuna in letzter Linie eben auch Mann-gegen-Mann verteidigte und ein verlorenes Duell oder eine schnelle Ablage bereits zu vielversprechenden Situationen führen kann.

Ungewohnte Spielweise, aber erfolgreich

Fabian Hürzeler erklärte nach der Partie, dass man mit dieser mannorientierten Spielweise der Fortuna gerechnet habe und, im Vergleich zum Hinspiel, an ein paar Stellen ein wenig was veränderte. Das Team spielte viel zielgerichteter nach vorne, hatte deutlich mehr Vertikalität und Tempo im Spiel als sonst. Einen ersten Geschmack davon, wie zielgerichtet der FCSP in Richtung des Fortuna-Gehäuses unterwegs war, gab es bereits in der dritten Minute: Hauke Wahl zog, völlig ungewohnt, mit ordentlich Tempo die Seite runter, schickte dann Manos Saliakas, der ebenfalls schnell den Ball ins Zentrum chippte, wo Marcel Hartel frei vor Florian Kastenmeier auftauchte.

Diese Vertikalität im Spiel des FC St. Pauli sorgte beim Gegner immer wieder für Probleme. Durch die Mannorientierung ließen sich die Gegenspieler immer gut locken im eigenen Drittel. Besonders Nikola Vasilj hatte hierbei eine wichtige Rolle, weil er der einzige FCSP-Spieler war, den Fortuna nicht direkt in Manndeckung nehmen konnte. Wenn er im Ballbesitz war, musste also ein Fortuna-Spieler seinen direkten Gegenspieler verlassen, um Vasilj unter Druck zu setzen. Und der FCSP war oft gut darin, diesen dann freien Spieler im Aufbauspiel zu nutzen.

Risikoreiche Bälle öffnen Räume

Eine zentrale Rolle bei dieser sehr vertikalen Spielweise des FC St. Pauli nahm Johannes Eggestein ein. Seine Kernaufgabe war es, zusammen mit Marcel Hartel, immer wieder im richtigen Moment aus einer hohen Positionierung tiefer zu fallen, so anspielbar zu sein und zudem auch noch seinen Gegenspieler, ein Innenverteidiger der Fortuna, aus der gegnerischen Viererkette herauszuziehen. Wenn es Eggestein oder Hartel gelang den Ball kontrolliert (und schnell) zum Mitspieler auf gleicher Höhe zu bringen, dann wurde es fast immer gefährlich für das Tor der Fortuna. Denn durch die Mannorientierung konnte der FCSP dann in Gleichzahl auf eine recht offene letzte Kette der Fortuna zulaufen. Die Großchance von Elias Saad in der zweiten Halbzeit (56. Minute) ist ein Paradebeispiel dafür, wie man so eine starke Mannorientierung nahezu perfekt ausspielt.

Genau zehn rot-braune Pärchen bildeten sich auf dem Rasen am Samstagabend, wenn der FC St. Pauli im Ballbesitz war. Lösungen gegen diese Mannorientierung gab es für den FCSP oft dann, wenn Düsseldorf Nikola Vasilj anlaufen musste oder es dem Duo Hartel-Eggestein gelang die gegnerischen Innenverteidiger aus ihrer Position herauszuziehen.
Genau zehn rot-braune Pärchen bildeten sich auf dem Rasen am Samstagabend, wenn der FC St. Pauli im Ballbesitz war. Lösungen gegen diese Mannorientierung gab es für den FCSP oft dann, wenn Düsseldorf Nikola Vasilj anlaufen musste oder es dem Duo Hartel-Eggestein gelang die gegnerischen Innenverteidiger aus ihrer Position herauszuziehen.

Zum Zeitpunkt der Saad-Chance, in der 56. Minute, wäre der Treffer wohl gleichbedeutend mit der Vorentscheidung gewesen. Denn es stand bereits 2:0 aus Sicht des FC St. Pauli – und das war verdient. Ein Elfmeter führte zum ersten Treffer. Über die Entstehung wird sich Vincent Vermeij vermutlich sehr ärgern. Bei einem Freistoß in der Mauer stehend, ging sein Arm klar in Richtung des Balles. Die Entscheidung von Schiedsrichter Willenborg war völlig richtig. Marcel Hartel schob den Ball lässig links unten ins Tor und lief dann mindestens ebenso lässig – sein Geburtsort Köln könnte dabei eine Rolle gespielt haben – vor der Fortuna-Kurve entlang.

Zehn Minuten nach dieser Führung, in der 26. Minute, war es dann eine Verlagerung von Hartel, die Dapo Afolayan technisch gekonnt herunternahm und zu Saliakas weiterleitete. Der flankte butterweich mit links an den Fünfer, wo sich Hartel in der Zwischenzeit eingefunden hatte und sicher per Kopf(!) traf. Sein sage und schreibe elfter Saisontreffer. Klar, der FCSP war zu diesem Zeitpunkt bereits das bessere Team. Zu allem Überfluss für die Fortuna, spielte die Zwei-Tore-Führung den Gästen dann auch noch komplett in die Karten.

Stabil gegen die beste Offensive

Denn nun war Düsseldorf mehr denn je gefordert, während sich der FC St. Pauli auf seine Kernkompetenz, die Torverteidigung, konzentrieren konnte. Nachdem man bereits gegen Kaiserslautern aus der Ordnung heraus so gut wie gar nichts zugelassen hatte, zeigte sich das Team auch gegen die nach Toren beste Offensive der Liga enorm sicher. Fortuna Düsseldorf hatte während der gesamten Partie große Probleme Lücken zu finden, sich im letzten Drittel des FCSP durchzuspielen. Abgesehen von je einer Situation kurz vor und nach der Halbzeit (Chance Tzolis, 45.+1 und de Wijs, 47.) gab es bis zum Anschlusstreffer in der 83. Minute keine wirklich nennenswerte Offensivaktion von Fortuna Düsseldorf. Wenig verwunderlich also, dass Fabian Hürzeler nach der Partie von „einem der besten Spiele, die wir bisher gemacht haben“ sprach.

Fortuna sucht Dreiecke, findet aber oft nur Gegenspieler

In Sachen Defensivleistung dürfte Fabian Hürzeler da sicher niemand wiedersprechen. Der FC St. Pauli fiel wie üblich in ein 5-4-1 in der Grundformation und ließ sich, spätestens mit der 2:0-Führung im Rücken, auch nur noch selten aus dieser tieferen Grundordnung herauslocken, um den Gegner hoch anzulaufen. Fortuna Düsseldorf versuchte vor allem mit einer Doppelbesetzung der Außenbahnen gefährlich vor das FCSP-Tor zu kommen. Hierzu schoben die Außenverteidiger auf Höhe der letzten Linie des FC St. Pauli. Tzolis und Niemiec, die offensiven Außen, schoben dann meist etwas rein ins Zentrum, hielten aber die Linie. Die Halbräume wurden von Tanaka und Johannesson besetzt, wodurch sich auf beiden Seiten jeweils gute Optionen zur Bildung von Dreiecken ergaben. Doch hier spielte die Fortuna zu fehlerbehaftet, was größtenteils daran gelegen haben dürfte, dass der FCSP oft im richtigen Moment den Raum verknappte.

Deutschland, Düsseldorf, 27.01.2024, Fussball 2. Bundesliga, Fortuna Düsseldorf - FC St. Pauli Johannes Eggestein (FC St. Pauli) im Duell mit Andre Hoffmann und Emmanuel Iyoha (Fortuna Düsseldorf). Copyright: Peter Boehmer DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Johannes Eggestein konnte seine Leistung zwar nicht mit einem eigenen Treffer belohnen, spielte aber eine ganz zentrale Rolle, damit der FC St. Pauli drei Punkte aus Düsseldorf mitnehmen konnte.
(c) Peter Boehmer

Zwar gelang es dem FC St. Pauli mit fast beängstigender Sicherheit, die beste Offensive der Liga so gut wie gar nicht zur Entfaltung kommen zu lassen und man konnte sich auch einige Male aus den wenigen kontrollierten Ballbesitzphasen von hinten heraus nach vorne spielen. Was aber eher selten gut umgesetzt werden konnte, waren die Umschaltmomente. Auch als die Fortuna bereits ein recht hohes Risiko im eigenen Ballbesitz ging, konnte sich der FC St. Pauli aus den vielen Ballgewinnen nur wenige Möglichkeiten erspielen.

Das dürfte auch daran gelegen haben, dass man aufgrund der Führung eben nicht mit maximaler Konsequenz die Konter ausspielte, lieber in guter Defensivordnung verblieb. Von der Bank kamen mit Etienne Amenyido und Carlo Boukhalfa aber auch zwei Spieler für die offensive Außenbahn, die in dieser Saison noch nicht so richtig nachhaltig auf sich aufmerksam machen konnten. Ein weiterer Treffer hätte in jedem Fall gut getan.

Qualität blitzt auf

Denn es kam, was bei solchen Partien eigentlich zwangsläufig kommen musste: Die Fortuna kam mehr oder weniger aus dem Nichts irgendwie zum Anschlusstreffer. Das „irgendwie“ hing durchaus auch mit etwas Verwirrung zusammen, weil Saliakas im Düsseldorfer Drittel im Zweikampf zu Boden ging. Doch der FCSP spielte danach weiter, flankte sogar noch in den Strafraum, ehe man den Rückwärtsgang einlegen musste. In dieser Situation zeigte sich dann die hohe Qualität von Düsseldorf. Eric Smith legte einen Kopfball ungewollt nach hinten zu Vermeij, der zum durchstartenden Tzolis weiterleitete. Dieser blieb cool, schickte Hauke Wahl mit einer Körpertäuschung auf große Hafenrundfahrt und traf zum Anschlusstreffer (83. Minute).

Cristos Tzolis war übrigens auch deshalb frei durch, weil Saliakas nach dem Zweikampf (mit Tzolis), den er persönlich sicher als Foul bewerten dürfte, immer noch am Boden lag, als der Konter bereits rollte. Wenige Sekunden vor diesem vermeintlichen Vergehen, gelangte eine Flanke von Treu im Strafraum an die Hand von Niemiec. Aufgrund des kurzen Abstandes zum Ball wäre ein Elfmeterpfiff in diesem Moment sicher streitbar gewesen, aber da gibt es genügend Beispiele, in denen genau sowas als strafbar bewertet wurde. Den vermeintlichen Anschlusstreffer aberkannt bekommen und stattdessen einen erneuten Handelfmeter gegen sich zu haben – das wäre aber auch einfach echt richtig hart gewesen.

134 Kilometer!

Die Situation zum Anschlusstreffer zeigte aber auf jeden Fall, dass es die konzentrierte Defensivleistung des FC St. Pauli auch brauchte, um in Düsseldorf zu bestehen. Denn es wurde schon in einigen Momenten sehr deutlich, wie hoch die individuelle Qualität der Fortuna ist. Dass der FCSP das bis auf diese eine Situation fast durchgängig wegverteidigte, ist bemerkenswert, aber eben auch notwendig gewesen. So konnte Düsseldorf auch nach dem Anschlusstreffer nicht mehr so wirklich Druck aufbauen und gefährlich werden.

Der Lohn für dieses ganz, ganz harte Stück Arbeit – der FC St. Pauli ist sagenhafte 134 Kilometer gelaufen – sind drei weitere Punkte und ein ganz fettes Ausrufezeichen im Aufstiegskampf. Wenn der Gegner in den zahlreichen Interviews nach der Partie als Antwort auf die grausam oft gestellte Frage „Woran hatt et jeleegen?“ durch die Bank mit „Am FC St. Pauli“ antwortet und dieser Gegner mit Fortuna Düsseldorf ein direkter Konkurrent ist, dann dürfen sich beim FCSP alle anerkennend die Hände schütteln für eine starke Leistung.

Spielt dasselbe Spiel noch einmal!

Doch die Freude über den Erfolg und das Händeschütteln sollte nicht zu lange andauern. Denn bereits am Dienstag kommt es zum erneuten Aufeinandertreffen beider Teams. Die Vorfreude auf dieses Pokal-Viertelfinale ist enorm. Man darf gespannt sein, welche taktischen und personellen Anpassungen nun vorgenommen werden. Sicher ist, dass auch das kommende Aufeinandertreffen zwischen dem FC St. Pauli und Fortuna Düsseldorf wahnsinnig intensiv werden wird.

Immer weiter vor!
// Tim

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9 thoughts on “Fortuna Düsseldorf vs. FC St. Pauli 1:2 – Big points im Rheinland

    1. Ja, ohne zeitnahes Lektorat im Hintergrund und aufgrund der späten Stunde, sieht so ein Text leider manchmal wie ein gerupftes Huhn aus. Ich hoffe es war für Dich trotzdem lesbar (habe nun zumindest noch ein paar Fehler korrigiert).

      1. Mir sind bei der um 17 Uhr online befindlichen Version keine Rechtschreibfehler aufgefallen (hab allerdings auch nicht speziell drauf geachtet). Und in früheren Berichten auch nicht, oder nur in unwesentlichem Ausmaß.

        Keep up the good work!

    2. Du hast Probleme… Kopfschütteln
      @ Tim: wie immer vielen Dank für die schnelle und detaillierte Analyse!
      Das Erklären hilft mir ungemein, unser Spiel und die Rollen der einzelnen Spieler noch besser zu verstehen.
      Forza

    3. Also wenn ich am Sonntag nach dem Frühstück bereits Tims Bericht zum Samstagabend-Spiel lesen kann und mir Rechtschreibfehler aufallen und mich sogar zu einem Kommentar motivieren, dann ist alles zu spät.

      Danke Tim!

    4. Ich habe mich sehr gefreut, noch auf dem Rückweg vom Auswärtsspiel die wie immer großartige Analyse zu lesen. Das finde ich einfach großartig, insbesondere da es nicht nur ein einfacher Spielbericht ist.
      Danke dafür!

      Wer Rechtschreibfehler findet, kann sie auch einfach behalten und sich ebenso drüber freuen.

  1. Moin Tim,
    wie immer: bedankt für diese Analyse!

    Sollte ich Dir bzgl. des Lektorats behilflich sein dürfen, meld Dich gerne.

    Schönen Sonntag – und alle hin da!
    #WirsagenzusammenHALT

  2. In der PK nach dem Spiel hat Daniel Thioune mehrmals betont, dass er sich auch mal die Konstanz vom FC St. Pauli wünscht, dass das aber auch durch die Personalwechsel bei Düsseldorf schwer sei.

    Ich dachte mir: Verdammte Axt, unser Kapitän und ein weiterer Stammspieler sind gerade abwesend, ein neuer Spieler ist erst vor drei Wochen dazugekommen und spielt jetzt bereits in zentraler Position mit. Und damit liefern die Jungs dennoch so solide ab.

    Verdammt gute Leistung!

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