Wen interessiert schon der Deadline Day? Wirklich vorbei ist eine Transferphase erst dann, wenn hier alle ehemaligen Personalien des FC St. Pauli in „Neues von den Alten“ verarbeitet sind.
Endlich ist die Wintertransferphase vorbei und ich kann euch auf direktem Wege die gesammelten Wechselwerke der letzten Monate präsentieren. Fangen wir doch gleich mal mit einem unserer aller Lieblinge aus den vergangenen Jahren an: Der seit dem Sommer 2023 vereinslose ROBIN HIMMELMANN, bis dahin ein halbes Jahr bei Holstein Kiel aktiv, wurde Ende Januar vom 1. FC Kaiserslautern verpflichtet, wo er Lauterns Nummer 2, Andreas Luthe ersetzen soll, der quasi parallel zum VfL Bochum gegangen war. Ein anderer Ex-Ballfänger unseres Klubs – allerdings wegen eines stadtinternen Wechsels im Jahre 2000 lange nicht mehr ganz so beliebt am Millerntor –, CARSTEN WEHLMANN nämlich, hatte zuletzt als Sportlicher Leiter einigermaßen erfolgreich bei Darmstadt 98 gearbeitet und ist momentan arbeitslos. Und das kam so: Nachdem Wehlmann diese Position am Jahresende fristgerecht zum 31. März 2024 gekündigt hatte, wurde er umgehend von seinem Posten freigestellt.
Ebenfalls vorzeitig freigestellt wurde PETER KNÄBEL. Nachdem dieser bereits im vergangenen November seinen Rückzug beim FC Schalke 04 als Sportvorstand angekündigt hatte, zogen die Knappen die Reißleine und beendeten die Zusammenarbeit, die eigentlich bis Ende Juni 2024 vertraglich geregelt war, am 1. Januar „in beiderseitigem Einvernehmen“ per sofort. Und per Aufsichtsratsbeschluss wurde Knäbel zudem aus dem Vereinsvorstand abberufen, soll aber noch bis zum 30. Juni „als Berater“ für den Verein tätig sein. Was immer dies bedeuten mag. Und wo wir schon ohnehin bei Freistellungen beziehungsweise Abberufungen sind: JENS RASIEJEWSKI, in der Zweitligasaison 2002/03 mit 26 Einsätzen bei uns am Start, verlor Mitte Dezember bei der TSG Hoffenheim seinen Job als Nachwuchschef, den er seit 2021 inne hatte.
Neu im Nachwuchs aktiv ist inzwischen LOIC FAVÉ, den man noch als Co-Trainer vom Millerntor kennt. Anfang Januar holte ihn der Hamburger SV in seinen Staff, wo er zunächst als Leiter des Nachwuchszentrums installiert wurde. Mit der Saison 2024/25 soll der 31-Jährige dem Vernehmen nach zusätzlich die U12-Mannschaft in der Regionalliga als Cheftrainer übernehmen und dort somit den durchaus erfolgreichen Pit Reimers ablösen. Nach der Entlassung von Tim Walter nimmt der Jungspund interimsmäßig als Co-Trainer auf der Bank des Zweitligisten Platz. Favé gehörte zuvor bekanntlich zum Co-Trainer-Team beim FCSP, wo er neben Fabian Hürzeler einem hier sehr beliebten Ex-Spieler und -Trainer bis zu dessen Entlassung im Dezember 2022 assistierte: TIMO SCHULTZ. Der wiederum ist seit Jahresbeginn neuer Chefcoach beim 1. FC Köln, wo er die Aufgaben von Steffen Baumgart übernommen hat. Schultz war zuvor von Mai bis September 2023 als Übungsleiter beim FC Basel gescheitert.
Ebenfalls Co-Trainer bei unserem FC war dereinst HARALD GÄRTNER – von Ende Dezember 2002 bis Ende März 2004 unter Franz Gerber. Seit Mitte Januar arbeitet Gärtner, der zwischenzeitlich einige Jahre Sportchef beim FC Ingolstadt war und zuletzt bei Austria Klagenfurt als Geschäftsführer werkelte, als Leiter des Europageschäfts des MLS-Klubs Los Angeles Football Club (LAFC). In dieser Eigenschaft steht Gärtner zunächst dem neuen strategischen Partner Grasshopper Club Zürich, wo die Amerikaner seit kurzem Mehrheitsaktionär sind, sowie dem Viertligisten Wacker Innsbruck zur Seite. Der LAFC will neue europäische Märkte erschließen. Apropos Schweiz: „Back to the roots“ heißt es für ROGER STILZ, der seit Anfang Januar als neuer Sportchef beim FC St. Gallen agiert. Von Juni 2016 an leitete der gebürtige Eidgenosse fast fünf Jahre das FCSP-NLZ, ehe er nach Belgien und zu Jahn Regensburg ging. Nun also erste Schweizer Liga.
In der höchstmöglichen Staffel ist seit Mitte Januar auch wieder MORITZ VOLZ (2010-2012 FCSP) gelandet, der als Co-Trainer bei den Damen des FC Bayern München anheuerte. Auch UGUR INCEMAN hat Anfang der 2000er-Jahre beim FC St. Pauli Erstligaluft geschnuppert. Zuletzt als Profispieler war der gebürtige Aachener 2018 für den türkischen Zweitligisten Eskisehirspor unterwegs. Heute coacht der 42-Jährige, der 2004 einmal für die türkische A-Nationalelf auflief, die türkische U17-Nationalelf. Auch FAFÀ PICAULT, der von Mitte 2015 bis Januar 2017 am Millerntor seine Buffer geschnürt hatte, ist Nationalspieler – und das sogar für zwei verschiedene Nationen: zwischen 2016 und 2018 zweimal für die USA und ab 2023 fünfmal für Haiti. Dieser Picault jedenfalls unterschrieb für 2024 beim MLS-Team Vancouver Whitecaps, nachdem er zuvor bei Nashville SC seine Einsatzzeiten hatte. Zurück aus den USA ist KEVIN LANKFORD, der von seinem letzten Stammverein Viktoria Köln (3. Liga) für ein halbes Jahr an den US-Zweitligisten Orange County ausgeliehen war und nun in der Winterpause endgültig zu Kickers Offenbach transferiert wurde. Nicht jenseits des „großen Teichs“, sondern quasi gleich um die Ecke spielte zuletzt RICHARD SUKUTA-PASU – zumindest bis vergangenen August – beim dänischen Zweitligisten Vejle BK. Im Februar unterschrieb der Stürmer nun, nach einigen Monaten Vereinslosigkeit, in der Stadt, wo Lankford gerade das Weite gesucht hatte. Allerdings nicht bei der Viktoria, sondern bei der Fortuna in der Regionalliga.
Auch für DANIEL BUBALLA war die Domstadt mit seiner Viktoria bis zum vergangenen Sommer für zwei Saisons der sportliche Mittelpunkt. Nach einem halben Jahr Zwangspause schloss sich der 33-Jährige aus Bergisch Gladbach Ende Januar dem souveränen Oberliga-Tabellenführer Eintracht Trier an. International hingegen kickt jetzt KYOUNG-ROK CHOI, der seit der letzten abgelaufenen Spielzeit und fünf Jahren beim KSC dort nicht weiter berücksichtigt wurde und seither ein halbes Jahr auf Vereinssuche war. Nun schloss sich der gebürtige Seouler nach insgesamt zwölf Jahren in Deutschland im Winter dem südkoreanischen Erstligisten Gwangju FC an – gut 8.500 Kilometer von Deutschland entfernt. Etwa 7.000 Kilometer Luftlinie weniger liegen zwischen der bulgarischen Hauptstadt Sofia und der libanesischen Kapitale Beirut. SEBASTIAN JAKUBIAK, von 2013-2015 für St. Paulis U23 aktiv, kickte bis Juli 2023 für ein halbes Jahr beim bulgarischen Zweitligisten Septemvri Sofia und wechselte nun im Winter zum libanesischen Erstligisten Safa Beirut SC (1. Liga). Nun fragt mich bitte nicht, wie solche Deals zustande kommen.
Überrascht haben mich zuletzt auch zwei Trainerpersonalien: Zum einen übernahm TORSTEN FRÖHLING im November die Rolle des Chefcoachs beim Regionalligisten und unserem U23-Ligakonkurrenten Weiche Flensburg und auf der anderen Seite kehrte HENNING BÜRGER zum Auftakt der Wintervorbereitung zum zweiten Mal zurück zum FC Carl Zeiss Jena, wo er bereits Ende 2022 für einige Wochen als Interimscoach und in der Saison 2007/08 komplett als Trainer amtierte. Bürger war bis zu seinem neuen Antritt Leiter der Nachwuchsabteilung in Jena. Ebenfalls in den Osten der Republik verschlug es MARTIN GEISTHARDT, der zuletzt als Vermarktungs-Bereichsleiter beim FCSP gewirkt hatte und den Verein im Januar auf eigenen Wunsch verlassen hatte. Zwei Tage später wurde publik, dass Geisthardt beim 1. FC Magdeburg als kaufmännischer Geschäftsführer die Nachfolge des freigestellten Alexander Wahler antreten wird. Ebenfalls eine Führungsposition aufgegeben – allerdings freiwillig – hat REENALD KOCH, der beim FC Eintracht Norderstedt Anfang Dezember das Zepter an Vizepräsidentin Julia Karsten-Plambeck übergab, der Tochter des langjährigen Hauptsponsoren des Klubs, Horst Plambeck. Koch, ehemals Spieler und Präsident beim FCSP, führte den Verein seit Gründung über 20 Jahre.
Auch STEFAN ORTH war mal unser Präsident, war seit Dezember 2022 Tourismuschef in Zingst, gab diesen Job aber bereits nach knapp einem Jahr wieder auf, um sich beruflich neu in Vorpommern zu orientieren. Etwas orientierungslos schien zuletzt Weile MAX KRUSE zu sein, der bei Union Berlin, dem VfL Wolfsburg und zuletzt beim SC Paderborn, dem er sich zu Saisonbeginn 2023/24 überraschend angeschlossen hatte, jeweils vorzeitig den Exit-Weg wählte beziehungsweise wählen musste. Via Instagram verkündete Kruse dann im Dezember sein endgültiges, aber nicht überraschendes Karriereende. Er sei zuletzt „nur noch genervt“ von dem ganzen Business gewesen, ließ der gebürtige Reinbeker später wissen und will sich nun anderen Dingen widmen. Auch AZIZ BOUHADDOUZ hat seine Laufbahn beendet, der seit dem vergangenen Sommer für seinen Jugendverein FSV Frankfurt in der Regionalliga auflief und diesen nun in der Winterpause vorzeitig wieder verließ. Ebenfalls aufgehört als Profi hat ROMAN PROKOPH und kickt jetzt nur noch in der Bayernliga beim Kirchheimer SC. Gänzlich mit dem Fußball aufhören muss jetzt verletzungsbedingt (anhaltende Schulterprobleme) CLEMENS SCHOPENHAUER, der zuletzt beim Landesligisten FC Hagen/Uthlede gegen den Ball trat; er wurde dort jetzt aber in den Trainerstab integriert.
Als Trainer kannten wir zuletzt auch BERKAN ALGAN, der von 2015-2020 bei Altona 93 an der Seitenlinie stand. Nach einigen Jahren (Zwangs)Pause kümmert er sich nun seit November um die Geschicke des ambitionierten Hamburger Oberligisten ETSV. Auch DAVID EYBÄCHER kickte einst in St. Paulis U23 – allerdings nie gemeinsam mit Algan. Nun ist auch Eybächer, der seit 2018 in verschiedenen Funktionen beim SC Victoria unterwegs ist – seit 2020 als Sportlicher Leiter – Trainer in der Oberliga geworden. „Bis zur Winterpause“, wie es von Vereinsseite hieß, übernahm der sympathische Zeitgenosse das Fünftligateam seines SC Victoria als Interimscaoch, nachdem Joshua Krause unter merkwürdigen Umständen im November geschasst wurde. Bis heute (Stand: 7.2.) gab es keine weitere Information über einen neuen SCV-Oberligacoach. Und wenn wir schon irgendwie in St. Paulis U23-Kosmos gelandet sind: Keeper FLORIAN KIRSCHKE (2009-2012 bei uns) und zuletzt beim VfB Lübeck im Kasten, musste zum Jahresende 31-jährig seine Karriere Rücken-bedingt beenden. Eine Verletzung sowie die Coronapandemie bremsten TOM PROTZEK beim FCSP II aus, und nun kickt der Halstenbeker seit einiger Zeit und jeweils mit Stipendium in den USA – für die zweite Mannschaft von New Mexiko United und parallel für das Collegeteam von Tulsa Golden Hurricanes.
In der „Heimat“ geblieben sind hingegen MARCELL SOBOTTA, der in der Winterpause von Drochtersen/Assel zum Oberligisten Kickers Emden wechselte; NICLAS NADJ, der vom SC Paderborn leihweise bis Saisonende zum SC Verl ging; MAX DÜWEL, der im Januar den SV Rugenbergen verließ und sich Berkan Algans (s.o.) ETSV anschloss; sowie NATHANAEL KUKANDA, der auf mutmaßlich eigenen Wunsch unsere U23 im Winter verließ – Ziel unbekannt.
Im Schnelldurchgang: DANIEL GINCZEK verließ im Januar Fortuna Düsseldorf und schloss sich bis Saisonende dem stark abstiegsgefährdeten Drittligisten Meidereicher SV Duisburg bis zunächst Saisonschluss an. Tormann SVEND BRODERSEN, seit 2021 in Japan beim Yokohama FC aktiv, wechselte dort zum Zweitligisten Fagiano Okayama. Ebenfalls (wieder) im Ausland gelandet ist – nach vielen Jahren im deutschen Profifußball – MATS Møller Dæhli. Und unterschrieb einen Vertrag beim norwegischen Erstligisten Molde FK. MICHÉL DINZEY heuerte in der Hauptstadt an und ist bei der Hertha als Scout unterwegs, und DAVIDSON EDEN wechselte im Winter innerhalb Hamburgs von Hamm United zum Oberliganeuling FC Alsterbrüder, wo weiterhin Jörn Großkopf als Übungsleiter das Sagen hat.
Zu betrauern haben wir abschließend den Tod zweier Legenden: DIETHELM FERNER, von 1976-1978 Trainer bei uns am Millerntor und damit – nach 27 Spielen ohne Niederlage am Stück – braunweißer Premieren-Bundesliga-Aufstiegscoach, verstarb am 7. November 2023 im Alter von 82 Jahren in seiner Heimat im Landkreis Kleve. Dort hatte ich ihn noch im Juli 2021 anlässlich eines Interviews für unser Vereinsmuseum besucht, und er hatte seinerzeit einen gesundheitlich und geistig noch sehr guten Eindruck auf mich gemacht. Der dreifache Nationalspieler wurde am 23. November auf dem Friedhof in Kalkar-Grieth beigesetzt. Nicht beim Fußballspiel, sondern im Rugby glänzte HEINZ LÜHRS, der am 3. Januar 88-jährig in Hamburg starb. Lührs war 71 Jahre Vereinsmitglied des FC St. Pauli und wurde hierfür noch im Dezember 2022 mit der diamantenen Ehrennadel ausgezeichnet, die er auf der Mitgliederversammlung auch persönlich entgegennahm. Als sechsfacher Rugbynationalspieler führte er die FCSP-Mannschaft 1964 als Kapitän ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft; das zwar gegen Hannover 78 verloren ging, aber bis heute für den größten Erfolg unserer Rugbymänner steht. Heinz Lührs war zudem von 2001 bis 2013 Wahlausschussmitglied, davon von 2001-2007 dessen Vorsitzender. Ruhet in Frieden!
// Ronny
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Wieso sind bei Mats Møller Dæhli die Nachnamen nicht in Großbuchstaben? Rätselhaft. 🙂
Wer im norwegischen Fußball nicht so bewandert ist: Molde FK ist nicht nur die Mannschaft, bei der Mats einst seine Profikarriere startete, sondern war in den letzten Jahren meist auch recht erfolgreich. Die letzte Saison beendeten sie nur auf dem 5. Platz, aber die sechs Jahre davor waren sie mindestens Vizemeister und zweimal gar Meister.