FC St. Pauli schlägt neuen Abstimmungsprozess zum DFL-Investoreneinstieg vor

FC St. Pauli schlägt neuen Abstimmungsprozess zum DFL-Investoreneinstieg vor

Der FC St. Pauli erklärt, dass in Bezug auf die Abstimmung „große moralische als auch Glaubwürdigkeitsvorbehalte bestehen“ und schlägt neuen Abstimmungsprozess vor.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

Die Ereignisse und Meldungen überschlagen sich aktuell. Mehrere DFL-Clubs haben inzwischen öffentlich eine erneute Abstimmung zum Investoreneinstieg bei der DFL gefordert. Darunter befinden sich mit dem VfB Stuttgart (Präsident Vogt auf Twitter), Hansa Rostock (OZ €) und dem Karlsruher SC (SWR) sogar drei Clubs, die nach eigener Angabe, bei der Abstimmung Anfang Dezember mit „Ja“ gestimmt haben. Auch Eintracht Braunschweig, Hertha BSC (Berliner Morgenpost €) und Union Berlin (WELT €), sowie der VfL Osnabrück (NOZ €), welche allesamt nach eigener Aussage mit „Nein“ gestimmt haben, machten sich öffentlich für eine erneute Abstimmung stark.

Dass man sich bei der Frage nach dem Abstimmverhalten auf die Angaben der Clubs verlassen muss, liegt daran, dass die Abstimmung Anfang Dezember, ob die DFL Verhandlungen mit möglichen Investoren aufnehmen soll, geheim abgehalten wurde. Hierfür gab es die notwendige Zweidrittel-Mehrheit, allerdings mit dem knappsten aller Ergebnisse: 24 Clubs stimmten dafür, zehn dagegen, zwei enthielten sich (was aufgrund der notwendigen Zustimmung einem „Nein“ gleichkommt). Der FC St. Pauli zählt zu jenen Clubs, die mit „Nein“ gestimmt haben.

Hannover 96 e.V. kritisiert DFL massiv

Auch der Stammverein des Zweitligaclubs Hannover 96, hat sich inzwischen zu der Abstimmung geäußert und übte dabei massive Kritik an der DFL und Martin Kind. Es steht der Vorwurf im Raum, dass Kind, Geschäftsführer und Investor bei den Niedersachsen, bei der Investorenfrage mit „Ja“ stimmte, obwohl ihn der Stammverein angewiesen hat mit „Nein“ zu stimmen. Dies würde einen eklatanten Verstoß gegen die 50+1-Regel darstellen.

Der Vorstand des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. übte in seiner Stellungnahme auch massive Kritik an der DFL: „Die DFL wurde von uns im Vorfeld der Abstimmung über einen möglichen Investoreneinstieg sowohl über die Weisung an Martin Kind selbst, bei der Abstimmung mit Nein zu stimmen, als auch über die ablehnende Reaktion hierzu von Martin Kinds Anwälten, in Kenntnis gesetzt.“
Durch das Verhalten, durch „die bewusste Untätigkeit“ gefährde die DFL den Fortbestand der 50+1-Regel.

Bundeskartellamt prüft erneut

Aufgrund der jüngsten Ereignisse rund um die Abstimmung, kündigte nun auch das Bundeskartellamt in einem internen Schreiben an „sich mit den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL vertraut zu machen und dann über das weitere Vorgehen zu beraten“ (Sportschau). Für die DFL könnte das nicht weniger als ein Desaster sein. Diese erklärte dazu gegenüber der Sportschau, dass man weiterhin auf einen Abschluss des Verfahrens noch in dieser Saison hoffe und: „Für eine grundlegende Änderung dieser Beurteilung des Bundeskartellamts gibt es keine Anzeichen.“

FC St. Pauli sieht „Glaubwürdigkeitsvorbehalte“

Angesichts der Vorgänge in Hannover und der nun öffentlich formulierten Vorwürfe des Stammvereins von Hannover 96, erklärte der FC St. Pauli auf MillernTon-Anfrage, dass die Inhalte der Stellungnahme aus Hannover nicht neu, der relevante und formale Sachverhalt „allerdings juristisch von allen Seiten betrachtet nicht eindeutig zu bewerten“ sei. Dabei gehe es vor allem darum, dass intern, also zwischen H96 e.V. und der Kapitalseite Hannovers, geklärt werden müsse „inwieweit das Weisungsrecht bei welchen Sachverhalten gültig ist.“ Es bedarf daher hier einer juristischen Klärung dieses Sachverhaltes und der ist enorm schwierig.

Der FC St. Pauli betonte in diesem Zusammenhang „dass 50+1 selbstverständlich auf diesem Weisungsrecht (in mit dem jeweiligen e.V. abgestimmten Feldern) fußt“ und dass „bezogen auf die Abstimmung große moralische als auch Glaubwürdigkeitsvorbehalte bestehen.“

Deutschland, Hamburg, 29.04.2022, Fussball 2. Bundesliga 32. Spieltag, FC St. Pauli - 1. FC Nuernberg im Millerntor-Stadion Praesident Oke Goettlich (FC St. Pauli)
Oke Göttlich, hauptamtlicher Präsident des FC St. Pauli und DFL-Präsidiumsmitglied, hat sich für ein erneutes Aufrollen des Abstimmungsprozesses über den Investoreneinstieg bei der DFL stark gemacht. // (c) Peter Boehmer

Gleicher Vorschlag wie der 1. FC Köln

Am Donnerstag wurde bekannt, dass auch der 1. FC Köln eine erneute Abstimmung über einen Investoreneinstieg bei der DFL fordert. Die Kölner kündigten laut Sportschau an, der DFL „zeitnah einen förmlichen Antrag zukommen lassen, um das DFL-Präsidium vom durch die Mitgliederversammlung erteilten Abschlussmandat zu befreien.“
Der FC St. Pauli erklärte auf unsere Anfrage, man habe „lange vor dem 1. FC Köln genau diesen Vorschlag in einer DFL-Präsidiumssitzung in den Umlauf gebracht – und zwar bereits am 19. Dezember 2023“, schlägt also ebenfalls vor den Abstimmungsprozess über einen Investoreneinstieg bei der DFL neu aufzurollen.

Allerdings gebe es laut FCSP zu Bedenken, dass „eine mögliche neue Abstimmung große juristische Interpretationen zulässt, bis hin zu möglichen Haftungsrisiken vor dem Hintergrund einer formal kaum anfechtbaren Abstimmung und einem großen mehrheitlichen Votum der DFL-Mitglieder den Investorenprozess zu begehen.“ Zwar haben mehrere Clubs bereits ein erneutes Aufrollen des Abstimmungsprozesses gefordert, aber es gibt auch andere, die sich dagegen positioniert haben: Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt, der FSV Mainz 05, der SC Paderborn, RB Leipzig und der 1. FC Heidenheim (Quelle: 11 Freunde (€)). Diese Uneinigkeit gibt einen Hinweis darauf, wie komplex die Situation für die DFL aktuell ist. Im Falle eines erneuten Aufrollens des Abstimmungsprozesses, ist eine Klage jener Clubs, die Anfang Dezember für einen Investoreneinstieg stimmten, ein reales Szenario.

Einige Clubs wollen an Investorenprozess festhalten

Der FC St. Pauli erklärte, dass, nachdem der erste Investorenprozess im Mai geplatzt war, der zweite Investorenprozess im Dezember „viele Verbesserungen in sich trägt,“ man aber trotzdem dagegen gestimmt habe, weil dies in den vereinsinternen Gremien so besprochen und beschlossen und so auch auf der Mitgliederversammlung votiert worden sei. Trotzdem gebe es „hinreichend fundierte und logische Beweggründe für die Liga“ Geld zu investieren, um „im internationalen Liga-Ranking nicht weiter abzurutschen.“ Warum das internationale Ranking auch für einen Zweitligaclub wichtig ist? Weil das Abrutschen dort „auf Sicht einen finanziellen Nachteil für alle Clubs“ mit sich bringen würde, erklärt der FC St. Pauli. Ein anderweitiges Finanzierungsmodell für die Vorhaben im Bereich der Digitalisierung sei, trotz Prüfung, bisher nicht bekannt, erklärt der Verein. So sei „auch eine erneute Erhöhung des Abgabesatzes an die DFL durch die Clubs ist finanziell für viele Clubs keine Alternative.“

Die immer weiter steigenden internationalen Wettbewerbseinnahmen, seien generell ein Problem, weil dadurch immer mehr finanzieller Druck entstehe, erklärt der FC St. Pauli. Daher müsse das „Fußballgeschäft reguliert werden.“ Dabei gehe es zuvorderst um Kaderkosten- und/oder Gehaltsobergrenzen, aber auch um weitere Punkte, die zum Beispiel der FCSP gemeinsam mit seiner Fanszene in einem Positionspapier festgehalten hat. Die finanziellen Probleme in den Clubs, welche auch eine Folge der Pandemie sind, dürften jedenfalls eine gewichtige Rolle bei ihrem Abtimmungsverhalten in der Investorenfrage gespielt haben.

Potenzieller Investor ausgestiegen

Die Uneinigkeit der Clubs, aber auch die Fanproteste der letzten Wochen, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Mit Blackstone ist inzwischen einer der potenziellen Investoren ausgestiegen, laut Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg aufgrund der anhaltenden Proteste und der zögerlichen Haltung der Bundesliga-Clubs (kicker). Angesichts der weiteren Entwicklung in den letzten Tagen und Stunden ist ein Ausgang dieses Themas komplett offen.

// Tim

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8 thoughts on “FC St. Pauli schlägt neuen Abstimmungsprozess zum DFL-Investoreneinstieg vor

  1. Über das mutmaßliche Abstimmungsverhalten von Martin Kind war ich nicht sonderlich überrascht, habe ich ihm schon vorher jegliche Winkelzüge (man könnte auch Schweinerei sagen) zugetraut. Aber wenn es stimmt, was die Hannover 96 e.V. schreibt und die Verantwortlichen bei der DFL im Vorfeld über die Wahrscheinlichkeit des Abstimmungsverhaltens informiert waren und es kaltlächelnd geschehen ließen, sind sie untragbar. Absoluter Irrsinn, das hätte ich nie im Leben für möglich gehalten und ich bin zutiefst schockiert. Das sind aktive Handlungen gegen die Interessen der Vereine, wie diese ihre Interessen definiert haben. Können wir uns ernsthaft aufregen über manipulierte Wahlen In z.B. Russland und Belarus und gleichzeitig solche Handlungen dulden? Ich habe massive Probleme mit Aktionen der Ultras, die durch ihren Pyro-Wahn dem eigenen Verein schaden und sich als einzig legitime Stimme des Fanvolkes aufspielen. Aber in der jetzigen Situation bin ich sehr dankbar für ihren nicht nachlassenden, friedlichen und gewaltlosen Tennisball- und Schokotaler-Protest. Geschäftsführung und Aufsichtsrat der DFL sollten mit sofortiger Wirkung zurücktreten, wenn sie einen Rest Anstandin sich haben. Glaube ich dran?

  2. Es ist einfach nur erbärmlich. Und genau wegen dieser Erbärmlichkeit gibt es keinen Grund der DFL zu trauen, die Investoren könnten keinen Einfluss auf Anstosszeiten usw. nehmen.

    1. Die DFL ist ja eigentlich der DFL e.V. und Mitglied im DFB. Da übernimmt die DFL die Regelungen zum Spielbetrieb usw. Demnach müsste man die Mitgliedschaft im DFB kündigen. Das bedeutet dann allerdings auch, dass man nicht an deren Wettbewerben teilnehmen kann und somit auch kein Profifußball möglich wäre. Zumindest in Deutschland … evtl. besteht ja die Möglichkeit im Ausland im Profibereich mitzuspielen (sowie z.B. Monaco in Frankreich) … da ist´s aber auch nicht besser.
      So verstehe ich zumindest das ganz Miteinander. Falls ich (komplett) falsch liege, bitte korrigieren 🙂

  3. Habt ihr nicht vor Jahren mal einen Artikel rausgebracht das der Fcsp sich der dänischen Liga anschließt? Man kann ja die Idee auch mal wieder aufbringen.

    1. An einen konkreten Artikel dazu kann ich mich nicht erinnern, aber im Zuge einiger montäglicher Ausflüge und dem kürzeren Weg nach Europa kann das durchaus mal Thema gewesen sein.
      Ob das nur mal im Gespräch war oder ich das in der Lage als Idee ausformulierte, weiß ich aber nicht mehr 😉

      1. ich kann mich bei weitem leider auch nicht mehr erinnern, hatte das aber irgendwie als Artikel zum 1. April in Erinnerung, aber gut vielleicht hat auch ein anderer Blog diesen Witz mal gebracht. Also war definitiv nichts ernstes.

  4. Monaco does not play abroad. They always were a member of the French Football Association. There is no other club in the principality of Monaco to play agianst anyway.

    Derry City plays abroad, though, and for a very political reason.

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