Die Lunge auf Abwegen

Die Lunge auf Abwegen

Wenn es heute Abend für den FC St. Pauli beim FC Schalke 04 um Punkte geht, dann wird Marcel Hartel mittendrin sein. Aber wo genau?
(Titelbild: Peter Boehmer)

Eigentlich ist die Berichterstattung des MillernTon vor einem Spiel ja mit Veröffentlichung des Vorberichts abgeschlossen. Aber dieses Mal juckte es zu stark in den Fingern. Call it Aufregung, call it Vorfreude – wir wollen ein wenig auf Marcel Hartel und einige Zahlen blicken.

Die Erinnerung ist tatsächlich alles andere als schön. Im Gegenteil: Mit 2:3 verlor der FC St. Pauli bei seinem letzten Auftritt auf Schalke. Womit kurz vor Ende der Saison 21/22 endgültig klar war, dass der FCSP nicht aufsteigen wird. Besonders bitter, dass die Schalker es gleichzeitig schafften. Eine große Enttäuschung, nachdem man große Teile der Saison auf einem Aufstiegsplatz verbrachte. Das führt zum Hochkochen ziemlich bescheidener Erinnerungen (sorry dafür – aber aus Niederlagen zieht man ja bekanntlich Kraft), aber gibt auch mal wieder die Möglichkeit, eines der besten Bilder von Peter Boehmer in einem Artikel unterzubringen (siehe unten).

Fünf Spieler erinnern sich an das letzte Spiel auf Schalke

Eine Wiederholung der Situation ist aktuell sowieso ausgeschlossen. Egal, was auf Schalke passieren wird, der FC St. Pauli wird auch nach diesem Spieltag Tabellenführer der 2. Bundesliga sein. Und sowieso: Nur Jackson Irvine und Marcel Hartel standen am 07. Mai 2022 auf Schalke in der Startelf. Insgesamt sind nur fünf Spieler aus dem aktuellen Kader damals dabei gewesen (Vasilj, Ritzka und Ahlers). Das sind schön wenige, damit eine schlechte Erinnerung nicht Überhand nimmt bei der Spielvorbereitung. Aber genügend, um das Team daran zu erinnern, welche Wucht der FC Schalke 04 bei Heimspielen entfalten kann. Genau davor warnte auch Fabian Hürzeler, der das Spiel anno 2022 ebenfalls leidvoll aus nächster Nähe mitbekam.

Wenn nicht alles schiefgeht, dann werden beide, Hartel und Irvine, auch diesen Freitag wieder auf dem Platz stehen, wenn der Anpfiff erfolgt. Irvine dabei auf gewohnter, Hartel auf ungewohnter Position. Denn zuletzt gegen Holstein Kiel spielte Hartel als alleiniger Mittelstürmer im Offensivzentrum. Und er machte seine Sache sehr gut. Fabian Hürzeler erklärte, dass man bei Kiel Räume gesehen habe, die man mit der Aufstellung von Hartel ganz vorne am besten bespielen könne. Hartel hat dabei aus einer etwas tieferen Position besser die Räume nutzen können, die vom Gegner angeboten werden. „Cello hat gewisse Räume sehr gut belaufen, war gut positioniert,“ erklärte Hürzeler.

Hartel wohl wieder als falsche Neun gefragt

Hartel selbst sagte nach dem 4:3-Erfolg in Kiel, dass er zwar auf der Neun positioniert sei, aber nicht wie ein klassischer Neuner spielen, sich eher viel freier bewegen und immer wieder fallen lassen sollte. Sein Fazit: „Das hat gut funktioniert.“ Und zwar nicht nur im Zusammenspiel mit den Mitspielern, sondern auch bei den klassischen Stürmeraufgaben: „Bei der Flanke von Connor Metcalfe stehe ich genau da, wo ein Stürmer stehen muss,“ lautete die zufriedene Analyse von Hartel. Es war übrigens das erste Mal seit seinem verschossenen Elfmeter im Pokal gegen Fortuna Düsseldorf, dass Marcel Hartel wieder direkt an Treffern beteiligt war.

Nun hat auch der FC Schalke 04 zuletzt immer mal wieder in einem 4-4-2 mit Mittelfeldraute agiert, wie auch Holstein Kiel. Für Fabian Hürzeler ist das alles andere als ein unbekanntes System, ließ doch Timo Schultz zumeist so spielen. Entsprechend deutlich wird der 31-jährige Cheftrainer: „Ich kenne die Anfälligkeiten der Raute.“ Und die befinden sich hinter den beiden Halbpositionen in der Raute, was bei Schalke dann das Duo Seguin und Mohr sein könnte. Ziel des FC St. Pauli dürfte es sein, diese beiden Spieler zu locken, um die sich dadurch hinter ihnen öffnenden Räume zu bespielen. Hierfür ist ein Spieler wie Marcel Hartel, der sich sehr klug im Raum bewegt, genau richtig auf der Mittelstürmer-Position. Er soll die Räume finden, die St. Pauli bespielen möchte, zusammen mit den beiden Achtern, die dann vorschieben.

Deutschland, Gelsenkirchen, 07.05.2022, Fussball 2. Bundesliga 33. Spieltag, FC Schalke 04 - FC St. Pauli in der Veltins Arena Die Fans von Schalke 04 feiern den Aufstieg - Marcel Hartel (FC St. Pauli) enttaeuscht
Marcel Hartel schaut nach der Niederlage des FC St. Pauli auf Schalke den Heimanhänger*innen bei der Aufstiegsfeier zu.
Ein sehr schmerzhafter Moment, aber ein wahnsinnig tolles Foto von Peter Boehmer.

Marke von 300 Kilometern dürfte fallen

Wie gut Marcel Hartel das gelingt, weiß man dann spätestens mit Abpfiff gegen 20:20 Uhr. Was dann aber so gut wie sicher bereits der Fall sein wird, ist das Erreichen der Marke von 300 gelaufenen Kilometern. Läppische 7,4 Kilometer fehlen ihm noch dafür. Er wird damit der erste Spieler der zweiten Bundesliga sein, der diese Marke in dieser Spielzeit knackt. Frühestens nächstes Wochenende dürfte Wiesbadens Robin Heußer (aktuell 273,8 km) nachziehen. Alle anderen Spieler hat Hartel inzwischen deutlich distanziert. Die Wahrscheinlichkeit, dass er, wie auch in der Vorsaison, als einziger Spieler die Marke von 400 Kilometern knacken wird, ist relativ hoch. Das hat außer ihm bisher sowieso nur ein einziger Spieler in der ersten oder zweiten Liga geschafft (Maximilian Eggestein, 20/21), seit die Zahlen aufgezeichnet werden.

Marcel Hartel ist aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt wichtig für den FC St. Pauli: Denn er weiß, wie man auf Schalke gewinnt. Das weiß auch der FCSP, allerdings muss man dafür tief in die Vereinschronik eintauchen. Zuletzt konnte man in der Saison 50/51 auf Schalke gewinnen. 96/97 gab es dort mal einen Punkt zu holen (0:0). Bei den drei letzten Fahrten nach Gelsenkirchen gab es immer jeweils mindestens drei Gegentreffer und keine Punkte. Inklusive Toren von Raul und Huntelaar (2010 war das), einem Panenka-Elfer von Jörg Böhme und, krieg ich heute noch Puls vor Wut, ein Elfmeter-Tor von Torwart Oliver Reck zum 4:0 im Februar 2002.

Mittelstürmer wissen, wie man auf Schalke gewinnt

Schnell weg von Reck und Böhme, zurück zu Hartel: Denn trotz der Niederlage beim letzten Auftritt auf Schalke sind die Königsblauen für ihn persönlich ein gar nicht mal so schlechter Gegner. In sechs Spielen stand er gegen Schalke auf dem Platz. Vier davon konnte er gewinnen, zweimal verlor er 2:3. Bei den letzten beiden Erfolgen war er an allen fünf Treffern direkt beteiligt. Besonders wichtig: Am 19. Dezember 2020 gewann Hartel im Trikot von Arminia Bielefeld mit 1:0 auf Schalke. Das alleine qualifiziert ihn übrigens nicht für die Mittelstürmer-Position. Denn auch Simon Zoller weiß, wie es ist, auf Schalke zu gewinnen. Er gewann dort 2015 und 2016, jeweils mit dem 1. FC Köln – und trug sich sogar beide Male in die Torschützenliste ein. Auch Johannes Eggestein gewann dort zu Beginn der Saison 20/21 mit Werder Bremen.

So gibt es im Kader des FC St. Pauli sicher einige Spieler (und auch Fabian Hürzeler), die noch eine Art Rechnung mit dem FC Schalke 04, besonders mit diesem Stadion, offen haben. Und es gibt auch einige, die wissen, wie man auf Schalke gewinnt. Ist das beides relevant für den Ausgang des Spiels? Vielleicht. Zumindest sind sowohl offene Rechnungen, als auch gute Erinnerungen Antriebsfedern für sportliche Höchstleistungen. Diese ist heute Abend sicher notwendig für den FC St. Pauli, um beim FC Schalke 04 zu gewinnen.

// Tim

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6 thoughts on “Die Lunge auf Abwegen

  1. Moin, und ich dachte mit „auf Abwegen“ ist gemeint, dass Du aus dem aktuellen Sky-Interview etwas rausgehört hast, dass Hartel den Weg nach Gladbach gefunden hat….eijajei
    Scheint also noch nicht der Fall zu sein und somit gilt der Blick nach GE, um dort die Punkte zu holen. In Kürze ist Abfahrt und hoffentlich kommen wir pünktlich an….

    Walk on

  2. Übrigens: Luat mehreren Medienberichten wird Schallenberg von Schalke heute als innenverteidiger Aufgeboten. Das spricht für mich eigentlich nach dreier Kette, mit Schallenberg als Eric Smith des S04s

  3. Ergänzung zu dem Foto von Marcel Hartel: Er war an diesem bitteren Abend nach meiner Erinnerung der einzige Spieler von uns, der nach Spiel noch in Richtung Auswärtsblock gegangen ist. Dabei kam es – wie auf dem Foto zu sehen ist – zum Kontakt mit den Schalke-Fans.
    Gerade Marcel Hartel würde ich deshalb den Aufstieg besonders gönnen. Wäre dann sein dritter – er kann es also 😎

    1. Jakov war auch in unsere Richtung unterwegs, musste dann aber einem vorm Gästeblock rumposenden, königsblauen Vollpfosten eine Ansage machen. Der ging dann auch lieber recht schnell woanders hin.

  4. Nach dem Spiel kann man sagen: Dort wo er spielte war er wirkungslos, dort wo er nicht spielte klaffte eine riesige Lücke.
    Wäre aber nur ein Mosaikstein dieses katastrophalen Auftritts.

  5. Marcel kommt in erster Linie über seine Technik,hat nun mal nicht diese Körperlichkeit was beim heutigen Spiel ,wo Schalke so ein Spiel angegangen ist wie im Pokal,zu sehen war.Gegen den Spitzenreiter wollen es alle besonders zeigen.Herta unter Dardei kommt auch eher über Bissigkeit und bei uns geht die Dominanz immer mehr verloren.Mal schauen ob wir uns trotzdem ins Ziel retten.Jetzt kann unser Trainer beweisen daß der Höhenflug nicht zu Ende geht..hoffen wir mal das er noch was im Koffer hat.

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