Vorbericht: FC St. Pauli – Hertha BSC (25. Spieltag, 23/24)

Vorbericht: FC St. Pauli – Hertha BSC (25. Spieltag, 23/24)

Am Sonntag empfängt der FC St. Pauli mit Hertha BSC einen lange strauchelnden, aber inzwischen starken Gegner am Millerntor. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Bis zum Anpfiff der Partie zwischen dem FCSP und Hertha, könnt ihr gerne noch in das „Vor dem Spiel“-Gespräch reinhören, bei dem sich Michael mit Benny von Hertha BASE unterhalten hat.

Ein Blick zurück

Es war eines der besten Spiele der bisherigen Saison, das der FC St. Pauli in Berlin zeigte. Dass es am Ende des Hinrunden-Spiels nur 2:1 für den FC St. Pauli stand, war da schon etwas überraschend, weil man die Hertha fast durchgehend dominierte und erst gegen Ende etwas tiefer stehen musste. Wer aber nun aufgrund des Hinspiels erwartet, dass das am Sonntag ebenfalls ein Selbstläufer werden wird, dürfte sich gehörig geschnitten haben. Hertha BSC trägt zwar immer noch einige Probleme mit sich herum, hat sich aber als Mannschaft stark gefestigt und mit etwas mehr Konstanz könnte das Team sogar noch in den Aufstiegskampf eingreifen.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Scott Banks, Eric Smith und Oladapo Afolayan werden für das Spiel sicher ausfallen. Wobei das mit dem „sicher“ zumindest von Smith eher anders bewertet wird. Der stand nämlich am Donnerstag bei Fabian Hürzeler im Büro, wie der Cheftrainer auf der Pressekonferenz berichtete, und erklärte sich selbst für spielbereit. Trotz der hohen Eigenmotivation: Zum Einsatz wird er trotzdem nicht kommen, das „Go“ der medizinischen Abteilung fehlt. Erfreulich ist diese Nachricht trotzdem, zeigt sie doch, dass die Adduktorenverletzung von Smith weit weniger schwer zu sein scheint, als man befürchten musste.

Fragezeichen bei Nemeth

Ein potenzieller Ersatz für Eric Smith ist David Nemeth. Der fehlte aber bereits letzte Woche aufgrund von muskulären Problemen im Kader. Nun hat er sich zu allem Überfluss auch noch eine Erkältung eingefangen. Hinter seiner Einsatzfähigkeit steht ein Fragezeichen. Besser sieht es bei Etienne Amenyido aus, der zuletzt wieder voll im Training mitwirken konnte und damit für den Kader infrage kommt. Auch wieder mit an Bord, nun sogar mit Nachwuchs im Gepäck, ist Simon Zoller. Fabian Hürzeler erklärte, dass man beim FCSP der Ansicht ist, dass Zoller seit der Geburt seines Kindes „eine ganz neue Energie“ ins Team einbringen würde. Hoffentlich sieht man das auch bald auf dem Platz.

Hertha BSC: Wer kann spielen, wer fehlt?

Im Vergleich zur letzten Partie (2:2 zu Hause gegen Holstein Kiel) hat sich an der Kadersituation der Hertha wenig verändert. Mit Marc-Oliver Kempf (Bänderverletzung) und Agustin Rogel (Knie-OP) fehlen dem Team zwei leistungsstarke Innenverteidiger, ansonsten sind alle fit. Damit hat Trainer Pál Dárdai eine doch sehr viel komfortablere Situation als zu Teilen der Hinrunde, wo man oft auf gleich mehrere zentrale Säulen verzichten musste.

Was hat die Alte Dame zu bieten?

Einen schlechten Saisonstart, mit drei Niederlagen (0:5 Tore) zum Auftakt. Dann gab es ein sattes 5:0 gegen Fürth, gefolgt von einer völlig irren 4:6-Niederlage beim 1. FC Magdeburg. Zu behaupten, dass sich Hertha nicht mit einem Knall-Effekt in die Liga eingeführt hat, wäre gelogen. Es ging weiter mit einem steten Auf und Ab, sodass die Hertha irgendwo im Ligamittelfeld rumdümpelte. Gegen Ende der Hinrunde festigten sich die Leistungen dann aber. Ab Spieltag 11 wurde nicht mehr verloren. Dafür gab es in fünf der acht folgenden Ligaspiele ein Remis. Trotzdem wurde dadurch ein leichter Kontakt nach oben hergestellt.

Nach schwachem Start stabilisiert

Mit Beginn der Rückrunde ging das stete Auf und Ab jedoch weiter. Durch Niederlagen gegen Wiesbaden und den HSV schien sich die Hertha von oben wieder verabschiedet zu haben. Siege gegen Fürth und Magdeburg stellten erneut zumindest leichten Kontakt her. Nun gab es zuletzt zwei eher enttäuschende Unentschieden gegen Kiel und Braunschweig (da war jeweils mehr drin), sodass man mit 34 Punkten auf dem neunten Tabellenplatz weilt.

Diese 34 Punkte nach 24 Spieltagen sind genügend, um in dieser Saison eher nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun zu haben. Und es sind auch genug, um bei einer kleinen Erfolgsserie vielleicht doch nochmal oben anklopfen zu können. Vor allem, wenn die Leistungen sich weiter so stabilisieren, wie sie es laut Fabian Hürzeler in den letzten Spielen taten: „Es erwartet uns ein Gegner, der sehr kompakt verteidigt. Ein Gegner, der die letzten Spiele sehr erfolgreich bestritten hat. Ein Gegner, der eine hohe individuelle Qualität für das offensive Umschaltspiel hat. Die Mannschaft hat in den letzten Spielen eine positive Entwicklung genommen.“

Berlin, Deutschland, 30.09.2023, 2. Bundesliga, Hertha BSC - FC St. Pauli Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, vor der Partie gegen den FC St. Pauli. Copyright: Peter Boehmer
Hertha-Trainer Pál Dárdai kann sich über einen gut gefüllten Kader freuen und darüber, dass sein Team zuletzt viel stabiler wirkte, als noch in der Hinrunde.
(c) Peter Boehmer

Der Reese-Faktor

Wenn Fabian Hürzeler von der hohen individuellen Qualität im offensiven Umschaltspiel spricht, dann meint er damit natürlich Rechtsaußen Palkó Dárdai und Marten Winkler, sowie den erst 18-jährigen und hochtalentierten Ibrahim Maza, der zuletzt als eine Art Zehner in der Startelf stand. Er meint damit auch Mittelstürmer Haris Tabakovic, der einer der klarsten Zielspieler der Liga ist und schon 13 Treffer erzielt hat. Vor allem aber meint er damit den wohl für sein Team wertvollsten Spieler: Fabian Reese.

„Er ist ein sehr, sehr guter Spieler, wahrscheinlich zu gut für die zweite Liga.“ – Fabian Hürzeler fasst zusammen, was alle sehen können, die in dieser Saison schon einmal ein Hertha-Spiel mit Reese auf dem Platz gesehen haben. Der 26-jährige Linksaußen hat bisher sechs Treffer und neun Vorlagen zu Buche stehen, sein wirklicher Wert für das Team ist aber noch viel größer. Denn Reese ist an fast jeder Offensivaktion der Hertha beteiligt. Allein die Anzahl an Dribblings zeigt auf, wie groß der Impact von Reese ist: 140 mal ging er diese Saison ins Dribbling. Das sind 80 mehr, als der zweitplatzierte Hertha-Spieler in dieser Statistik hat. Und dank seiner hohen Erfolgsquote von deutlich über 60 Prozent in den Dribblings stellt Hertha das Team mit der besten Dribbelquote der Liga. Möchte man Flanken auf den kopfballstarken Tabakovic verteidigen, dann muss man das vor allem über die Reese-Seite machen, weil die Anzahl an Flanken von dort um ein Drittel höher ist als von rechts.

Wer die zweite Bundesliga und damit Fabian Reese schon etwas länger verfolgt, wird sich vermutlich etwas wundern, wie groß der Reese-Faktor in Berlin ist. Denn der 26-jährige war zwar schon immer ein auffälliger Spieler, aber seine Leistungen waren nicht so herausragend, wie sie es jetzt bei der Hertha sind. Auch Fabian Hürzeler sieht das so: „Er hat eine sehr gute Entwicklung genommen, speziell in den letzten Monaten“ und hebt hervor, dass Reese, zusätzlich zu seiner Torgefahr, nun öfter den freien Mitspieler suche und sich in der Defensivarbeit verbessert habe. Der FC St. Pauli muss auf jeden Fall ein ganz besonderes Auge auf Reese werfen.

Anfälligkeit im Umschaltspiel

So stark die Hertha bei offensiven Umschaltmomenten ist, so groß sind die Probleme beim Umschalten in die Defensive. Hertha steht gegen den Ball oft sehr kompakt, wartet häufig ab, überlässt den Gegnern so viele Spielanteile, wartet dabei aber auf Umschaltmomente. Das funktioniert gut. Problematisch wird es, wenn das Team auch selbst mal den Ball in der Vorwärtsbewegung verliert. Hertha lässt sehr viele Chancen in diesen Momenten zu.

Eine Chance für den FC St. Pauli? Eher nicht, wie Fabian Hürzeler erklärt: „Die defensiven Umschaltmomente sind definitiv eine Phase des Spiels, wo es Räume gibt. Aber ich glaube, dass wir zu Hause wieder viel den Ball haben werden. Da wird es eher darum gehen, dass wir mit Ball eine gute Positionierung haben, um ihre Umschaltmomente zu verhindern. Natürlich können wir auch selbst Umschaltmomente nutzen. Aber wir sind jetzt nicht dafür bekannt, die beste Umschaltmannschaft der Liga zu sein. Wir müssen in anderen Phasen überzeugen.“

BERLIN, GERMANY - FEBRUARY 16: Fabian Reese celebrates after scoring the team's first goal during the Second Bundesliga match between Hertha BSC and 1. FC Magdeburg at Olympiastadion on February 16, 2024 in Berlin, Germany. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)
Fabian Reese ist DER Spieler schlechthin bei Hertha BSC und hat dort eine beeindruckende Entwicklung genommen.
(Maja Hitij/Getty Images/via OneFootball)

Offensive Effizienz

Die Spielweise der Hertha zeigt sich auch ganz klar in den Zahlen: Das Team produziert offensiv eher wenig, hat die viertwenigsten „deep completions“ und die zweitwenigsten Torschüsse vorzuweisen. Aus diesen eher schwachen Werten haben sie aber satte 45 Treffer erzielt (bei einem xG-Wert von 37). Der Hertha gelingt es also, aus wenig Torschüssen viel herauszuholen. Sagenhafte 42,5 Prozent der Abschlüsse finden auch den Weg auf das Tor – die deutlich beste Quote der Liga.

Auf der Gegenseite sind es übrigens die viertmeisten Torschüsse, die zugelassen werden, trotz der von Hürzeler betonten kompakten Spielweise. Und in der Arbeit gegen den Ball war im Saisonverlauf auch klar zu erkennen, wie Trainer Pál Dárdai versuchte, mehr Stabilität in das Team zu bekommen. Oft agiert man abwartend (das Team hat sehr wenig Ballbesitz), seltener presst man hoch. Mal agierte man dabei in einem 4-3-3, mal viel klarer im flachen 4-4-2, aktuell ist es ein 4-2-3-1, welches auch in tieferer Ausprägung zum 4-5-1 wird – sämtliche Umstellungen haben aber noch nicht so wirklich zu defensiver Stabilität geführt. So lässt sich das Spiel der Hertha nach all den Worten recht kurz und knapp zusammenfassen: Offensiv geht da einiges, defensiv ist man aber anfällig.

Mögliche Aufstellung

„Ich tendiere zur gleichen Startelf.“ – Pál Dárdai macht kein großes Gewese um die mögliche Aufstellung. Er sagte sogar, dass ihn die Einwechselspieler bei der letzten Partie gegen Kiel nicht wirklich überzeugen konnten und erklärte deshalb, dass man mit der gleichen Startelf rechnen dürfe. Danke für die klare Ansage, Herr Dárdai, so muss ich mir keine Gedanken machen.

Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Hertha BSC FCSP: Vasilj - Dzwigala, Wahl, Mets - Saliakas, Irvine, Hartel, Treu - Metcalfe, Eggestein, Saad BSC: Ernst - Kenny, Gechter, Leistner, Karbownik - Barkork, Klemens - Dardai, Maza, Reese - Tabakovic
Erwartete Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Hertha BSC
FCSP: Vasilj – Dźwigała, Wahl, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Treu – Metcalfe, Eggestein, Saad
BSC: Ernst – Kenny, Gechter, Leistner, Karbownik – Barkork, Klemens – Dárdai, Maza, Reese – Tabakovic

Eggestein vor Startelf-Rückkehr

Auf Seiten des FC St. Pauli ist sehr wohl mit Veränderungen in der Startelf zu rechnen. Allein schon, weil Afolayan und Smith ersetzt werden müssen. Diese Positionen dürften Elias Saad und Adam Dźwigała übernehmen, wobei Dźwigała auf die rechte Innenverteidiger-Position gehen und Hauke Wahl die Smith-Position übernehmen wird.

Noch ein weiterer personeller Wechsel deutet sich an: Johannes Eggestein könnte wieder in die Startelf zurückkehren. Fabian Hürzeler erklärte, dass dem 25-jähriger Angreifer die zwei Spiele andauernde Startelfpause gutgetan habe: „Ich habe speziell diese Woche das Gefühl, dass Jojo vor Energie strotzt, dass er Lust an Leistung hat, am Laufen und am Defensivverhalten.“ Von der zuvor gezeigten Müdigkeit, die zur Pause führte, ist also laut Hürzeler nichts mehr zu spüren. Eggestein dürfte also wieder in die Startelf zurückkehren. Dadurch rückt Marcel Hartel wieder eine Position nach hinten und verdrängt dort vermutlich Aljoscha Kemlein aus der Startelf (der aber seinerseits auch eine Option für die zentrale Innenverteidiger-Position wäre).

Back to The Roots

Angesichts der Spielweise der Hertha, muss davon ausgegangen werden, dass der FC St. Pauli am Sonntag viel Ballbesitz haben wird. Damit das Team dabei erfolgreich ist, müssen teils neue Lösungen her, teils muss man sich zurückbesinnen auf die eigenen Stärken, die Hürzeler in den einfachen Dingen sieht. Das ist auch notwendig, da die Zahlen schon klar aufzeigen, dass der FCSP in einigen Bereichen nicht mehr so dominiert, wie noch in der Hinrunde. Das alles ist detailliert nachzulesen im Artikel „Zurück zu den Wurzeln„.

Wohl mit so viel Unklarheit wie selten in dieser Saison geht der FC St. Pauli in eine Partie. Afolayan und Smith sind kaum zu ersetzen, es müssen vermutlich neue Lösungen her, um zu kaschieren, dass zwei Spieler dieser Qualität fehlen. Ob die am Freitag verkündete Vertragsverlängerung von Fabian Hürzeler dem Team einen Boost geben wird? Keine Ahnung. Eine Leistung wie gegen Schalke wird aber sicher gegen keinen einzigen Gegner in der Liga zu Punkten reichen. Da ist also schon etwas Druck auf dem Kessel. Die Spieler des FC St. Pauli haben aber gezeigt, dass sie mit solchen Widerständen und Herausforderungen sehr gut umgehen können.

Forza!
// Tim

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