Buchrezension: „Spielfeld der Herrenmenschen“

Buchrezension: „Spielfeld der Herrenmenschen“

Im Werkstatt-Verlag ist ein neues Buch von Ronny Blaschke erschienen, welches das Thema Rassismus im Fußball aus einem anderen Blickwinkel angeht.

Es gibt ja einige Dinge, die sind recht einfach und allen leicht zu vermitteln.
Zum Beispiel: „Atmen hilft.“ Oder: „Der FC St. Pauli ist die einzige Möglichkeit.“
Wahlweise auch: „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Zu diesen Selbstverständlichkeiten gehört auch: „Wenn Ronny Blaschke ein Buch im Fußballkontext veröffentlicht, sollte man es in jedem Fall lesen und hat danach viele neue Erkenntnisse gewonnen.“
So verhält es sich auch mit seinem neuen Buch aus dem Werkstatt-Verlag:
„Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball“

Der Blick zurück

Timing ist ja auch bei Buchveröffentlichungen oft wichtig und aufgrund der langen Vorlaufzeit meist nur schwer planbar. Insofern erscheint es als glücklicher Zufall, wenn man in Zeiten von hohen AfD-Umfragewerten und Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit und nur kurze Zeit nach der „Geheimplan gegen Deutschland“-Recherche von Correctiv ein Buch veröffentlicht, in dem Rassismus zumindest im Titel mit auftaucht. Und natürlich geht es in diesem Buch auch um Rassismus und es hat dadurch einen absolut aktuellen Bezug.

Tatsächlich geht es aber bei diesem (leider stets) aktuellen Thema hier eher um den historischen Blickwinkel, um die Ursprünge, zumindest für den Fußball. Und um die Frage, warum sich Rassismus gerade im Fußball so hartnäckig hält oder auch leicht verbreiten lässt. Dabei geht es weit über den stumpfen Rassismus in Fankurven hinaus.
Ronny Blaschke schaut auf die Ursprünge, auf den Kolonialismus. Briten, Franzosen und Deutsche nutzten die Ausübung des Fußballs zur Unterdrückung ihrer „Untertanen“ in den Kolonien. Vorurteile verfestigten sich.

Dazu hat Blaschke über 120 Interviews geführt und fünf Kontinente bereist. Für die Leser*innen dieses Blogs sicher wenig überraschend führt er aus, dass Rassismus eben nicht nur körperliche Gewalt ist, sondern es die unterschiedlichsten Formen davon gibt. Stereotype bei TV-Reporter*innen, die vielleicht weniger offensichtlich sind als Affenlaute aus anonymen Kurven, sich aber bei den Zuschauer*innen stärker verfestigen. Auch in physischen Werten bei Fußball-Videospielen finden sich diese Stereotype wieder, wenn man die Daten der einzelnen Spieler*innen auswertet.

Der Blick geht dabei zurück, unter anderem auch in die 90er-Jahre. Hier hatte der deutsche Fußball den Antirassismus endlich als Thema erkannt, zumindest für das eigene Marketing. Auch aktuell gibt es ja wieder einen „Aktionsspieltag“ der DFL – und auch wenn man viel an ihr kritisieren kann, würde man ihr Unrecht tun, wenn man die aktuellen Aktionen mit den Anfängen dieses eher hilflosen Aktionismus gleichsetzt.

Auch das verklärte „Sommermärchen“ bei der WM 2006 wird aufgegriffen. Dementsprechend beginnt Blaschke seine Recherchereise auch in Deutschland. Er unterhält sich mit der ehemaligen Juniorinnen-Nationalspielerin Shary Reeves, die von Mikroaggressionen berichtet. Wie sie von den eigenen Trainern behandelt wurde, selbst von Bundestrainer Gero Bisanz. Ganz zu schweigen von den Reaktionen von außen, von Zuschauer*innen.

Rund um die Welt mit dem Blick nach vorne

Im weiteren Verlauf geht der Blick unter anderem nach Portugal, Indien, Namibia, Algerien, Brasilien und in die USA, immer wieder auch mit dem Blick auf lokale Initiativen, die Mut machen und schon heute gute, antirassistische Arbeit leisten.
Im letzten Abschnitt bekommen dann alle Ihr Fett weg, die sich gerne mit antirassistischer Arbeit schmücken würden, dies aber eher als Feigenblatt vor sich her tragen. Der italienische Fußball, wo Spieler auch heute noch regelmäßig rassistisch von den Fans beleidigt werden, ohne dass die Schiedsrichter einschreiten. DFB und DFL mit ihren Aktionstagen, die sich doch viel mehr an der praktischen und viel wirkungsvolleren antirassistischen Arbeit vieler ehrenamtlicher Einzelpersonen und Fangruppen ein Beispiel nehmen könnten. Funktionäre, die sich auch im 21. Jahrhundert noch rassistisch äußern und oft noch nicht mal verstehen, dass sie dies gerade getan haben. Und auch die Profivereine:

„Die Profiklubs sollten über Symbolpolitik hinausdenken und das eigene System kritisch hinterfragen. Warum sind Menschen mit Einwanderungsgeschichte als Spieler*innen häufig überrepräsentiert, aber als Trainer*innen und Führungskräfte klar unterrepräsentiert? Warum spiegeln die Fankurven in Köln, Frankfurt oder Stuttgart, wo mehr als ein Drittel der dort lebenden Menschen einen Migrationshintergrund hat, die Diversität der Stadtgesellschaften nicht mal im Ansatz wider? Welche Traditionen und Mechanismen des Fußballs führen dazu, dass sich nicht-weiße Menschen oft nicht willkommen und nicht verstanden fühlen?“

Ronny Blaschke – „Spielfeld der Herrenmenschen“

Ein Buch über Fußball, mit dem Blick in die Vergangenheit – der sowohl für heute als auch die Zukunft sehr wichtig sein kann, wenn wir als Gesellschaft die richtigen Konsequenzen und Handlungen daraus ableiten. Ein Buch über die Herkunft und Ursprünge von Rassismus im Fußball, aus dem zumindest ich viele Aha-Erlebnisse mitgenommen habe.
// Maik

Ronny Blaschke: „Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball“ // Verlag Die Werkstatt, Paperback, 256 Seiten // Buch 22€, E-Book 17,99€ // ISBN: 978-3-7307-0686-2

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