Der FC St. Pauli wird wohl zeitnah einen neuen Torhüter verpflichten. An Nikola Vasilj dürfte er, trotz Kritik, nicht vorbeikommen.
(Titelfoto: Selim Sudheimer/Getty Images/via OneFootball)
Als Torwart sollte man es tunlichst vermeiden, die Bewertung der eigenen Leistung in den Medien zu verfolgen: Die kritischen Stimmen vom Saisonauftakt waren gerade erst verstummt. Nikola Vasilj hatte beim Pokalspiel des FC St. Pauli in Halle und zum Saisonauftakt gegen Heidenheim bei Gegentoren nicht gut ausgesehen. Spätestens mit dem gehaltenen Elfmeter in Freiburg wurde er plötzlich wieder als großer Rückhalt gefeiert. Keine Stunde Spielzeit später schlug es wieder in Kritik um. Vasilj hatte mit seinem Fehler das erste Mainzer Tor ermöglicht.
Kostet Vasilj Punkte oder sichert er welche?
Torhüter zu bewerten ist schwer. Unfair wird es, wenn man sie einzig anhand von Fehlern und Glanzparaden bewertet. Das sind aber oft die einzigen beiden Parameter, die viele (auch viele Medien) als Bewertungsgrundlage nutzen. Dabei sind Fehler nur ein kleiner Teil dessen, was in die Bewertung einfließen sollte. Und Glanzparaden sollten nie ein Maß sein, wenn man nicht noch weitere Parameter berücksichtigt. Denn viele Torhüter sind Blender. Weil sie gerne spektakulär fliegen und die eigene Aktion damit, gewollt oder nicht, künstlich aufbauschen.
Nikola Vasilj ist nicht dafür bekannt, besonders halsbrecherische Flugmanöver zu vollführen. Die Anzahl an spektakulären Paraden ist daher begrenzt, er pariert gerne mal unaufgeregter als viele seiner Kollegen. Dafür hat er im Dress des FC St. Pauli schon ein paar Mal haarsträubende Fehler gemacht, die zu Gegentoren führten. Ist er deshalb ein schlechter Keeper? Benötigt der FCSP Verstärkung auf dieser Position?
Fancy stuff: PSxG
Wie so oft hilft der Blick in die Daten, um ein objektiveres Bild zu bekommen. Und wie so oft haben die „expected goals“ damit zu tun. Doch bei Torhütern greift diese xG-Metrik nicht so gut. Denn sie bewertet die Torschussposition, nicht aber den Torschuss selbst. Wenn Jackson Irvine aus guter Position (xG: 0,4) den Ball über das Tor köpft, dann hat der Torhüter damit nur bedingt etwas zu tun. Jagt Dapo den Ball im Dortmund aus 30 Metern perfekt in den Winkel, dann mag der xG-Wert zwar bei 0,02 oder so liegen, haltbar ist der trotzdem kaum.
Für Torhüter wurde daher eine andere, weiterführende xG-Metrik entwickelt. Sie trägt das klobige Kürzel PSxG, was „post-shot xG“ bedeutet. Diese Metrik berücksichtigt die Qualität des Torschusses. Eine niedrige Qualität (Ball wird direkt auf den Torhüter geschossen) bekommt einen Wert nahe 0, eine hohe Qualität (Ball genau ins Eck) wird mit Werten nahe 1 beziffert.
Vasilj überdurchschnittlich in Torverteidigung
Diese PSxG-Werte kann man unter anderem auf der Internetseite ‚FbRef‚ einsehen. Da ist ersichtlich, dass Nikola Vasilj in dieser Saison (wenn man den Wert gegen die gefangenen Tore rechnet) bisher ganz leicht negativ unterwegs ist. Basierend auf den PSxG-Werten hätte sich der FC St. Pauli also 0,1 Gegentor weniger fangen können. Dieser Wert ist aber nicht schlecht, sogar leicht überdurchschnittlich. Ligaweit liegt er damit auf Platz 9 von 20.
Der Blick auf die letzten drei Jahre zeigt übrigens, dass Nikola Vasilj immer ins obere Drittel dieser Statistik gehörte. Sogar jeweils mit positiven Werten, wenn man PSxG mit den Gegentreffern vergleicht. Basierend auf dieser Statistik hat Vasilj dem FC St. Pauli also deutlich geholfen. Anders als seine Vorgänger. Die Statistiken sind bis in die Saison 17/18 abrufbar. Kein FCSP-Torwart außer Vasilj hat hier einen positiven Wert am Saisonende vorzuweisen gehabt. Nicht Dejan Stojanovic, nicht Svend Brodersen und, auch wenn es hart ist, insbesondere nicht Robin Himmelmann, der teilweise fast am unteren Ende dieser Statistik-Tabelle weilte.
Ist also alles gut? Ist Nikola Vasilj ein starker Rückhalt und wir sollten über einzelne Fehler einfach hinwegsehen? Nein, so einfach ist es auch wieder nicht. Weil bei den PSxG-Werten natürlich nicht berücksichtigt wird, wie die Torchancen zustande gekommen sind und ob da ein Torhüter gegebenenfalls etwas hätte verhindern oder besser machen können, Stichwort Strafraumbeherrschung. Sowieso gehört zum Torwartspiel mehr als die Torverteidigung, eh klar. Eine Diskussion auf der Torwartposition des FC St. Pauli scheint angesichts der Leistungen aber nicht unbedingt angebracht. Aus Leistungsgründen gibt es andere Positionen, wo der Schuh kräftiger drückt.

FC St. Pauli sucht neuen Torhüter
Trotzdem drückt der Schuh auch auf der Torhüterposition beim FC St. Pauli, aber aus anderen Gründen. Weil nämlich hinter Nikola Vasilj alles ausfällt, was Handschuhe trägt. Vier Torhüter haben es auf das Mannschaftsfoto des FCSP der Saison 24/25 geschafft. Mit Nikola Vasilj ist nur einer davon aktuell einsatzbereit. Ben Voll, Sascha Burchert und Sören Ahlers werden allesamt noch mindestens wochenlang ausfallen. Momentan würden Kevin Jendrzej oder Ronny Seibt an Spieltagen als Nummer 2 auf der Bank sitzen beim FCSP. Da auch Vasilj immer mal wieder verletzungsgeplagt ist, muss der FC St. Pauli hier aktiv werden.
Und er wird das auch, wie Alexander Blessin am Mittwoch erklärte: „Dass wir auf der Position was machen müssen ist klar, steht außer Frage. Andreas und Jan (Bornemann und Sandmann, A.d.R.) sind da dran.“ Zwar müsse man schauen, was der Markt hergebe, aber es seien schon „ein paar interessante Sachen“ dabei, so der Cheftrainer des FC St. Pauli.
Komplexes Profil gesucht
Dabei ist das gesuchte Profil alles andere als üblich und sicher auch nicht für alle Torhüter wirklich interessant. Denn Blessin erklärte, dass es jemand sein muss, den man auch „sofort reinwerfen“ kann. Entsprechend dürfte Erfahrung ein wichtiges Kriterium bei der Suche sein. Allerdings, so schreibt es die MOPO (€), soll Ben Voll bei seiner Rückkehr wieder die Nummer 2 sein. Entsprechend wird jemand gesucht, der Bundesliga-Format hat, aber bereitwillig nach einiger Zeit auf Position Nummer 3 rückt.
Klingt nach einer schwierigen Suche, die aber ziemlich zeitnah beendet werden soll.
// Tim
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Da bin ich gespannt! Weiß gar nicht, wer grad frei ist.
vielleicht will Jens Lehmann nochmal sportliche Schlagzeilen machen?
Wenn Bornemann den Markt nach einem Torhüter durchforstet, sollte er auch gleichzeitig einen torgefährlichen Spieler für den Sturm und einen kreativen Mittelfeldspieler in seinen Planungen mit aufnehmen. Das Heimspiel gegen Mainz hat deutlich die Schwächen innerhalb der Mannschaft aufgezeigt. Befürchte aber, das von der sportlichen Führung kein Bedarf gesehen wird, bis auf die Torwartposition.
Wenn ich das Interview mit Borne bei transfermarkt.de richtig in Erinnerung habe, hat man den Bedarf schon gesehen. Wenn nichts (finanzierbares) auf dem Markt ist das uns weiterhilft dann ist das halt so..
Ich wünsche mir noch eine Stürmer, groß mit Tempo, Technik egal, Hauptsache Einsatz, also Albers in jünger. Und einen Keeper nehme ich auch noch. was gibt denn da so die TM Liste an vereinslosen Spielern her?!Pogba ist mit der Doping Sperre durch, selbst wenn der nur noch auf 70% seiner alten Leistungsfähigkeit kommt, wäre das auch noch einer für das Mittelfeld.
Es gibt noch so Menschen wie Choupo-Moting oder Christopher Kramer…Deren Abgewixheit könnte helfen.
Als Torwart tippe ich auf Kühn oder Oelschlägel.
Die müssen halt auch Bock haben auf dreckigen Abstiegskampf mit allen Haken und Ösen.
Chupo-Moting hätte ich im Sommer eher beim HSV gesehen als bei uns.
Warum? Da wird er in der zweiten Liga „gefüttert“, bekommt seine Abschlüsse und ist immer im Spiel drin. Bei uns wäre mehr Arbeit gegen den Ball und pro Spiel eine halbe Torchance…
Kramer auch so ein Fall. Als Weltmeister und Fernsehexperte muss er nichts mehr beweisen und hat anders als EMCM keine lokale Verbundenheit. Warum sich dann Abstiegsk(r)ampf antun?
Weißt meint ihr, was der Verein an Gehalt zahlen kann und womit sich die genannten vereinslosen Profis bescheiden? Habt ihr nicht das Gefühl, dass da ne mindestens 7-stellige Lücke klafft?
Von Bock auf Abstiegskampf mal abgesehen, scheinen mir persönlich die Wünsche hier deutlich an der machbare Realität vorbeizugehen. Das gilt nicht nur für Ablösesummen, das gilt auch ganz massiv für Gehälter. Wenn wir mit Geld für Spielergehälter nur so um uns schmeißen könnten, würde Cello nicht in St. Louis, sondern auf St. Pauli spielen.
Moin, insgesamt bin ich mit Nikola zufrieden. Einige Kritik musste er sich ja insbesondere in den letzten 1 1/2 Jahren anhören, weil er den Hürzeler Fußball umgesetzt hat und somit gerade zu beginn vielen einen Herzstilstand verpasst hat. Tomas Koubek ist gerade frei. Passt eigentlich super. Ja hat in den letzten Jahren nicht so viel Einsatzzeit gehabt. Aber Topp Alter für einen Keeper, insgesamt viel Erfahrung. Ohne Vertrag, Und will es ggf noch einmal Wissen, hat aber auch Bankerfahrung. Ich bin gespannt, was Andreas B. und Team aus dem Hut zaubert. Vermutlich wieder einen, den wir alle nicht kennen.
Danke für den Artikel Tim.
Wenn ich nix übersehen habe:
Das Kennzahlen bei wichtigen Sachverhalten immer nur ein Hinweis auf offene Fragen und damit auf eine tiefergehende Analyse geben, zeigt sich m.E. auch wieder hier. Denn, hier scheinbar (?) unberücksichtigt ist z.B. die Sicht auf den Ball/ Schützen.
Eine versperrte oder eingeschränkte Sicht sollte die Bewertung vieler hier beschriebener Situationen stark verändern.