Philipp Treu wechselt zum SC Freiburg. Der FC St. Pauli erhält eine stattliche Ablöse, hat nun aber auch ein großes Loch auf der linken Seite.
(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn auf die Meldung, dass der FC St. Pauli einen neuen Spieler verpflichtet hat, Glückwünsche von ganz anderer Stelle beim MillernTon eintrudeln. So geschehen als Philipp Treu im Sommer 2023 zum FCSP wechselte und sich gleich mehrere Blogger von anderen Zweitligisten bei mir meldeten. Dass Treu aber zwei Jahre später den Club als Rekordverkauf verlassen würde – und das als Linksverteidiger! – davon hatte ich trotz der damaligen Glückwünsche nicht zu träumen gewagt.
Ja, da steht das Wort „träumen“ – denn die Anzeichen waren bereits vor Saisonende viel zu eindeutig, um hier jetzt entsetzt, wütend oder unendlich traurig zu sein. Dieser Transfer scheint von außen betrachtet fair für alle Seiten, so fair, wie der Profifußball halt sein kann.
Und man konnte es bereits erahnen. Denn als Philipp Treu kurz vor Saisonende auf seine persönliche Zukunft angesprochen wurde, gab es das übliche „Ich denke jetzt noch nicht an kommende Saison“, was zwar harmlos klingt, im Fußball-Jargon aber so viel bedeutet wie „Wenn ein gutes Angebot kommt, dann bin ich weg.“ Das ist auf der einen Seite schade, aber auf der anderen Seite auch kein Schocker, wie es zum Beispiel die Abgänge von Elias Saad und vor allem Morgan Guilavogui diesen Sommer gewesen sind.
Senkrechtstarter 23/24, Leistungsträger 24/25
Denn Philipp Treu hat in den letzten zwei Spielzeiten einfach viel zu guten Fußball gespielt. Bereits vor Ende der Saison 23/24 war völlig klar, dass er auf jeden Fall 24/25 in der Bundesliga spielen würde, egal ob er mit dem FC St. Pauli aufsteigen würde oder nicht. Die zweite Liga wurde schnell zu klein für ihn. Diese rasante Entwicklung war ihm nicht unbedingt zuzutrauen, zumal man bei seiner Verpflichtung fest davon ausgehen konnte, dass er als Rechtsverteidiger eingeplant ist und sich auf dieser Position erst einmal hinter Manos Saliakas beweisen muss.
Doch aus dem einstigen Rechtsverteidiger wurde relativ schnell ein Linksverteidiger: Nachdem er zu Saisonbeginn 23/24 von der Bank kam, war er ab dem 12. Spieltag in Elversberg ein fester Bestandteil der Startelf des FC St. Pauli. Und hätte er sich nach 16 Startelfeinsätzen in Folge nicht schwer verletzt, dann wäre es womöglich bereits letzten Sommer fraglich gewesen, ob Philipp Treu beim FC St. Pauli bleibt. Ja, so überzeugend waren seine Leistungen als Linksverteidiger. In den Spielen glänzte er mit extremer Laufstärke, sehr intelligentem Verhalten auf dem Platz, starkem Passspiel und in Sachen Zweikämpfen konnte man im Saisonverlauf eine beeindruckende Entwicklung feststellen.
Genau so ging es in der Bundesliga für Philipp Treu weiter. Nach ein wenig Anlaufzeit wurde er immer stärker und spätestens zum Ende der Hinrunde war Treu nicht nur Stammspieler, sondern auch einer der Leistungsträger des Teams. Und mit jedem weiteren Spiel wurde vielen beim FC St. Pauli klar: Egal, ob wir die Klasse halten oder nicht, es wird brutal schwer, Treu beim FCSP halten zu können.
Ein für alle Seiten fairer Transfer
Die kolportierte Ablösesumme von über 5 Millionen Euro bedeutet, dass Philipp Treu der Rekord-Abgang des FC St. Pauli ist. Trotzdem ist diese Summe für andere Clubs günstig. Warum? Schaut Euch doch mal an, wie viel Geld in den Top-Ligen für Linksverteidiger ausgegeben wird. Es dürfte in der Defensive keine Position geben, für die Clubs mehr Geld in die Hand nehmen. Das hängt damit zusammen, dass es einfach zu wenige (gute) Linksverteidiger gibt, die Position extrem komplex ist. Und ein Spieler, der noch entwicklungsfähig ist, aber bereits zeigte, dass er in der Bundesliga gut mithalten kann, nur noch eine kurze Vertragslaufzeit hat und sogar mehrere Positionen spielen kann, ist dann eben stark im Fokus. Die Linksverteidiger-Armut bedeutet somit auch, dass die Suche nach Ersatz für den FC St. Pauli alles andere als einfach ist. Da der Treu-Abgang aber sicher niemanden überrascht in der sportlichen Führung des FCSP, ist auch zu hoffen, dass es bereits eine Reihe von Spielern gibt, die nun abgeklopft werden.
So ist der Abgang von Philipp Treu auf alle Fälle ein extrem schwerer Verlust für den FC St. Pauli. Aber es ist einer, mit dem gerechnet werden konnte, vielleicht sogar musste. Einige Spieler entwickeln sich eben schneller als der FCSP in die richtige Richtung und dann gibt es immer noch größere Fische, die zuschnappen. So ist das Geschäft, fragt mal bei Sint-Truiden oder so nach. In solchen Fällen, wenn ein Spieler zu einem Club mit dem Siegel „ist nicht St. Pauli, aber ist ok“ wechselt, es ihn dort auch sicher nicht nur wegen des Geldes hinzieht, der FCSP eine stattliche Entschädigung dafür erhält und dieser Spieler zwei Jahre lang alles für den FC St. Pauli gegeben hat… dann ist es immer noch ein herber Verlust und total schade, aber es ist ok. Denn wer würde es Philipp Treu nicht gönnen, maximal großen sportlichen Erfolg zu haben?
Lieber Philipp, wir wünschen Dir alles Gute für die Zukunft. Danke für zwei magische Jahre! Mögest Du deine Zeit beim FC St. Pauli immer in bester Erinnerung behalten. You’ll never walk alone!
// Tim
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Saad, but Treu.
Zählt zu den stärksten Spielern, die ich in 35 Jahren am Millerntor erleben durfte. Auch als Typ super. Schade, aber so ist der Lauf der Fußballwelt. Alles Gute und demnächst dann nicht nur bei Julian Schuster sondern vielleicht auch bei Julian Nagelsmann.
Das ist wirklich ein herber Verlust… auch menschlich! 😫
Es macht mich traurig, dass er geht. Ich hatte so viel Spaß an seiner Spielweise. Das lässt sich nicht so einfach ersetzen.
Schade. Hatte ein wenig gehofft, dass er aufgrund der garantierten Einsatzzeiten bleibt, um noch in den Kader für die WM zu rutschen. Denn da gehört er zumindest perspektivisch hin
Wünsche ihm, dass ihm das auch an der Dreisam gelingt. Denn ich bin bei aller Trauer zutiefst dankbar. Er hat maßgeblich zum Aufstieg beigetragen und noch maßgeblicher zum Klassenerhalt. Seine Verdienste in den zwei Jahren sind erheblich größer als die 5mio Trostpflaster. Für die ihn wohl kaum ein anderer Bundesligist hätte ziehen lassen (müssen).
Danke für alles, als Fan bleib ich Dir Treu, mien Jung!
Philipp, wir wollten doch durch die Stadien von Europa und so! Schneuz, Aufstiegsheld, du wirst deinen Weg machen, denke ich.
Ich erinnere mich so gerne an die Aufstiegsfeier, Treu verletzt aber so sympathisch Stimmung gemacht.
Wirst hier nie vergessen, Aufstiegsheld!
Und viel Erfolg wieder bei unseren inzwischen gut bekannten Freiburgern.
Und ich erinnere mich sooo an sein Tor gegen den KSC. Was für ein Roar.
„Die kolportierte Ablösesumme von über 5 Millionen Euro bedeutet, dass Philipp Treu der Rekord-Abgang des FC St. Pauli ist. Trotzdem ist diese Summe für andere Clubs günstig. Warum? “
Denke ich mir auch. Und ist meines Erachtens deutlich unter Wert. Für Freiburg, aber auch für uns. Philipp Treu ist absoluter Leistungsträger in der abgelaufenen Spielzeit gewesen, ein Spieler der erheblichen Anteil am Klassenerhalt hatte und auch nächste Saison hätte haben können. Ich bin gespannt ob das Adäquat ersetzt werden kann, denn so ein Klassenerhalt ist ein gewinnbringendes Geschäft. Selbst wenn Treu dann nächstes Jahr Ablösefrei gegangen wäre.
klar ist immer Risiko – letztlich ist es vor allem aber auch eine Entscheidung des Spielers. Total legitim im Profisport Wechselwünsche zu äußern; jemanden gegen sein Willen noch ein Jahr zu halten, obwohl sein Wunschclub ihn jetzt verpflichten würde (nächstes Jahr aber vielleicht nicht mehr) ist sicher nicht leistungsfördernd. Und zum Verhandeln gehören immer zwei, am Ende gewinnt der Kompromiss. Also, ist schon alles richtig so.
Vielleicht hätte er noch ein Jahr bei uns gemacht. Er profitiert ja auch gehaltstechnisch, wenn er ablösefrei wechselt. Klar, ist es wichtig den Wunsch des Spielers zu berücksichtigen, auf der anderen Seite ist es auch hoch unprofessionell, wegen einem weiteren Jahr beim Verein, nicht mehr durchzuziehen. und auch nicht förderlich für die Karriere.
Don’t fall in love with your linker Außenverteidiger. Schnief.
Danke für alles, Philipp. Du warst einer DER Spieler für mich in den letzten 2 Jahren, aber vor allem in der letzten Saison. Egal, wer uns gegenüberstand, mit Dir auf dem Platz hatte ich nie das Gefühl, dass wir untergehen.
Ich wünsche Dir nur das Beste und halte es ansonsten mit Hauke: Ich werde Dich sehr vermissen!
5 Mio EUR für einen Spieler im letzten Vertragsjahr, ist nur dann ein Gewinn, wenn wir dies vernünftig reinvestieren. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass wir Treu 1:1 ersetzen können oder gar eine stärkere Alternative finden, aber es sollte mit dem Geld die IV und die Sturmposition (ob HS oder echte 9, was immer nötig ist) aufgehübscht werden.
Ansonsten wäre es eine Fehlentscheidung. Einen absoluten Stammspieler sollten wir nur verkaufen, wenn wir sportlich mit dem Verkauf keinen gravierenden Rückschritt gehen. Bin gespannt, was in den kommenden Tagen passiert.
Du schreibst über Spieler, als ob das Marionetten sind, bei denen man wie einem Computerspiel auf „kaufen“ oder „verkaufen“ drückt.
Ich denke, ob ein Spieler wechselt, ist als erstes mal noch immer die Entscheidung des Spielers.
Klar, der Verein kann versuchen den Spieler zum Bleiben zu bewegen und in manchen Fällen auch ein Machtwort aussprechen, aber in der Regel sollte man das letztere doch nicht machen.
Nein, ich schreibe über Spieler als das, was sie sind: besondere Arbeitnehmer mit Vertragsbindung. Wenn Vertragsdauer vollends ohne Wert ist, dann warum nicht gleich alle auf 5 Jahre abschließen?
Natürlich kann man auch auf sein Vertragsrecht beharren, hat doch selbst Oke vor einigen Tagen im kicker-Interview deutlich gemacht, dass wenn der Nutzen des Verkaufs das Risiko, das mit dem Verlust einhergeht, nicht überwiegt, dann lässt man ggf. ablösefrei ziehen.
Der Spieler hat hier keinen absoluten Hebel, Rausstreiken sammelt auch keine Karrierepunkte.
Ich glaube nicht, dass das irgendein Notfall ist, sondern wir die allermeisten Wechselwünsche gar nicht mitkriegen, weil man gleich abmoderiert.
Letztlich glaube ich nicht, dass man hier untätig bleibt, irgendwas wird passieren, fraglich nur, ob es Marke Soforthilfe oder bulgarische dritte Liga-Talent, dass evtl. zündet.
So weh ein zwei Abgänge oder auch Ende von Leihgeschäften tun. Aus meiner Sicht sind wir auf dem richtigen Weg. Gute Spieler mit Perspektive günstig holen (oder in Ausnahmefällen leihen) weiterentwickeln und den Wert steigern. Das wird auf längere Zeit unser Modell sein. (wenn sich in der Geldverteilung nichts ändert). So lange wir da erfolgreich sind, werden wir auch immer interessanter für potentielle Spieler. Ja tut weh, wird uns aber voran bringen. Jede.Saison, die so gute Erfolge für alle Seiten bringt, wird uns auf Dauer (noch) bessere Spieler bringen. Am Ende zählt für mich der sportliche Erfolg und endlich Europa. (und dann bleiben sie)
Genau so nämlich.