Vorbericht: Hamburger SV – FC St. Pauli (32. Spieltag, 23/24)

Vorbericht: Hamburger SV – FC St. Pauli (32. Spieltag, 23/24)

Am Freitagabend wird der FC St. Pauli versuchen, die Stadtmeisterschaft zu gewinnen und gleichzeitig in die Bundesliga aufzusteigen. Wie das gelingen kann? Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Boehmer)

Im „Vor dem Spiel“-Gespräch hat sich Michael mit Nando vom Volksparkgeflüster unterhalten. Natürlich mit einem klaren Fokus auf die sportliche Situation, aber es ging auch um den bevorstehenden Gesellschaftsformenwechsel beim HSV. Hört gerne rein.

Ein Blick zurück

Dieses Derby ist ganz sicher alles andere als ein normales Zweitligaspiel. Es ist noch nicht einmal ein normales Derby. Die Möglichkeit, dass der FC St. Pauli mit einem Sieg den direkten Aufstieg unter Dach und Fach bringen kann, elektrisiert dieses Spiel in außergewöhnlichem Maße. Langweilig waren die Aufeinandertreffen zwischen dem FC St. Pauli und dem HSV in den letzten Jahren sowieso nie – schaut mal hier rein: Die Hamburger Stadtmeisterschaft – was bisher geschah…

2:2 im Hinspiel für den FCSP unbefriedigend

In dem verlinkten Artikel fehlt das letzte Aufeinandertreffen beider Teams. Das gab es Anfang Dezember 2023 und damals musste man auf Seiten des FCSP fast schon enttäuscht darüber sein, dass diese Partie mit einem Unentschieden endete. So sehr hatte und hat sich das Kräfteverhältnis beider Teams auf dem Platz verschoben: Enttäuschung, die stolz macht

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Beim FC St. Pauli stehen Lars Ritzka und Eric Smith vor einer Rückkehr ins Team. Beide haben laut Fabian Hürzeler am Mittwoch wieder vollumfänglich trainieren können. Allerdings gilt es abzuwarten, wie beide die Mittwochs-Einheit verkraftet haben. Man müsse also „von Tag zu Tag abwarten“, erklärte Hürzeler. Die Vorzeichen sind aber sehr positiv.

Smith und Ritzka vor Rückkehr

Gesetz dem Fall, dass Smith und Ritzka einsatzbereit sein werden, fehlen dem FCSP am Freitagabend Philipp Treu, Scott Banks und Simon Zoller – alle anderen Spieler dürften für Fabian Hürzeler eine Option darstellen. Das sind insgesamt recht gute Aussichten.

Hamburger SV: Wer kann spielen, wer fehlt?

Noch besser scheint die Personalsituation beim Hamburger SV zu sein – zumindest, wenn man ignoriert, dass HSV-Trainer Steffen Baumgart auf den wohl besten Spieler dieser Saison verzichten muss. László Bénes ist mit 24 Torbeteiligungen in 25 Ligaspielen der mit Abstand torgefährlichste Spieler des HSV. Nun machen ihm aber muskuläre Probleme zu schaffen, zudem ranken sich bereits vor Saisonende Wechselgerüchte um seine Person. Ein Fragezeichen gibt es zudem vermutlich hinter einem Einsatz von Stammsechser Jonas Meffert, der am Mittwoch im Training fehlte.

Hamburg, Deutschland, 14.10.2022 - Jackson Irvine (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Jonas Meffert (Hambiurger SV) - Copyright: Peter Boehmer
Beim Spiel zwischen dem FCSP und dem HSV könnte das Duell zwischen Jackson Irvine und Jonas Meffert ausfallen. Meffert musste unter der Woche mit dem Training aussetzen. // (c) Peter Boehmer

Was hat der HSV zu bieten?

Ungewohnt früh aus dem Tritt gekommen

Die Zweitligasaison des Hamburger SV startete eigentlich wie jedes Mal: Das Team legte einen wirklich guten Saisonstart hin und lag bereits früh an der Tabellenspitze. Doch ein Element vieler Saisons des HSV in der 2. Bundesliga sind Niederlagen bei Aufsteigern. So einen Doppelpack gab es an Spieltag sechs und sieben (Niederlagen gegen Osnabrück und Elversberg) und von außen betrachtet ist seitdem eigentlich durchgehend Feuerwerk beim HSV.

Denn die Kritik an Tim Walter – sicher eine Person, die enorm polarisiert (und dies vermutlich auch ganz bewusst so gemacht hat) – nahm seit diesen beiden Niederlagen nicht ab. Das lag auch daran, dass der HSV auf gute Leistungen in Heimspielen immer wieder ziemlich dürftige Vorstellungen auf Reisen folgen ließ (auswärts in der Hinrunde zwei Siege, vier Unentschieden und drei Niederlagen) und so eher mit Mühe und Not auf dem dritten Tabellenplatz in die Winterpause ging.

No neuer Innenverteidiger, no Aufstiegsparty?

Begleitet wurde die Winterpause von einer zermürbenden Trainerdiskussion. Tim Walter aber blieb (vorerst) auf dem Cheftrainersessel sitzen. Und in der Rückrunde wendete sich das Blatt für den HSV: Denn fortan zeigte das Team auswärts gute und zu Hause teilweise erschreckende Leistungen (bisher drei Siege, vier Niederlagen). Nach zwei 3:4-Niederlagen im heimischen Volkspark musste Tim Walter dann doch gehen. Steffen Baumgart – über den man ausnahmsweise mal ernsthaft behaupten kann, dass er als Kind in entsprechender Vereinsbettwäsche geschlafen hat – übernahm. Doch so richtig eine Wende zum Guten sollte sich für den Hamburger SV nicht einstellen.

In der „Baumgart-Tabelle“, also jener Zweitligatabelle, die nur die Spiele seit dem 23. Spieltag berücksichtigt, belegt der HSV den fünften Tabellenplatz. Zwar startete Baumgart mit einem 1:0-Erfolg gegen Elversberg, aber es folgten Niederlagen gegen Osnabrück, Düsseldorf und Kiel, sowie Punktverluste gegen Fürth und Magdeburg. Eine durchwachsene Bilanz. War es also ein Fehler, Tim Walter zu entlassen? Das ist von außen schwierig zu beantworten. Die Einschätzung, dass es ein größerer Fehler gewesen ist, sich im Winter nicht noch auf der Innenverteidiger-Position zu verstärken, dürften aber vermutlich viele mitgehen.

Struktur deutlich verändert unter Baumgart

Wie aber hat sich das Spiel des HSV unter der Leitung von Steffen Baumgart verändert? Auffällig ist, dass die deutlichsten Elemente des „Walter-Balls“ stark in den Hintergrund gerückt sind. Statt mit vielen Rotationen im Spielaufbau („Spielen und Gehen“, aber in Extremform), agiert der HSV nun mit einer festeren Positionsstruktur: Bei Ballbesitz organisiert sich das Team in einer Art 3-2-5, wobei zwei Spieler der vorderen Fünferreihe eher den Weg in die Zwischenräume suchen.

Damit es hinten eine Dreierkette geben kann, bleibt meist einer der beiden Außenverteidiger kleben (spielt das Duo Muheim/Van der Brempt, dann schiebt Letztgenannter vor), während der andere weit vorschiebt und den nominellen offensiven Außen in den Halbraum verdrängt. Wenn zwei offensive Außen auf dem Platz sind, die aufgrund ihrer Dribbelstärke eher an die Außenlinie als in den Halbraum gehören, dann schiebt auch mal ein Außenverteidiger in den Halbraum (Ludovit Reis hat das zuletzt getan).

Diese Aufbaustruktur wurde in den Spielen unter der Leitung von Steffen Baumgart immer klarer. Aufgrund der viel festeren Positionierungen sollen sich natürliche Dreiecke auf dem Spielfeld ergeben, damit der Ball sicher und dynamisch auf die offensive Außenposition getragen werden kann.
Laut Fabian Hürzeler hat sich mit Steffen Baumgart an der Seitenlinie beim HSV etwas noch deutlicher verändert: „Das Pressing ist die prägnanteste Veränderung. Die Intensität, wie enorm sie durchschieben mit ihrer letzten Linie. Die Spieler sind darauf getrimmt, nach vorne zu verteidigen.“

Viel Stress für den FCSP

Der FC St. Pauli muss sich also auf permanenten Stress einstellen. Fraglich ist laut Hürzeler nur, ob die HSV-Spieler auch Nikola Vasilj anlaufen werden. Das im Pressing vorhandene krasse Durchschieben und stete nach vorne Verteidigen hat aber auch Schwächen: Wird das Pressing überspielt oder kann sich der Gegner daraus lösen, dann ist der HSV in letzter Linie darauf angewiesen, dass die eigenen Spieler die direkten Duelle unbedingt gewinnen, weil es andernfalls viel Raum für den Gegner gibt.

Fraglos wird der HSV auch in Abwesenheit von László Bénes eine individuell äußerst schlagkräftige Mannschaft auf dem Feld stehen haben. „Sie haben eine enorme individuelle Qualität in ihren Reihen“, erklärt Fabian Hürzeler und zählt dann, abgesehen von Levin Öztunali, einfach die Namen aller Offensivspieler des HSV auf. Diese geballte Offensivkraft, solche hohe individuelle Qualität müsse man, wie Hürzeler in dieser Saison schon oft erklärt hat, „im Verbund verteidigen, aber auch sehr gut in persönlichen Duellen sein und die Bereitschaft haben, hinter den Ball zu kommen, wenn du überspielt bist.“

Mögliche Aufstellung

Nach der überzeugenden Vorstellung des Hamburger SV bei Eintracht Braunschweig gibt es eigentlich nur wenig Grund für personelle Veränderungen. Denkbar ist aber durchaus zumindest ein Wechsel: Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt trainierte wieder mit dem Team und ist ein klarer Startelfkandidat. Dadurch würde er Ludovit Reis von der RV-Position verdrängen, der seinerseits dann wohl Łukasz Poręba im zentralen Mittelfeld ersetzen würde. Wer dann aber in den Halbraum schiebt, ist mir zumindest nicht ganz klar. Trotzdem ist das aktuell die beste Elf des HSV:

Erwartete Aufstellung beim Spiel Hamburger SV gegen FC St. Pauli HSV: Raab - Van der Brempt, Schonlau, Hadzikadunic, Muheim - Reis, Meffert, Pherai - Königsdörffer, Glatzel, Dompe FCSP: Vasilj - Wahl, Smith, Mets - Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka - Metcalfe, Eggestein, Afolayan
Erwartete Aufstellung beim Spiel Hamburger SV gegen FC St. Pauli HSV: Raab – Van der Brempt, Schonlau, Hadzikadunic, Muheim – Reis, Meffert, Pherai – Königsdörffer, Glatzel, Dompe FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Metcalfe, Eggestein, Afolayan

Rotation beim FCSP durch Rückkehrer

Aufgrund der Rückkehr von Lars Ritzka und Eric Smith, von der ausgegangen werden kann, stehen zwei personelle Veränderungen an. Smith wird Hauke Wahl auf die rechte Innenverteidiger-Position verdrängen, wo dann David Nemeth weichen muss. Ritzka wird Connor Metcalfe hinten links ersetzen, der dann stattdessen wohl vorne rechts starten wird.

Vorne rechts kam zuletzt aber der formstarke Dapo Afolayan zum Einsatz. Er wird wohl auf die Position vorne links wechseln und dort Marcel Hartel verdrängen, der seinerseits Aljoscha Kemlein im zentralen Mittelfeld ersetzen wird. Ganz schön viel Rotation.
Neben den Rückkehrern Smith und Ritzka gibt es wohl einen weiteren Spieler, der eine echte Option darstellt: Fabian Hürzeler bescheinigte Elias Saad ein „sehr, sehr gutes Training“ und betonte, dass er damit eine „gute Reaktion“ darauf gezeigt habe, dass er zuletzt gar nicht zum Einsatz kam. Für Saad ist das Spiel im Volkspark sicher eine aufregende Rückkehr. Vor knapp mehr als einem Jahr machte er dort mit seinem ersten Ligatreffer richtig auf sich aufmerksam.

Kühler Kopf in hitziger Atmosphäre nötig

Das Spiel beim Hamburger SV stellt für den FC St. Pauli nicht viel weniger als einen Matchball dar. Mit einem Sieg ist der Bundesligaaufstieg fix. Bei einem Unentschieden oder einer Niederlage kommt es darauf an, wie Fortuna Düsseldorf spielt (parallel gegen den FCN im Einsatz). Holt die Fortuna nicht mehr Punkte als der FCSP, dann steigt man im Volkspark auf. Sicher ist also, dass der FCSP in diesem Spiel nicht nur die Stadtmeisterschaft, sondern auch den Bundesliga-Aufstieg eintüten kann. Mehr als dieses Wissen braucht man nicht, um voll motiviert in die Partie zu gehen. Für Fabian Hürzeler muss hier und dort sogar ein wenig gebremst werden: „Wir müssen die Balance zwischen positiven Emotionen und rationalem Denken finden.“
Es geht also mit kühlem Kopf zum Derbysieg – und Bundesliga-Aufstieg!
Forza!!
// Tim

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7 thoughts on “Vorbericht: Hamburger SV – FC St. Pauli (32. Spieltag, 23/24)

  1. Vielen Dank Tim!
    es sind immer noch 29 Stunden!
    Bitte jede Stunde einen neuen Bericht um die Zeit
    klein zu kriegen.

    Hamburg ist und bleibt Braun Weiß

    1. Ja, würde mich jetzt auch brennend interessieren wer wann mit wem was gefrühstückt hat!
      Wer ist mit dem Fahrrad zum Training und warum bzw. wer nicht.
      Wird Hürzel ohne Handschuhe im Stadion sein?
      Welche Aufstiegswetten sind bei den Spielern im Gange?
      Wer wird zuerst das Mordorstadion betreten?
      Was ist eigentlich mit den Spielerfrauen?

      Ey Tim, echt jetzt mal, sooo viele Themen lässt du einfach links liegen?

  2. Schwarz, weiß, blau, braucht keine Sau!
    FC St. Pauli ist euer Super GAU!
    HSV ist vierter!, HSV ist vierter!, HSV ist vierter!, HSV ist vierter!

  3. „Wir müssen die Balance zwischen positiven Emotionen und rationalem Denken finden.“

    Eine Partei mit diesem Programm würde ich wählen.

    Und ja verdammt, kann nicht endlich Freitagabend sein?

  4. mit kühlem kopf und heißem herzen… so werden wir den volkspark erobern. das letzte aufeinandertreffen an gleicher stelle vor fast genau einem jahr haben wir unglücklich verloren. dapo’s reguläres tor wurde aberkannt, (ich glaube) schonlau hätte nach notbremese schon in der ersten halbzeit vom platz gemußt und, na ja, jakov…
    damals ging es auch für beide um viel. unsere ausgangsposition im vergleich zu vor einem jahr is jedoch überhaupt nich vergleichbar. der druck liegt überwiegend beim stadtrivalen. die MÜSSEN, wir sollten. ich bin absolut zuversichtlich und voller vorfreude!
    was herrn baumgart betrifft, so is das gar nich sooo klar, daß er als kind in der bettwäsche der vorstädter geschlafen hat. für ihn als zonenkind wäre das nur bei entsprechender westverwandtschaft möglich gewesen. hatte er keine, dann nur über die großeltern, so fern diese bereits rentner waren und über das nötige kleingeld (in west, versteht sich) verfügten. ansonsten war es schier unmöglich, an fanutensilien von jenseits der westgrenze zu gelangen…

  5. Es heißt doch immer Hamburg gehört in die erste Liga. Jetzt ist es soweit. Nur das es der FC St.Pauli seien wird hat zum Saisonstart kaum einer mit gerechnet.

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