Leute, was soll ich sagen: Texte von Tim lesen, bedeutet Texte vom Profi lesen. Nein, ich verkünde hiermit (leider) nicht, dass ich ab jetzt als Analyst beim FCSP anfange. Vielmehr sitze ich montags um 10:10 Uhr in der Küche, die Kinder sind in der KiTa, der zweite Kaffee hat nochmal viel besser als der erste geschmeckt, durch die offene Balkontür scheint die Sonne herein, ein aus meiner Sicht völlig unterschätzter Songwriter namens George Harrison singt aus meiner Bluetooth-Box was von Liebe und Frieden auf der Erde und gerade fange ich an einer meiner Lieblingsbeschäftigungen, dem Aneinanderreihen wirrer Wortfetzen, nachzugehen.
Und das alles an einem Montag – der Profi nimmt sich nämlich Urlaub am Tag nach dem Sonderzug (sofern er/sie es kann). Gut, ich sollte sicher auch erwähnen, dass ich nur aufgrund von bitteren Erfahrungen lernte, wie wertvoll es ist, wenn am Tag 1 nach dem Sonderzug keine beruflich wichtigen Veranstaltungen anstehen. Nennt mich also im Zweifel nicht Profi sondern alt und weise, kann ich mit leben.
Der Reihe nach:
Zuerst mussten alle Mitfahrer des Sonderzuges feststellen, dass nicht ein Zug nach Nirgendwo, sondern nirgendwo ein Zug fuhr. Und so stand eine trotzdem gut gelaunte Menge aus den wie üblich verdächtig gekleideten Personen zusammen mit einem Haufen ItaloPop-Jüngern flockige 90 Minuten in Altona am Bahnsteig und wartete auf den Zug. 90 Minuten lang. Seit morgens um 6.00 („ich hätte ausschlafen können“-Rant bitte hier laut seufzen). Was dann kam war ein Zug, der durchaus als „angeknockt“ bezeichnet werden durfte. Gerüchten zufolge war er tags zuvor auf der Strecke Leverkusen-Berlin-Leverkusen eingesetzt worden. Wenn es einen Grund mehr bedarf, warum der FCSP bitte nächste Saison in die erste Liga aufsteigen sollte, dann, dass wir dann zum letzten Mal zum Ende der nächsten Saison die Hinterlassenschaften von Fans eines Erstliga-Teams begutachten dürfen. Der Zug war echt schon vor Abfahrt in einem erbärmlichen Zustand. Egal, jede Person die bereits schon einmal die Erfahrung eines Sonderzuges gemacht hat, rechnet ohnehin nicht mit blitzblanken Sanitäranlagen.
Und so ruckelten wir los. Und wer jetzt intime Details aus dem Innenleben des Sonderzuges erwartet, den muss ich mit den Worten „Was im Sonderzug passiert, bleibt im Sonderzug“ vertrösten. Muss man ohnehin selbst erlebt haben, um sich das vorstellen zu können. Trotzdem sollte ein kleiner, persönlicher und unverbindlicher Einblick erlaubt sein:
Eines kleinen Frühstücks konnte ich mich noch bedienen, ehe ich dann doch tatsächlich das DJ-Pult während der Ostblock-Schicht im Party-Waggon übernehmen durfte. Der Nachteil in so einer doch recht frühen Phase der Fahrt aufzulegen wich ziemlich schnell der Erkenntnis, dass nahezu alle Songs auf der Playlist noch „ungespielt“ waren, weshalb ich dann auch aus den Vollen schöpfte. Und da Ska-Musik, NDW und britischer Indie eine richtig schöne Kombination sind (ich hoffe diese Meinung habe ich nicht exklusiv), hatte ich nach meiner Schicht am Pult auch drei leckere Überquell intus. Moment, rief mein Gewissen, die Hörer des AFM-Radios werden es dir nicht danken, wenn Du jetzt noch, weil es so schön perlt, das vierte und fünfte wegziehst. Pflichtbewusst begab ich mich auf den Weg Richtung Abteil, um in rauchig-würziger Atmosphäre noch ein paar Fürther Spielernamen in‘s Hirn zu drücken. Und während wir uns fragten, ob die Leihgabe von Leeds United nun I-de-GU-chi oder i-DE-gu-CHI heißt, knarzte auch schon aus den Lautsprechern die Ansage, dass man sich doch bitte auf das nun nahende Reiseziel Fürth Hbf vorbereiten solle.
Gesagt, getan. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig Bedenken hatte, nachdem der FCSP (völlig zurecht) Strafanzeige gegen die Einsatzleitung der Polizei während des Bielefeld-Auswärtsspiels gestellt hat. Korpsgeist und so. Dass vor kurzem der Sonderzug aus Karlsruhe beim Gastspiel in Bayern doch recht intensiv von innen begutachtet wurde, fand ich jetzt auch nicht sonderlich beruhigend. Beruhigender hingegen waren da schon die „Was tun, wenn’s brennt“-Flyer der Braun-Weißen Hilfe. Und letztendlich war es dann überraschend ruhig, wir wurden nicht wie Rindvieh von Zug zum Bus gepfercht und ganz im Allgemeinen muss ich ehrlich sagen, dass man die Strategie der (massig vorhandenen) Polizei wohl als „deeskalierend“ bezeichnen kann. Schlimm eigentlich, dass so ein Verhalten überhaupt Erwähnung findet, aber dafür hat man es als Fußballfan einfach zu oft anders erlebt.
Der Sportpark Ronhof ist dann eines dieser Stadien, die sich inmitten eines Wohngebietes befinden. Gerade hatte ich noch beobachtet, wie Hecken in Vorgärten auf die vorgeschriebenen 2m Höhe geschnitten werden, taucht da auf einmal ein Fußballstadion auf. Sowas mag ich. Ab diesem Punkt trennte sich dann leider mein Weg von dem der meisten Sonderzugfahrer. Deshalb kann ich die Ereignisse aus dem Gästeblock nur aus dritter Hand wiedergeben und fasse kurz zusammen: Ordentliche Stimmung für ein Spiel um die goldene Ananas, eklatante Catering-Situation und, wie fast üblich bei Spielen mit Sonderzug, einigen Leuten von denen ich doch sehr hoffte, dass sie den Weg zum Sonderzug schafften (sicher bin ich mir da aber nicht).
Hingegen durfte ich meine vom Sonderzug vollkommen klebrigen Sohlen im Teppich des Führter Presseraums abtreten. Dank der kompetenten Hilfe des örtlichen Blindereporter-Teams hatten wir dann auch die Aussprache sämtlicher ‚Füdda‘ Spieler gelernt. Nach üppigem Mahl, welches trotz vollmundiger Ankündigung hielt was es versprach, durfte ich dann wieder ins AFM-Mikro sabbeln. In eigener Sache: Ich freue mich ohne Ende, dass ich seit dieser Saison Teil der Blindenreportage / des AFM-Radios sein darf. Ehrlichgesagt wollte ich als Kind unbedingt Fußball-Kommentator werden. Und dann kommt da auf einmal jemand zu mir und meint ich wäre geeignet dafür. Und nun hoffe ich einfach, dass ich das noch viele weitere Jahre machen darf.
Zur Rückfahrt dann nur: Ja, es wurde getanzt auf der Rückfahrt. Es wurde sogar die maximale Belastungsgrenze eines wippenden Zug-Waggons ausprobiert. Ich bin mir sicher, dass jede/r, der/die die Phase um „Militante Tante“ im ersten Party-Waggon miterlebt hat, beim Lesen dieser Zeilen gerade mindestens mit dem Kopf wippt. Das war ein Fest und ist einer der Gründe, warum ich niemals freiwillig auf eine Fahrt im Sonderzug verzichten möchte.
Sorry, heute nix von mir zum Spiel, wenngleich es durchaus Gutes zu berichten gäbe, fernab des Ergebnisses. Was aber bleibt von einer Saison, in der es sich am Ende nach einer vergebenen Chance zum Aufstieg anfühlt? Irgendwie Ernüchterung. Ernüchterung darüber, dass viele Dinge am Ende nicht passten, angefangen bei langen Verletztenlisten und endend mit der Erkenntnis, dass eine spielerische Umstellung von Reaktion auf Aktion nicht innerhalb von Wochen ohne Rückfälle umsetzbar ist und das Luhukay nicht, den Zauberstab über’m Team schwingend, „Reparo“ rufen kann und alle Querelen, Verletzungen und Eitelkeiten geheilt werden. Und trotzdem ist und bleibt der Millernton ein Medium voll von hoffnungslosen Optimisten. Was nämlich nun in der Sommerpause folgt ist ein Umbruch biblischen Ausmaßes: Mit viel Mut auf allen Ebenen werden Team und Staff verstärkt und Bremsklötze aussortiert, Abläufe hinterfragt und neue Wege beschritten. Und dann, nach einer traumhaften Vorbereitung, wird eine technisch und taktisch völlig überlegende Büffelherde einen 5-0 Auswärtssieg in Hannover zu Saisonbeginn einfahren (welcher in der Höhe viel zu niedrig ausgefallen ist). Das ist dann erst der Anfang einer rauschenden Jagd nach Rekorden an dessen Ende nicht nur die Stadtmeisterschaft sondern auch letztmalig die Fahrt in einem von Erstliga-Fans dreckig hinterlassenen Sonderzug stehen wird. Ab dann hinterlassen wir nämlich einen dreckigen Sonderzug für Zweitligisten.
//Tim
MagischerFC – Keine Worte über Fußball
{:}{:en}Guys, what am I supposed to say? Reading an article by Tim means reading a professional’s article. No, (unfortunately) I’m not announcing my new job as an analyst at the FCSP. Instead, I’m sitting in the kitchen on Monday 10:10 A.M. starting to pursue my favourite hobby: to combine bizarre word scraps. The kids are in the Kindergarten, the second coffee was even better than the first one and the sun shines through the opened balcony door while a song about love and peace on earth (by the, from my point of view, massively underrated Songwriter George Harrison) plays on my Bluetooth speakers.
All this is happening on a Monday – of course, the professional takes off on the day after the „Sonderzug“ (a chartered train). Well, I should admit I only learned how valuable it is when there are no important business events on day one after „Sonderzug“. So, if you’re in doubt, don’t call me professional but old and wise instead, which is also fine for me.
One after another:
First, all passengers of the „Sonderzug“ had to notice (Translator’s notice: Tim’s making a reference to a weird German song about a train with no destination.) there is no train at sight. And so, a nevertheless cheerfull crowd of the usual suspiciously dressed people together with a bunch of ItaloPop disciples stood on the platform in Hamburg-Altona waiting 90 minutes for the train. For 90 minutes. Since 6 A.M in the morning (Insert a „I could’ve slept longer“ rant and sight loudly) What arrived at the station was a train you could describe as „knocked out“ People say it was used on the route Leverkusen-Berlin-Leverkusten on the day before. (Note: There was a Bundesliga match between Leverkusen and Berlin) If you need yet another reason to believe that St. Pauli should promote to the first division after the next season, consider this would mean we won’t need to see the mess some of the Bundesliga team’s fans make in the sanitary facilities. The train was in a really bad shape even before the departure. Anyhow, no person who made the experience „Sonderzug“ will expect cleaned toilets in the train.
And so we departed. If you expect more intimate details from the inside of the „Sonderzug“, I have to put you off with the words „Was im Sonderzug passiert, bleibt im Sonderzug“ („What happens in the „Sonderzug“ stays in the „Sonderzug“). You have to experience it yourself to imagine it anyways. Nonetheless, a small, personal and non-binding glimpse should be allowed:
I was only able to have a little breakfast before I actually had to take over the DJ console for the „Ostblock“ shift in the party wagon. (Translators note: I’ve never been in the „Sonderzug“ so I can only assume Tim references the fan club „Ostblock St. Pauli“) The disadvantageof DJ’ing in such an early phase of the trip quickly gave way to the realization that almost all of the songs on the playlist were still “unplayed“. Therefore, I drew from the full source of songs. And since Ska, „NDW“*and some british Indie sound are a beautiful combination (I hope this isn’t my exclusive opinion) I’ve had three tasty „Überquell“* while putting on music on the DJ desk. * (Translators note: „Neue Deutsche Welle“, a mix of punk and new wave, apparently. „Überquell“ is a craft beer brand from Hamburg which sponsored the MillernTon podcast.) „Hold on, the listeners of the AFM-Radio won’t be thankful if you pull away the forth and fifth (beer) because it tastes so good right now.“ my conscience shouted. Dutifully, I embarked on the way back to my train compartment where I started to memorize a few more names of the Fürth squad in a smokey and spicey atmosphere. And while we were still wondering whether the loan from Leeds united is rather pronounced I-de-GU-chi than i-DE-gu-CHI, the train’s speaker system already announced the soon-to-happen arrival at Fürth central station.
No sooner said than done. I have to admit that I had some doubts after the FCSP reported an offence (and justifiably so) against the police’s operational leadership during the away-match in Bielefeld. Esprit de corps, you know. Furthermore, it wasn’t calming me down either when the „Sonderzug“ from Karlsruhe at an away match in Bavaria was intensively inspected the other day. But what calmed me down, at least a little bit, was the „In-case-of-an-emergency-flyer“ from the „Braun-Weiße Hilfe“ Eventually, it was sursprisingly calm, we weren’t treated like cattle while transitioning from the train into the shuttle bus and taken together I have to honestly admit that one can describe the strategy of the massively present police as „de-escalating“. Such a shame that I have to highlight such a positive behaviour at all, but there have been so many other examples in my life as a football fan already.
The Sportpark Ronhof is one of these stadiums which are located in the middle of a residential area. While I just spotted how some hedges were clipped to the mandatory height of 2m, the next second, a football stadium appeared. Me likey. From then on, my path separated from almost all the other folks of the „Sonderzug“. This is why I can only report what happened in the visitors stands from a spectators perspective only, but let me sum up: A decent atmosphere for a match about the golden pineapple, a blatant catering-situation and as always within matches where a Sonderzug is involved, I was really hoping that everyone will make it back to the train after the game (about which I am not entirely sure).
However, I was allowed to wipe my sticky Sonderzug-feet on the carpet of the press room in Fürth. Due to the competent help of the local audio-description team, we quickly learned how to pronounce all player names of „Füdd“ properly. After a decent meal, which actually delivered what was announced, I was allowed to speak into the AFM-microphone again. From my own perspective: I am eternally grateful to be a member of the FCSP’s audiodescription team/AFM-radio since this‘ season. Honestly, since I was a child I wanted to become a football-match reporter. And then, someone appeared and announced that I am a suited candidate to do so. And from now on, I am simply hoping that I can continue doing just that for many more years to come.
A few more things to the return journey: Yes, some people danced on the return journey. Furthermore, the limits of hopping in a wagon was tested. I am entirely sure that everyone who witnessed the time when „Militante Tante“ was played is again banging their head while reading these lines. It was a celebration and for sure one of the reasons why I will never voluntarily miss a ride with the „Sonderzug“.
Sorry, but today I cannot write anything about the match while there would be definitely some good things to mention beside the result. But what will remain from a season which somehow feels as if a chance for promotion was wasted? Soberness. Somehow. Soberness, because so many things did not fit in the end. Starting with a huge list of injured players and ending with the insight that a transition from reaction to action isn’t possible within weeks without mistakes. Furthermore, Luhukay wasn’t able to swing his magic wand and simply scream „reparo“ and all of the quarrels, injuries and vanities are cured within seconds. Nevertheless, the Millernton remains a medium crowded with hopeless optimists. Because during the summer’s break, there will be a switch of Biblical scale: With a lot of courages on all levels, the team and the staff will be reinforced and all brake pads will be sorted out, procedures will be questioned and new pathes discovered. And after a a great preparation phase, a technical and tactical superior herd of buffalo will harness a 5-0 away win in Hanover at the beginning of the season (which could have been even higher). And this wil just be the beginning of a rushing chase of records, which will not just secure the town’s championship but also a very last ride in a Sonderzug left full of rubbish by supporters of first division clubs. Because from then on, we will be the one’s who’ll leave a dirty Sonderzug for second division participants.
//Tim (translated by @Flo_1910 & @ Parneq)
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Herrlich, mal wieder, immer wieder!
Schöne Zeit, bis Ende Juli?
Ja, herrlich!