Vorbericht: Erzgebirge Aue – FC St. Pauli (28.Spieltag, 20/21)

Vorbericht: Erzgebirge Aue – FC St. Pauli (28.Spieltag, 20/21)

Am Samstag gastiert der FC St. Pauli im Erzgebirge. Das ist eine strapaziöse Reise, die viel zu oft ohne Zählbares endete. Aber nachdem der FC St. Pauli diese Saison bereits zum ersten Mal überhaupt in Heidenheim punkten konnte, ist alles möglich. Womöglich sogar das Durchbrechen der 40-Punkte-Marke. Danach streben allerdings beide Teams, denn auch Aue könnte mit einem Sieg hinter das Saisonziel „Klassenerhalt“ einen dicken Haken machen.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Im „Vor dem Spiel“-Gespräch hat Bobby sich mit Tobias vom Podcast „Zwei Gekreuzte Mikros“ unterhalten. In dem Gespräch geht es vor allem zu Beginn sehr viel weniger um Fußabll sondern mehr um die Besonderheit des Klubs („Nach Aue zu fahren ist einmal kurz durchzuatmen von der großen Fußballwelt.„), aber auch um den durchaus streitbaren Helge Leonhardt. Hörempfehlung.
Auch spannend ist es den Vorbericht zum Heimspiel gegen Aue nochmal zu lesen (und auch den Spielbericht). Wenn ihr die Ausführungen zu Aue da mal mit den Ausführungen weiter unten in diesem Text vergleicht, dann werdet ihr merken, dass sich in den letzten 17 Spielen nicht soviel geändert hat. Ach, und schaut mal, wer sich zum Spiel gegen Aue die inzwischen erfolgreiche Mittelfeldraute gewünscht hat 😉

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Christopher Avevor und Christopher Buchtmann fehlen weiterhin langzeitverletzt. Gerade bei Buchtmann standen die Zeichen lange Zeit auf einen baldigen Einsatz, aber daraus wird nichts, nachdem er in der Länderspielpause eher wieder kürzer treten musste im Training. Auch für Ryō Miyaichi kommt ein Einsatz gegen Aue noch zu früh. Auf der PK deutete Timo Schultz aber an, dass er sehr viel näher an Einsatzszeit dran ist als Buchtmann und Avevor.

Ebenfalls noch kein Kandidat für den Kader ist Eric Smith. Der hat im Laufe der Woche zwar wieder die Trainingseinheiten mitgemacht, für ihn kommt das Spiel im Erzgebirge jedoch noch zu früh. Damit bestritt Smith weiterhin sein letztes Spiel am 20.Februar und sein nächstes somit frühestens knapp zwei Monate später gegen Würzburg.

Etwas positiver ist die Lage in der Innenverteidigung: Bei Tore Reginiussen gibt es „berechtigte Hoffnung„, dass er bereits am Donnerstag wieder voll mittrainieren kann. Ein Einsatz ist damit durchaus realistisch (und ich erwarte ihn auch). Nicht realistisch ist hingegen ein Einsatz von James Lawrence, der bisher noch nicht wieder trainieren konnte.

James Lawrence wird im Rückspiel gegen Erzgebirge Aue aller Voraussicht nach nicht dabei sein.
(c) Peter Böhmer

Erzgebirge Aue: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel hat Aue-Trainer Dirk Schuster erst einmal ein ziemliche Lobhudelei auf die gesamte Offensiv-Abteilung des FC St. Pauli abgehalten und sie allesamt zukünftig in der Bundesliga verortet.

Fehlen wird Erzgebirge Aue ganz sicher Ognjen Gnjatic, der sich gegen Regensburg die fünfte gelbe Karte einhandelte. Dieser Ausfall wiegt schwer. Gnjatic ist der Spieler mit den meisten abgefangenen Bällen im Kader von Aue und führte die meisten Defensivzweikämpfe von Aue (ligaweit Platz 6). Bei Philipp Riesereicht es noch nicht für die Startelf„, wobei Schuster hier noch die Trainingseinheiten abwarten möchte. Wenn überhaupt Optionen für den Kader werden Clemens Fandrich und Ben Zolinski sein, die gerade erst die „ersten Gehversuche“ im Training nach ihren Corona-Erkrankungen gestartet haben. Hier berichtet Schuster eindrücklich davon, wie groß der Fitnessverlust bei den beiden gewesen ist. Zusätzlich fehlen noch die beiden Langzeitverletzten Malcom Cacutalua und Fabian Kalig.

Was hat Erzgebirge Aue zu bieten?

Erfahrung. Mit einem Durchschnittsalter der Startelfspieler von 28.8 Jahren stellt Erzgebirge Aue die älteste Truppe in der 2.Liga (der FCSP ist mit 25.9 Jahren die viertjüngste). Und das macht sie zu einem sehr unangenehmen Gegner. Denn auch wenn ihnen damit etwas Beweglichkeit und Dynamik (vor allem in der Defensive) fehlt, so ist Aue dafür bekannt eher weniger Schwankungen in ihren Leistungen zu zeigen. Ganz unsachlich sag ich mal: Die spielen ihren Stiefel runter, haben das bereits zigmal genauso runtergespielt, wissen was sie können und was sie nicht.

Und einen meiner liebsten Twitter-Accounts hat das Erzgebirge zu bieten: Liegt in Aue Schnee? – Ich möchte Euch den Spaß nicht nehmen, aber es ist eher mit zweistelligen Temperaturen im Erzgebirge am Samstag zu rechnen.

Erzgebirge Aue? Die größten Überperformer der Liga!

Ich sag es Euch ganz ehrlich: Erzgebirge Aue treibt mich in den Wahnsinn. Denn sie sind nach xG-Werten die mit Abstand schwächste Defensive der Liga (gegnerischer xG bei 52.8, also fast ein xG-Wert von 2 pro Spiel. Aber sie fangen sich nur 1.3 Gegentore pro Spiel).
Entsprechend liegt Erzgebirge Aue in der xPoints-Tabelle auf Platz 16 (27.8 xP), ganz knapp vor Osnabrück und Würzburg. In der realen Tabelle sind es aber 37 Punkte und Platz Neun. Die Gründe für diese Diskrepanz liegen ganz vorne und ganz hinten:

Erzgebirge Aue spiel eher mittelmäßig viele Pässe (Platz 12 in der Liga), aber diese Pässe sind sehr zielstrebig und meist sehr vertikal (drittmeiste Schnittstellenpässe der Liga). Und grundsätzlich läuft das Spiel nicht wirklich über die Flügel, denn Aue schlägt die drittwenigsten Flanken der Liga, aber dafür mit der drittbesten Präzision. Das Spiel über die Flügel ist häufig ja auch ein Mittel, wenn die Gegner tief hinten drin stehen, da es nur dort im letzten Drittel auch Räume gibt. Bei der Spielweise von Aue aus einer tiefstehenden Defensive heraus mit schnellen Umschaltspiel sind die Räume meist auch zentral sehr viel mehr vorhanden.
Die tiefstehende Defensive zeigt sich besonders gut an einer Zahl: 15.77. Das ist der PPDA-Wert den Erzgebirge Aue über die Saison hat, also die Anzahl an Pässen, die sie erlauben, bevor sie mit ihren Defensivaktionen starten (PPDA = Passes Played per Defensive Action). 15.77 ist ligaweit die mit Abstand größte Zahl, Erzgebirge Aue greift also erst sehr spät auf den Gegner zu. Der FC St. Pauli wird also damit rechnen müssen, dass er in den eigenen hinteren Reihen etwas mehr Ruhe haben wird um sein Aufbauspiel aufzuziehen, es im letzten Drittel aber richtig eng wird. Übrigens: Die beiden kommenden Gegner, Würzburg und Düsseldorf, befinden sich zusammen mit Aue auf dem Podium der höchsten PPDA-Werte und mit Braunschweig war das viertplatzierte Team gerade erst Gast am Millerntor.

Oldie but Goldie? Erzgebirge Aue stellt das älteste Team der Liga.
(imago images/via OneFootball)

Bestes Sturmduo der Liga? Zumindest das effektivste?

Wenn es darum geht die Qualitäten von Erzgebirge Aue heraus zu arbeiten, dann ist an zwei Namen kein Vorbeikommen: Pascal Testroet und Florian Krüger. Beide haben in der Saison je 11 Tore erzielt und dabei zeigten sie sich ziemlich effektiv (jeweils mehr als zwei Tore über ihren xG-Werten).
Zwar werden beide häufig in einem Atemzug genannt, aber spierleisch sind sie ziemlich unterschiedlich. Pascal Testroet ist eher die Variante „bulliger Strafraumstürmer“, der allerdings auch viel mit dem Ball und seinen Mitspielern anfangen kann. Hinter Marvin Ducksch ist Testroet der Spieler mit den meisten Torschüssen pro Spiel (3.1 – Ducksch liegt bei 3.6). Florian Krüger hingegen feuert nur knapp 1.7 Torschüsse pro Spiel ab und kommt häufiger auch über die rechte Außenbahn. Die haben es aber in sich: Zusammen mit Bochums Top-Stürmer Simon Zoller und knapp hinter Simon Terodde hat Krüger eine Quote von 60% an Torschüssen, die auch tatsächlich auf das Tor gehen. Das ist schon eine richtig gute Quote. Testroet hingegen feuert qausi aus allen Rohren und ist ligaweit auch in den Top10 in Sachen Anzahl an Fernschüssen zu finden.
Was beide Spieler eint und auch ein Anzeiger für die Spielweise von Aue ist: Krüger und Testroet grinden immer an der Abseitsgrenze. Zusammen sind sie das „beste“ Duo in Sachen Abseitspositionen mit bisher 39 zurückgepfiffenen Abseitsstellungen in der Saison.

Zwei glorreiche Halunken – Pascal Testroet (links) und Florian Krüger glänzen diese Saison mit enormer Effektivität.
(imago images/via OneFootball)

Während Testroet und Krüger sicher so etwas wie die „Poster Boys“ von Aue sind, läuft ein ähnlich wichtiger Spieler für die Offensive unterm Radar. Dmitri Nazarov wird höchstwahrscheinlich hinter den beiden Stürmern auf der Zehn agieren. Und heimlich, still und leise hat Nazarov so einige Skills, die es zu beachten gilt. Da ist zum Beispiel eine richtig gute Quote bei Schnittstellenpässen (Top10 der Liga). Zudem zieht Nazarov knapp 3 Fouls pro Spiel für sein Team (Platz 4 der Liga). Bemerkenswert ist aber eine andere Quote: Dmitri Nazarov gewinnt 82% seiner Dribblings und ist damit mit Abstand der beste Dribbler der Liga (Finn Ole Becker liegt in dieser Statistik auf Platz 4 mit rund 70% gewonnener Dribblings). Klar, Krüger und Testroet darf man nicht außer Acht lassen. Nazarov aber sicher auch nicht.

Bester Torhüter der Liga? Zumindest der mit der besten Quote

Und wo wir gerade bei Spielern sind, die man nicht außer Acht lassen darf: In Aue steht einer der besten Torhüter der Liga im Tor. Martin Männel, Kapitän von Erzgebirge Aue und gegen den FCSP mit seinem 300.Zweitligaspiel, ist wohl besser denn je. Laut Timo Schultz hat er „gefühlt immer die Note 1.5 in Spielen gegen den FCSP bekommen“ und ich würde behaupten, dass er sich in dieser Saison fast in jedem Spiel eine solche Note verdient hätte. Denn Martin Männel führt die Riege der Torhüter deutlich an in der Statistik „prevented Goals“ und sorgt auch mit seinen Paraden dafür, dass Aue rund 0.4 Gegentore pro Spiel weniger bekommt als nach xG möglich. Das ist eine richtig gute Quote. Machen wir uns nichts vor, Männel wird am Samstag gegen den FCSP wieder in Top-Form auf dem Platz erscheinen.

Mögliche Aufstellung

Timo Schultz deutete auf der Pressekonferenz an, dass es einige Veränderungen in der Startelf geben könnte, auch um den Gegner „zu überraschen„. Das ist aus meiner Sicht nicht viel mehr als eine Nebelkerze. Ich erwarte nur eine einzige Änderung in der Startelf: Tore Reginiussen wird sich mit Pascal Testroet messen dürfen.
Bei allen anderen Positionen wird wohl auch weiterhin nach der Maßgabe „never change a running system“ verfahren werden. Die letzten beiden Spiele geben einfach nicht viel Anlass für Veränderungen. Das könnte sich nach diesem Spiel ändern, wenn die englische Woche ins Haus steht und der FCSP evtl. auch mal die ein oder andere Formation ausprobieren oder aber auch den ein oder anderen Spieler im System mit der Mittelfeldraute sehen möchte. Ich denke da an Maximilian Dittgen und Afeez Aremu, vor allem aber an Lukas Daschner, die sicher zu den ersten Wechselkandidaten zählen.

Auf Seiten von Erzgebirge Aue führt die Sperre von Gnjatic sowie das Fehlen von Riese und Fandrich zu ziemlich viel Leerlauf im Zentrum. Es dürfte auf der Doppelsechs auf das Duo Samson und Strauß hinauslaufen, wobei ich Strauß auf der rechten Außenbahn noch etwas stärker finde (und ihn ohnehin für einen richtig guten Spieler halte).
Ich gehe davon aus, dass das zuletzt gespielte 3-4-1-2 nicht das System der Wahl ist und Dirk Schuster zu einem in der Saison häufiger gespielte 4-2-3-1 zurückkehren wird. Das hängt vor allem mit der Sperre von Gnjatic zusammen. Aber es kann natürlich auch alles ganz anders kommen und es bleibt bei der Dreierkette und Rizzuto rückt auf rechts ins Team (mit dem System ist Braunschweig am letzten Spieltag gegen den FCSP aber gehörig auf die Fresse geflogen, sollen sie also ruhig auch nochmal probieren).

Mea Culpa, Guido – Du Nichtskönner!

Ich kann mich nur dafür entschuldigen, was im letzten Vorbericht nicht passiert ist. Ich habe schlicht vergessen Guido Burgstaller eine kleine Motivationshilfe mitzugeben. Prompt hat er echt große Chancen gegen Braunschweig liegen gelassen. Das ich das vergessen habe ist unentschuldbar und ich möchte auch gar nicht versuchen, dass wieder gut zu machen. Ich möchte allerdings mal klarstellen, dass Guido Burgstaller es in den letzten Spielen immer verpasst hat frühzeitig die Entscheidung herbei zu führen (z.B. mal das 3-0 zu machen oder allgemein mit einem Tor für eine Vorentscheidung zu sorgen). Das kann er anscheinend einfach nicht.

Forza!

// Tim

(sämtliche Statistiken, wenn nicht anders markiert, stammen von Wyscout)

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2 thoughts on “Vorbericht: Erzgebirge Aue – FC St. Pauli (28.Spieltag, 20/21)

  1. Danke Tim : ) ich habe heute extra den Vorbericht vor der Lage gelesen, weil ich wissen wollte, ob du zu deinem Guido Fauxpas Stellung nimmst. Jetzt wird in Aue alles gut.

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