50+1 ist okay – aber zu selten kommt 50+1 raus

50+1 ist okay – aber zu selten kommt 50+1 raus

Das Bundeskartellamt hat gestern eine „vorläufige Kartellrechtliche Einschätzung“ zur 50+1-Regel gegeben (Link: DE / EN) – und die könnte die DFL jetzt in Zugzwang bringen.

„Ich bin kein:e Jurist:in…“ – Einer der am häufigsten formulierten Sätze der letzten 1 1/2 Jahre, wenn auch klar hinter „Ich bin kein:e Virolog:in/Epidemolog:in“. Trifft auch auf uns hier zu (alles), daher verweisen wir für die juristische Bewertung gerne auf den Senior des MagischenFC-Blogs.

Was bisher geschah

Die DFL selbst hatte das Bundeskartellamt um eine Einschätzung gebeten – zumindest könnte man das als Laie so bewerten. Genauer gesagt hatte man eine Entscheidung beantragt, dass kein Anlass zum Tätigwerden bestehe (§32c GWB), also quasi ein hochoffizielles Abnicken des derzeit praktizierten Procederes.

1999 wurde diese Regelung eingeführt, um den Einfluss von externen Investoren auf Profivereine zu beschränken. Wenn es sich nicht mehr um einen mitgliedergeführten Verein handelt, sondern um eine Kapitalgesellschaft, so müssen 50% plus ein weiterer Stimmenanteil beim Verein verbleiben.
Schon bei ihrer Einführung gab es allerdings eine Ausnahme, und wahrscheinlich ist sie die Wurzel allen Übels, denn aufgrund dieser Ausnahme folgten mit der Zeit dann weitere. Die „Lex Leverkusen“ sah vor, dass es eine Ausnahme seitens des Ligaverbandes nur geben kann, wenn der Rechtsträger den Fußballsport des Muttervereins „ununterbrochen und erheblich seit mehr als 20 Jahren gefördert hat“ (Satzung Ligaverband, Paragraph 8).
Diese Ausnahme wurde mit den Jahren dann auch dem VfL Wolfsburg und der TSG Hoffenheim erteilt.

Rechtlich war das immer schon auf wackeligen Füßen gebaut (Prof. Dr. Henning Zülch hat die Regel deshalb im Interview bei uns „Flickenteppich“ genannt) und man wartete eigentlich nur darauf, dass da irgendwann mal jemand kommen würde, der das vor ein Gericht zerrt oder zumindest versucht es anzufechten – und dies geschah dann ab 2017 mit Martin Kind, der aufgrund der 20-Jahre-Regel auch eine Ausnahme für sich und Hannover 96 haben wollte. Ohne das jetzt im Detail zu zerlegen, scheiterte er mit dem Vorhaben bzw. zog es dann kurz vor einer Entscheidung zurück, da bereits durchklang, dass es zu dem Punkt „erheblich gefördert“ wohl sehr unterschiedliche Interpretationen gab.

Auch Hasan Ismaik wollte mit 1860 München gegen diese Regel klagen, durch den Abstieg seiner Löwen hatte sich das dann aber vorerst wieder erledigt.
Was man ja auch nie vergessen sollte: Rasenballsport Leipzig ist auf dem Papier keine Ausnahme zur 50+1 Regel, sondern erfüllt diese durch die besondere Konstruktion dieses Konstrukts.
Eingetragene Vereine ohne Ausgliederung des Lizenzteams sind in der 1.Liga aktuell nur noch der SC Freiburg, Union Berlin und Mainz 05, also gerade mal drei von 18. In der 2.Liga kommen neben dem FCSP auch noch Aue, Darmstadt, Düsseldorf, Heidenheim, Kiel, Sandhausen, Nürnberg und Schalke und Dresden dazu, also immerhin 50% plus eins, quasi. 13 Vereine unter 36 Profiteams.

Was bedeutet diese Einschätzung des Bundeskartellamts jetzt?

Nun, es dürfte einige Bewegung in die Diskussion um die 50+1 – Regel kommen. Erst einmal hat das Bundeskartellamt verlauten lassen, dass die in Deutschland praktizierte Regel kartellrechtlich unbedenklich ist.

Das Bundeskartellamt geht derzeit davon aus, dass die 50+1-Grundregel von den kartellrechtlichen Verbotstatbeständen ausgenommen sein kann.

Pressemitteilung des Bundeskartellamts

Das ist schon einmal eine gute Nachricht für Verfechter*innen von 50+1. Und die Erklärung ist es auch. Zwar stelle die Regel eine „Wettbewerbsbeschränkung“ dar, da es für die Teilnahme an den Bundesligen Bedingungen gebe, aber diese Bedingungen dienen höheren „legitimen“ Zielen, nämlich der Organisation eines „vereinsgeprägten Wettbewerbs“ und der „Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs“. Entsprechend seien diese Bedingungen kartellrechtlich „unbedenklich“.
Das ist erst einmal Balsam auf die Seelen all jener, die seit Jahren für diese Regel kämpfen. Ja, dies ist nur eine vorläufige Einschätzung, aber immerhin.

Zumindest auf den ersten Blick kommt es sogar noch besser: Denn das Bundeskartellamt äußert klar und deutlich, dass die „Förderausnahmen“ (hiermit sind die Konstrukte gemeint, bei denen ein Unternehmen/eine Person mehrheitlich beteiligt sein darf, wenn dieses/er den Verein nur lange genug unterstützt) zur Durchsetzung der 50+1 – Regel in ihrer jetzigen Form „problematisch“ sind.

Entsprechend dürfte diese Einschätzung einigen Bundesliga-Klubs ziemlich sauer aufstoßen. Denn so ist sie als eine Aufforderung zu verstehen, dass die jetzige Regelung deutlich überarbeitet werden muss. Sie stellt klipp und klar heraus, dass die „Förderausnahmen“ den legitimen Zielen, die diese Regelung verfolgt, im Wege steht. Das zwingt die DFL nun zum Handeln, wenn man nicht sehenden Auges in ein geöffnetes Messer rennen will.

Was wird passieren?

Tja, an dieser Thematik dürfte jetzt auf beiden Seiten ein ganzes Bataillon an Personen arbeiten. Aus unserer Sicht gibt es drei Möglichkeiten, wie diese Sache nun gelöst werden kann:

  • Möglichkeit 1: 50+1 wird gestärkt.
    Die „50+1 Regel“ wird überarbeitet und schärfer formuliert. „Förderausnahmen“ sind nicht mehr zulässig, da sie die eigentlichen Ziele dieser Regelung mehr oder minder „unterwandern“.
  • Möglichkeit 2: Es bleibt wie es ist
    Theoretisch sicher möglich, aber eben eher unwahrscheinlich. Es sind hier so viele verschiedene Interessen auf allen Seiten vertreten, irgendjemand wird jetzt Fakten schaffen wollen.
  • Möglichkeit 3: 50+1 fällt.
    Es könnte die Erkenntnis reifen, dass die 50+1 – Regel nicht haltbar ist bzw. nicht gehalten werden soll, da die Konsequenzen eines „Durchziehens“ der überarbeiteten Regelung zu massiven Konsequenzen bei einigen Klubs führen würden.

So gut die Einschätzung vom Kartellamt klingt, so negativ könnten die Folgen sein. Denn es dürfte sehr schwierig werden die vorhandenen „Förderausnahmen“ in eine überarbeitete Form von 50+1 zu pressen. Viele würden wohl sogar behaupten, dass dies unmöglich ist.
Da aber besonders durch die Pandemie eigentlich alle Klubs in großer oder sehr großer Finanznot sind, haben einige Klubs sicher ein starkes Interesse daran für Investoren attraktiver zu werden. So dürfte es neben den bestehenden Ausnahmen sicher auch einige andere Klubs geben, die sich eher für eine Aufweichung von 50+1 offen zeigen, um kurzfristig Gelder generieren zu können. Mit einer überarbeiteten und damit womöglich strikteren Version von 50+1 dürfte das schwieriger werden. So gut diese Einschätzung vom Bundeskartellamt auf den ersten Blick auch klingt: Es ist eher davon auszugehen, dass die Zukunft von 50+1 unsicherer denn je ist.
Oder könnt Ihr Euch vorstellen, dass Konzerne wie Bayer und VW oder ein Mäzen wie Dietmar Hopp die Einflüsse beim jeweiligen Verein aufgeben, ohne die DFL bis in alle Ewigkeit mit Klagen zu überziehen? Und das die DFL wirklich gewillt ist, diesen Kampf zu kämpfen? Zumindest uns beschleicht da erheblicher Zweifel.

Was würde ein Wegfall der Regel für den FCSP bedeuten?

Zunächst einmal gar nichts. Das Bekenntnis zu 50+1 hat der Verein immer geäußert und eine Abkehr davon könnte ohnehin nur durch die Mitgliederversammlung erfolgen – dies scheint aktuell ausgeschlossen, auch wenn die Regel als solche fallen sollte. Auch die immer mal wieder ins Spiel gebrachte Genossenschaft würde sehr wahrscheinlich so aufgebaut sein, dass man auch der bisherigen Form der Regel weiter genügen würde. Der Einstieg eines externen Investors erscheint hier momentan eher undenkbar.

Wenn man aus dieser kleinen Oase Millerntor aber hinausschaut, so werden sich mit dem Wegfall die Rahmenbedingungen für den Verein massiv ändern – zumindest, wenn es denn wirklich vermehrt zum Einstieg von Investoren bei anderen Clubs kommen sollte.
Der FCSP ist mit seinen Alleinstellungsmerkmalen sicher gut gerüstet, auch weiter auf einen solchen Einstieg zu verzichten und könnte dies mit einem langem Atem vielleicht sogar zum eigenen Vorteil nutzen. Leichter wird es aber (zumindest kurzfristig) dann sicher nicht.

// Tim & Maik

Weitere Links:
Deutschlandfunk – Sport am Morgen
Sportschau

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