Villa Viva – A place of togetherness?

Villa Viva – A place of togetherness?

Als wenn Brunnen bauen in Afrika nicht genug Aufwand verursacht, geht Viva con Agua jetzt mit einem Bauvorhaben in Hamburg ein mindestens ebenso ambitioniertes Projekt an – und erntet gehörig medialen Gegenwind. Schauen wir mal, was da dran ist.
(Titelbild: Viva con Agua)

Viva con Agua (VcA) stelle ich jetzt nicht mehr vor, das setze ich mal als bekannt voraus. „Social Business“ nennen sie es bei VcA, wenn man von der reinen Spendensammlung und den damit unterstützten Projekten abweicht und versucht, Gelder für die Projekte auch auf anderen Wegen zu generieren.
Klingt zunächst mal merkwürdig? Mag sein, aber sowohl das käuflich zu erwerbende Wasser von VcA hierzulande als auch das Goldeimer Klopapier entstammen eben genau dieser Idee. Ist Wasser in kleinen Glasflaschen ökologisch und nachhaltig und überhaupt eine Top-Idee? Wohl eher nicht – aber als Gegenentwurf zu bestehenden Branchenriesen die ansonsten in den Hotels oder Geschäftsmeetings ausgeschenkt werden, zumindest ein Statement. Und es lässt sich damit Geld verdienen, welches den Projekten zugute kommt.

Einer der jüngsten Schritte auf diesem Wege war ein Hostel in Kapstadt und ähnliches entsteht nun auch in Hamburg:
„Villa Viva – ein Haus baut Brunnen“ – A Place of Togetherness.
Eine Gruppe von Investoren baut in zentraler Lage in Hamburg (Münzviertel) ein 12,5stöckiges Gasthaus mit ausreichend Bürofläche und 140 Übernachtungsbetten.
Ja, der Satz für sich genommen klingt eher unappetitlich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Investorengruppe sich aus 16 Personen wie u.a. Bela B., Jan Delay und Max Kruse zusammensetzt, die allesamt seit Jahren zu den Unterstützer:innen von VcA gehören. Diese Gruppe stellt die kompletten 5,5 Mio€ Eigenkapital, dafür bekommen sie 33% an der Villa Viva Holding GmbH – auf die restlichen 67% verzichten sie und diese bekommt Viva con Agua – und zahlt selbst dafür keinen Cent, es gehen also auch keine Spendengelder in dieses Projekt.
Die Eröffnung ist für Ende 2023 geplant, das Grundstück gab es von der Stadt aufgrund der sozialen Komponente unter Marktpreis. Ein Wohnungsbau ist an diesem Ort bautechnisch nicht möglich, in der Bebauungsplanung sind zudem mindestens zehn Stockwerke zwingend vorgeschrieben.

Vor Ort will man auch viele soziale Projekte weiter verfolgen oder ermöglichen und hatte u.a. die Münzviertel-Initiative früh eingebunden. Diese äußerte sich jüngst medial allerdings inzwischen nicht mehr ganz so angetan und hat schon im Juli eine Stellungnahme veröffentlicht, in der man sich über die Kommunikation enttäuscht zeigte.
Am Wochenende kam ein Artikel der Jungle World hinzu, der jetzt höhere Wellen schlug. Im Artikel wird deutlich Kritik am Konzept der Villa Viva geübt. Zudem wird noch, allerdings ohne einen Zusammenhang zum Bauprojekt herzustellen, erwähnt, dass es keinen Betriebsrat bei VcA gibt und die Bezahlung unter Tarifvertragsniveau liege.

Grund genug für mich, mal Kontakt zu Viva con Agua aufzunehmen und nachzufragen. Micha Fritz, Co-Gründer von Viva con Agua, meldete sich umgehend, auch Benny Adrion, Gründer von VcA und selbst Projektverantwortlicher für die Villa Viva konnte ich in seinem Urlaub erreichen. Es wird demnächst noch ein Statement von VcA zu dem Artikel geben, ein paar Dinge kann man aber vielleicht schon mal zumindest etwas in die Perspektive rücken.

In erster Linie sollte hier natürlich das Projekt „Villa Viva“ im Vordergrund stehen, welches in seiner Art etwas Einzigartiges darstellt. Klar, die Vorschusslorbeeren muss man dann mit der Eröffnung auch bestätigen, aber der Wille und die Euphorie dieses Projekt in etwas absolut Positives zu verwandeln, ist spürbar. Die Möglichkeit hier Positives zu bewerkstelligen kommt auch im Jungle World-Artikel ausreichend rüber – und wenn man sich in Ruhe mal die hier aufgeführten Punkte anschaut, inklusive den Ideen und der nachhaltigen und inklusiven Planung, so lässt dies doch sehr darauf hoffen, dass hier ein Hotel/Gasthaus/wasauchimmer „in gut“ entsteht.
Und ja, es wird die im Artikel erwähnten zwei Suiten für 300€ geben, aber eben auch die „Camping“ Unterkünfte für 19,10€.
Schon jetzt ist es aber natürlich wichtig, die Zeit bis zur Eröffnung zu nutzen und zum Beispiel gemeinsam mit der Münzviertel Initiative für den Erhalt des „Werkhaus“ zu kämpfen (Hintergründe: taz), welches aktive Hilfe vor Ort für Obdachlose bietet und von der Schließung bedroht ist. Mit Günther Westphal von der Initiative befindet man sich jedenfalls weiter im konstruktiven Austausch, für diesen Donnerstag ist das nächste Treffen geplant.

Schauen wir auf die anderen Punkte, die eher VcA als Verein betreffen und unabhängig von der Villa Viva sind:
So lässt das Statement „Nein, es gibt keinen Betriebsrat.“ im JW-Artikel unterschwellig vermuten, dass man seitens VcA diesen verhindern würde – was aber nicht der Fall ist, so Micha Fritz. Aktuell gibt es ca. 30 Beschäftigte bei VcA und somit wäre eine Gründung möglich. Dies war aber bisher einfach noch nie Thema, da laut Benny Adrion Mitbestimmung ohnehin groß geschrieben wird – und es müsste erst mal den Wunsch der Mitarbeiter:innen geben, einen Betriebsrat überhaupt gründen zu wollen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der fehlende Tarifvertrag. Hier führt der JW-Artikel den Tarifvertrag der Getränkebranche an, weil VcA eben hauptsächlich Wasser verkaufe. Nun versteht sich VcA selbst weniger als Getränkehandel und eher als NGO, doch auch hier gibt es teilweise Tarifverträge (beispielsweise bei der Welthungerhilfe). Ob man NGOs jetzt grundsätzlich in diese Kategorien einteilen kann und an VcA hier dann die gleichen Maßstäbe angelegt werden sollten wie bspw. an die Welthungerhilfe, muss dann wohl jede:r die/die dort arbeitet für sich entscheiden. Bei allem „Business“ ist hier eine gewisse „ideelle Überzeugung“ bei der Wahl des Arbeitgebers sicher hilfreich – ohne damit sagen zu wollen, dass es dort kein angemessenes Gehalt gibt bzw. geben sollte. Allerdings reden wir hier ja auch nicht über den Mindestlohn, die selbst gegebene „soziale Untergrenze“ von 2.700€ brutto für Vollzeit Beschäftigte existiert zumindest schon mal.

Und dann gibt es noch den Geschäftspartner für die Wasserabfüllung, „Husumer Mineralbrunnen“. Im JW-Artikel wird darauf verwiesen, dass dort nicht nach Tarif bezahlt werden würde und es klingt dort zumindest so, als würde die Gründung eines Betriebsrates seitens der Geschäftsführung eher verhindert. Dies war auch für Viva con Agua neu, wie Micha Fritz sagte. Hier werde man Kontakt aufnehmen und um Klärung bitten und dann entsprechend reagieren.

Fazit:

Viva con Agua ist nicht sakrosankt und darf natürlich kritisch beäugt werden. Noch ein Hotel in Hamburg, insbesondere im Münzviertel, erscheint auf den ersten Blick eher unnötig – aufgrund der besonderen Lage des Grundstücks wären aber Wohnungen ohnehin nicht möglich gewesen und ob da ohne VcA etwas sinnvolleres hingekommen wäre, erscheint in Anbetracht der jüngst daneben erstellten „Smartments“ eher fraglich. Wie das aber mit Leben gefüllt wird und ob man die selbst gestellten Ansprüche inklusive der sozialen Komponenten vor Ort (Essen für Obdachlose, Unterstützung des GoBanyo-Busses etc.) mit Leben füllen wird, sieht man dann wohl erst in zwei Jahren. Bis dahin aber will man sich als Teil des Münzviertels bereits aktiv einbringen und u.a. natürlich auch mit der Münzviertel-Initiative für den Erhalt des „Werkhaus“ kämpfen.
Die inhaltlichen Vorwürfe an Viva con Agua gilt es zu prüfen – in Sachen Betriebsrat / Tarifvertrag VcA sieht es für mich (von außen) eher so aus, als wäre dies kein großes Thema. Ohnehin ist ein Zusammenhang zwischen dem Bau der Villa Viva und der Thematik Betriebsrat / Tarifvertrag nicht ersichtlich. Mit den Arbeitsbedingungen bei Geschäftspartnern sollte sich VcA aber befassen und wird dies ja laut eigener Aussage auch tun.
Mehr dann ggf. in einer Stellungnahme von VcA zu gegebener Zeit.
// Maik

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2 thoughts on “Villa Viva – A place of togetherness?

  1. Danke für diese Zusammenfassung und Einordnung. Ich selber unterstütze VcA seit Jahren und aus vollstem Herzen. VcA hat sich aber in den Jahren stark verändert und ist neue Wege gegeangen, das neueste Ergebnis ist das Hotel im Münzviertel. Letztendlich kommt es ja hautsächlich darauf an, dass viel Geld für das Ziel des Vereins gesammelt wird und dafür sind diese neue Ansätze (hoffentlich) geeignet.
    Was ich aber feststelle, ist eine gewisse Entfremdung vom FCSP. Mit der jetzigen Strategie hat VcA nur noch wenig mit dem Club und seinem Umfeld zu tun. Natürlich kann man jetzt die Millerntor Gallery aufführen, die ja in unserem Stadion stattfindet und ein unglaublich tolles Event ist. Aber sonst? VcA sitzt mit Promis in einer Loge statt mit den Fans auf den Stehplätzen. Der FCSP verkommt in dieser Beziehung langsam zur Kulisse. Nochmal: Ich werfe das alles VcA nicht vor. Ich glaube aber, dass es an der Zeit wäre, im Umfeld des FCSP ein neues NGO zu starten, das direkter an die Themen und Probleme des Viertels verknüpft wäre und bei dem wieder jeder seinen Teil beitragen könnte ohne gleich ein Hotel-Investor zu sein.

  2. Naja, das Thema Betriebsrat ist bei quasi allen Lebensmittel-Herstellungsbetrieben ein sehr stiefmütterliches Thema, da kann dir auch jeder der NGG ein Lied von singen. Was auch nicht immer zwingend an der jeweiligen Geschäftsführung liegt, sondern oftmals auch an den dort beschäftigten Personen, die eben meist ganz andere Sorgen haben als einen Betriebsrat zu gründen. Sprich, wie ja auch hier schon vermutet: es liegt nicht immer am verhindern wollen der Geschäftsleitung, wenn es keinen Betriebsrat in einem Unternehmen gibt (auch wenn das natürlich auch oft genug vor kommt!), sondern manchmal eben auch daran, dass sich niemand findet, der Betriebsrat sein möchte…

    Genauso sieht es mit der tariflichen Einbindung der Arbeiter in Tarifverträge aus. Kaum ein größerer Arbeitgeber in der Lebensmittelindustrie nutzt gewerkschaftlich ausgehandelte Tarifverträge, meist wird auf eigene Haustarife gesetzt. Was auch daran liegt, dass kaum jemand in der Branche gewerkschaftlich organisiert ist.

    Und das VcA sich beim Hotel am Tarifvertrag der Getränkeindustrie und nicht etwa vom Hotelgewerbe halten möchte, ist doch auch schon mal ein vernünftiger Ansatz. 2.700 Euro brutto ist zumindest mal kein Unterschreiten des Mindestlohns – auch das gibt es gerade im Hotelbereich ja leider öfter mal durch in normaler Vollzeitarbeit nicht schaffbare Arbeitsvorgaben, die es zu erledigen gilt…

    Es ist sicher gut, auf solche Projekte immer ein wachsames Auge zu haben – gerade auch, wenn sie an solchen ohnehin schon „belasteten“ Orten entstehen – aber den „Untergang des Abendlands“ sehe ich vorerst bei dem geplanten Bauvorhaben jetzt erst einmal nicht.

    Und das sich VcA „zunehmend vom FCSP entfernt“ muss ja auch nicht zwingend negativ sein, sondern spricht im Gegenteil eher dafür, dass das Projekt „erwachsen geworden ist“.

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