Finn Ole Becker ist zweifelsohne eines der größten Talente, die der FC St. Pauli in seinen Reihen hat. Aufgrund seines auslaufenden Vertrages rank(t)en sich diesen Sommer Wechselgerüchte um ihn. Er selbst möchte gerne in die 1.Liga. Das ist ihm auch zuzutrauen. Die Daten zeigen aber auch: Dazu müssen noch ein paar Schritte gegangen werden.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Im ungewohnt offenen Pressegespräch diese Woche, erzählte Finn Ole Becker vieles für das Phrasenschwein („Ich lebe im Hier und Jetzt“ – „Ich habe noch ein Jahr Vertrag und fühle mich hier richtig wohl.„), aber eben auch einiges zu seinen persönlichen Zielen in dieser Saison. Eines davon ist „mehr in die Box zu kommen“, also allgemein offensiv aktiver zu werden. Das ist etwas, das sich auch Timo Schultz bereits öffentlich von ihm gewünscht hat. Ein Tor und zwei Vorlagen in der bisherigen Saison scheinen zu bestätigen, dass da offensiv bereits mehr kommt. Aber das ist natürlich etwas, das geradezu nach einem Blick in die Daten schreit.
Welche Stärken hat Finn Ole Becker?
Und es ist auch eine Frage, die mich endlich dazu bewegt hat an meinen Skills zur Daten-Visualisierung in Python zu arbeiten. Betrachtet es als Drohung, wenn ich schreibe: Da kommt noch viel mehr! Ich liebe diese Radar-Charts. Und jetzt kann ich sie auch noch selbst erstellen. Heiliger BimBam!
Was mache ich damit? Ich möchte auf einem sehr viel einfacherem Weg Statistiken darstellen. Bisher habe ich die ja hauptsächlich runtergeschrieben. Nun nutze ich diese Radar-Charts. Das ist einfach übersichtlicher.
Was stelle ich dar? Im Beispiel, welches gleich folgt, habe ich die Statistiken von Finn Ole Becker dargestellt. Hierzu habe ich die, aus meiner Sicht, zentralen Statistiken für Spieler im zentralen Mittelfeld rausgesucht. Die Daten stelle ich für Finn Ole Becker im Vergleich zu den Minima und Maxima von Spielern auf seiner Position dar. Grundsätzlich sind die Radare, die ich hier zeige, recht simpel zu lesen: Je mehr Farbe (in diesem Fall Rot und Blau) zu sehen ist, umso besser ist der Spieler in der jeweiligen Statistik.
Schauen wir uns also mal die Performance-Daten von Finn Ole Becker in der bisherigen Saison an:
Finn Ole Becker ist ein Spieler, der seine größte Stärke im Passspiel besitzt. Rein visuell finde ich, dass er vor allem durch Handlungsschnelligkeit besticht, gerade auch in Druckphasen. Selbst wenn der Raum richtig eng ist, findet Becker Lösungen. Letzte Saison wurde mir beim Blick auf die Daten aber klar, dass Finn Ole Becker auch ganz gut dribbeln kann. Oder besser gesagt: In dieser Statistik war er letzte Saison teilweise Ligaspitze.
Das oben gezeigte Radar gibt uns einen ersten Trend vor und zeigt, in welchen Bereichen Becker seine Stärken hat. Allerdings verzerrt der Vergleich gegen Minima und Maxima auch etwas das Bild, vor allem zu Saisonbeginn. Denn einige Spieler heben sich dann doch in einzelnen Daten relativ deutlich vom Rest der Liga ab. Entsprechend brauchen wir, wie eigentlich immer im Leben, Kontext.
Wie sind diese Daten im Vergleich zum Rest der Liga zu bewerten?
Daher habe ich die Statistiken von Finn Ole Becker (Rot) in der Saison 21/22 einmal im Vergleich zum Median (Blau) aller zentralen Mittelfeldspieler aufgetragen. Das Ergebnis sorgt dann schon dafür, dass die Daten etwas besser eingeordnet werden können. Und es wird deutlich, dass sich die beschriebenen Stärken von Becker bestätigen:
Dribblings und Passspiel. Das sind die Stärken von Becker. Aber das wird erst durch den Vergleich mit dem Median deutlich. Denn auf den ersten Blick wirken die Statistiken in dieser Kategorie eher mittelprächtig. Nun wird aber klar: Viele wichtige Passarten im Offensivspiel („smart passes“, „deep completions“, „key passes“, „passes to final third“) beherrscht Finn Ole Becker überdurchschnittlich gut. Gleiches gilt für die Anzahl und Erfolgsquote bei Dribblings. Nur leicht besser als der Durchschnitt ist Becker bei den Torschussvorlagen und seinen Ballkontakten im Strafraum. Damit kehren wir zurück zur Ausgangsfrage. Reicht dieses „leicht besser als der Durchschnitt“ für die eigenen Ansprüche und die von Timo Schultz? Und hat er sich in diesen Bereichen verbessert, wie er es sich für diese Saison vorgenommen hat? Ihr ahnt sicher, was nun kommt…
Hat Finn Ole Becker sein Spiel verändert?
Na klar, ein Vergleich zum Vorjahr muss her. Hier die Daten von Finn Ole Becker aus den Spielzeiten 20/21 (Gelb) und 21/22 (Rot):
Tja, also in Sachen Torabschlüsse und Torschussvorlagen sieht man noch nicht so wirklich eine Veränderung zur Vorsaison. Es ist sogar eher so, dass er in der letzten Saison noch ein wenig mehr Torschüsse aufgelegt hat. Allerdings, und das ist defintiv zu berücksichtigen, ist die Datenlage in dieser Saison auch noch ziemlich dünn. Das bedeutet eben auch, dass die bisher drei Scorerpunkte, die er gesammelt hat (ein Tor, zwei Vorlagen) auch etwas dem Zufall geschuldet sein können und er sich im Offensivspiel gar nicht mal so sehr viel mehr einschaltet (der stagnierende Wert bei „Touches in box“ spricht auch eher dagegen). Da müssen schon noch ein paar Spiele dazu kommen, damit ich hier wirklich von signifikanten Trends schreiben würde. Auffällig ist aber sicher, dass Becker gerade in den Defensiv-Statistiken (Interceptions, Zweikampfquote und Anzahl an Defensivaktionen) aktuell eher etwas schwächer ist als letzte Saison.
Die Daten zeigen relativ eindeutig, dass Finn Ole Becker sich noch in einigen Bereichen verbessern muss. Aber sie zeigen auch ziemlich klar, dass er in den Bereichen Dribblings und Passspiel zu den besten Spielern in der Liga gehört. Er ist ein Spieler, der erfolgreiche Pässe in engen Situationen spielen kann und so seinem Team auf dem Weg in Richtung gegnerisches Tor voranbringt. Ob sich davon ein Erstligist beeindrucken lässt, vermag ich nicht zu sagen, aber es ist sicher schon so, dass viele Klubs auf der Suche nach solchen Spielertypen wie Becker sind. Für den Sprung in die erste Liga müsste er aber seine Werte in den Defensivstatistiken aus dem Vorjahr bestätigen und ja, offensiv muss da einfach noch mehr kommen. Der Sprung erscheint also noch ein wenig früh. Eine Entwicklung hin zu Erstliga-Format könnte er viel besser zusammen mit und bei seinem aktuellen Klub machen…
//Tim
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Danke für den interessanten Artikel und ich freue mich schon auf weitere Datenauswertungen 🙂
Mit den Grafiken hatte ich ein bisschen Nutzerprobleme. Ich habe eine Vermutung, warum Du sie braun-weiß unterlegt hast ^^, aber vor allem die zweite und die dritte Grafik werden dadurch unübersichtlicher. Ich musste vor allem bei der zweiten Grafik relativ lange drauf schauen, um die Schichten klar zu erkennen (Es geht nach einer Weile, das Gehirn gewöhnt sich offenbar daran, weshalb man es wahrscheinlich beim Erstellen selbst nicht merkt). Mir kam auch der Gedanke, dass Menschen mit rot-grün-Schwäche bei den ersten beiden Grafiken Probleme haben könnten.
Danke für die Rückmeldung! Ich werde an den Visualisierungen noch ein wenig basteln
Habe die Farben nun noch ein bisschen angepasst
Top!
Hallo Tim,
super Grafiken. Gefällt mir super, das Modell😊
Allerdings ist die Angabe der Farben im Text noch falsch. Du hast nur in den Grafiken grün zu blau geändert, im Text steht allerdings noch „grün“. 😉
Danke für den Hinweis, ist geändert
Moin!
Danke für die lesenswerte, detaillierte Analyse. Eine Frage: Du schreibst von bisland 3 Scorerpunkten (1 Tor, 2 Assists). Die Assists sind vermutlich die Vorlage zum 2:0 gegen Kiel und zum 2:1 gegen die Rauten. Du zählst also den Pass vor Paqas 1:0 gegen Kiel nicht als Assists? Der Kicker z.B. tut das ja, ich hingegen würde auch eher in deine Richtung tendieren. Gibt es da statistische Definitionen? „Wann ist ein Assist ein Assist?“
Ja, es gibt da einen Unterschied zwischen Wyscout und dem kicker, richtig. Wie genau da aber die Definitionen sind, weiß ich nicht. Mir ist aber auch schon aufgefallen, dass bei Wyscout generell weniger Assists gezählt werden als beim kicker. Lukas Daschner hatte letzte Saison laut kicker vier, laut Wyscout nur einen Assist.
Ich glaube, dass es bei Wyscout schon Definitionen gibt (mehr als beim kicker), aber letztlich ist es eine subjektive Entscheidung des/der Bearbeiter/in.
Dass sich die defensiven Statistiken im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert habt liegt meiner Meinung auch daran, dass sich seine Rolle verändert hat. Letztes Jahr musste er die 8 defensiver spielen, da auf der anderen Seite Zalazar war. Dieses Jahr waren dort Hartel und Benatelli, sodass er sich selbst offensiv noch mehr einschalten kann und weniger als Absicherung bei Angriffen agieren muss.
Coole Analyse!
Mich würde mal Medic interessieren, weil der mich komplett begeistert 😀
Ja, das sehe ich auch so. Letzte Saison musste er quasi auf die radikale Spielweise von Zalazar reagieren, der sich ja ständig in die Offensive eingeschaltet hat.
Ich werde euch im Laufe der Saison immer wieder mit diesen Grafiken belästigen. Jakov Medic bzw. alle Innenverteidiger stehen da relativ weit oben auf der Liste.
Moin Tim, interessante Analyse und Darstellung der skills.
Ist es aufwändig, mal den Median der zentralen Mittelfeldspieler der 1.Liga darzustellen? Wäre vielleicht mal ganz interessant zu sehen, wo der Unterschied (auch vielleicht in der Spielweise) zwischen 1. und 2. Liga ist.
Moin Olli,
das kann ich beizeiten mal machen. Ist schon immer aufwändig, aber jetzt wo das Skript endlich läuft werde ich sehr viele von diesen Radaren produzieren 😉