Es gibt nur wenige Spieler im Kader des FC St. Pauli die unersetzlich scheinen. Einer davon ist Guido Burgstaller. Das war er bereits in der letzten Saison. In dieser Saison ist er, auch aufgrund der Verletzungen im Kader, noch einmal wichtiger geworden. Das liegt auch daran, dass er sein Spiel ein wenig umgestellt hat.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Die Rückkehr nach Hannover ist für Guido Burgstaller sicher eine besondere. Denn hier erzielte er Mitte Januar 2021 seinen ersten Treffer im Dress des FC St. Pauli, seinen ersten Pflichtspieltreffer seit 18 Monaten. Viel wichtiger: Auch der FCSP beendete an diesem Tag im Januar einige gruselige Serien. Denn der späte 3:2-Sieg bedeutete den ersten Pflichtspielsieg nach zuvor 13 sieglosen Spielen und den ersten Sieg außerhalb Hamburgs seit März 2019.
Guido Burgstaller hat eine mehr als beeindruckende Performance nach dem Spiel in Hannover hingelegt (nach dem Premierentor traf er gar sieben Spiele in Folge (Schaut mal hier)). Seitdem traf er in 23 Pflichtspielen ganze 16 mal und legte weitere fünf Treffer auf. Er ist damit sicher der vorher lange vermisste Torjäger, den der FC St. Pauli benötigt hat.
Auch diese Saison sind die Werte von Guido Burgstaller beeindruckend: Sechs Tore in sechs Spielen, davon vier Tore in fünf Ligaspielen – so viele Tore nach fünf Ligaspielen hatte zuletzt ein gewisser Marius Ebbers (zusammen mit Matze Lehmann) in der Saison 2009/10 erzielt. Das Jahr in dem der FC St. Pauli aufgestiegen ist.
Bevor wir hier aber in Träumereien abschmieren, werfen wir mal einen Blick in die Daten. (Bitte beachten: Nach fünf Ligaspielen ist die Datenlage noch relativ dünn. Aber es lassen sich bereits einige Trends erkennen.) Dieser Blick in die Daten zeigt, dass Guido nicht nur aufgrund seiner Tore für den FC St. Pauli enorm wichtig ist:
Guido Burgstaller ist im Liga-Vergleich eigentlich nur in der Torschuss-Genauigkeit und bei der Quote der Offensivduelle leicht unterdurchschnittlich zu bewerten. Zudem ist er in der Anzahl erfolgreicher Offensivaktionen durchschnittlich. In den restlichen 14 von 17 Kategorien für Stürmer hat er teils deutlich bessere Werte vorzuweisen als der Liga-Durchschnitt. Ganz deutlich hebt sich Burgstaller von seinen Kollegen in Sachen Passspiel ab: Er erhält enorm viele Pässe und bringt den Ball auch in gefährlichen Zonen unter („deep completions“ – erfolgreiche Pässe nah ans gegnerische Tor). Neben seiner Rolle als Torjäger ist er also auch ein enorm wichtiger Part im Aufbauspiel des FC St. Pauli.
Diese Interpretation seiner Position, diese sehr viel aktivere Spielweise, unterscheidet sich relativ deutlich von letzter Saison. Simon Makienok erzählte nach dem Derbysieg, wie sich die Rolle von Burgstaller mit ihm auf dem Feld verändert hat: „Ich bin eher der Typ, der im Zentrum bleibt und da die Räume sucht. Guido ist viel unterwegs, weicht aus und findet die richtigen Räume, um gute Situation zu kreieren.„
Burgstaller nimmt also ein wenig die Rolle ein, die Omar Marmoush hatte. Zugegeben, von den Marmoush-Daten ist er noch weit entfernt. Der Vergleich zwischen dieser und letzter Saison zeigt aber durchaus, dass Burgstaller seine Spielweise verändert hat:
Die aktivere Rolle im Angriff ist an der Anzahl an Offensivduellen und den erhaltenen Pässen zu erkennen, aber auch an der Anzahl an Ballkontakten im Strafraum. Guido Burgstaller arbeitet mehr, weicht häufiger auf die Flügel aus (=schlägt mehr Flanken und geht häufiger ins Dribbling). Das führt, und das ist bemerkenswert, aber nicht dazu, dass Burgstaller seltener auf das Tor schießt. Zwar tut er das aus bisher eher schlechteren Positionen (siehe xG-Wert), aber er feuert eben nicht seltener die Torschüsse ab. Es ist aber angesichts der xG-Werte zu erwarten, dass Guido Burgstaller in dieser Saison nicht ganz an seine gute Quote aus dem Vorjahr herankommt.
Wie steht es um die anderen Stürmer?
Jetzt, wo wir schonmal dabei sind, können wir uns auch gleich noch ein paar andere Stürmer anschauen. Interessant ist dabei zu berücksichtigen welche Rollen sie in ihren jeweiligen Teams einnehmen.
Vor ein paar Wochen durfte der FC St. Pauli mit Sven Michel Bekanntschaft machen. Hier seine, durchweg beeindruckenden Daten:
Sven Michel erhält unter allen Angreifern der Liga die meisten Pässe von seinen Mitspielern und ist ein König darin, den Ball nahe am gegnerischen Tor zum Mitspieler zu passen. Auch in allen(!) anderen relevanten Statistiken (man könnte sicher noch über die Wichtigkeit vom Kopfballspiel diskutieren), abgesehen von der Anzahl der Torschüsse, ist Michel besser als der Liga-Durchschnitt. Das ist schlicht beeindruckend und vermutlich macht ihn das aktuell zu einem der besten Stürmer der zweiten Liga.
Wenn es um die besten Stürmer der zweiten Liga geht, dann sind die Namen Marvin Ducksch und Simon Terodde nicht weit weg. Die Radar-Grafiken zeigen uns dabei, warum ich gerade Simon Terodde nur bedingt zum besten Stürmer der Liga machen würde und Marvin Ducksch gar nicht.
Marvin Ducksch ist vor allem für eine Sache in der zweiten Liga bekannt: Dass er die meisten Torschüsse abfeuert. Das war bereits letzte Saison so und besonders bei seinem Jahr in Kiel, als er sagenhafte 127x auf das Tor schoss, stach er in dieser Statistik heraus. So wundert es nicht, dass er auch diese Saison wieder mit weitem Abstand vorne ist. Gleiches gilt für die expected Goals. Der Ertrag in der Anzahl der Tore: Durchschnittlich. Wie auch in einigen weiteren Statistiken. Ich möchte Marvin Ducksch hier gar nicht schlecht machen, denn er ist auch ein enormer Aktivposten im Angriff, führt viele Duelle (und gewinnt sie überdurchschnittlich oft), ist meist anspielbar. Ein gnadenloser Torjäger ist er aber sicher nicht.
Diese Bezeichnung passt sehr viel eher zu Simon Terodde. Es ist tatsächlich sogar die einzige (aber ja durchaus wichtigste) Fähigkeit, die ich von ihm als „überdurchschnittlich“ beschreiben würde. Schaut man sich seine Radar-Grafik an, ist zu erkennen, dass er in den Kategorien „erzielte Tore“, „expected Goals“, „Torschüsse“, „Schüsse auf das Tor“, den Assists und den Ballkontakten im Strafraum überdurchschnittlich ist. In anderen Kategorien, wie z.B. den Pässen, Dribblings und Flanken ist er unterdurchschnittlich. Ein klassischer Strafraumstürmer also, der sich nicht viel am Aufbauspiel und allgemein am Spiel des Teams beteiligt. Damit ist er aus meiner Sicht sicher der beste Torjäger der Liga, der beste Stürmer jedoch nicht.
Bester Stürmer der Liga ist das Stichwort, wir kommen zurück zu Guido Burgstaller (dessen Statistiken von 20/21 übrigens auch denen eines Strafraumstürmers entsprachen): Ich hatte geschrieben, dass er angesichts seiner xG-Werte nicht an die Quote aus dem Vorjahr herankommen wird. Und das meine ich auch so. Um ihn, wie auch in der Vorsaison ein wenig zu triggern stelle ich fest: Das kann er nämlich nicht. Oder etwa doch?
// Tim
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Danke. Schön, dass du auch den Blick auf die Konkurrenz geworfen hast.
Bzgl. Terodde, mag die ‚Teilnahmslosigkeit‘ sicher auf das Offensiv Spiel zutreffen, das lässt aber die defensive Arbeit außer Acht. Rein von den Laufwerken her sind Terodde und Burgstaller da auf Augenhöhe (52 zu 51,6 lt bundesliga.com)
Ja, die Defensivarbeit ist nicht mit drin in der Bewertung. Ich würde dazu aber nicht die gelaufenen Kilometer sondern die Anzahl defensiver Duelle nehmen (wobei das natürlich auch nicht optimal ist, da defensiv auch gerne im Raum zugestellt wird). Da liegt Terodde tatsächlich vor Burgstaller. Deutliches Schlusslicht unter allen Stürmern ist Marvin Ducksch
Natürlich taugen die gelaufenen Kilometer nicht als Gradmesser für Defensiv Arbeit.
Ich finde es nur erstaunlich, wie viel ein Terodde als reiner Box Player so auf dem Feld abreißt.
Ja, finde ich auch bemerkenswert. Ist das pro 90min gerechnet?
Ach, sehe gerade, dass Guido noch keine Minute verpasst hat. Dann scheint Terodde im Pressing richtig Wege zu machen, oder so. Die Daten (auch die Anzahl an Duellen, etc. löst das nicht auf). Hilft nur der erneute visuelle Eindruck zur Bewertung 😉