Endgegner Afeez Aremu

Endgegner Afeez Aremu

Klar, wenn es sportlich läuft stapeln sich überall die Artikel darüber, wie gut einzelne Spieler sind. Auch das hier ist so ein Artikel. Allerdings zeigt er auch auf, was noch besser werden muss und, viel wichtiger, er hebt einen Spieler hervor, der lange brauchte und einen schweren Stand hatte und nun fast ungeahnte Leistungen abruft.
(Titelbild: Peter Böhmer)

„Afeez wer?“ – Ich möchte behaupten, dass ich mich ein wenig im europäischen Klubfußball auskenne, aber als im Sommer 2020 das Gerücht auftauchte, dass Afeez Aremu kurz vor der Unterschrift beim FC St. Pauli steht, hörte ich den Namen zum ersten Mal. Kurze Zeit später hatten wir aber Kontakt zu Emil aufgebaut, der uns für das Spielerprofil von Aremu Rede und Antwort stand. Der eine Satz über Aremu, der mir von diesem Interview bis heute in Erinnerung geblieben ist: „Aremu ist derjenige, bei dem die gegnerischen Angriffe enden (…)“ – wie Recht Emil damit hatte, wurde letzte Saison vereinzelt deutlich. In den letzten Wochen allerdings wurde klar, dass Afeez Aremu in dieser Kategorie wohl der beste Spieler der Liga ist.

Der beste defensive Sechser der Liga

Denn Afeez Aremu ist tatsächlich häufig so etwas wie das Endglied der gegnerischen Angriffsbemühungen. Ligaweit hat kein Spieler (auch kein Innenverteidiger!) mehr erfolgreiche Defensivaktionen pro Spiel als Aremu. Das liegt zum Teil an seiner starken Zweikampfquote von mehr als 70% am Boden (in der Luft sind es aber erheblich weniger). Vielmehr ist es aber die Antizipationsfähigkeit von Aremu. Durch sein gutes Stellungsspiel fängt Aremu häufig die Pässe der Gegner ab. Sehr häufig. Häufiger als alle anderen Spieler in der 2. Bundesliga. 8.5 Pässe sind es pro Spiel. Rechnet man das gegen den Ballbesitzanteil, so fängt Aremu mehr als 12 Pässe pro Spiel ab. Eine irrwitzig hohe Zahl. Jonas Meffert vom HSV liegt in dieser Statistik auf dem zweiten Platz. Mit weniger als 10 abgefangenen Pässen pro Spiel.

Radar-Graphik von Afeez Aremu (Türkis) im Vergleich zum Median (Rot) aller zentralen Mittelfeldspieler der 2. Bundesliga.

Die Spielweise von Afeez Aremu ist dabei eher unauffällig. Das liegt vermutlich auch daran, dass er in seinen Aktionen auf dem Platz nicht ganz so dynamisch wirkt und das vielleicht auch nicht ist. Nur selten sieht man Aremu im Vollsprint auf dem Platz umhersausen. Das ist gewissermaßen auch nicht nötig, da er eben gut antizipieren kann. Genau dieses Bild, was man von ihm auf dem Platz bekommen kann, dürfte aber auch ein Problem werden, wenn er einmal nicht ganz die Leistungen wie aktuell abrufen kann. Man kommt nämlich nicht umhin, Aremu eine gewisse Lethargie in seinen Aktionen vorzuwerfen. Dabei ist das vermutlich gar nicht der Fall, sondern einfach seine Spielweise, die ihn an anderer Stelle so stark macht. Was in jedem Fall deutlich abgenommen hat, sind die kleinen Unkonzentriertheiten bei Ballbesitz, sodass es zuletzt keine schwerwiegenden Ballverluste von Aremu gab.

(Update: Ich habe über diesen Absatz noch länger nachgedacht (ja, ich weiß, das hätte ich vorher tun sollen) und möchte da etwas ergänzen:
Afeez Aremu ist nicht aufgrund sondern trotz dieser doch eher wenig dynamischen Spielweise enorm stark. Ich denke, dass er das noch viel besser kann, wenn er im körperlichen Bereich zulegen würde. Das verdeutlicht was für ein wahnsinnig großes Talent Afeez Aremu ist und was noch möglich ist, wenn er sich in dem Bereich steigert.)

Gegen den 1. FC Heidenheim und auch in den dominanten Spielen zuvor konnte man dann auch zum ersten Mal sehen, wie Afeez Aremu sich auch offensiv etwas mehr zutraut. Das ist sicher der nächste Schritt, den er in seiner Entwicklung gehen muss, um sich zu einer unverzichtbaren Säule im Spiel des FC St. Pauli zu entwickeln. Denn offensiv hat er noch erheblich Luft nach oben. Seine Anspiele nach vorne sind häufig ungenau oder mit falschem Tempo ausgestattet. Und wieder kommen wir zurück zu Emil, der uns nach seiner Verpflichtung auch genau das als seine Problemzone beschrieb: „Er muss aber noch an der Präzision und seinen Entscheidungen bei Ballbesitz im Allgmeinen arbeiten“ – Ja, muss er.

Das sieht Aremu selbst übrigens genauso, wie er im Pressegespräch Anfang September verriet. Und die aktuelle Entwicklung zeigt, dass er das auch tut. Beim vorletzten Spiel gegen Dresden spielte er seine bis dahin meisten Pässe in einem Spiel. Gegen Heidenheim waren es nochmal mehr. Zudem erhielt er mehr Pässe von seinen Mitspielern als je zuvor. Gerade der Vergleich mit seinen ersten Startelfspielen diese Saison gegen Ingolstadt und Regensburg verdeutlicht diese Entwicklung: In diesen beiden Spielen führte er insgesamt 10 Offensivduelle. Allein gegen Heidenheim waren es 13.

Eine absehbare Entwicklung?

Ganz ehrlich: Nein. Das habe ich so nicht kommen sehen. Aber Timo Schultz hat das. Und er hat auch Gründe genannt, warum diese Entwicklung erst jetzt kommt. In der vierten Episode von „Being Timo Schultz“ hat er die Situation von Afeez Aremu in der Vorsaison ausführlich dargestellt. Er beschreibt ihn als „ruhigen, introvertierten Typ„, der spät in der Vorbereitung zum FCSP wechselte und auch eine Sprachbarriere zu überwinden hatte. Das führte dazu, dass er „extreme Schwankungen“ im Training und im Spiel hatte in den ersten Monaten und das Niveau seiner Mitspieler nicht halten konnte. Und da gerade auf der Sechserposition Konstanz gefragt ist, war das erste Halbjahr 20/21 für Aremu (bekanntlich ja auch für den Rest des Teams) eines zum Vergessen.

Nach schwerer erster Saison ist Afeez Aremu dank seiner defensiven Qualitäten aktuell ein Mitgrund für den Erfolg beim FC St. Pauli
(Photo by Martin Rose/Getty Images/via OneFootball)

Timo Schultz hob im Podcast aber auch die Entwicklung von Aremu in der Rückrunde hervor. Er hatte zwar keine Daten zur Hand, aber vermutete, dass Aremu die meisten Balleroberungen hat und die meisten Zweikämpfe führt. Wie wir anhand der Radar-Graphik oben sehen können, ist das der Fall. Genau diese Skills sind es auch, die Timo Schultz an Aremu schätzt. Er nennt es eine „Waffe“ und hebt hervor, dass es „heutzutage wenige Spieler gibt, die gegen den Ball so eine Waffe haben„. Entsprechend ist Timo Schultz von der aktuellen Entwicklung nicht überrascht. Vielmehr sagte er bereits im Podcast, dass er davon ausgeht, dass Aremu (zusammen mit Lukas Daschner, der ja leider verletzt ist) „in der neuen Saison wichtige Faktoren werden“ für den FC St. Pauli. Das ist nun zweifelsohne der Fall.

Was passiert bloß, wenn Eric Smith wieder fit ist?

Voraussichtlich diese Woche wird Eric Smith wieder voll ins Team-Training einsteigen. Smith war für mich, und sicher auch für viele andere, vor der Saison die unangefochtene Stammkraft auf der Sechser-Position. Seine wenigen Spiele aus der Vorsaison waren einfach so vielversprechend.
An dieser Rangordnung rüttelt Afeez Aremu momentan allerdings gewaltig. Denn sicher ist, dass die defensiven Stärken von ihm dem freidrehenden Offensivspiel des FC St. Pauli gut tun und dieses Spiel vermutlich etwas ins Gleichgewicht bringt. Wo früher nach Ballverlusten noch böse Konter gefahren wurden, stellt nun Aremu geschickt jene Räume in der Rückverteidigung zu. Das hat auch Smith in seinen Spielen getan. Die Statistiken aber zeigen, dass Aremu diese defensiven Aufgaben wohl noch etwas mehr liegen

Es dürfte ein echter Härtefall für Timo Schultz werden zu entscheiden, welcher Spieler die Sechser-Position besetzt. Sowohl Smith als auch Aremu verfügen über enorme Qualitäten und bei Smith sind die offensiven Ansätze etwas ausgeprägter. Allerdings hat der FC St. Pauli alle fünf Saisonspiele bei denen Aremu die volle Spielzeit auf dem Platz stand gewonnen (16:4 Tore). Vorteil Afeez!

//Tim

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4 thoughts on “Endgegner Afeez Aremu

  1. Was für ein ungeahntes und -gewohntes Luxusproblem wir da auf der 6 haben. Hätte Smith gespielt, wären gerade in HZ1 von den vertikalen Anspielen einige zum Mitspieler gekommen und hätten uns evtl noch ein oder zwei Tore gebracht. Allerdings hätten wir uns dann auch noch ein oder zwei gefangen, weil Aremu defensiv so unfassbar gut ist. Mit Afeez also ein 4:2, mit Eric Smith spekulativ ein 6:4. Ich nähme beides.
    Was für ein Kader. Was für eine Saison (bis jetzt). Was für eine Freude auf jedes nächstes Spiel.

    1. Ja, das mit dem 6:4 hätte ich auch gerne genommen und du bringst es auf den Punkt: Smith ist stärker im Passspiel, aber Aremu eben defensiv. Könnte dazu führen, dass je nach Gegner aufgestellt wird, wenn beide fit sind.

  2. Ein echtes Luxusproblem. Smith, Aremu, Hartel, Becker, Irvine und Kyereh (und mit Abstrichen Buchtmann, Benatelli und Daschner) würd ich alle gern auf dem Platz sehen, leider gibts nur 4 Mittelfeldplätze für die.

    Vielleicht Aremu gegen offensivere Mannschaften und Smith gegen defensivere Mannschaften..

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