Vertragssituationen beim FC St. Pauli: Abwehr

Vertragssituationen beim FC St. Pauli: Abwehr

Der FC St. Pauli ist gut, sogar sehr gut drauf. Das liegt auch daran, dass viele der Transfers, die unter der Leitung von Sportchef Andreas Bornemann in den letzten zwei Jahren eingetütet wurden, voll eingeschlagen haben. Nun steht eine neue Phase des 2019 eingeleiteten Umbruchs an: Der FC St. Pauli muss entscheiden, ob und wie mit den Spielern weitergearbeitet wird – oder ob die Zusammenarbeit endet. Die jetzige Länderspielpause dürfte dazu genutzt werden, einige Gespräche zu führen. Wir haben uns daher die Vertragssituationen mal genauer angeschaut.
(Titelbild: Peter Böhmer)

So sicher wie die Tatsache, dass in dieser Länderspielpause die ersten Vertragsgespräche geführt werden, ist auch, dass dieses Thema ein üppiges ist. Wir haben uns daher aufgrund der Lesbarkeit dazu entschieden, die Vertragssituationen beim FC St. Pauli in gleich vier Teilen zu veröffentlichen (Tor (findet ihr hier), Abwehr, Mittelfeld, Angriff). Sicher ist aber auch, dass die Gedanken über Verträge von Spielern immer mit Vorsicht betrachtet werden müssen. Allein schon deshalb, da der Verein zu Vertragsdetails und überhaupt Vertragslaufzeiten keine Angaben mehr macht (das machen übrigens inzwischen auch andere Klubs, wir sollten uns also daran gewöhnen) und auch keine Fragen mehr zu Vertragsgesprächen beantwortet.

Innenverteidigung: Viel Arbeit, sehr viel Arbeit!

Ganze 13 Spieler zählen im Kader des FC St. Pauli als Abwehrspieler (also nach meiner Zählweise). Bei mindestens fünf dieser Spieler läuft der Vertrag nach Ende dieser Saison aus. Es ist also definitiv Arbeit nötig, um den Kader auch für die nächsten Jahre zu entwickeln. Schauen wir uns die Situationen der einzelnen Spieler einmal an:

Ganz kurz bevor beim FC St. Pauli beschlossen wurde, dass Vertragslaufzeiten nicht mehr kommuniziert werden, verkündete der Klub die Verpflichtung von Adam Dźwigała samt Vertragslaufzeit. Dieser läuft bis Ende dieser Saison. Für einen Spieler, der vor weniger als einem Jahr zum FCSP gekommen ist, ist das eine bemerkenswert kurze Laufzeit. Die ist womöglich auch darin begründet, dass die Entwicklung auf der Position der Innenverteidiger schwer einzuschätzen ist. Denn mit Philipp Ziereis, Christopher Avevor und James Lawrence befinden sich gleich drei Spieler im Kader, die zur Zeit von Dźwigałas Verpflichtung immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatten (und dies teilweise auch weiterhin tun).
Die Tendenz von Adam Dźwigała zeigt in dieser Saison nach unten. In der Vorsaion stand er in sechs Partien in der Startelf und konnte sich als grundsolider und ruhiger Spieler auszeichnen und zeigte auch, dass er ein robuster Zweikämpfer ist. In dieser Saison durfte der gelernte Innenverteidiger jedoch erst ein einziges Mal in der Startelf ran. Und das auch noch auf der für ihn eher suboptimalen Rechtsverteidiger-Position. Das gilt für alle seine Einsätze in dieser Saison: Adam Dźwigała kommt nur auf der rechten Außenbahn zum Einsatz. Neben dem Startelf-Einsatz in Paderborn, bei dem er ein unglückliches Eigentor erzielte, kamen noch insgesamt 72 Spielminuten in sieben Spielen hinzu. Sollte sich die Situation auf der RV-Position mit der Rückkehr von Ohlsson weiter entspannen, dürfte es noch enger mit Einsatzzeit werden. Allerdings ist die Ausfallquote in der Innenverteidigung momentan auch sehr gering. Sollte sich das ändern, dürfte Dźwigała wieder mehr Spielzeit auf seiner eigentlichen Position haben.
Prognose: Puuh, ganz schwer. Adam Dźwigała ist sicher ein solider Back-up auf der IV-Position und kann daher immer mal wieder wichtig werden. Eine Verlängerung mit ihm hängt sicher davon ab, wie der FC St. Pauli mit Marvin Senger plant und wie sich Marcel Beifus entwickelt.

Ein zuverlässiger Back-up – Ob das die Rolle ist, die Adam Dźwigała auch über diese Saison hinaus spielen will?
(c) Peter Böhmer

Womit wir dann bei eben jenem Duo Marcel Beifus / Marvin Senger wären. Beifus kam bisher zweimal ganz kurz für die Profis zum Einsatz (und erzielte gegen Dresden sogar ein Tor) und sammelte sonst Spielzeit in der U23, wo er fünfmal in der Startelf stand. Die Laufzeit seines Vertrages ist nicht bekannt, aber es ist davon auszugehen, dass der FC St. Pauli einen Spieler, der sich noch entwickeln soll, nicht mit einem Ein-Jahres-Vertrag ausstattet. Die Minuten in der U23 haben jedenfalls gezeigt, dass die Regionalliga nicht auf Dauer seine Liga sein wird.
Eine Liga höher sammelt Marvin Senger Einsatzminuten. Wobei das aktuell wohl eher der falsche Ausdruck ist. Marvin Senger hatte bei Leih-Klub Kaiserslautern zu Saisonbeginn immer in der Startelf gestanden. Eine Rote Karte im Derby gegen Waldhof Mannheim sorgte aber dafür, dass er zwei Spiele aussetzen musste. Kaiserslautern gewann beide Spiele zu Null. Seitdem ist Senger, auch aufgrund von Adduktorenbeschwerden nicht mehr zum Einsatz gekommen. Der eigentlich bis 2022 gültige Vertrag von Senger wurde diesen Sommer verlängert, wie auch die Leihe nach Kaiserslautern. Eine Laufzeit bis 2023 ist also mindestens vorhanden.
Prognose: Marcel Beifus dürfte beim FC St. Pauli eher eine Zukunft haben als Marvin Senger.

Einer Zwei der wichtigsten Verträge laufen aus

Eine Zukunft beim FC St. Pauli, aber vor allem eine bereits richtig lange Vergangenheit hat Philipp Ziereis. 2013 kam er von Jahn Regensburg ans Millerntor und spätestens in seiner dritten Saison hatte er sich zum Stammspieler entwickelt. Damals spielte er eine so gute Saison, es gab sogar Interesse aus der Bundesliga an ihm. Es folgte jedoch nicht die erste Liga, sondern eine Reihe von Verletzungen. Ziereis kam drei Jahre lang nicht mehr so richtig auf die Beine. Erst in der vergangenen Saison konnte er sich stabilisieren. Seitdem ist er wohl der beste Philipp Ziereis, der je für den FC St. Pauli gespielt hat und führt das Team als Kapitän auf das Feld. Aktuell ist er nicht mehr aus dem Team wegzudenken. Wäre da nicht der am Ende der Saison auslaufende Vertrag. Sicher ist die Personalie Ziereis die mit der höchsten Priorität auf der Liste möglicher Vertragsverlängerungen beim FC St. Pauli.
(Optimistische) Prognose: Ziereis unterschreibt zeitnah einen langfristigen Vertrag bei einem zukünftigem Erstligsten!

Auch wenn viele uns das gerne anders sehen möchten, wird es für Marvin Knoll keine Zukunft beim FC St. Pauli geben. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus und es deutet nichts darauf hin, dass dieser noch einmal verlängert werden wird. Vielmehr begab sich Knoll bereits diesen Sommer auf Vereinssuche. Bis auf ein kurzzeitig vorhandenes Gerücht um einen Wechsel nach Rostock gab es aber wenig zu hören über einen bevorstehenden Wechsel. Stattdessen ist er weiterhin Teil des Teams auf dem Trainingsplatz. Und das, wie Timo Schultz immer wieder betont, mit vollem Ehrgeiz und Einsatz. Eine Option für die Spiele stellt er aktuell, auch aufgrund einer Wadenverletzung, nicht mehr dar. Marvin Knoll war in dieser Saison viermal im Spieltagskader, zuletzt Anfang September beim Spiel in Hannover.
Prognose: Wenn Zweit- und ambitionierte Drittliga-Klubs in der Winterpause nach Innenverteidigern und defensiv denkenden Sechsern suchen, dürfte immer der Name Marvin Knoll fallen. Ein Wechsel im Winter ist nicht unwahrscheinlich. Machen wir uns nix vor: Marvin Knoll wird nächste Saison nicht mehr beim FC St. Pauli sein.

Die Zeichen stehen auf Trennung zwischen Marvin Knoll und dem FC St. Pauli.
(c) Peter Böhmer

Noch ein Jahr länger als der von Knoll läuft der Vertrag von Christopher Avevor. Seit rund einem Jahr ist Avevor jedoch nicht mehr zum Einsatz beim FC St. Pauli gekommen. Und trotz eines Vertrages scheint es mehr als fraglich, dass er noch Einsatzminuten beim FCSP bekommen wird. Erstmal muss Avevor überhaupt wieder auf die Beine kommen. Davon scheint er aber noch weit, sehr weit entfernt. Christopher Avevor ist inzwischen so lange raus, dass es nichtmal mehr sicher ist, ob er überhaupt wieder zurückkehrt, wie Timo Schultz während der Sommer-Vorbereitung andeutete. Zudem dürfte bei einer Rückkehr gar kein Platz im Kader des FC St. Pauli für Avevor sein. Nicht nur, weil mit Ziereis, Lawrence und Medić drei starke Konkurrenten im Kader sind, sondern weil das gesamte Spielsystem dem zweikampfstarken, aber spielschwachen Avevor nicht zugute kommen dürfte.
Prognose: Man kann nur hoffen, dass Christopher Avevor überhaupt wieder Fußballspielen kann, egal ob beim FC St. Pauli oder anderswo.

Deutlich mehr Klarheit gibt es bei zwei anderen Innenverteidigern: James Lawrence ist bis 2023 2022 vertraglich an den Klub gebunden. Bei Jakov Medić dürfte der Vertrag mindestens genauso lange laufen. Wobei man sich bei den Leistungen von Medić natürlich automatisch fragen muss, wann andere Klubs an den FC St. Pauli herantreten. Zu stark, zu konstant ist er momentan. Die Entwicklung vom guten Dritt- zum herausragenden Zweitligaspieler hat er in atemberaubender Geschwindigkeit vollzogen. Damit dürften sogar die Verantwortlichen nicht gerechnet haben. Medić ist so stark, dass der eigentlich unangefochtene James Lawrence aktuell mit Philipp Ziereis um den Platz neben Medić kämpft.
Prognose: Beide Spieler haben einen Vertrag über diese Saison hinaus. Eine Verlängerung ist daher zumindest aktuell nicht zu erwarten. Eine leistungsgerechte Anpassung bei Medić vielleicht schon.

Update: Ui, da hat sich aber ein richtig dicker Fehlerteufel eingeschlichen! Peinlich, peinlich… Der Vertrag von James Lawrence läuft nämlich gar nicht bis 2023. Er endet nach dieser Saison. Von Entspannung kann also überhaupt keine Rede sein. Abgesehen von Medić gibt es im Kader des FC St. Pauli keinen Stamm-Innenverteidiger, dessen Vertrag für nächste Saison Gültigkeit hat. Die Zeit drängt, massiv!

Außenverteidigung: Links vor rechts

Auf der Linkverteidiger-Position ist der FC St. Pauli gut aufgestellt. Nein, er ist sogar sehr gut aufgestellt. Mit Leart Paqarada spielt dort einer der besten, wenn nicht sogar aktuell der beste Linksverteidiger der Liga. Dessen Vertrag läuft bis 2023. Ganz im Gegensatz zu anderen Spielern mit so einer Laufzeit im Vertrag, dürfte den Verantwortlichen beim FCSP aber daran gelegen sein, dass es bei Paqarada spätestens im nächsten Sommer Bewegung gibt. Eine Verlängerung wird sicher angestrebt. Ob es auch dazu kommen wird, dürfte vom sportlichen Erfolg des Vereins abhängen. Die Leistungen von Paqarada sind stabil auf so einem hohen Niveau, dass er mit seinen 27 Jahren seine Zukunft noch einmal in höheren Ligen sehen könnte.
Bei diesen Leistungen geht dann fast schon ein bisschen unter, dass der Verein mit Lars Ritzka einen Spieler in seinen Reihen hat, der in Bezug auf die defensiven Aufgaben eines Linksverteidigers sicher das Niveau der 2.Liga halten kann. Ritzka ist momentan aber klar hinter Paqarada in der Rangordnung. Sein Vertrag dürfte ebenfalls mindestens bis 2023 laufen, sodass der FC St. Pauli auf dieser Position nur Handlungsbedarf haben wird, wenn Paqarada Lockrufe aus anderer Richtung erreichen. Oder aber, und auch das ist nicht unwahrscheinlich, wenn Ritzka sich nicht dauerhaft mit der Rolle hinter Paqarada zufriedengeben wird.
Prognose: Leart Paqarada dürfte dem FC St. Pauli langfristig erhalten bleiben, vorausgesetzt der sportliche Aufwärtstrend setzt sich fort. Sollte das nicht der Fall sein, ist die Nachfolge aber bereits klub-intern vorhanden. Sicher ist aber auch, dass die aktuell luxuriöse Situation auf dieser Position kein Dauer-Zustand sein wird.

Etwas anders ist die Situation auf der rechten Abwehrseite. Das liegt nicht unbedingt an den Leistungen, sondern eher daran, dass allen drei Rechtsverteidiger im Kader das Prädikat „verletzungsanfällig“ anhaftet. Dabei war gerade die körperliche Unversertheit lange Zeit eines der Aushängeschilder von Sebastian Ohlsson. Eine ganze Reihe von Verletzungen haben nun aber dazu geführt, dass der bis dahin immer fitte Schwede nun schon seit März 2021 keine Einsatzminute mehr sammeln konnte. Immerhin befand sich Ohlsson zuletzt gegen Werder Bremen wieder im Spieltagskader. Der Vertrag von Ohlsson verlängerte sich in der Saison 19/20 automatisch um eine weitere Spielzeit, also bis 2022. Fragt sich nur: Wie geht es jetzt weiter?
Prognose: Mmh, gar nicht so einfach. Die Vertragssituation von Ohlsson dürfte eng mit der Fitness von Luca Zander zusammenhängen.

Denn in der Zwischenzeit hat sich Luca Zander auf der Rechtsverteidiger-Position festgespielt. Der ist zum ersten Mal seit er beim FC St. Pauli unter Vertrag steht, über einen längeren Zeitraum von größeren Verletzungen verschont geblieben. Es kann sich natürlich um einen Zufall handeln, aber die Entwicklung bei Luca Zander ist ähnlich zu der von Philipp Ziereis: Ein zweifelsohne großes Talent, welches immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde, nun aber seit Anfang des Jahres sehr stabil ist und sich daher zu einer immer größeren Stütze entwickelt.
Prognose: Wen würdet ihr eigentlich spielen lassen, wenn beide fit sind? Zander oder Ohlsson? Sollten beide längere Zeit verletzungsfrei bleiben, lautet es wohl in bester Highlander-Manier: „Es kann nur einen geben!“

Aktuell ist Luca Zander das Maß der Dinge auf der Rechtsverteidiger-Position beim FC St. Pauli.
(c) Peter Böhmer

Aber Moment, da ist doch noch jemand! Richtig! Jannes Wieckhoff fehlt. Das 21-jährige Eigengewächs ist leider schon wieder langfristig verletzt. Auf vier Startelfeinsätze brachte es Wieckhoff bisher. Er konnte dabei stets überzeugen. Aber in diesem Zeitraum hätten es auch 50 Spiele sein können. Erst warf ihn eine Fußverletzung nach seinem Durchbruch zurück, dann eine Oberschenkelverletzung in der Vorbereitung auf diese Saison und nun eine schwere Knieverletzung, nachdem er die ersten, wieder überzeugenden Spielminuten der Saison sammelte. Der Vertrag von Wieckhoff läuft bis Ende dieser Saison.
Prognose: Trotz der Verletzungsanfälligkeit dürfte der Verein eine Verlängerung mit Wieckhoff anstreben. High risk- high gain!

Der FC St. Pauli ist auch über die Saison 21/22 hinaus gut besetzt in der Defensive. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Personalien, mit denen sich die Verantwortlichen bereits jetzt befassen müssen. Allen voran dürften die Verträge von Kapitän Philipp Ziereis und James Lawrence Thema sein. Zudem sind einige richtungsweisende Entscheidungen hinter den Top3 in der Innenverteidigung zu treffen.
Auf den Außenbahnen ist der Kader überproportional gut besetzt. Hier stellt sich die Frage, ob es gelingt den „Burgfrieden“ zu bewahren. Das dürfte auf beiden Seiten schwierig werden. Auf der rechten Außenbahn kommt hinzu, dass zwei Verträge am Saisonende auslaufen und zeitnah Entscheidungen getroffen werden müssen.
Von außen betrachtet dürften diese Verhandlungen alles andere als leicht werden.

//Tim

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