Die dümmsten aller Kälber – schlachten sich selber.

Die dümmsten aller Kälber – schlachten sich selber.

Ach Du meine Güte. Das dürfte so in etwa der Gedanke sein, den viele kopfschüttelnd vor sich hin murmeln, während man diesen Artikel der Sportschau liest. Nicht etwa, weil Chaled Nahar und Thorsten Poppe Mist geschrieben hätten, im Gegenteil. Sondern weil die dort zitierte Stellungnahme der DFL ein reiner Offenbarungseid ist.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Das Bundeskartellamt hatte schon im Mai eine „vorläufige Einschätzung“ zur 50+1-Regel abgegeben. Kurzform: Die 50+1-Regel ist grundsätzlich ne coole Idee – aber damit sie ihren Sinn und Zweck auch erfüllen kann, müssen die existierenden Ausnahmen abgeschafft werden, namentlich also die für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim.

Von Fans wurde dies in ersten Reaktionen als Erfolg gewertet, wir hatten uns hier defensiver geäußert – und hätten gerne Unrecht behalten. Die jetzt der Sportschau vorliegende Stellungnahme aber gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich zeitnah irgendetwas verbessert.

Keine Argumente, trotzdem da – die DFL schützt Plastika

„Es gilt, Lösungen aufzuzeigen, wie man diese Gesamtregel, also 50+1 und die Ausnahmen, kartellrechtskonform gestalten kann.“ Dies ist eine der Kernaussagen vom Präsidenten des Kartellamts, Andreas Mundt, getätigt im Deutschlandfunk. Bedeutet im Umkehrschluss: Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, die aktuelle Regel bzw. die damit verbundenen und vorhandenen Ausnahmen verstoßen gegen das Kartellrecht.
Und was macht die DFL? „Pass mal auf, liebes Kartellamt. Du hast da wichtige Dinge gar nicht bedacht, das ist alles ganz anders und wir erklären dir das jetzt mal.“ (sinngemäß) – Puuh.

Unterzeichnet wurde das Schreiben vom DFL-Präsidium, in diesem sitzen aktuell: Christian Seifert (DFL), Peter Peters (ehemals Schalke 04), Oliver Leki (SC Freiburg), Steffen Schneekloth (Holstein Kiel) , Jan-Christian Dreesen (FC Bayern München), Rüdiger Fritsch (Darmstadt 98), Oke Göttlich (FC St. Pauli), Ansgar Schwenken (DFL, ehemals VfL Bochum) und Alexander Wehrle (1.FC Köln).
Neun Personen, mit Seifert und Schwenken zwei davon eher neutral. Der Rest ist von Vereinen, die zumindest nicht zu den genannten Ausnahmen gehören und bis auf den Vertreter des FC Bayern auch allesamt ein Interesse an einem faireren Wettbewerb haben sollten.
Warum also klappt das dann nicht?

Nun muss man natürlich erst mal vorweg schicken, dass das die Mitglieder im DFL-Präsidium gewählte Vertreter für alle Vereine sind und nicht einfach mal etwas beschließen sollten, was in ihrem eigenen Interesse liegt. Hinzu kommt, dass der Beschluss, die Unterschrift als Präsidium unter so eine Stellungnahme zu setzen, nicht zwingend einstimmig sein muss – klingt doof, aber auch das ist Demokratie.
Und zur Demokratie gehört dann auch, dass wir das bescheuert finden und entsprechend artikulieren können.

Aber hier endet unser Verständnis. Warum nimmt man die Vorlage des Kartellamts nicht auf und holt die drei Vereine (und vielleicht noch RaBa Leipzig als zusätzlichen Sonderling) an einen Tisch und sagt: „Hier… geht nicht mehr, was machen wir jetzt? Ideen?“
Mag ja sein, dass das so war und die dann gesagt haben: „Nee, nichts… macht mal so weiter.“
Dann muss man denen halt sagen, dass das so nicht passieren wird und sie sich mal gefälligst ein paar Gedanken machen sollen, wie die unbestreitbaren und oft genug aufgeführten Vorteile dieser Ausnahmen, insb. in Bezug auf finanzielle Unabhängigkeit und Flexibilität, für die anderen Vereine ausgeglichen werden können.
Sich aber wie im Kindergarten hin zu setzen und „Ich will aber!“ schreien und das Förmchen wütend in den nasskalten Novembersand zu pfeffern – ehrlich jetzt? Wie soll das gehen?

Sind die so doof oder tun die nur so?

Zumindest ist das DFL-Präsidium sich nicht zu schade, um eine Stellungnahme zu verfassen, die „Argumente“ beinhaltet, die so schwach und leicht widerlegbar sind, dass ernsthaft in Erwägung gezogen werden muss, wer hier eigentlich verarscht werden soll. Da wird ernsthaft die „langfristige Ausgeglichenheit des Wettbewerbs“ gepriesen. In einer Liga, in der es seit neun Jahren immer nur den FC Bayern München als Deutschen Meister gab und in der der BVB in zwölf Jahren nur ein einziges Mal die Qualifikation für die Champions League verpasst hat. Es wird ernsthaft behauptet, dass die Klubs aus Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg ja gar nicht so einen Wettbewerbsvorteil hätten, welches sich an der Anzahl verpasster Qualifikationen dieser Klubs für den europäischen Wettbewerb zeige. Wohlgemerkt handelt es sich um drei Klubs, die in ihrer Klub-Geschichte noch nie aus der 1. Liga abgestiegen sind. Dass dies daran liegt, dass die Klubs teilweise gar keine Verluste auszugleichen haben wird in der Argumentation „vergessen“. Das ist schon an der Grenze zu Körperverletzung und an Dreistigkeit kaum zu überbieten, was die DFL da veranstaltet.

Sind die wirklich so doof?
Natürlich nicht. Die DFL tut genau das, was man von ihr erwartet: Sie versucht im Sinne der 36 Bundesligisten zu handeln, wohlwissend, dass es in der jetzigen Form der Bundesliga-Zusammensetzung von Wettbewerbsverzerrung nur so wimmelt. Die DFL hat schlicht keine plausiblen Argumente zur Hand, um den Ausführungen des Kartellamtes sinnvoll etwas entgegen zu setzen.
Insofern ist das, was dort in der Stellungnahme steht, zu großen Teilen erwartbar. Das Kartellamt hat die Konstrukte aus Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg kritisiert. Unter anderem jene aus Leipzig, Ingolstadt und Hannover dürften sich mit angesprochen fühlen. Einige weitere Klubs scheinen sich eher zu wünschen, dass sie sich zu so einem Plastik-Konstrukt entwickeln, um die finanzielle Schieflage in den Griff zu bekommen, als gegen diese Konstrukte anzugehen. Die Anzahl an Klubs, die 50+1 eher als Bremsklotz betrachten, sie ist während der Pandemie sicher nicht geschrumpft.

Bei der Stellungnahme der DFL dürfte es sich vielmehr um die Eröffnung eines wohl länger andauernden Streits zwischen Kartellamt und DFL handeln. An dessen Ende steht dann hoffentlich eine Regelung, die für einen echten Ausgleich sorgt (z.B. Verminderung der Fernsehgelder für Plastik-Konstrukte). Klar ist in jedem Fall: Einen Rauswurf der drei Klubs aus der Bundesliga, so wie es von vielen Seiten verlangt wird, wird es nicht geben, auch wenn das auf den ersten Blick der einfachste Weg wäre, um die 50+1-Regel zu schützen. Allerdings würde es in diesem Fall dann wohl zu einem jahrelangen Rechtsstreit kommen, an dessen Ende womöglich auch das Ende von 50+1 steht, weil die rausgeworfenen Klubs gewinnen könnten. Das klingt zwar im ersten Moment unbefrieidigend, aber eine Einigung zwischen DFL und Kartellamt im Sinne aller Klubs, also auch den Plastik-Konstrukten, scheint da für viele erheblich erstrebenswerter.

Die Reaktion der DFL auf die deutlichen Worte vom Kartellamt ist also in gewisser Art und Weise erwartbar. Dass aber in einer solchen Stellungnahme quasi die Integrität des Kartellamts infrage gestellt wird, indem man ihnen ganz schwache Argumente entgegenstellt, ist unfassbar peinlich. Die Reaktion ist alles andere als angemessen, die DFL beschützt ihr eigenes Magengeschwür über die Maße hinweg. Damit wurde zum wiederholten Male verpasst ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass die „Demut“ der DFL sich auch in einer besseren Einschätzung von „Selbstbild / Fremdbild“ zeigt und man verstanden hat, worum es den Fans in den Stadien gerade geht.

//Maik & Tim

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