Die „Auswärtsschwäche“ des FC St. Pauli

Die „Auswärtsschwäche“ des FC St. Pauli

Auswärts könnt ich kotzen!„…ja, das haben wohl nicht wenige bereits sogar mal gemacht. Hier ist das aber natürlich im übertragenen Sinne gemeint. Denn es gibt eine fast schon bedenkliche Diskrepanz zwischen der Heimstärke des FC St. Pauli und den Auftritten in der Fremde. Über eine eklatante Auswärtsschwäche, die sich, mit wichtigen Ausnahmen, wie ein roter Faden durch die Braun-Weiße Geschichte zu ziehen scheint, aber im Kontext keine ist.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Mit dem FC St. Pauli auf Reisen – sportlich nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte. Sicherlich würden alle zustimmen, dass der FCSP ein Problem mit Auswärtsspielen hat. Vergleicht man die aktuelle Heim-Bilanz (8 Siege, 1 Unentschieden, keine Niederlage) mit der auf Reisen (3 Siege, 3 Unentschieden, 5 Niederlagen), wird klar, dass der FC St. Pauli zuhause sehr viel stärker ist. Schauen wir uns die Statistiken aber mal etwas genauer an:

Niemand siegt am Millerntor!

Der FC St. Pauli hat bisher zuhause 25 von 27 möglichen Punkten geholt und ist damit das Maß der Dinge in der Liga. Ein Punkteschnitt von 2.8 pro Spiel ist einfach unfassbar gut. Auswärts holte das Team durchschnittlich 1.1 Punkte pro Spiel. Das bedeutet aktuell Platz 12 in der Auswärtstabelle und kann mit der Heimstärke nicht mithalten. Die Heimstärke fußt dabei sowohl auf der Offensive als auch der Defensive. Zuhause gibt das Team 15.9 Torschüsse pro Spiel ab (xG: 1.7) und erzielte im Schnitt 2.9 Tore. Eine bombastische Quote. Aber auch in der Defensive sind die Werte richtig stark: 7.6 Torschüsse des Gegners sind auch im Ligavergleich ein brutal niedriger Wert (xG: 0.8), was dann zu 0.8 Gegentoren pro Spiel führt.

Auswärts sieht die Bilanz etwas anders aus. Und gerade, wenn man sich die Daten hinter den Ergebnissen anschaut, wird deutlich, dass „etwas“ hier eigentlich völlig unangebracht ist. Zwar produziert das Team auch auswärts ordentliche 11.1 Torschüsse (xG: 1.3) und erzielt 1.3 Tore pro Spiel. Aber defensiv sieht das ziemlich duster aus. 13.5 gegnerische Torschüsse führten zu durschnittlich 1.8 Gegentoren (xG: bedenkliche 2.1). Keine Frage, die Leistungen auswärts sind verbesserungswürdig.

Aber die nicht so prickelnden Auswärtsleistungen hat der FCSP nicht exklusiv. Denn sie sind weit weg davon dem FC St. Pauli eine eklatante Auswärtsschwäche vorwerfen zu können. 1.1 Punkte pro Spiel sind ausbaufähig, aber liegt dann auch nur ganz knapp unterm Durchschnitt. Ein Blick in die Statistik der Bundesliga zeigt, dass dieser Punkteschnitt ziemlich gut passt:

Ergebnisse der Bundesliga aufgeteilt nach Heimsiegen, Unentschieden und Auswärtssiegen (jeweils in %) für den Zeitraum 1963-2018.
(Datenquelle: Bulibox.de)

Der Punkteschnitt für Gästeteams liegt nämlich knapp unter den 1.1 Punkten pro Spiel, wenn man die Ergebnisse der Bundesliga zugrunde legt. Allerdings: Seit den 80ern ist eine deutliche Abnahme der Heimsiege und Zunahme der Unentschieden zu erkennen. Das ändert aber nichts daran, dass der Schnitt von 1.1 Punkten etwas höher als der Durchschnitt ist. Zuletzt hat die Quote an Heimsiegen aber abgenommen, was vermutlich direkt mit den pandemie-bedingten Zuschauer-Beschränkungen zusammenhängt.

Der FC St. Pauli ist also nicht besonders auswärtsschwach bzw. schwächer als andere Klubs. Und er war das auch nicht in den Jahren zuvor, wenn man mal die 0.5 Punkte pro Auswärtsspiel aus der Luhukay-Saison ausklammert. In der letzten Saison waren es 1.2 Punkte pro Spiel. Die gleiche Punktzahl wurde 18/19 geholt. Das Gefühl der Auswärtsschwäche, es ist also nicht etwas, was Fans des FC St. Pauli exklusiv haben. Und die jetzigen durchschnittlichen Ergebnisse auf Reisen scheinen auch dadurch etwas schlechter zu sein, da es zuhause richtig gut läuft.
Aber natürlich reden wir hier nicht von einem durchschnittlichem Ergebnis, welches der FC St. Pauli diese Saison erreichen soll. Es soll bestenfalls am Saisonende was zu feiern geben. Natürlich zählen meist die Aufsteiger auch immer auswärts zu den besten Teams der Liga. Dafür muss das Team auswärts mehr als nur Durchschnitt sein. So wie in der Saison 09/10, als das Team sowohl auswärts und zuhause jeweils 1.8 Punkte pro Spiel holte – und am Saisonende in die 1. Liga aufstieg.

Einer eher seltenes Bild: Der FC St. Pauli hat auswärts was zu feiern (hier in Nürnberg)
(c) Peter Böhmer

Zu Gast bei einem Haufen Schwergewichte

Ich persönlich würde die durchschnittlichen Ergebnisse bei Auswärtsspielen in dieser Saison noch etwas anders betrachten. Denn der FC St. Pauli war bisher bei vielen „Schwergewichten“ zu Gast. Auswärts musste das Team u.a. bereits bei Darmstadt, Nürnberg, Bremen und dem HSV antreten. Von den Teams auf den Plätzen 1-11 hat der FC St. Pauli nur gegen Schalke und Regensburg nicht auswärts antreten müssen. Zweifelsohne holte der FCSP verhältnismäßig wenige Punkte in der Fremde. Aber er trat da auch zumeist gegen richtig starke Gegner an. Es scheint also Hoffnung auf Besserung zu geben.
Ernüchternd ist jedoch, dass der FCSP vor allem gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte Punkte liegen ließ. Die Niederlage in Hannover, sowie die Unentschieden in Düsseldorf und Aue tun richtig weh und wenn man das als Hinweis deutet auf die vielen kommenden Auswärtsspiele des FC St. Pauli bei Teams aus unteren Gefilden nimmt, dann sind die Aussichten nicht so rosig.

Viel rosiger hingegen, dass der FCSP in dieser Saison nur noch sechs Auswärtsspiele und noch acht Heimspiele zu bestreiten hat. Sollte am Millerntor weiterhin so zuverlässig gepunktet werden, wie bisher, dann könnte allein das dazu führen, dass der FC St. Pauli mindestens oben mit dabei ist, unabhängig von den Ergebnissen auswärts. Allerdings kommen die „Schwergewichte“ ja nun fast alle ans Millerntor und, hmm, nun weiß ich auch nicht… zumindest ist der FCSP nicht besonders auswärtsschwach und ich freue mich bereits unendlich darauf, mal wieder auf Reisen zu gehen, wenn die Pandemie es wieder zulässt.

//Tim

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