Vorbericht: FC St. Pauli – Hannover 96 (23. Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – Hannover 96 (23. Spieltag, 21/22)

Am Sonntag ist Hannover 96 beim FC St. Pauli am Millerntor zu Gast. Das Team von Timo Schultz ist klarer Favorit, allerdings ist Hannover 96 stärker einzuschätzen, als es der Tabellenplatz vermuten lässt. Während beim Gast bereits klar ist, dass einige Spieler fehlen werden, gibt es auch beim FCSP hinter einigen Spielern Fragezeichen.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung empfehle ich auch das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Yannick mit Melanie, die bereits vor Saisonbeginn dem MillernTon Rede und Antwort stand.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auf der Pressekonferenz vermeldete Timo Schultz, dass neben den langzeitverletzten Christopher Avevor und Jannes Wieckhoff auch James Lawrence aufgrund von Rückenproblemen fehlen wird.
Zudem gibt es gleich eine ganze Reihe von Spielern deren Einsatz fraglich ist: Philipp Ziereis wurde gegen Regensburg verletzt ausgewechselt und fehlte sowohl Dienstag, als auch Mittwoch beim Training. Zwar setzte Schultz ein Fragezeichen hinter seinen Einsatz, aber es dürfte seeehr eng werden. Gleiches dürfte für Rico Benatelli gelten, der ebenfalls Dienstag und Mittwoch beim Training fehlte.
Auch in der Offensive gibt es einige Spieler, die ausfallen könnten: Daniel-Kofi Kyereh beendete das Training am Mittwoch vorzeitig. Etienne Amenyido trainierte auch am Dienstag nicht, genauso wie Maximilian Dittgen, der auch am Mittwoch nicht das gesamte Training mitmachte. Das wäre schon heftig, wenn alle drei für das Spiel ausfallen würden.

Timo Schultz beim Training des FC St. Pauli
Timo Schultz war trotz doch recht angespannter Personallage relativ entspannt auf der Pressekonferenz.
(c) Peter Böhmer

Hannover 96: Wer kann spielen, wer fehlt?

Auch bei Hannover 96 gibt es einige Spieler, hinter denen mindestens ein Fragezeichen, wie Trainer Christoph Dabrowski auf der Pressekonferenz berichtete.
Sicher ausfallen wird Sebastian Ernst, der sich vor wenigen Tagen die Achillessehne gerissen hat. „Eine Option“ ist hingegen Linton Maina, der letzte Woche aufgrund muskulärer Probleme fehlte, am Freitag aber das erste Mal wieder voll ins Training einsteigen sollte.
Während mit Maina ein offensiver Außenbahnspieler an Bord sein könnte, wird das bei Philipp Ochs nicht der Fall sein. Bei ihm wurde am Donnerstag der positive Coronatest vermeldet. Auch Gaël Ondoua wird Hannover 96 fehlen. Er ist gelb-gesperrt.
Wieder voll im Teamtraining waren unter der Woche Sei Muroya (nach Außenbandriss im Sprunggelenk) und Luka Krajnc (nach Wadenverletzung). Sollten beide Spieler auch alle weiteren Einheiten der Woche voll mitmachen können, kündigte Dabrowski an, dass beide sicher im Kader stehen werden. Auf die Frage, ob sie direkt wieder Startelf-Kandidaten seien, äußerte sich Dabrowski etwas defensiver und betonte, dass beide längere Zeit nicht im Training waren.
Somit dürften Hannover 96 für das Spiel gegen den FC St. Pauli einige zentrale Spieler fehlen bzw. nicht voll einsatzfähig sein.

Was hat Hannover 96 zu bieten?

Eine ganz komische Saison, soviel ist klar. Hannover 96 ist unter der Leitung von Jan Zimmermann ganz ok in die Saison gestartet, konnte dann aber zwischen Spieltag acht und 15 nicht gewinnen und nach einer 4:0-Niederlage gegen den KSC Ende November zogen die Verantwortlichen die in Hannover nicht selten bemühte Reißleine. Seitdem ist Christoph Dabrowski Trainer in Hannover. Zuerst war er das interimsweise, kurz vor Weihnachten, nach zwei Siegen aus drei Spielen, wurde er dann endgültig zum Cheftrainer befördert.

Entsprechend sollte auch die Saison und die Spielweise von Hannover 96 betrachtet werden. Elf Punkte holte das Team aus sieben Spielen unter der Leitung von Dabrowski. 14 waren es in den 15 Spielen zuvor. Timo Schultz betonte, dass das Team aus Hannover seine Spielweise dabei gar nicht so sehr verändert habe: „In der grundsätzlichen Herangehensweise, häufig mit zwei Sechsern, einer Spitze, schnellen Flügelspielern und einer extrem sicheren Abwehr (…) sind viele Sachen so geblieben, wie sie vorher auch waren.

Trotzdem muss man festhalten, dass das Team nun erheblich mehr Punkte holt. Das Team scheint defensiv noch ein wenig stabiler geworden zu sein. Dabei waren sie das auch vorher schon. In den ersten 15 Saisonspielen lag der eigene expected Goals (xG)-Wert bei 1.1 und der gegnerische bei 1.3. Seit Dabrowski da ist liegt der eigene xG-Wert bei 0.9 pro Spiel und der gegnerische ebenfalls bei 0.9. Das Team scheint also defensiv noch einmal etwas stabiler geworden zu sein(der gegnerische xG des FCSP liegt übrigens bei 1.5…).
Der Grund für den schelchten Tabellenplatz von Hannover 96 ist also nicht in der Defensive zu suchen. Vielmehr handelt es sich bei dem Team um die schwächste Offensive der Liga, sowohl nach Toren, als auch nach xG-Werten. 18 Tore hat das Team erst erzielt. Das ist mehr als dürftig. Grund dafür ist aus meiner Sicht, aber auch irgendwie die stabile Defensive:

Christoph Dabrowski betonte auf der Pressekonferenz, dass das Team im eigenen Spielaufbau Fortschritte macht und noch weitere machen soll. Ich habe dazu eine ganz interessante Statistik gefunden, die ich Timo Schultz präsentierte und ihn etwas sprachlos zurückließ: Hannover 96 spielt die zweitmeisten Pässe ins Angriffsdrittel, hat aber die schlechteste Quote bei diesen Pässen. Für mich ein klares Signal, dass Hannover Probleme im eigenen Aufbau hat, weil die Positionierung nicht zu stimmen scheint im vorderen Bereich. Aber es ist auch ein Hinweis auf den defensiven Fokus, den das Team definitiv hat. Denn in den Spielen, die ich von Hannover sah war auffällig, dass das Team eher selten ins Risiko geht und immer darauf bedacht ist mit vielen Spielern hinter dem Ball zu bleiben. Entsprechend sind es Einzelaktionen, die in der Offensive den Erfolg bringen sollen. Hierfür sind die schnellen Außenbahnspieler und Zehner Sebastian Kerk verantwortlich. Das sind dann auch die Spieler und Duelle auf die der FCSP ein besonderes Augenmerk legen sollte. Schultz sagte, dass man gerade auf Kerk besonders aufpassen muss, dass seine Spieler immer Druck auf den Ball bekommen sollten, wenn Kerk am Ball ist, damit er nicht zuviel Zeit hat, um Entscheidungen zu treffen.

Christoph Dabrowski, Trainer von Hannover 96, gibt taktische Anweisungen
Christoph Dabrowski ist seit Anfang Dezember Trainer von Hannover 96.
(Stuart Franklin/Getty Images/via OneFootbal)

Ich finde es sehr schwer Hannover 96 richtig einzuschätzen. Das Team verfügt generell über eine ordentliche Physis und ist gerade in der Defensive mit dem Duo Börner/Franke enorm stark in den Zweikämpfen, konnte sich im Saisonverlauf aber zusätzlich auch immer auf seine starke Doppel-Sechs verlassen. Diese muss nun aber durch das Fehlen von Ondoua umgestellt werden. Im Winter hat das Team mit Mark Diemers einen sehr erfahrenen Spieler von Feyernood Rotterdam ausgeliehen, der dann auch gleich zum Stammspieler aufstieg.
Defensiv stark, offensiv schwach – Hannover 96 ist das krasse Gegenteil vom FC St. Pauli. Das könnte ein zähes Spiel werden.

Mögliche Aufstellung

Hannover 96 dürfte, wie von Schultz vermutet, in einem 4-2-3-1 am Millerntor antreten. Ein Wechsel hin zu einer Dreierkette ist nicht unbedingt zu erwarten, sollte aber zumindest als Option im Hinterkopf behalten werden. Der erste und einzige Versuch mit einer Dreierkette ging mit 1:4 gegen Werder Bremen mächtig in die Hose. Für eine Umstellung scheint das Team aber zu stabil im Moment.

Ich tippe darauf, dass Ondoua durch Dominik Kaiser ersetzt werden wird. Auch wenn Sei Muroya wieder im Training ist, wird höchstwahrscheinlich Jannik Dehm auf der rechten Abwehrseite verteidigen. Die offensiven Außenbahnen dürften mit Stolze und Winter-Neuzugang Teuchert besetzt werden (ein Startelf-Einsatz von Maina schließe ich aus). Im Angriff fiel die Wahl zuletzt auf den hochtalentierten Maximilian Beier, der damit Hendrick Weydandt und Lukas Hinterseer verdrängte.

Erwartete Aufstellung im Spiel FC St. Pauli gegen Hannover 96

Viel spannender finde ich, was beim FC St. Pauli passieren wird. Es gibt unzählige Möglichkeiten an der Aufstellung etwas zu verändern. So wie es aktuell aussieht, wird auf jeden Fall in der Innenverteidigung etwas verändert werden müssen. Hier stellt sich die Frage, ob Adam Dźwigała oder Marcel Beifus die erste Wahl sein werden, wenn Philipp Ziereis ausfallen sollte. Timo Schultz scheint sich da noch nicht entschieden zu haben:

Ich kann mir das sehr gut mit beiden vorstellen. Adam ist sicher etwas erfahrener, hat ein paar Einsätze mehr in der 2. Liga als Marcel. Marcel hingegen, das hat man ja in Regensburg gesehen, ist ein sehr kopfball- und zweikampfstarker Spieler mit enorm viel Selbstvertrauen. Ich hätte bei beiden ein gutes Gefühl.

Timo Schultz über die möglichen Einsätze von Dźwigała und Beifus

Auch in der Offensive sind Veränderungen zu erwarten. Denn mit Dittgen, Amenyido und Kyereh haben gleich drei Spieler nicht voll trainieren können. Kyereh erwarte ich trotzdem in der Startelf, bei Dittgen und vor allem Amenyido bin ich da etwas pessimistischer. Bleibt also die Frage, ob und wie umgestellt werden wird. Grundsätzlich könnte Kyereh vorne reinrücken und Daschner auf der Zehner-Position starten. Ich tippe aber darauf, dass Igor Matanović in die Startelf rücken wird. Warum? Weil ich Bock drauf habe, dass er endlich mal explodiert.

Und noch eine zentrale Veränderung halte ich zumindest für denkbar: Eric Smith könnte auf der Sechser-Position von Afeez Aremu oder Jackson Irvine abgelöst werden. Timo Schultz hatte auf der PK auf die Frage, ob Jackson Irvine auf diese Position passe mit einem kurzen und klaren „Ja“ geantwortet. Bei Aremu sagte Schultz, dass er nun seit drei Wochen wieder voll mittrainieren würde und er daher „eine Option für den Spieltagskader“ sei. Das klingt nicht nach einem Startelfeinsatz. Ich rechne aber auch nicht damit, dass Irvine auf die Sechser-Position rücken wird. Auch wenn das durchaus eine Position ist, die zu ihm passen könnte (ich finde er passt noch besser auf eine Doppel-Sechs). Ich rechne aber auch nicht mit Irvine auf der Achter-Position, sondern mit Finn Ole Becker.

Ganz vielleicht eine Option gegen Hannover: Afeez Aremu ist nach Verletzungspause wieder drauf und dran in den Kader zu rücken.
(c) Peter Böhmer

Hannover 96 ist sicher so etwas, wie ein „dark horse“ im Moment. Ein Team mit individuell teils erstklassiger Zusammensetzung, welches diese Klasse in der Hinrunde irgendwie nicht auf den Platz bekam. Nun scheint sich das Team aber immer besser zu finden und dürfte damit noch für die ein oder andere Überraschung gut sein. Das hat zum Beispiel Darmstadt 98 beim 2:2 am vergangenen Wochenende zu spüren bekommen. Trotzdem ist der FC St. Pauli stärker einzuschätzen und wird natürlich als klarer Favorit in dieses Spiel gehen. Mit Grausen erinnere ich mich aber noch an den Auftritt in der Hinrunde gegen Hannover. Klar ist: Wenn der FCSP wieder so pomadig agiert wie im Hinspiel, dann wird das nix. Das Spiel zuletzt gegen Regensburg gibt aber allen Anlass zur Hoffnung, dass mit einer Wiederholung nicht zu rechnen ist.

Forza!
//Tim

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4 thoughts on “Vorbericht: FC St. Pauli – Hannover 96 (23. Spieltag, 21/22)

  1. Danke für die Analyse Tim. Als Stadionbesucher im Hinspiel möchte nur kurz darauf hinweisen, dass Hannover wahrscheinlich wieder mit dem Messer zwischen den Zähnen in die Zweikämpfe gehen wird. Die Statistik spricht da ja auch klar für die bisherige Spielweise der Hannoveraner. Wenn wir uns da wieder die Butter vom Brot nehmen lassen, sehe ich nicht nur ein zähes Spiel, sondern eines das nicht in unsere Richtung läuft. Hoffen wir darauf, dass die Wackelkandidaten fit werden und wir wieder gut in die Partie starten.

  2. Interessante Aufstellung! Klar, bei der Verletzten (oder eben nicht..) Lage, isses schwer da was zu prognostizieren, aber ohne Irvine?? DAS hoffe ich nun aber mal so gar nicht..und Matanovic soll explodieren? OK, ich versuch es nun auch mal mit der umgekehrten Psychologie: Der explodiert frühestens in Frankfurt..

  3. Hannover 96, viertelstündlich
    2.BL-Saison 2021-2022
    18 Tore
    32 Gegentore
    nach 22 von 34 Spieltagen

    [Torverhältnis/Zeitspanne]
    3-2_1-15 Min
    2-9_16-30
    6-4_31-45+
    1.Halbzeit: 11-15
    4-5_46-60 Min
    0-4_61-75
    3-8_76-90+
    2.Halbzeit: 7-17

    – ein Drittel aller H96-Tore fielen zwischen Minute 31 und 45+
    – 28% aller H96-Gegentore fielen zwischen Minute 16 und 30
    – ein Viertel aller H96-Gegentore fielen in der Schlußviertelstunde (76-90+)
    – die Anfangsviertelstunde (1-15) ist die gegentorärmste Spielphase
    von H96 (nur 6% aller H96-Gegentore)
    – 4 von 32 H96-Gegentoren waren Eigentore (12,5%)
    – 5 von 32 H96-Gegentoren fielen in der Nachspielzeit 45+/90+ (16%
    aller Gegentore)
    – mit dem gegenwärtigen PPS-Wert (1,14) wird H96 am
    Saisonende die 40 Punkte-Marke verfehlen

  4. Also Tim. Ich bin jetzt schon gespannt auf deinen Bericht.

    Aus meiner Sicht, war es eines der schlimmsten Spiele unter Schulle oder sogar der letzten Jahre insgesamt.

    Da haben heute jegliche Basics gefehlt , welche unseren magischen FC ausmachen.

    Scheiss Sonntag.

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