Aus und vorbei – der FC St. Pauli scheidet im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den Union Berlin aus. Es war ein komisches Spiel an der Alten Försterei. Ein Grund dafür war sicher, dass der FCSP seine Formation umstellte und damit zuerst sich und später den Gegner vor Probleme stellte.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Die Aufstellung
Rund eine Stunde vor Anpfiff wurde klar, dass der Sieg in Ingolstadt tatsächlich teuer erkauft wurde. Denn weder Adam Dzwigala, noch Philipp Ziereis waren in der Startelf zu finden. Etwas überraschend stand aber Leart Paqarada zur Verfügung.
Für Ziereis und Dzwigala kamen Luca Zander und Marcel Beifus in die Startelf. Wie im Pokal üblich, kam Dennis Smarsch für Nikola Vasilj ins Spiel. Maximilian Dittgen ersetzte zudem Simon Makienok. Doch anders als gedacht, war dieser letzte Wechsel nicht positionsgetreu.
Denn der FC St. Pauli stellte zum ersten Mal in dieser Saison seine Startformation um und startete nicht mit der bisher favorisierten Mittelfeldraute, sondern mit einem 3-5-2. Hierbei rückte Paqarada in die linke Innenverteidigung und Dittgen agierte als linker Flügelverteidiger.
Union Berlin wechselte im Vergleich zum Wochenende nur auf einer zwei Positionen: Taiwo Awoniyi kam für Andreas Voglsammer in die Startelf und im Tor stand Frederik Rønnow anstelle von Andreas Luthe. Das Team spielte unverändert in einem 5-3-2.
Warum die Umstellung?
Nun kann man im Nachhinein viel darüber diskutieren, wie sinnig oder unsinnig die Umstellung des FC St. Pauli auf ein 3-5-2 gewesen ist. Da wir gestern nur die eine Formation zu sehen bekamen, fehlt natürlich der direkte Vergleich und es ist daher bloße Theorie, wie gut eine Mittelfeldraute gegen das System der Unioner gepasst hätte. Sicher ist aber, dass ich das gerne gesehen hätte. Ich kann aber voll nachvollziehen, warum der FC St. Pauli umgestellt hat: Es ging darum, die Zuordnung auf den Außenbahnen besser zu regeln und die vielen tiefen Bälle auf das Sturm-Duo Becker/Awoniyi mit drei statt zwei Innenverteidigern besser verteidigen zu können. Die Zuordnung auf der Außenbahn hätte auch aus einer flacher werdenden Raute klappen können. Eine Verteidigung im 1vs1 gegen die beiden Stürmer bei einer Viererkette wäre aber sicher gewagt gewesen. Sicher ist hinterher: Von tiefen Läufen der beiden Stürmer ging keinerlei Gefahr aus. Nur einmal, kurz vor dem Halbzeitpfiff. Aber da war nicht der gegnerische Stürmer das Problem.
Aber ich denke, dass Union Berlin mit der Raute auch vor Aufgaben gestellt worden wäre, die sie defensiv erst einmal hätten lösen müssen. Gerade das Umschaltverhalten hat besonders in der ersten Halbzeit massiv unter der Umstellung gelitten. Da kann man natürlich auch nicht hinterher feststellen, ob das ein System-Problem gewesen ist oder ob es das Team einfach nicht so gut gemacht hat in den ersten 45 Minuten. Sicher ist aber, dass der FC St. Pauli in der ersten Halbzeit massive Probleme bekam.
Das Haraguchi-Problem
Das 3-5-2 des FC St. Pauli offenbarte gleich mehrere Probleme im Spiel gegen Union Berlin. Ich hatte im Vorbericht beschrieben, wie Union Berlin mit der gleichen Formation agiert und dass es besonders darauf ankommt in den Umschaltmomenten und allgemein in der Offensive effizient zu sein. Denn grundsätzlich wird das 3-5-2 meist als eine sehr defensive Spielweise gespielt. Das gleiche Problem hatte dann auch der FC St. Pauli, da sie mit eben dieser Formation agierten.
Die Probleme des FCSP waren zum einen, dass das Team im zentralen Mittelfeld häufig in Unterzahl geriet. Denn zu Spielbeginn ist Marcel Hartel meist mit in die vordere Kette gerückt, um die Gegner anzulaufen. Dadurch konnten die drei Innenverteidiger von Union Berlin zwar zugestellt werden, aber im zentralen Mittelfeld standen Jackson Irvine und Afeez Aremu gleich drei Union-Spieler (Khedira, Prömel, Haraguchi) gegenüber und hatten dabei immer wieder Probleme mit der Zuordnung. Gerade Haraguchi konnte sich dieser Bewachung immer wieder entziehen und pendelte fleißig zwischen Halbraum und rechter Außenbahn umher, meist ohne direkten Gegenspieler. Ein wirklich unangenehmer Spieler für die Gegner, weil er wirklich ganz häufig die Räume gut findet, in denen die Gegner Luft lassen. Zudem ließ sich auch Sheraldo Becker häufig aus dem Sturmzentrum etwas fallen, um dort Überzahlen zu bilden.
Interessant ist, dass gerade Union Berlin aufzeigt, wie man gegen so ein Verhalten verteidigen kann. Denn bei Union sind es nicht selten die beiden äußeren Innenverteidiger, die ihre Position verlassen, um gegen die gegnerischen Achter oder fallende Angreifer im Halbraum zu verteidigen.
Die Innenverteidiger beim FC St. Pauli hielten aber ihre Positionen. Und das Team hatte vor allem im zweiten Teil der ersten Halbzeit große Probleme die Halbräume zu schließen und Flanken zu verhindern. Dadurch, dass das Team so oft in Unterzahl in wichtigen Bereichen stand oder die Zuordnung bei Bewegungen im zentralen Mittelfeld nicht klar war, ist es immer tiefer in die eigene Hälfte gerückt. Zu tief, um auch nur ansatzweise ein vielversprechendes Umschaltspiel aufzuziehen. Zu tief, um überhaupt für Entlastung zu sorgen. Die erste Halbzeit war für den FC St. Pauli sehr schwierig. Nur ganz selten gelang es überhaupt mal kontrolliert in die Hälfte von Union zu kommen. Klar, das Team führte lange Zeit 1:0 und fing sich den sehr unglücklichen Ausgleich kurz vor dem Halbzeitpfiff. Es ist auch unstrittig, dass Union Berlin es nicht schaffte sich zwingende Gelegenheiten zu erspielen. Trotzdem dürfte das 1:1 zur Pause aus Sicht des FCSP als glücklich eingestuft worden sein.
System greift besser dank einiger Veränderungen
Bereits zum Ende der ersten Halbzeit stellte der FC St. Pauli sein Pressingverhalten um. Marcel Hartel bewegte sich nun nicht mehr auf einer Linie mit Burgstaller und Kyereh, sondern blieb zusammen mit Aremu und Irvine in der Mittelfeldzentrale. Dabei agierten diese drei Spieler sehr mannorientiert auf das Mittelfeld von Union. FCU-Trainer Urs Fischer nannte das auf der Pressekonferenz nach dem Spiel eine „Spiegelung“ des Unioner Systems.
Zudem gab es in der Pause einen wichtigen Wechsel: Afeez Aremu, der einen gebrauchten Tag erlebte, nur zwei von 15 direkten Duellen für sich entschied und auf dem Platz von Minute zu Minute auch im Passspiel unsicherer wirkte, blieb zur Pause in der Kabine. Finn Ole Becker kam für ihn ins Spiel. Es war dann Jackson Irvine, der in der 2. Halbzeit auf der Sechser-Position agierte. Und er machte es richtig gut (mehr dazu folgt dann vermutlich morgen).
Nicht nur die Mannorientierung im Zentrum veränderte das Spiel des FC St. Pauli. Das Team ließ sich auch allgemein nicht mehr so tief hinten reindrängen. Auffällig war z.B., dass Lars Ritzka in der 2. Halbzeit seinen Gegenüber Trimmel konsequent anlief, sobald dieser den Ball hatte, egal wie tief er stand. Dieses Anlaufverhalten war in den ersten 45 Minuten noch wesentlich vorsichtiger.
Die Folge war ein viel ausgeglicheneres Spiel. Es war wirklich bemerkenswert, wie gering dann urplötzlich der spielerische Unterschied zwischen einem gut positionierten Erstligisten und dem FC St. Pauli war. Union Berlin offenbarte in den zweiten 45 Minuten, dass sie defensiv relativ stabil stehen, aber im Offensivspiel ihre Probleme haben, wenn ihre Spielweise gut vom Gegner aufgenommen wird.
Fehler werden konsequent bestraft
Der gestrige Abend zeigte aber leider, wo der große Unterschied zwischen erster und zweiter Liga ist: Fehler werden konsequent bestraft. Was nach einer abgedroschenen Phrase im sonntäglichen Doppelpass klingt, musste Jakov Medić gleich zweimal schmerzhaft erfahren. Denn eigentlich machte er seine Sache gestern solide, aber zweimal in diesem Spiel machte er Fehler, die direkt bestraft wurden. Und das machte dann leider den Unterschied in diesem Spiel aus. Auch deshalb, da die Offensive des FC St. Pauli aufgezeigt bekam, wie schwer eine Erstliga-Defensive zu knacken ist. Die technischen Vorteile, die das Team in der 2. Liga hat und offensiv immer ausnutzen kann, sind gegen Erstligisten beispielsweise nicht mehr in der Deutlichkeit vorhanden.
Fehler passieren und gestern war nicht nur Medić fehlerhaft. Vor dem Spiel dachte ich, dass es nur bei einer Leistung am absoluten Limit für ein Weiterkommen reichen würde. Als zu stark hatte ich Unions Defensive und deren Effizienz in der Offensive eingeschätzt. Defensiv war das Team von Urs Fischer auch stabil. Offensiv brachte es aber eher wenig auf den Platz, was wirklich zwingend genannt werden kann. So muss man festhalten, dass es entweder Union Berlin nicht wirklich gut gegen den FCSP gemacht hat oder aber, der FC St. Pauli als Zweitligist gegen einen Erstligisten ein richtig gutes Spiel machte, vor allem in der zweiten Halbzeit. Es dürfte eine Mischung aus beidem sein. Ich entscheide mich trotzdem für Letzteres, eh klar.
Die zweite Reihe passt ganz gut
Spät im Spiel wechselte der FC St. Pauli noch Igor Matanović und Simon Makienok ein. Die Umstellung nach dieser Einwechslung (St. Pauli spielte dann für die letzten zehn Minuten in einem 4-3-3) zeigte, auf welch letzter Rille der FCSP personell unterwegs war. Denn die Viererkette bestand unter anderem aus Finn Ole Becker als Rechts- und Leart Paqarada als Innenverteidiger. Die Personaldecke ist in der Defensive aktuell unfassbar dünn. Aber die Spieler, die dadurch plötzlich im Team sind oder sich auf neuen Positionen wiederfinden, machen Lust auf mehr. Marcel Beifus überzeugte in der Innenverteidigung, Lars Ritzka auf der linken Seite und Jackson Irvine könnte auf der Sechs eine neue Heimat gefunden haben.
Im Pokal-Viertelfinale auszuscheiden, ist scheiße. Zumal es sich wohl um eine historische Chance gehandelt haben dürfte, da Favoriten in Hülle und Fülle bereits ausgeschieden sind. Noch beschissener fühlt es sich an, wenn es so knapp und durch individuelle Fehler passiert ist. Union Berlin hat nicht gewonnen, weil sie das bessere Team waren. Sie haben gewonnen, weil sie zwei Tore auf dem Silbertablett serviert bekamen. Der FC St. Pauli kam offensiv zwar nur zu wenigen Möglichkeiten, aber konnte das Spiel ausgeglichen gestalten. Das ist auf der einen Seite enttäuschend, aber macht irgendwie auch Mut.
Den restlichen Pokalabend nach Abpfiff habe ich mit Frust verbracht. Mit Ärger darüber, dass da mehr drin war. Aber ich habe mich wieder beruhigt. Denn diese Form, dieses Wissen darum, dass das Team mit Erstligisten mithalten kann – selbst dann noch, wenn vermeintliche Startelf-Spieler fehlen (ich bin gespannt, wer da wirklich noch Startelf-Kandidat ist, wenn die alle zurückkehren) und krasse eigene Fehler zu Gegentoren führen – dieses Wissen sollte dem FC St. Pauli viel Kraft geben. Scheiß auf den Pokal! Es gibt jetzt noch zehn Ligaspiele und der FCSP hat drei Punkte Vorsprung auf den vierten Tabellenplatz. Es ist noch so viel Besseres möglich in dieser Saison als ein Pokalsieg. Jetzt erst recht: I want Aufstieg!
Wir hol’n die Meisterschaft! Und schießen Rostock ab! Der DFB-Pokal…
//Tim
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