He’s back! Nach „Brief an Jakov“ hier die neueste FC St. Pauli-Kolumne von Thees Uhlmann. Es geht um Kettcar, 20 Euro, Busreisen und die unerwartete Loyalität einer Tochter – oder so ähnlich.
(Titelfoto: Justus)
Backstage im E-Werk
Wir sind auf Tour.
Ich im Vorprogramm von meiner Lieblingsband „kettcar“. Alleine. Nur mit Holzgitarre!
Es ist Montag, der 11. April 2022 und eine feste Stimme durchschallt den Backstageraum. Reimer Bustorff, Bassist von kettcar: „Ich kann mich immer noch so aufregen!“
Norddeutsch ist schönste Sprache um sich zu beschweren.
Der Sänger der Band, dessen Name hier unerwähnt bleibt, erwidert: „Ich hab mir das gerade noch mal angeschaut! DAS KANN NICHT ANGEHEN!“
Legt den „Kicker“ in den Backstage-Raum und sagt: „Hier, Vorband. Damit Du auch mal Ahnung von Fußball bekommst!“
Sänger von kettcar und Reimer Bustorff klatschen ab und lachen zusammen.
Schön ist das.
Schlagzeuger Fieten mischt sich ein und sagt: „Das kann echt nicht sein. Wenn ich wegen so einer Fehlentscheidung Euch noch ein Jahr länger ertragen muss.“
Alle freuen sich, weil a.) der HSV Fan und wunderbare Mensch Fieten offensichtlich was die Schiedsrichterentscheidung angeht auf unserer Seite ist und b.) weil Fieten gönnt. Aus der Souveränität mehrerer deutscher Meisterschaften und internationaler Wettbewerbe gönnt er der 4/5 Mehrheit der St.Pauli Fans seiner Band einfach den Aufstieg.
Wir sitzen rum vor dem Auftritt im E-Werk in Köln in einem Backstage-Raum und plötzlich wird es dunkel. Nicht, weil einer das Licht ausmacht und dann fröhlich trötet: „Ich war das nicht!“
Nein, es wird dunkel, weil alle kettcars den Raum betreten.
Ich habe das kurz durchgerechnet. Doppelwiebusch 4m, Reimer 1,95m, Erik 1,88m und Fieten auch schon wieder so 1,90m. Das sind 9,73 Meter Mensch in einem Raum. Hab ich mit der Hand ausgerechnet!
Das reicht zum Verdunkeln.
Rainer war auch da, aber der strahlt vor Licht, da ist das egal mit der Dunkelheit.
Jemand reicht mir einen DIN A4 Umschlag.
Ich so: „Nee, echt nicht!“
Reimer: „Ist ein Zwanni drin. Vielen Dank für die drei Shows. Aus Dir wird noch was!“
Alle: “Höhöhöh!“
Ich: „Ey, ich nehm kein Geld von Euch. Das ist mir zu dumm!“
Die Ketts: „Oh, der feine Herr!“
Erik, der Uno Blauhelm des deutschen Indie-Rocks, der wirklich alle Menschen versteht und befriedet, sagt: „Nun mach mal einfach auf, Thees!“
Nein. Das stimmt nicht. Erik sagt immer „Uhlo“ zu mir. Seitdem wir uns kennen, hat er immer „Uhlo“ gesagt. Geil irgendwie! Und das ist 1910 Jahre her.
Ich mach den Umschlag auf und heraus flattert ein DIN A4 Blatt auf dem steht:
„BUStorff Reisen: GUTSCHEIN für 1e Nightlinerfahrt zu einem Auswärtsspiel deiner Wahl“
Junge, da hab ich mich gefreut und freue mich noch immer.
Fieten sagt: „Ich würde ja zum HSV fahren auswärts!“
Und alle so „Hähähääh!“
Da werde ich euch mit den Planungen genau auf dem Laufenden halten. Das wird ein großer Spaß.
Auch wer da mitfahren darf, kann, muss und soll wird spannend. Da passen ja bis zu 20 Leute rein in so einen Bus.
Eins ist sicher, Fieten kommt mit!
Streng geheime Loyalität
Es gibt noch eine super Nachricht. Die ist so super und ein wenig privat, dass ich nicht so richtig weiß, wie und ob, aber so ist es eben mit den Künstlern und Künstlerinnen. Immer vor in das dunkle Herz der Dummheit oder in das dumme Herz der Dunkelheit und dann manchmal aber auch in das schöne Licht der nachhaltigen Auslösung.
Also, aus den besten Gründen der Welt ist meine Tochter kein St. Pauli Fan. Und meine Musik findet sie auch noch kacke. Hier sei noch mal das Bonmot erwähnt, dass als die noch so klein war, sie das mochte, wenn ich neben ihr im Badezimmer auf dem Boden liege, wenn sie badet.
Wir haben uns dann gegenseitig Songs vorgespielt. Ich durfte einen, zur Hälfte, und den Rest hat sie dann ausgewählt. Das hat geschockt. Da haben wir viel gelacht. Bei einem Song von Bibi und Tina hab ich immer noch Träm innie Augn, da muss ich weim.
Egal jetzt!
Sie hängt in der Wanne und guckt plötzlich über den Rand, wie so ein Otter.
Und dann sagt sie: „Papa, du machst Rockmusik mit deutschen Texten, richtig?“
Ich so: „Ja! Schön, dass du mal nachfr…“
Sie: „Halt die Klappe! Und Feine Sahne Fischfilet machen Punk!“
Ich so: „Ja!“
Sie: “Und Helene Fischer macht Schlager?“
Ich: „Auch das ist richtig!“
Und sie dann: „Und warum hört sich das alles gleich an?“
BÄMS! Das hat richtig geschockt.
Junge, da freu ich mich drüber, dass die mich nicht mag, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.
Aber was ich eben meinte mit „geile Geschichte“:
Wie meine Kunst, findet sie natürlich auch St. Pauli nicht geil.
Neulich wurde wieder mal ein Spiel verloren und die schreibt dann nicht: „Tut mir leid, Paps! Hab Dich trotzdem lieb!“
Das wäre ja GRAUENVOLL!!!
Sie schreibt einfach an mich: „SAAAAAAAAANKT PAAAAAUUUUULEEEEYYYYY!“
Weil sie glückstrunkene, betrunkene Männer, die eine wegen Bier in die Länge gezogene Vokalstruktur aufweisen, einfach dämlich findet und sich freut, dass ich schlechte Laune habe.
Sie freut sich ja auch über meine gute Laune, aber über meine schlechte Laune freut sie sich immer auch.
Und ich dann so Wut- und Bier-Smiley zurück und dann noch braunen Punkt und weißen Punkt und rotes Herz dahinter und… mein Gott, dass ist auch alles ein Schwachsinn von Fußballfans aber EGAL JETZT!
Denn neulich war es so: Freundinnen von ihr dürfen mich eigentlich nicht sehen, weil ich peinlich bin. Neulich war ich in St. Pauli Shorts, Birkenstocks ohne Socken und T-Shirt morgens vor der Schule kurz draußen vor der Tür auf der Straße und hab ihr kurz vor acht vor Beginn des Unterrichts etwas in die Hand gedrückt, was sie brauchte. Eine Freundin sah uns von über der Straße und meinte dann später zu ihr: „Dein Vater sieht so aus, wie ein richtiger Promi. Aber so ein komischer, der so fotografiert wird.“
Egal jetzt.
Aber neulich klingelte eine Freundin bei uns an der Tür, kam hoch und meine Tochter war noch nicht fertig und das war das Worst Case Szenario für sie.
Ich hatte einen kurzen Moment mit ihrer Freundin.
Ich sag schon gar nix mehr, weil ich auch echt keinen Ärger bekommen will mit meiner Tochter.
Freundin S. so: “Sie sind doch St. Pauli Fan, ne?“
Ich so: „Mmmmhh!“
Sie so: „Aber Lisa nicht, ne?“
Ich so: „Mmmh mmmh!“
Und sie dann so: „Wissen Sie, was neulich auf dem Schulhof passiert ist? Wir standen da so rum und einer meinte: ‚St. Pauli ist echt so ein scheiß Verein!‘ Und ihre Tochter so: ‚Pass mal auf, was du sagst, sonst krist du Stress mit mir!‘„
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!
MIT DIESEM SPIRIT GEGEN DEN SANDHAUFEN, DEM ICH FÜR ALLE ANDEREN SPIELE 7 PUNKTE WÜNSCHE.
Love an Dich und deine Lieben, Carpe Diem Sandhausen.
Nächste Kolumne dann mit:
- Holzbild Vorbereitungen
- Nachlese Sandhaufen
- Ärger wegen Kolumne mit meiner Tochter
// Euer Thees
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