Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (31.Spieltag, 21/22)

Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (31.Spieltag, 21/22)

Meine Güte, ich bin schon aufgeregt, wenn ich nur an dieses Spiel denke. Am Samstagabend empfängt der FC St. Pauli die Lilien aus Darmstadt am Millerntor. Es könnte ein Spiel mit vorentscheidendem Charakter sein, in die eine oder andere Richtung. Nicht nur aufgrund der deutlichen 0:4-Niederlage in der Hinrunde, ist schon im Vorwege klar, dass es eine brutal schwere Aufgabe für den FCSP werden wird.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Hört zur Vorbereitung auch gerne in das „Vor dem Spiel“-Gespräch zum Duell zwischen dem FC St. Pauli und Darmstadt 98 rein. Da unterhalten sich Casche und Jana, Autorin beim Lilienkurier, miteinander.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Christopher Avevor, Jannes Wieckhoff und Sebastian Ohlsson werden fehlen. Weniger als einen Monat vor Saisonende darf dann sicher auch ein Strich unter die Frage gezogen werden, ob diese drei Spieler in dieser Spielzeit noch Einsatzminuten sammeln. Denn allein das Aufbautraining nach so langer Ausfallzeit dürfte mindestens bis Saisonende andauern.

Ansonsten gab es von Timo Schultz auf der Pressekonferenz vor dem Spiel eher gute als schlechte Nachrichten: Luca Zander und James Lawrence sind bereits seit Wochenbeginn wieder voll im Training und mindestens Zander ist eine Startelfoption.
Etwas defensiver äußerte sich Schultz zur Einsatzfähigkeit von Daniel-Kofi Kyereh, der aber Anfang der Woche bereits wieder reduziert mittrainierte. Eine Entscheidung sei am Donnerstag gefallen und obwohl besonders in Spielen ohne Kyereh deutlich wird, wie wichtig er für den FC St. Pauli ist, möchte man kein Risiko eingehen.

Zu früh kommt ein Einsatz am Wochenende für Eric Smith, der nach seiner Wadenverletzung aber früher als erwartet wieder Teile des Team-Trainings mitmachte. Äußerst unpassend dazu, dass Afeez Aremu am Dienstag nicht trainieren konnte. Auch hier sollte der Donnerstag die Entscheidung über einen Einsatz am Wochenende bringen.
Rechtzeitig zum Saisonfinale melden sich also viele Spieler zurück, allerdings sind zwei zentrale Spieler fraglich für Samstag.

SV Darmstadt 98: Wer kann spielen, wer fehlt?

Zuerst muss die Frage beantwortet werden, wie Torsten Lieberknecht ersetzt werden kann. Darmstadts Chef-Trainer wird am Millerntor gesperrt fehlen (sah seine vierte Gelbe Karte, was für Trainer zur Sperre reicht) und machte keinen Hehl daraus, dass er das nicht so gut findet. Lieberknecht erklärte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, dass er auf der Tribüne sitzen werde und davon ausgeht, dass er in der Halbzeit, sowie vor und nach dem Spiel in die Kabine gehen kann.

Deutschland, Darmstadt, 20.11.2021, Fussball 2. Bundesliga 14. Spieltag, SV Darmstadt 98 - FC St. Pauli im Merck-Stadion am Boellenfalltor Torsten Lieberknecht (Trainer Darmstadt 98)
Torsten Lieberknecht wird am Wochenende nicht an der Seitenlinie stehen.
(c) Peter Böhmer

Auch auf dem Platz muss der SV Darmstadt 98 auf ein paar wichtige Spieler verzichten: Der offensive Außenbahnspieler Braydon Manu fehlt, wie sein Trainer, gelb-gesperrt. Zudem fehlt mit Aaron Seydel eine weitere wichtige Offensivkraft. Der 26-jährige hat in der Rückrunde bereits fünf Tore erzielt, muss nun aber, wie schon zuletzt gegen Schalke, aufgrund einer Wadenverletzung passen.

Auch Lasse Sobiech wird dem Team am Millerntor fehlen. Er muss aufgrund einer Gehirnerschütterung aussetzen. Für den Rest der Saison müssen die Lilien wohl auf Fabian Schnellhardt verzichten, der an einem Muskelbündelriss laboriert.
Wieder mit dabei sein wird Marcel Schuhen. Der Torwart kehrt nach einem ausgeheilten Muskelfaserriss zurück.

Was haben die Lilien zu bieten?

Schon eine ganze Menge. Das ist auch wenig verwunderlich, denn das Team steht nach 30 Spieltagen auf dem vierten Tabellenplatz. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Lilien nach einem ausgedehnten Zwischenhoch nun wieder etwas nachgelassen haben. Nach mäßigem Saisonstart verließ das Team zwischen Spieltag neun und 20 nur dreimal nicht als Sieger den Platz, begeisterte mit einer bärenstarken Offensive und war zurecht Tabellenführer.

Dann setzte es eine herbe 0:5-Klatsche zuhause gegen den HSV und seitdem konnten von zehn Spielen „nur“ noch drei gewonnen werden. In der Rückrundentabelle hat das Team bisher 19 Punkte geholt, also zwei mehr als der FC St. Pauli. Und so steigt am Samstag nicht das Duell zwischen zwei sicheren Aufsteigern, sondern das zweier Verfolger. Und das obwohl der FCSP und Darmstadt 98 zwischendurch bereits als sichere Aufsteiger gehandelt wurden.

Pizza-Grafik der Kern-Statistiken von SV Darmstadt 98 nach 30 Spieltagen der Saison 21/22
Kern-Statistiken von Darmstadt 98 nach 30 Spieltagen in der 2. Bundesliga.

Ich könnte mich hier jetzt an einer Erklärung für die schwächeren Leistungen in der Rückrunde versuchen, aber wenn es so einfach wäre, dann wäre das Problem sicher bereits gelöst worden. Ein deutlicher Grund könnte die schwächere Ausbeute der beiden Stürmer Luca Pfeiffer und Philipp Tietz sein. Pfeiffer hat in der Hinrunde satte zwölfmal getroffen, aber erst kürzlich gegen Nürnberg konnte er seinen ersten Rückrundentreffer erzielen, saß zwischendurch sogar auf der Bank. Auch Tietz konnte seine starke Quote aus der Hinserie (ebenfalls zwölf Tore) nicht halten, hat aber zuletzt bei der Niederlage gegen Schalke seine Saisontreffer 14 und 15 erzielt.

Umso wichtiger wurde mit Beginn der Rückrunde Aaron Seydel, der nun aber verletzt passen muss. Seydel ist mit 1,99m nur unwesentlich kleiner als z.B. Simon Makienok und mindestens genauso kopfballstark. Das ist bei seinem Kollegen Luca Pfeiffer (nicht zu verwechseln mit Patric, gleich mehr dazu) nicht der Fall, obwohl der ähnlich groß ist. Seydel liefert mit einer Erfolgsquote von 60% in den Kopfballduellen für einen Angreifer wirklich sehr gute Werte und trug damit zuletzt einen sehr wichtigen Teil dazu bei, dass Darmstadt 98 das kopfballstärkste Team der Liga ist.

Beim Begriff Kopfballstärke ist natürlich der Name Lasse Sobiech nicht weit. Der ehemalige FCSP-Spieler ist auch der quotenmäßig kopfballstärkste Spieler der gesamten Liga, wird aber beim Spiel fehlen (ausgerechnet aufgrund einer Kopfverletzung). Aber Sobiech hat eh einen schweren Stand in Darmstadt, wenn es um die Besetzung der Startelf geht. Grund dafür sind einige Verletzungen, aber auch Patric Pfeiffer. Der erlebt diese Saison so etwas wie seinen Durchbruch und nicht wenige sind der Ansicht, dass der Hamburger (ausgebildet beim HSV) in der nächsten Saison ganz sicher in der ersten Liga spielen wird.
Das dürfte nicht nur an der Kopfballstärke liegen (ligaweit Platz sechs), sondern auch daran, dass Pfeiffer ein sehr starker Aufbauspieler und in allen relevanten Pass-Statistiken in den Top10 der Liga unter den Innenverteidigern zu finden ist.

DARMSTADT, GERMANY - APRIL 17: Patric Pfeiffer of SV Darmstadt 98 and Luca Pfeiffer of SV Darmstadt 98 and Ko Itakura of FC Schalke 04 during the Second Bundesliga match between SV Darmstadt 98 and FC Schalke 04 at Merck-Stadion am Boellenfalltor on April 17, 2022 in Darmstadt, Germany.
Immer schön, wenn sich Fotos finden lassen, die das im Text Beschriebene deutlich untermauern. Patric Pfeiffer gewinnt ein Kopfballduell deutlich, auch gegen seinen Namensvetter Luca Pfeiffer.
(Jörg Halisch/Getty Images/via OneFootball)

Was das Team von Darmstadt 98 aber besonders auszeichnet, ist seine Spielweise. Denn so wirklich herausragende Einzelkönner, wie der FCSP sie z.B. in Person von Kyereh und Paqarada hat, fehlen bei den Lilien. Oder sie fallen nicht so sehr auf, weil sie eben im Team sehr gut arbeiten (Timo Schultz nennt den SVD-Kader „ausgewogen“) und daher jeder mal im Rampenlicht stehen kann (was nicht bedeutet, dass der FCSP nicht auch im Team gut arbeitet).

Torsten Lieberknecht lässt sein Team in einem flachen 4-4-2 auflaufen. Daran dürfte sich auch am Samstag nichts ändern. Zu stabil ist diese Formation und zu erfolgreich war sie in dieser Saison und besonders im Hinspiel, als dass sie verändert werden würde.
Aus dieser Formation heraus spielt Darmstadt einen Fußball, der von Timo Schultz auf der PK zurecht als „schnörkellos“ bezeichnet wurde. Denn das Team spielt einen doch recht strikten Ball nach vorne, kann sich dabei nach Aussage von Schultz auf das hohe Tempo der offensiven Außen und die Physis der beiden Stürmer verlassen.

Ohnehin betonte Schultz die Physis des Teams, die nicht nur in der Offensive zu finden ist. Mit Tobias Kempe und Klaus Gjasula auf der Doppelsechs ist sie zweifelsohne vorhanden und besonders auf den Außenverteidiger-Positionen sind mit Matthias Bader und Fabian Holland zwei enorm zweikampf- und tempoharte Spieler zu finden. Das macht den SV Darmstadt 98 zu einem sehr unangenehmen Gegner, wie Schultz sagte.

Genau diese Eigenschaften, die Physis und die schnörkellose Spielweise, haben die Lilien in der gesamten Hinrunde zeigen können und so auch dem FC St. Pauli im Hinspiel den Zahn gezogen. In der oben gezeigten Pizza-Grafik ist auffällig, dass das Team für einen potenziellen Aufsteiger relativ wenig Ballbesitz hat (nur Platz 13 in der Liga). Dieser hat in der Rückrunde aber zugenommen, quasi als eine der Begleiterscheinungen zum erfolgreichen Spiel, weil sich die Gegner tiefer hinten reinstellten. Und genau das könnte auch ein wenig als Erklärung dienen, warum das Lieberknecht-Team in der Rückrunde nicht mehr ganz so erfolgreichen Fußball spielt. Denn zwar sind in der zweiten Saisonhälfte auch viel mehr Ansätze im geordneten Spielaufbau zu erkennen, aber, ich lehne mich da mal aus dem Fenster, zu den Stärken der Lilien gehört das nicht.

Mögliche Aufstellung

Durch den Ausfall von Aaron Seydel dürfte es vorne im Angriff keine Überraschungen geben und das in der Hinrunde auch für den FCSP sehr schmerzhafte Duo Tietz/Pfeiffer startet. Etwas spannender ist da schon die Frage, wie Braydon Manu ersetzt werden wird. Mit Tim Skarke und Mathias Honsak gibt es im Kader zwei Spieler, die die Tempo-Ansprüche an diese Position erfüllen. Ich rechne damit, dass beide in der Startelf stehen werden, muss aber ergänzen, dass auch Frank Ronstadt eine Rolle spielen könnte. Der leider fehlende Lasse Sobiech dürfte durch Thomas Isherwood ersetzt werden und Marcel Schuhen wird ins Tor der Lilien zurückkehren.

Erwartete Aufstellung im Spiel FC St. Pauli gegen SV Darmstadt 98

Beim FC St. Pauli hoffe ich einfach mal, dass sich sämtliche Fragezeichen noch am Donnerstag in Wohlgefallen aufgelöst haben und sowohl Kyereh als auch Aremu den Daumen nach oben zeigten. Dann dürften auch beide in die Startelf zurückkehren. Aber ja, mir ist klar, dass da eher der Wunsch Vater des Gedanken ist. Ich habe meine Wunschaufstellung trotzdem einfach mal so abgebildet.

Sollte Kyereh nicht einsatzbereit oder nur als Einwechselspieler eine Option sein, dann stehen mit Etienne Amenyido, Lukas Daschner und Christopher Buchtmann gleich drei Spieler als Ersatz bereit. Und die haben alle unterschiedliche Argumente für einen Einsatz: Amenyido aufgrund seiner besonderen Momente; Daschner, weil er an sämtlichen Offensivaktionen des Teams beteiligt ist, wenn er auf dem Platz steht; Buchtmann aufgrund seiner Physis, die er mitbringt (und Zug zum Tor hat er auch). Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir nach dem Spiel noch freudig daran denken, dass dieser 31. Spieltag 2022 der lang ersehnte Durchbruch von Lukas Daschner gewesen ist.

Im Angriff muss sich das Trainer-Team entscheiden, ob sie eher auf die eigenen Probleme oder die des Gegners reagieren wollen. Sollte man auf die eigenen Probleme reagieren wollen, dann führt kein Weg an Simon Makienok vorbei, weil er der Lufthoheit von Darmstadt etwas entgegensetzen kann. Sollte man die Probleme der Lilien bespielen wollen, dann dürfte Maximilian Dittgen nach langer Abstinenz endlich mal wieder in die Startelf zurückkehren und versuchen seine Tempovorteile zu nutzen.
Da mit Seydel und Sobiech zwei wichtige Kopfballspieler bei Darmstadt fehlen, tippe ich auf Dittgen. Denkbar ist aber natürlich auch Amenyido, wobei ich bei der hohen Anzahl an Ballverlusten die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht aufgehen sehe (er wird mich hoffentlich Lügen strafen).

Auf der rechten Abwehrseite dürfte Luca Zander wieder zum Einsatz kommen. Nicht, weil Adam Dźwigała diese Position nicht gut ausgefüllt hat zuletzt, sondern eher, weil man auf das hohe Tempo der offensiven Außen der Lilien reagieren muss und das Tempo der einzige Nachteil von Dźwigała ist.
In der Innenverteidigung dürfte das Duo Ziereis/Medić auflaufen, da die sich zuletzt ganz gut zusammengefunden haben. Lawrence und Beifus sind hier erste Wechsel-Kandidaten.
Sollte Aremu nicht einsatzbereit sein, dann dürfte Rico Benatelli erneut in der Startelf stehen. Es sei denn, das Trainer-Team möchte mehr Physis auf dieser Position haben. Dann käme eigentlich nur Jackson Irvine in Frage.

Schrieb ich schon, dass ich aufgeregt bin? Ja, ganz zu Beginn dieses Vorberichts. Ich möchte mir bei solchen Spielen immer gar nicht ausmalen, wie es den Spielern vorher geht (beider Teams). Umso schöner war es auf der PK von Timo Schultz zu hören, welch positiven Schub ihm die aktuelle Tabellensituation zu geben scheint: „Auch ich genieße die Situation. Es ist schön für uns, dass wir noch solche Aufgaben vor der Brust haben. Wir investieren viel, stecken die Köpfe im Trainerteam zusammen und fragen uns, wie wir die Spiele angehen können. Das macht großen Spaß.
Den haben wir auch, Timo!

Forza!
// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

Print Friendly, PDF & Email

One thought on “Vorbericht: FC St. Pauli – SV Darmstadt 98 (31.Spieltag, 21/22)

  1. Also, ich seh da doch eher Jackson auf der Sechs, und für ihn dann Buchtmann? Und eine Sache will mir nicht in den Kopf: warum musste Beifus weichen? Ich fand ihn sehr abgeklärt..Für mich hiess das Problem der letzten Wochen in der IV eher Medic, der wirkt irgendwie überspielt, aber vielleicht findet ja -auch!- er wieder zu der Form der Hinrunde, dann sollte eigentlich zu Hause 3 Mal was gehen, und wer weiss, das könnte ja schon -vllcht noch mit nem Punkt auf Schalke dazu- dann reichen. (aber büdde nicht für die Relegation, die Nerven die Nerven…)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert