Nach Saisonende waren Timo Schultz und Andreas Bornemann im ausführlichen Pressegespräch und sprachen offen über die abgelaufene Saison des FC St. Pauli.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Eine ausführliche Zusammenfassung des zweistündigen Gesprächs gibt es beim Abendblatt (€). Bornemann und Schultz äußerten sich zu einer ganzen Reihe von Themen: Zu vermeintlichen innerbetrieblichen Spannungen, die im Aufstiegskampf entscheidende Prozentpunkte gekostet haben sollen. Zu den Gründen für die schwächere Rückrunde, sowohl aus spielerischer, als auch aus personeller Sicht. Und zuletzt zu dem nun wohl anstehenden Umbruch. All das dröseln wir mal Stück für Stück auf.
Innerbetriebliche Spannungen
Spätestens nachdem das Abendblatt einen Tag vor dem Gespräch davon berichtete (€), dass sich Schultz und Bornemann alles andere als einig in Sachen Wintertransfers gewesen sein sollen (laut Abendblatt wollte Schultz nachrüsten, was allerdings nicht passierte), war dies eines der wichtigsten Anliegen vom Sportchef.
„Wir sind bei 95% der Themen zu 100% deckungsgleich.„, ließ Bornemann laut Abendblatt wissen und versuchte damit den Bericht im Abendblatt wegzufegen. Auch Schultz sagte, wie wichtig es sei, dass man gemeinsam Lösungen finde und betonte, dass man dieses beim FC St. Pauli auch meist tue.
Grundsätzlich ist die ein oder andere Meinungsverschiedenheit sicher eine gute Sache, solange dann versucht wird gemeinsam Lösungen und Kompromisse zu finden. Daher darf es ruhig auch zwischen Schultz und Bornemann unterschiedliche Meinungen geben. Nicht selten führt so eine Reibung ja auch dazu, dass die Dinge aus mehreren Perspektiven betrachtet werden, was letztlich zu fundierteren Entscheidungen führen würde.
Besonders wichtig, wenn es auch mal Reibung gibt: Ein stets fairer Umgang. Der ist zwingend nötig, da es ansonsten an der Vertrauensbasis mangelt. Bemerkenswert offen berichtete Bornemann laut Abendblatt davon, dass die Kommunikation zwischen Trainer und Sportchef in Bezug auf die Verträge der Co-Trainer nicht so erfolgreich war: „Das ist nicht optimal verlaufen, dafür übernehme ich die Verantwortung. Es spricht aber nichts dagegen, dass wir in den nächsten Tagen die weitere Zusammenarbeit verkünden.„. sagte Bornemann. Wir sind mal optimistisch und gehen davon aus, dass Loic Favé und Fabian Hürzeler beim FCSP bleiben.
Geradezu entwaffnend ist die Aussage von Bornemann, dass er natürlich einige Gespräche hinauszögere, weil sie ihm so schwerfallen. Dass diese Entscheidungen aber getroffen werden müssen, daran lässt er keinen Zweifel:
„Um eine sportliche Entwicklung zu erzielen, müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, die menschlich wehtun. Ich habe aber nirgends gelesen, dass sportlicher Erfolg nicht zu den Werten des FC St. Pauli zählen darf.“
Andreas Bornemann im Pressegespräch (via Abendblatt (€))
Gründe für die schwächere Rückrunde
In dem Gespräch zogen laut Abendblatt sowohl Andreas Bornemann, als auch Timo Schultz ein Fazit zur Rückrunde und versuchten zu erklären, wie es zu dem zeitweisen Leistungsabfall in der Rückrunde gekommen ist. Schultz betont, dass es seinem Team, abgesehen von den Stürmern und Daniel-Kofi Kyereh, an Torgefährlichkeit mangelte und es allgemein in der Offensive an Flexibilität fehlte: „Wir waren nur im Sturm und von der Zehnerposition torgefährlich. Dazu hätten wir mehr Flexibilität sowie das letzte Quäntchen Verrücktheit gegen Gegner zeigen können, die sich hinten reinstellen.“ (fast könnte man meinen, dass er diesen Artikel gelesen hat).
Zudem seien die offensiven Standards ausbaufähig und Bornemann betonte, dass alle drei Aufsteiger vorne im Angriff Spieler von Erstliga-Format hätten (Glatzel beim HSV, Terodde auf Schalke, Füllkrug und Ducksch in Bremen).
Grundsätzlich hat Timo Schultz bereits kurz nach dem Schalke-Spiel ein, aus meiner Sicht sehr passendes Fazit gezogen, als er sagte: „Wenn wir die Saison vor Werder und Schalke beenden wollen, dann muss bei uns wirklich alles zusammenlaufen. Das ist in der Rückrunde nicht der Fall gewesen“.
Dazu hätten verschiedene Spieler auf ihre Leistungen aus der Hinrunde aufbauen müssen. Stattdessen: Daniel-Kofi Kyereh war zeitweise beim Africa-Cup oder verletzt. Jakov Medić und Guido Burgstaller liefen ihrer Form aus der Hinrunde hinterher. Auf der Sechser-Position gab es niemanden, der auch nur ansatzweise Stabilität ausstrahlte, auch weil sowohl Smith als auch Aremu von Verletzungen zurückgeworfen wurden. Und auf der Position hinten rechts gab es zwischenzeitlich tatsächlich keine Spieler mehr.
Nimmt man all diese Personalien zusammen, dann kommt so eine Rückrunde dabei heraus. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es spielerisch am Saisonende schon wieder deutlich besser wurde. Aber da fehlte dann eben auch das gewisse Etwas, was ich mal als Spielglück bezeichnen möchte. Hand-Ausgleich gegen Bremen, Last-Minute-Gegentreffer in Sandhausen und gegen Nürnberg – es ist auch einfach viel schiefgelaufen, was in der Hinrunde noch stets gut für den FC St. Pauli ausging.
Für die neue Saison kündigte Schultz laut Abendblatt zwar keinen Systemwechsel an, aber es werde „deutliche Anpassungen“ geben. Wir sind gespannt.
Kader-Situation
Gespannt sind wir auch darauf, wie der Kader aussehen wird, mit dem es taktische Anpassungen geben soll. Nach der Verabschiedung von gleich sechs Spielern, besteht ganz sicher personeller Bedarf im Kader. Mit den Verpflichtungen von Connor Metcalfe und Manolis Saliakas ist da auch schon etwas passiert. Trotzdem sind natürlich weitere Verpflichtungen zu erwarten, vor allem in der Innenverteidigung. Und eben auch dort, wo es noch zu Abgängen kommen wird.
Ein Abgang könnte Guido Burgstaller sein. „Guido hat einen Vertrag, aber es gibt private Situationen, die man akzeptieren und dann nach Lösungen suchen muss“, sagte Andreas Bornemann zu der Situation um den Top-Stürmer.
Das klingt stark danach, dass der FC St. Pauli im Sommer dringend einen neuen Stürmer verpflichten sollte, wenn nicht sogar gleich mehrere, da die Verträge von Simon Makienok und Maximilian Dittgen ebenfalls auslaufen und da teilweise bereits medial von Verhandlungen mit anderen Vereinen berichtet wird.
Zwei Spieler haben sich im Saisonverlauf stark ins Rampenlicht gespielt: Zum einen Daniel-Kofi Kyereh, bei dem es, wenn überhaupt, nur noch ganz wenige geben dürfte, die von einem Verbleib ausgehen. Zum anderen Leart Paqarada, der auch Begehrlichkeiten geweckt hat. In Richtung dieser beiden Spieler richteten sich auch folgende Worte von Andreas Bornemann, die das Abendblatt zitiert: „Manchmal verläuft die Entwicklung eines Spielers flotter als erwartet, dann eröffnen sich Möglichkeiten. Natürlich ist Bewegung in der Sache drin. Wir haben das Bestreben, das bestmögliche Team zusammenzustellen, sind aber keine Fantasten und uns bewusst, welche Optionen sich für einige Spieler bieten.„
Zugleich betont er aber auch, dass der FC St. Pauli finanziell zwar nicht auf Transfererlöse angewiesen sei, aber schon bei dem ein oder anderen Transfer welche erzielen möchte.
Nach einer tollen Saison, die enttäuschend endete, steht beim FC St. Pauli in diesem Sommer ein erneuter Umbruch an. Dieser hat mit der Verabschiedung einiger Profis bereits begonnen und dürfte nun Stück für Stück weitergehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kader bereits zum Start der Saison (15. – 17. Juli) komplett sein wird. Es ist aber auch nicht davon auszugehen, dass es sich zum Start um eine Rumpf-Elf handelt. Sicher ist in jedem Fall: Urlaub wird es für Andreas Bornemann eher nicht geben.
// Tim
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Spannend finde ich vor allem die Aussage, dass wir nicht auf Transfererlöse angewiesen sind. Das ist entweder Verhandlungstaktik oder ein anderes Blog hat sich grob verrechnet.
Ja, finde ich auch. Das, was ich in diesem Fall glaube ist nicht das, was ich glauben möchte.
„und Bornemann betonte, dass alle drei Aufsteiger vorne im Angriff Spieler von Erstliga-Format hätten“
Alle drei also. Ich bin ja der Meinung, dass da eine Glaskugel mächtig kaputt ist.