Der FC St. Pauli hat bereits seinen ersten Neuzugang für die kommende Saison vermeldet: Connor Metcalfe wechselt von Melbourne City FC ans Millerntor. Der zentrale Mittelfeldspieler unterschreibt einen Drei-Jahres-Vertrag.
(Titelbild: Robert Cianflone/Getty Images/via OneFootball)
Es ist Mitte Februar und es wurden bereits Nägel mit Köpfen für die neue Saison beim FC St. Pauli gemacht. Mit Connor Metcalfe hat der Klub einen talentierten Linksfuß aus der australischen Liga verpflichtet. Metcalfe kommt vor allem im zentralen Mittelfeld zum Einsatz, irgendwo zwischen Sechser- und Achter-Position. Ein Blick in die Daten zeigt, dass er bereits ein ziemlich kompletter Spieler ist, aber es gibt auch noch einige Bereiche, die ausbaufähig sind.
Falls Ihr Euch fragt, wie wir auf die Vertragslaufzeit kommen, die der FCSP ja inzwischen nicht mehr kommuniziert: Die hat Melbourne City FC freundlicherweise veröffentlicht.
The Story so far
Die Transferhistorie von Connor Metcalfe ist „übersichtlich“: Als Kind war er Fan der Newcastle Jets und gehörte regionalen Auswahlteams an, mit 15 aber wechselte er in die Academy von Melbourne City FC, für den er auch alle seine bisherigen Profispiele absolvierte. Sinngemäß sagte er damals, dass die Region um Newcastle eher für Rugby stehe und er daher in Melbourne bessere Chancen für seine fußballerische Entwicklung sehe.
Er stand im Kader der U19-Nationalmannschaft, absolvierte drei Spiele für die U23, spielte für das australische Olympia-Team in Tokyo und debütierte im Juni 2021 auch für das A-Team der Socceroos, wo er bisher auf zwei Einsätze kam.
In der Saison 20/21 erhielt er von der Spielergewerkschaft PFA die „Harry Kewell Medaille“, die an den besten einheimischen U23-Spieler vergeben wird. Außerdem wurde er in das „Team of the Season“ gewählt. Und Melbourne wurde in der Saison 20/21 auch noch australischer Meister.
Hier findet ihr ein Highlight-Video von ihm.
Die Daten lieben Connor Metcalfe
Es ist gar nicht so einfach die Daten über Connor Metcalfe richtig einzuschätzen. Denn dafür muss man sich überlegen, ob er als defensiver Mittelfeldspieler oder als Achter eingeordnet werden soll. Er spielte in der letzten, aber auch in dieser Saison irgendwo zwischen den beiden Positionen und agierte entweder in seinem Team als Teil einer Doppel-Sechs oder auch als Achter, wenn im 4-3-3 gespielt wurde.
Trotzdem zeigt der Blick in die Daten die großen Stärken von Metcalfe:
Connor Metcalfe scheint ein sehr guter und kreativer Passspieler zu sein. Das zeigen vor allem die Daten aus der aktuellen Saison, wo er in den Kategorien „key passes“ (Torschussvorlagen), „smart passes“ (Pässe durch Gegenspieler hindurch) und „through passes“ (Pässe hinter die letzte gegnerische Kette) deutlich besser abschneidet als der Liga-Durchschnitt. Das sind schon richtig starke Werte, die Metcalfe hier vorweisen kann. Und es ist dann auch erstaunlich, dass er mit diesen Skills dann doch sehr ähnlich zum Skill-Set von Finn Ole Becker passt. In diesem Fall könnte also eventuell von einem direkten Ersatz für Becker gesprochen werden.
Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede zu Becker. Zum einen ist Metcalfe in der Defensivarbeit in den direkten Duellen stärker einzuschätzen. Und zum anderen hat er einen deutlich größeren Zug zum gegnerischen Tor. Acht Tore hat er in 58 Spielen für seinen Klub erzielt (bei Becker sind es fünf bei deutlich mehr Einsätzen). Das bestätigen auch die xG-Werte und die Anzahl der Torschüsse. Metcalfe ist dabei ein Spieler, der immer wieder aus dem Rückraum in die gegnerische Box einrückt und daher häufig durch Pässe von der Grundlinie gefunden werden kann.
Besonders die kreative Spielweise von Metcalfe ist bemerkenswert und führt dazu, dass er von wyscout letzte Saison als zweitbester defensiver Mittelfeldspieler und diese Saison als bester zentraler Mittelfeldspieler der A-League gelistet wird. Die Kombination zwischen leicht überdurchschnittlichen Werten in den Defensiv-Kategorien und richtig starken Werten in den kreativen Pass-Kategorien sowie der Abschlussstärke ist schon besonders. Connor Metcalfe ist damit ein sehr kompletter zentraler Mittelfeldspieler, der mit 22 Jahren noch erhebliches Entwicklungspotenzial haben dürfte.
Video-Scouting: Watch your back!
Das klingt alles richtig gut und es deutet vieles darauf hin, dass der FC St. Pauli hier einen dicken Fisch an Land gezogen hat. Aber Connor Metcalfe hat auch noch erhebliches Steigerungspotenzial in einigen Bereichen. Im Video-Scouting bei wyscout ist mir aufgefallen, dass er verhältnismäßig häufig Bälle verliert oder Fehlpässe in absolut kritischen Zonen spielt. Besonders sein erster Kontakt ist nicht selten ausbaufähig. Vor allem dann, wenn seine Vororientierung fehlt. Das ist definitiv trainierbar, aber auch zwingend notwendig, wenn man in Deutschland in den oberen beiden Profiligen spielen will.
Was nicht unbedingt trainierbar, beim Video-Studium aber auch auffällig ist: Connor Metcalfe ist ein sehr aggressiver Spieler. In Zweikämpfen knallt es gewaltig, Grätschen gehören definitiv zu seinem Repertoire. Wie gesagt, die Kombination aus einem sehr kreativen und trotzdem defensiv robusten Spieler ist etwas unüblich und birgt großes Potenzial.
Der FC St. Pauli darf sich also auf einen sehr talentierten und trotzdem schon recht kompletten zentralen Mittelfeldspieler freuen. Man darf gespannt sein, ob er die bereits sehr guten Leistungen aus der australischen Liga direkt auch beim FCSP zeigen kann. Auszugehen ist davon, trotz all seiner Qualitäten, nicht. Timo Schultz hebt bei der Vorstellung von Metcalfe hervor, dass man ihm „sicher etwas Zeit geben müsse, um sich zu akklimatisieren.„. Zumindest hat er jetzt bereits bis zum Sommer Zeit, sich gedanklich auf seinen Wechsel ans Millerntor vorzubereiten.
Herzlich willkommen am Millerntor, Connor Metcalfe!
// Tim
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das klingt richtig gut
Wahrscheinlich sind die angesprochenen Defizite beim ersten Kontakt und seine relativ hohe Fehleranfälligkeit (Fehlpässe, Ballverluste) die Gründe, warum er sich erstmal an Tempo und Niveau in Deutschland gewöhnen muss.
Ähnliches haben wir auch bei Aremu gesehen, der sich mittlerweile auf einem hohen Niveau stabilisiert hat.
Überspitzt formuliert könnte Metcalfe damit sogar ein Vorgriff auf die nächste Zweitligasaison in 2023/24 sein 😜
Ähm, Du meinst sicher auf die ERSTligasaison 23/24…
Champions League Saison 23/24, bitte.
Lehnen wir eigentlich die Teilnahme ab, wenn wir nicht als Meister dabei sind?
Die Frage ist so hypothetisch, da hab ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht.
Aber wenn es überraschenderweise doch so kommen sollte, weil die Bayern wieder Dusel haben… dann mach ich hier rechtzeitig ne Umfrage.
Danke Tim.
Auf der Suche irgendwo verdaddelt, zum vormerken, WM Quali am 24. März Socceroos vs Japan, könnte zumindest Irvine betreffen.
(Erinnert jemand eigentlich noch Jackson Avevor? Der Vertrag läuft doch auch aus?)
Einen nicht allzu windigen, naja, Schönen Sonntag.
Inzwischen scheint die dreijährige Vertragslaufzeit bei deiner Primärquelle heraus genommen zu sein (oder ich finde es nicht mehr), aber auf https://www.ftbl.com.au/news/socceroo-metcalfe-to-make-germany-move-576210 schreiben sie auch von drei Jahren. Bisschen doof, wenn Absprachen nicht funktionieren und Dinge, die im Internet stehen verschwunden halt nicht mehr…
Insgesamt finde ich diese Geheimniskrämerei bei solcgen Daten aber auch ein bisschen übertrieben, aber vielleicht bin ich auch einfach zu Oldschool…
Danke jedenfalls für feine erste Einordnung, was diesen Neuzugang angeht. 🙂
Boah, was soll man sagen: Eine Verpflichtung aus der Rubrik Wundertüte – aber eine, die doch große Hoffnungen weckt. Wenn er jetzt noch einigermaßen laufstark ist, dann könnten (!) wir mit Metcalfe einen richtig dicken Fang getätigt haben. Skillset passt zu Schultz‘ Anforderungsprofil auf den Halbpositionen wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, tatsächlich sogar besser als dies bei Becker der Fall ist. Was mir beim Blitzscouten noch aufgefallen ist: Er dribbelt nicht so gerne (im Unterschied zu Becker – wie gut seine Lösungen unter Druck sind, ist für mich auch noch eine Frage) und sein Paßspiel ist wie bei Irvine stark vertikal orientiert. Anders als Irvine sieht er auch mal den freien Mitspieler und verlagert das Spiel. Ich habe jedenfalls schon ziemlich Bock darauf, den Jungen am Millerntor spielen zu sehen: Robust geführter Zweikampf – Ballgewinn – Steilpaß – Tor: So muss St. Pauli-Fußball (auch) sein!
Völlig unklar ist mir jedoch, wie das Niveau Down Under einzuschätzen ist – könnt ihr dazu noch etwas sagen? Wyscout hat doch bestimmt auch so etwas wie ein Liga-Ranking, hm?
Nein, da gibt es leider keine Infos zu den Ligastärken. Auch bei ClubElo nicht, weshalb ich da auch etwas im Dunkeln tappe, ob der Stärke der australischen Liga.
Danke Tim für deine Einschätzung. Wenn er so einschlägt, wie die letzten Wundertüten, komme ich mit einer Eingewöhnungszeit sehr gut zurecht. 🙂
Kleiner Tipp zu den Radar-Charts:
Wenn Du zwei oder mehrere miteinander vergleichst, erhöht eine gleiche Skala die Lesbarkeit. Sprich, für jedes Attribut min() und max() aus beiden Saisons nehmen und für beide Charts verwenden. Aufällig z. B. bei key pass, aerial duels und passes to final 3rd %
Oh, danke für den Hinweis. Ich bastel sowieso an einer Umstellung, umd das als Standard-Abweichung vom Median oder direkt in Perzentilen darzustellen, um das alles aussagekräftiger zu machen.