Carlo Boukhalfa wechselt vom SC Freiburg zum FC St. Pauli. Der 23-Jährige Mittelfeldspieler war in der letzten Saison leihweise für den SSV Jahn Regensburg in der zweiten Liga aktiv. Wir haben ihn mal etwas genauer angeschaut.
(Titelbild: FC St. Pauli)
Wie der Verein gestern bekannt gab, wechselt Carlo Boukhalfa ans Millerntor. Über die Ablöse vereinbarten beide Vereine Stillschweigen, wie inzwischen üblich wurde auch die Vertragslaufzeit nicht kommuniziert.
The Story so far
In Freiburg geboren und aufgewachsen, begann der 23-Jährige und 1,86m große Mittelfeldspieler beim PTSV Jahn Freiburg Fußball zu spielen. Er wechselte mit 13 Jahren in die Jugendabteilung des SC Freiburg und durchlief dort dann alle U-Teams, inklusive der U17- und U19-Bundesliga.
Ausbildung beim SC Freiburg
Besonders herausragend dürfte er die Saison 2017/18 in Erinnerung haben, als die U19 des SCF den DFB-Pokal gewinnen konnte (in der Innenverteidigung spielte übrigens ein gewisser Nico Schlotterbeck). Bei diesem Spiel gelang Boukhalfa in der 84. Minute per Kopf der entscheidende Treffer zum 2:1. Schon im Viertelfinale hatte er Nervenstärke bewiesen, als er als Kapitän in der 89. Minute beim 1. FC Magdeburg einen Elfmeter zum 2:1-Sieg verwandelte.
Zur Saison 2018/19 erfolgte der Wechsel in den Herren-Bereich, wo er in den folgenden drei Jahren bei der U23 des SC Freiburg in 54 Spielen acht Tore in der Regionalliga Süd beisteuerte. Zu Saisonbeginn 2020/21 gehörte er auch mehrfach dem Bundesligakader des SCF an, wurde aber nicht eingewechselt.
Nachdem ihn eine Leistenverletzung zu ein paar Wochen Pause zwang, spielte er in der Rückrunde 20/21 wieder in der Regionalliga. Boukhalfa gelang am vorletzten Spieltag der Ausgleich zum 1:1 bei der SV Elversberg, welcher den Aufstieg besiegelte.
Wechsel nach Regensburg
Während es für die U23 in die 3. Liga ging, übersprang Boukhalfa diese Stufe und landete direkt in der 2. Bundesliga. Zur Saison 2021/22 wechselte er auf Leihbasis zum SSV Jahn Regensburg. Hier kam er in der abgelaufenen Saison auf 31 Spiele, wovon er 25x in der Startformation stand und vier Tore erzielte, immerhin eins davon im April gegen unseren Nachbarn.
Falls ihr die vier Buden gerne sehen möchtet: Der SSV Jahn hat dann dankenswerterweise vor ein paar Tagen ein Video seiner vier Tore veröffentlicht: (Twitter)
Das sagen die Experten
Um Carlo Boukhalfa etwas besser einschätzen zu können, habe ich den SSV Jahn Fan Podcast 1889fm kontaktiert. Eigentlich wollte ich nur eine Stimme einholen, bin dann aber in deren Kommunikationskanal gelandet und habe gleich tonnenweise hilfreiche Infos zu Boukhalfa bekommen. Danke dafür, 1889fm!
Die Antwort auf die erste Frage (Passt Boukhalfa zum FC St. Pauli?) ist gleich ein guter Hinweis auf die Güte des Transfers. Denn es kam folgende Antwort: „Klar passt der Wechsel. Ich finde, Boukhalfa würde jedes Team der Liga verstärken. Für St. Pauli macht der Transfer Sinn, weil er noch Entwicklung vor sich hat und schon jetzt ein sehr solider Zweitliga-Mittelfeldspieler ist. Ich hätte ihn gern behalten.„
Das ist ja immer schonmal ein gutes Zeichen, wenn Fans des abgebenden Clubs den Spieler gerne behalten hätten. Denn es zeigt, dass Carlo Boukhalfa sein Team in der letzten Saison vorangebracht hat. Aber wie genau hat er das eigentlich gemacht?
Körperlich, kämpferisch, vielseitig
Carlo Boukhalfa wird als „charakterlich fein“ und „klassischer Box-to-Box-Player“ beschrieben. Er besitze eine „gute Technik“ und alle betonen seine enorme Laufstärke. Besonders hervorgehoben wird sein Einsatz: Er sei „mit Herz und Seele dabei“ und wird als „lernwilliger Kämpfer“ beschrieben und ich persönlich finde, dass genau das sehr gut zu Jahn Regensburg passt, aber auch etwas ist, was dem FC St. Pauli eventuell in der ein oder anderen Partie in der letzten Saison gefehlt hat.
Interessant ist die Frage, auf welcher Position Carlo Boukhalfa beim FCSP zum Einsatz kommen könnte. Denn in der Mittelfeldraute kommt er eigentlich für alle vier Positionen infrage. In Regensburg hat er zu Beginn auf der Sechs gespielt, rückte dann aber im weiteren Saisonverlauf vor auf die Zehn. Das habe daran gelegen, dass in Regensburg das Duo Gimber/Besuschkow auf der Doppel-Sechs gesetzt gewesen sei (was ja durch den Wechsel von Besuschkow zu Hannover nun nicht mehr der Fall ist). Auf der Zehner-Position sei Boukhalfa „eine gute Brücke zwischen Offensive und Defensive“ gewesen und grundsätzlich habe er sämtliche Rollen auf dem Platz sehr zuverlässig erfüllt.
Das war es aber noch nicht mit den Positionen von Carlo Boukhalfa, denn er kam in der letzten Saison auch als zweite Sturmspitze zum Einsatz. Das sei aber nicht wirklich seine beste Position. Zwar erzielte er vier Saisontore, aber als Torjäger wird er von 1889fm nicht bezeichnet, was unter anderem an seinem ausbaufähigem Torabschluss liege. Auch in der tiefen Defensivarbeit gebe es Raum für Verbesserungen, besonders im defensiven Stellungsspiel und Zweikampfverhalten.
Wohin geht die Reise?
Vielversprechend ist, dass Carlo Boukhalfa keinerlei Anpassungsprobleme bei seinem Schritt in die 2. Bundesliga hatte. Das ist für den Sprung aus der Regionalliga und einen verhältnismäßig jungen Spieler schon bemerkenswert und eventuell auch ein Hinweis darauf, dass Boukhalfa entweder sehr stabil in seinen Leistungen ist und/oder noch enormes Entwicklungspotenzial besitzt. Ob es sogar für mehr als die zweite Liga bei ihm reichen könnte? Vorerst wird da eher auf die Bremse getreten: „Langfristig (!) sehe ich ihn als einen guten Spieler in der 2. Liga bis hin zu einem Rotationsspieler (bzw. Ersatzspieler) in der Bundesliga, dies dürfte allerdings das höchste der Gefühle sein.“ und „Ausschließen würde ich nicht, dass er es vielleicht in der Bundesliga packt, aber vorerst ist erstmal 2. Liga das höchste der Gefühle für ihn.„.
Grundsätzlich wird Carlo Boukhalfa durchaus zugetraut, dass er sich beim FCSP, auch aufgrund der Abgänge dort, zum Stammspieler entwickeln kann.
Das sagen die Daten (nicht)
Die Variabilität von Carlo Boukhalfa ist sicher eine seiner großen Stärken. Um aussagekräftige Daten zu ihm zu bekommen, ist sie aber pures Gift. Denn natürlich sind die Ansprüche an einen Spieler auf der Sechs ganz andere als auf der Zehn oder sogar an einen Angreifer. Entsprechend sehen dann auch die Daten aus und entsprechend wertlos sind sie. So teile ich lieber meine persönlichen Eindrücke von ihm:
Ich bin sicher, dass nicht wenige den Namen Carlo Boukhalfa zum ersten Mal gehört haben, als der FC St. Pauli die Verpflichtung bekannt gegeben hat. Das hängt womöglich direkt mit seiner Spielweise zusammen. Denn Boukhalfa ist kein „Eye-catcher“, niemand, der auf dem Platz sofort durch Aktionen auffällig wird. Im Regensburger Team gibt es mit der Doppel-Sechs Besuschkow und Gimber zwei auffällige Spieler und mit Singh und Beste auf den Außenpositionen ebenfalls zwei Spieler, die durch Tempo-Dribblings etc. hervorstechen. Auch Andreas Albers bleibt, aufgrund seiner Präsenz in der Luft, sicher etwas eher in den Köpfen (hehe) hängen. Was all diese Spieler aber eint: Sie brauchen jemanden, der sie verbindet und ihre Stärken in Szene setzt. Und da kommt Carlo Boukhalfa ins Spiel.
Auffällig unauffälliger Lieferheld
Denn wie auch schon von 1889fm beschrieben, ist Boukhalfa eine Art Brücke zwischen Defensive und Offensive, ein Verbindungsspieler. Zu seinen großen Stärken zähle ich, dass er viele Aktionen am Ball (Verlagerungen, Weiterleitungen, Ablagen) mit nur einem einzigen Kontakt erledigt. Genau das macht ihn sicher auch so unauffällig auf dem Platz. Denn seine Ballhaltezeiten im meist engen Mittelfeldzentrum sind brutal kurz. Und da er sich nur ganz selten ins Dribbling begibt, lieber den Ball klug weiterleitet, fällt er mit seiner Spielweise nicht so wirklich auf. Dabei erfüllt er für sein Team einen enorm wichtigen Dienst. Denn irgendwie müssen die Bälle ja dorthin kommen, wo dann die Aktionen passieren, die mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das kann Boukhalfa.
Trotzdem ist Carlo Boukhalfa natürlich kein Geist auf dem Platz. Ja, die Rolle als Angreifer passt sicher nicht zu ihm. Ins Offensivspiel schaltet er sich aber immer klug ein, kommt häufig aus dem Rückraum. Da passt es dann auch, dass sowohl Andreas Bornemann, als auch Timo Schultz bei der Vorstellung von Boukhalfa eben jenen Zug zum Tor betonen.
Was auch auffällig ist (allerdings nicht in einem sehr grundaggressivem Team wie Jahn Regensburg): Carlo Boukhalfa ist ein sehr physischer Zweikämpfer und beeindruckte mich im Video-Studium mehrmals mit der guten alten Grätsche. Besonders im Gegenpressing ist er ein Spieler, der relativ schnell wieder in die Zweikämpfe kommt, also ziemlich fix den Schalter umlegt und recht gut antizipieren kann.
Ich bin sehr gespannt, welche Rolle Boukhalfa beim FC St. Pauli einnehmen wird. Aufgrund seiner Spielweise ist er sicher nicht als „Ersatz“ für die abgewanderten Buchtmann und Benatelli zu bezeichnen. Aber das Positionsprofil von Buchtmann passt dann doch irgendwie ganz gut zu seinem, denke ich.
Ich muss aber auch ehrlich zugeben, dass ich ihn im System mit einer Mittelfeldraute nicht sofort auf dem Platz sehe. Doch gerade die Varibilität von ihm dürfte für das Team enorm wichtig werden. Aufgrund dessen, dass er sich so schnell an das Level in der 2. Liga angepasst hat und technisch versiert ist, kann ich mir aber auch durchaus vorstellen, dass er in so ein Team und eine Rolle hineinwachsen kann und wir irgendwann feststellen, wie gut und wichtig dieser auffällig unauffällige Spielstil von Carlo Boukhalfa für den FC St. Pauli ist.
Herzlich willkommen am Millerntor, Carlo Boukhalfa!
// Tim
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Danke für das Profil!
Von der Beschreibung erinnert er mich an einen jüngeren Hartel (Eher zweite Reihe/ Zulieferer, statt Torschütze, aber eben enorm wichtig für den Spielaufbau).
Bin gespannt ob noch ein Spieler verkündet wird, der noch ähnlicher zu Kyereh ist. Ich meine, es war der Kicker der schrieb, nun sei der Weg für Kyereh frei – das klingt aber für mich bisher nicht als Ersatz für ihn.
Der Ersatz für Kyereh ist wohl eher Daschner. Interessant ist, dass wir mit Boukhalfa, Hartel, Irvine und Metcalfe mehrere Spieler haben, die, in unterschiedlicher Ausprägung, zwischen 6,8 und 10 wechseln können. Das würde sehr fluide Positionswechsel im Spiel erlauben und wäre für mich eine konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Prinzipien.
Danke für das Profil. Ich freue mich immer diese gute Mischung aus Fansicht und Statistiken und den Meiningen aus der alten Vereine zu lesen. Das gibt mir einen guten Eindruck, mit dem ich mir die Spieler dann später abgleichen kann. Weiter so! Immer weiter vor!
Forza Tom
Vielen Dank für die Vorstellung – ich gebe zu, ich gehöre auch zu denjenigen, die im ersten Momenten dachten „Aha, und wer ist das?“. Die Beschreibung liest sich jedoch ganz ordentlich, wohl auch ein Spieler für die Halbpositionen, ggf. auch gut als BTB-Spieler im 4-3-3 zu gebrauchen. Von der Beschreibung erinnert er etwas an Irvine, oder täusche ich mich da? Übrigens ist es vielleicht noch ganz interessant, dass er ein Linksfuss ist, nach den Abgängen von Becker & Buchtmann (und Dittgen) gibt es nicht mehr so viele davon im MF bei uns…
Danke für den Hinweis auf den linken Fuß! 👍
Wobei er im Video auch den rechten Fuß für den Abschluss verwendet. Er scheint da also nicht so einseitig zu sein.