Samstagabend, Flutlicht, Millerntor – der FC St. Pauli empfängt den 1. FC Heidenheim. Aufgrund eigener Unsicherheiten und Personalnöten, sowie der physischen Spielweise der Gegner wird es für den FCSP eine ganz schwierige Angelegenheit. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Böhmer)
Zur Vorbereitung auf das Spiel empfehle ich euch das „Vor dem Spiel“-Gespräch von Michael mit Dominic vom Podcast „Die Beste aller Zweiten“.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Personell sieht es ganz ok aus beim FCSP: Timo Schultz erzählte auf der Pressekonferenz vor dem Spiel, dass es aktuell bis auf Leart Paqarada und Christopher Avevor keine verletzten Spieler gibt. Ein kleines Fragezeichen gibt es aber noch bei all den Rückkehrern von den Länderspielen, da diese teilweise erst am gestrigen Donnerstag ins Training eingestiegen sind.
Zudem wird Jackson Irvine aufgrund seiner fünften Gelben Karte für das Spiel ausfallen. Während der Ersatz des verletzten Paqarada mit Lars Ritzka recht klar ist (Schultz gab ihm auf der PK eine Startelfgarantie), dürfte die Frage nach einem Ersatz für Irvine etwas kniffliger werden (siehe Abschnitt „Mögliche Aufstellung“).
1. FC Heidenheim: Wer kann spielen, wer fehlt?
Die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC St. Pauli mit „Allesfahrer“ Frank Schmidt hat anscheinend bis Freitagvormittag noch nicht stattgefunden. Jedenfalls kann ich sie in den tiefen Weiten des Internets nicht finden. Daher müssen wir uns in Personalfragen an der Situation vor der Länderspielpause orientieren: Damals fehlte „nur“ Kevin Sessa erkrankt auf Seiten der Heidenheimer. Gut möglich also, dass der FCH mit voller Kapelle am Millerntor antreten kann.
Was hat Heidenheim zu bieten?
Mal wieder eine stabile Saison bis zu diesem Zeitpunkt. Der 1. FC Heidenheim ist erneut ein Team, welches im oberen Tabellendrittel mitspielen und dort vermutlich auch am Saisonende landen wird. Das ist nun schon seit Jahren so, Ausreißer nach oben (Platz drei 19/20) und nach unten (Platz 13 17/18) bestätigen die Regel. Das Spiel der Heidenheimer ist so konstant auf diesem Niveau wie auch der Trainer an der Seitenlinie: Frank Schmidt ist nun bereits seit 15 Jahren Trainer auf der Ostalb. Respekt!
Drei Balken in der Pizza-Grafik reißen klar heraus: Zum einen ist die Anzahl an Gegentoren sehr gering. Der FCH hat bisher erst sieben Treffer kassiert und stellt damit die zweitbeste Defensive. Auch wenn der xG-Wert und die Anzahl an gegnerischen Torschüssen (übrigens: die wenigsten gegnerischen Torschüsse lässt der FC St. Pauli zu) eine etwas andere Sprache sprechen, so wird das Team von Frank Schmidt einmal mehr dem Ruf einer enorm defensivstarken Truppe gerecht.
Ebenfalls auffällig ist die hohe Anzahl an Flanken und Pässen ins letzte Drittel, die der 1. FC Heidenheim schlägt/spielt. Beides zeigt sehr gut die Spielweise des Teams an. Vor allem, wenn man zwei weitere Statistiken dazu kennt: Das Team führt die meisten Kopfballduelle und verzeichnet die meisten Ballverluste aller Zweitliga-Teams.
Das zusammen zeichnet die Heidenheimer Spielweise sehr gut nach. Denn nach Ballgewinn geht es für das Team immer recht strikt nach vorne, daher die meisten Pässe ins Angriffsdrittel. Aber diese vertikale Spielweise birgt eben auch das Risiko, dass der Ball schnell wieder weg ist, was dann die meisten Ballverluste zeigen. Dass dieser Weg nicht immer erfolgsversprechend ist, zeigt auch die Anzahl an „deep completions“, also an erfolgreichen Pässen nahe vor dem gegnerischen Tor, welche aus meiner Sicht einer der aussagekräftigsten Parameter ist. Hier liegt das Team nur auf dem 12. Platz in der Liga (Spitzenreiter: FC St. Pauli).
Die hohe Flankenanzahl in Verbindung mit den meisten Kopfballduellen zeigt dann, wie der FCH versucht in den Strafraum und zu Torabschlüssen zu gelangen. Das ist mit Tim Kleindienst im Zentrum und Jan-Niklas Beste auf der Außenbahn sicher auch eine sehr vielversprechende Variante. Auch Timo Schultz hebt die Kopfballstärke der Heidenheimer hervor, über die sie auch defensiv verfügen: „In der Luft werden wir relativ wenig Chancen haben.“, vor allem, da mit Jackson Irvine der kopfballstärkste Mittelfeldspieler der Liga ausfallen wird (basierend auf: >fünf Duelle pro Spiel).
Neben Kleindienst und Beste, die bereits in der Vorsaison oder schon seit Jahren in der zweiten Liga eine gute Rolle spielen, ist Adrian Beck im Zentrum der Heidenheimer Offensive hervorzuheben. Der kam vor der Saison vom SSV Ulm aus der Regionalliga Südwest und hat sich recht fix an das Level in der zweiten Liga gewöhnt.
Was Timo Schultz auch hervorhebt: Die Laufstärke der Heidenheimer. Die ist schon so ein wenig verwachsen mit der dortigen DNA, so scheint es. Denn seit nunmehr vier Saisons gibt es kein Team, welches mehr Laufstrecke, mehr Sprints und mehr intensive Läufe vorweisen kann als der 1. FC Heidenheim (Quelle: Bundesliga.de). Es ist wirklich das eine große Merkmal des Teams, personalunabhängig.
Aber wenn es ein Team in der Liga gibt, welches da ansatzweise mithalten kann, dann ist es der FC St. Pauli. Bei den intensiven Läufen und bei der Laufstrecke rangieren sie auf dem zweiten Platz, knapp hinter Heidenheim und weit vor dem Rest der Liga. Lediglich bei der Anzahl an Sprints sind sie nicht ganz oben dabei.
So können wir uns sicher sein, egal, wer auf dem Platz stehen wird: Es wird ein unfassbar laufintensives Fußballspiel.
Mögliche Aufstellung
Der 1. FC Heidenheim kommt dem Spielsystem des FC St. Pauli eigentlich entgegen. Das Team spielt normalerweise ein 4-1-4-1, welches rein von der Formation so ungefähr das schlechteste ist, was man gegen eine Mittelfeldraute aufbieten kann. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass Frank Schmidt beim letzten Aufeinandertreffen von jener Formation abwich und sein Team mit einer Dreierkette auf das Spielfeld schickte.
Personell dürfte es eher wenig Abweichungen von den Aufstellungen der letzten Spiele geben. Die Viererkette hinten ist recht stabil, davor spielt Jan Schöppner bereits seit längerer Zeit ebenfalls sehr konstant. Das Trio Kleindienst, Beste und Beck vorne ist ebenfalls gesetzt und nur wenn Sessa wirklich wieder fit ist, dann dürfte es überhaupt eine personelle Veränderung geben im Vergleich zum letzten Spiel.
Durch den Ausfall von Jackson Irvine ergeben sich schier unendlich viele Möglichkeiten, wie sich der FC St. Pauli personell und in Sachen Formation aufstellen könnte. Ich habe mich für eine Variante mit Connor Metcalfe anstelle von Irvine entschieden und der Rückkehr zur Mittelfeldraute, weil die gegen das 4-1-4-1 von Heidenheim passen würde. Dabei würde Lukas Daschner auf die Zehn rücken.
Grundsätzlich sind aber auch andere Formationen und personelle Optionen denkbar: Carlo Boukhalfa könnte ebenfalls die rechte Halbposition anstelle von Metcalfe spielen. Er wäre ein wenig die offensivere Variante. Schultz beschreibt die Unterschiede beider Spieler wie folgt:
„Carlo ist ein Spieler, der gerne den Ball fordert und Lösungen auf engerem Raum hat, gerne ins Dribbling geht und risikoreich spielt, gute tiefe Laufwege hat und Torgefahr ausstrahlt. Connor kommt immer besser in unser Spiel, hat Power im Zweikampf, auch Tiefgang und eine andere Klarheit im Spiel, löst Situation mit ein-zwei Kontakten. Die beiden sind sehr unterschiedliche Spielertypen.“
Timo Schultz über die Unterschiede zwischen Carlo Boukhalfa und Connor Metcalfe.
Sollte der FC St. Pauli aber nicht zur Mittelfeldraute wechseln, dann bedarf es eines anderen Spielers als Boukhalfa oder Metcalfe auf der Sechs neben Eric Smith. Ich tendiere dabei zu Marcel Hartel, weil er die beste Pressingresistenz aller FCSP-Spieler besitzt. Das würde dann bedeuten, dass er vom linken Mittelfeld ins Zentrum wechselt. Da Tempo ja ein Problem auf der Außenposition ist, könnte ich dann mir vorstellen, dass Luca Zander eine echte Option für die rechte Außenbahn ist. Dann würde Daschner nach links wechseln. Grundsätzlich wäre Etienne Amenyido auch auf so einer äußeren Mittelfeldposition vorstellbar.
Die eher defensivere Variante wäre es, wenn Afeez Aremu oder Betim Fazliji neben Smith auf der Sechs starten. Fazliji ist grundsätzlich ein gutes Aufbauspiel zuzutrauen, aber die andern Optionen halte ich für realistischer.
Es herrscht also einige Unklarheit in Sachen Aufstellung beim FC St. Pauli. Mich freut das fast ein bisschen, da es auch bedeutet, dass in Sachen Formation wieder was Neues passieren wird. Aber natürlich wird der Ausfall von Irvine und Paqarada ziemlich schwer wiegen und gerade der Spielaufbau dürfte andere Wege einschlagen (was den Blick umso mehr auf Marcel Hartel richtet).
Es ist Regen angesagt. Das Flutlicht wird den Platz erleuchten und wir dürfen uns auf ein intensives Spiel freuen. Also mein Herz schlägt in jedem Fall schon höher, ich hab richtig Bock!
Forza!
// Tim
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