Der FC St. Pauli vor dem Rückrundenstart

Der FC St. Pauli vor dem Rückrundenstart

Am Sonntag startet der FC St. Pauli gegen den 1. FC Nürnberg in die Rückrunde – mit neuem Trainer, veränderter Formation, vielleicht alten Problemen und einiger Ungewissheit.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Eine lange Winterpause neigt sich dem Ende entgegen. In drei Tagen tritt der FC St. Pauli zum Auftakt der Rückrunde beim 1. FC Nürnberg an. Und nach diesem Spiel wird man auch endlich wissen, wo genau der FCSP eigentlich steht, was Trainerwechsel, taktische Umstellungen und Neuverpflichtungen für einen Einfluss auf das Spiel haben.

Vier Testspiele hat das Team von Fabian Hürzeler absolviert. Gegen Union Berlin verlor man kurz vor Weihnachten knapp mit 2:3. Gegen den FC Lugano gab es im Trainingslager ein überzeugendes 7:2 und eine Woche später wurde gar Borussia Mönchengladbach mit 1:0 geschlagen. Die Generalprobe am Millerntor gegen den FC Midtjylland endete torlos. Und der Spielverlauf zeigte, dass es Bereiche gibt, in denen das Team einen großen Schritt vorwärts gemacht hat, aber das auch noch nicht alles Gold ist, was glänzt. So umgeben den FC St. Pauli vor dem Rückrundenauftakt noch kleinere und größere Fragezeichen.

Offensivspiel hakt

Nach dem Gladbach-Spiel hatte Fabian Hürzeler schon darauf hingewiesen, dass er noch nicht vollends zufrieden ist mit dem, was sein Team im Offensivspiel zeigte. Zu ungenau sei es oft gewesen, der berühmte letzte Pass habe oft gefehlt. Wie sehr es in den offensiven Abläufen noch ruckelt zeigte dann das Testspiel gegen den FC Midtjylland, bei dem ein Fernschuss von Manolis Saliakas die größte Gefahr für das Gäste-Tor erzeugte.

Zwar gibt es allein aufgrund der Positionierung im 3-4-2-1 schon Vorteile im Vergleich zum 5-3-2 aus der Hinrunde (bei Ballgewinn sind meist bereits drei Spieler vorne zu finden), aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es dem FC St. Pauli leichter fällt sich Chancen zu erspielen. Die sehr gut organisierte Defensive des FC Midtjylland stellte für den FCSP ein nahezu unüberwindbares Hindernis dar. Hürzeler sagte nach dem Spiel:

„Nach Ballgewinnen, davon hatten wir viele, waren wir nicht so konsequent wie in den vergangenen Spielen. Wir sind nicht so hinter die letzte Kette gekommen. Mit Ball war es in vielen Phasen zu unsauber, da waren zu einfache Fehler dabei.“

Fabian Hürzeler nach dem Test gegen den FC Midtjylland

Und so fühlte es sich dann doch wieder etwas nach Hinrunde an, was der FC St. Pauli auf dem Platz zeigte. So fühlte es sich wieder nach weiterhin fehlender offensiver Durchschlagskraft an, Umstellungen hin oder her.

Das wäre aber auch alles viel zu einfach gewesen, wenn es nun mit unverändertem Personal und leicht veränderter Formation sofort alles geklappt hätte. Das Toreschießen selbst dürfte auch in der Rückrunde eines der zentralen Themen für den FCSP sein. Die Zeiten, in denen sich alle sicher sein konnte, dass das Team schon zu seinen Chancen in der Offensive kommen wird, sind vorbei. Dieser Flow muss sich erst einmal wieder mühsam erarbeitet werden.

Hamburg, Deutschland, 27.12.2022 - Fabian Hürzeler leitet als Cheftrainer das Training des FC St. Pauli - copyright: Peter Boehmer
Fabian Hürzeler hat dem FC St. Pauli einen sehr laufintensiven, aber anscheinend sehr effektiven Defensivstil eingeimpft.
(c) Peter Boehmer

Defensivspiel überzeugt

Jene offensive Power, die der FC St. Pauli auf jeden Fall benötigt, wenn die Saison keinen kritischen Verlauf nehmen soll, ist aber nicht das einzige Thema, welches in der Wintervorbeitung auf der Agenda stand. Fabian Hürzeler setzte einen weiteren Fokus auf die defensive Stabilität. Angesichts von zuletzt zwei Testspielen ohne Gegentor, einer nur ganz kurzen Schwächephase gegen den FC Lugano, und einem allgemein sehr guten Eindruck zuletzt gegen den FC Midtjylland, darf hier durchaus von massiven Fortschritten gesprochen werden.

Eines der häufigsten Wörter, die Fabian Hürzeler bei seiner Antrittspressekonferenz verwendete, war „Balance“. Es gehe darum mit dem Team eine Balance herzustellen zwischen offensiver Power und defensiver Stabilität. Ist das gelungen? Zumindest scheint der FC St. Pauli mit neuer taktischer Ausrichtung nun wieder eine Basis geschaffen zu haben, mit der das Team etwas sattelfester in der Defensive steht. Die Abläufe im 3-4-2-1 scheinen zu sitzen. Vor allem nach Ballverlusten agiert man sehr diszipliniert und mit hoher Laufbereitschaft.

Das defensive Fundament, welches in den Testspielen einen stabilen Eindruck machte, ist genau die richtige Basis, um die notwendigen Nachjustierungen in der Offensive vorzunehmen. Es besteht also berechtigte Hoffnung, dass sich auch im Offensivspiel noch etwas entwickeln kann. Aber ein größeres Fragezeichen steht trotzdem dahinter.

Konkurrenz hat (auch) aufgerüstet

Während einer Vorbereitung einzuschätzen, wo ein Team steht, ist fast unmöglich. Vor allem, da man immer den Vergleich mit anderen Teams bemühen muss und dieser Vergleichswert eben auf den Leistungen in der Hinrunde beruht. Aber natürlich sind auch alle andere Teams, die eine latente Abstiegsgefahr umgibt (ich würde sagen alle Teams ab Platz neun in der aktuellen Tabelle zählen dazu), alles andere als inaktiv. Sowohl auf dem Transfermarkt, als auch im spieltaktischen Bereich dürften sich sämtliche Teams verändert haben.

Der FC St. Pauli hat mit Elias Saad, Maurides, Karol Mets und Dapo Afolayan vier hochinteressante Spieler geholt, von denen zumindest Mets auch direkt zum Rückrundenstart eine tragende Rolle übernehmen dürfte. Was all diese Transfers eint: Keiner dieser Spieler hat Zweitliga- oder Bundesliga-Erfahrung. Und damit wird es erheblich schwerer die Leistungsfähigkeit der Neuzugänge einzuschätzen.

Hamburg, Deutschland, 27.12.2022 - Maurides und Jakov Medic beim Training des FC St. Pauli - copyright: Peter Boehmer
Ob Neuzugang Maurides eine Soforthilfe für den FC St. Pauli sein kann, muss sich erst noch zeigen.
(c) Peter Boehmer

Das haben einige Clubs ganz anders geregelt. Vielerorts wurde auf Erfahrung gesetzt oder hochveranlagte Spieler von Bundesliga-Teams ausgeliehen. Der 1. FC Nürnberg hat mit Danny Blum, Benjamin Goller und Florian Flick genau jene Erfahrung ins Team geholt. Auch der SV Sandhausen holte im Winter mit Franck Evina, Raphael Framberger und Kerim Calhanoglu solche Spieler ins Team. Ebenso tat es Eintracht Braunschweig (Tarsis Bonga, Manuel Wintzheimer, Linus Gechter). Der 1. FC Magdeburg (Luc Castaignos) und der Karlsruher SC (Daniel Brosinski) holten jeweils einen vereinslosen Spieler, der massiv Erfahrung in Deutschland hat.

Der Vorteil, wenn man Spieler verpflichtet, welche die Liga bereits kennen: Es kann viel genauer abgeschätzt werden, wie die Spieler in der Liga zurechtkommen werden. Im Umkehrschluss bedeutet das für den FC St. Pauli, dass alle vier Transfers ein kleineres (Mets) oder größere Fragezeichen darstellen.

Es ist also wie in jeder Vorbereitung: Man tappt immer ein wenig im Dunkeln, was die eigene Stärke angeht. Sicher ist, dass der Auftakt mit Spielen gegen den FCN, Hannover 96 und den 1. FC Kaiserslautern knüppelhart ist und kaum Fehler verzeiht. Vielversprechend ist in jedem Fall, dass der FC St. Pauli defensiv einen stabileren Eindruck macht, als in der Hinrunde. Ob das aber vielleicht sogar zu Lasten der ohnehin nicht überbordenden offensiven Power gegangen ist, wird erst der Rückrundenauftakt in Nürnberg zeigen.
// Tim

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One thought on “Der FC St. Pauli vor dem Rückrundenstart

  1. Reine Spekulation, ob die Mannschaft wirklich stabiler sein wird. Außerdem müsste man den Vergleich zu den Spielen anstellen, in dem Smith die zentrale Position in der letzten Kette hatte. Denn das ist nicht neu. Vielleicht ist auch der neue IV ein guter Einkauf. Hoffen wir es.

    Generell zeigt sich wieder, Bornemann zockt. Im Abstiegskampf, wo schnell Ergebnisse gefordert und Nerven oft ein Thema sind, ist das sehr mutig. Man kann nur hoffen, dass er sich nicht verzockt. Das wäre ein unnötiger und bitterer Abstieg.

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