1. FC Heidenheim – FC St. Pauli: Stimmen und Statistiken

1. FC Heidenheim – FC St. Pauli: Stimmen und Statistiken

Einen knappen, aber verdienten Sieg feierte der FC St. Pauli beim 1. FC Heidenheim. Ausschlaggebend war eine bärenstarke Defensive in der zweiten Hälfte. Die Stimmen und Statistiken zum Spiel.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Bevor die Defensive des FC St. Pauli aber richtig gut wurde, musste erst einmal eine schwierige erste halbe Stunde überstanden werden. Der 1. FC Heidenheim setzte den FCSP im Spielaufbau mächtig unter Druck, welcher daraufhin ziemlich viele individuelle Fehler produzierte. Heidenheim nutzte diese Phase nicht, stattdessen ging der FCSP recht überraschend kurz vor der Pause in Führung und setzte dann in der zweiten Halbzeit die Messlatte für den Ausdruck „stabile Defensive“ ein gutes Stück nach oben. Die Analyse: Strafe für nicht bestrafte Fehler – auch das „Nach dem Spiel“-Gespräch von Casche mit Petra ist bereits veröffentlicht.

Trainerstimmen

Schmidt: „Darf uns so nicht passieren“

Heidenheim-Trainer Frank Schmidt war nach der Niederlage natürlich bedient. Denn nach seinem Empfinden hätte der 1. FC Heidenheim in der ersten Halbzeit „in Führung gehen müssen“ angesichts der Chancen, die sein Team gehabt habe. Stattdessen ärgerte er sich deutlich über die Entstehung des Gegentores: „Das Tor ist dann (Pause) schön, aber aus unserer Sicht zu billig nach einem Einwurf. Das darf uns so nicht passieren. Das wussten wir mit den Laufwegen beim Einwurf, dass sie immer wieder kreuzen, viel in Bewegung sind.“

Zwar sah auch Schmidt, dass sich der FC St. Pauli den Auswärtssieg aufgrund der guten Defensivarbeit verdient hat: „So wie es St. Pauli dann verteidigt hat, mit diesem Selbstverständnis, (…) haben sie es sich dann auch erarbeitet“. Doch aufgrund der Chancen in der ersten Halbzeit wiederholt er genau den Satz, den auch Mersad Selimbegovic nach der Niederlage gegen den FCSP letzte Woche sagte: „Ich sehe es schon so, dass wir uns einen Punkt verdient gehabt hätten“.
(By the way: Schaut euch gerne die gesamte Pressekonferenz an. Es lohnt sich, da Frank Schmidt, wie Hürzeler auch, eigentlich komplett von vorne bis hinten druckreif spricht und es dadurch sehr interessant ist)

Heidenheim, Deutschland, 08.04.2023 - Fabian Huerzeler, Trainer des FC St. Pauli, freut sich über den 1:0-Erfolg gegen den 1. FC Heidenheim - Copyright: Peter Boehmer - DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Fabian Hürzeler zeigte sich mit der Defensivarbeit seines Teams in Heidenheim hochzufrieden.
(c) Peter Boehmer

Hürzeler: „mentale Stärke gezeigt“

FCSP-Cheftrainer Fabian Hürzeler sah ein „intensives, aber nicht hochklassiges Topspiel“ und betonte, dass sein Team in den ersten 45 Minuten nicht besser gewesen sei („Ich glaube Heidenheim hätte durchaus in Führung gehen können nach unseren eigenen Fehlern im Spielaufbau) und die Führung „aus dem Nichts“ fiel. Zufrieden zeigte er sich aber mit dem, was der FC St. Pauli im Anschluss spielte:

„Was ich sehr, sehr gut fand war, wie meine Mannschaft das wegverteidigt hat. Sehr diszipliniert, auch mentale Stärke zu haben, mal auszuhalten. Heidenheim hat Druck gemacht, wir sind dann auch mal zwei-drei Minuten nicht aus der eigenen Hälfte rausgekommen, aber sind dabei trotzdem kompakt geblieben und haben uns gegenseitig unterstützt.“

Fabian Hürzeler nach dem Sieg in Heidenheim

Kern-Statistiken

Frank Schmidt erklärte, dass sein Team über die Außenbahnen durchbrechen, die Schienenspieler des FCSP in direkte Duelle zwingen wollte. Der FCSP zog sich aber recht konsequent in das eigene 5-4-1 zurück und konnte so den Raum auch auf den Außen kompakt halten. Das war dann doch schon bemerkenswert im zweiten Abschnitt. In zweierlei Hinsicht:
1. Weil es so gut funktionierte:
Besonders in den letzten 15 Minuten hatte man nicht mehr den Eindruck, dass der 1. FC Heidenheim noch zum Ausgleich kommen würde. Anstelle des Zitterns bis zum Schluss wurde der FCSP zum Ende hin eher immer stärker und konnte sich mehr und mehr befreien.
2. Weil es in dieser Konsequenz selten gespielt wird:
Mit einem Ballbesitzanteil vom 41.8% ging der FCSP Richtung Saison-Minimum, welches beim Derby (39.%) und im Hinspiel gegen Magdeburg (35.3%) aufgestellt wurde. Der PPDA-Wert liegt bei 19.4 für das Spiel, er war nie höher in dieser Saison, was zeigt, wie abwartend der FCSP agierte.

1. FC HeidenheimFC St. Pauli
10 (1)Torschüsse (auf’s Tor)9 (4)
11Fouls9
58.2%Ballbesitz41.8%
498 (81.2%)Pässe (erfolgreich)390 (72.8%)
69 (62.3%)…davon ins letzte Drittel (erfolgreich)47 (66%)
79 (67.1%)…davon lange Pässe (erfolgreich)70 (47.1%)
9Ballkontakte gegn. Strafraum12
7deep completions1
80 (75%)Defensivduelle (erfolgreich)58 (65.5%)
56 (48.2%)Kopfballduelle (erfolgreich)56 (51.8%)
8.6PPDA19.4
126.2kmLaufdistanz*126.6km
259Sprints*216
*Laufdistanz von Bundesliga.de

Vorwärts!

Wo wenig Ballbesitz ist, da sind auch wenige Pässe. Die Anzahl an Zuspielen war ebenfalls die drittniedrigste in dieser Saison. Ein Negativ-Rekord war die Quote erfolgreicher Zuspiele: Noch nie in dieser Saison hatte der FC St. Pauli weniger als 3/4 seiner Pässe zum Mitspieler gebracht. Der bisherige Tiefstwert lag bei 77.3% (1. Spieltag, vs. FCN). Nun wurde dieser Wert mit 72.8% deutlich unterboten und er beschreibt auch das Spiel recht gut. Denn der FCSP hatte große Probleme im eigenen Aufbauspiel, vor allem während der ersten Halbzeit.

Zwar ist die Anzahl an Pässen des FCSP mit 390 relativ niedrig (durchschnittlich spielt das Team knapp 485 Pässe pro Spiel), aber nicht die Anzahl an Pässen nach vorne (156 im Durchschnitt, 160 gegen Heidenheim). Die Anzahl an langen Pässen (70) war sogar nie höher. Das dürfte neben den vielen individuellen Fehlern im ersten Abschnitt eine Erklärung für die dann doch sehr geringe Erfolgsquote bei eigenen Pässen des FCSP sein.

Mit „Lunge“ Hartel zum Rekord

Einen weiteren beeindruckenden Wert produzierte der FC St. Pauli an diesem Samstagabend: Noch nie in dieser Saison legte das Team eine größere Laufdistanz zurück als die 126.6 Kilometer gegen Heidenheim (bisher waren die 124.5km im Rückspiel gegen den FCN das Maximum). Angeführt wurde das Team dabei von Marcel Hartel, der fast 14 Kilometer zurücklegte und auch in den Schlussminuten noch Sprints zur Eckfahne zog.

Bei der Anzahl an Sprints gab es auch einen Rekord, allerdings für den Gegner: Noch nie in dieser Saison sprintete ein gegnerisches Teams häufiger als der 1. FC Heidenheim. Die 259 Sprints sind sieben mehr als der FCN im Spiel gegen den FCSP zeigte – Interessant: Bei diesem Spiel lag auch der bisherige Rekord in der Laufdistanz des FC St. Pauli.
Die 216 Sprints vom FCSP sind übrigens durchschnittlich, der Rekord liegt bei 253 aus dem Spiel gegen Hannover vor wenigen Wochen.

Expected Goals

1. FC HeidenheimFC St. Pauli
1 / 1.2 / 1.1expected goals (xG)
(wyscout / DFL / fotmob)
0.8 / 1.2 / 0.8
0.5xG – 1. Halbzeit0.2
0.7xG – 2. Halbzeit0.6
0.9xG – herausgespielt0.7
0.2xG – Standards0.2
0.2xGOT*0.7
Sämtliche xG-Werte (sofern nicht anders markiert) stammen von fotmob
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.

Erneut war der FC St. Pauli seinem Gegner nicht bei den xG-Werten überlegen, sehr wohl aber bei den xGOT-Werten. Klar, der Treffer von Marcel Hartel hatte mit einem xG-Wert von 0.04 nicht unbedingt eine hohe Tor-Wahrscheinlichtkeit, aber die Qualität des Abschlusses war deutlich höher (xGOT: 0.18).

Auf der Gegenseite brachte der 1. FC Heidenheim überhaupt nur einen Abschluss in die Wertung (weil nur einer auf das Tor ging): Der Schuss von Tim Kleindienst Mitte der zweiten Halbzeit wurde aber klasse von Nikola Vasilj pariert. Und so steht zum siebten Mal in der Rückrunde die Null beim FCSP. Erst drei Gegentore gab es in den zehn Partien. Das ist einfach überragend.

Heidenheim, Deutschland, 08.04.2023 - Marcel Hartel (FC St. Pauli) erzielt das 1:0 gegen den 1. FC Heidenheim - Copyright: Peter Boehmer - DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Den kann man mal so machen – dachte sich Marcel Hartel bestimmt und nagelte den Ball unhaltbar in den Winkel
(c) Peter Boehmer

Einzelbewertung

Das Spiel zwischen dem 1. FC Heidenheim und dem FC St. Pauli stellte ein weiteres Novum für den FCSP in dieser Rückrunde dar: Zum ersten Mal wurde ein Team besser bewertet. Das Team-Rating der Heidenheimer von sofascore liegt knapp über dem des FCSP. Sowas kommt natürlich durch den vielen Ballbesitz der Heidenheimer, aber auch die starken Werte in den Duellen (80% gewonnene Defensivduelle) zustande. Ist aber natürlich scheißegal, eh klar 😉

Teamwhoscored / sofascore
FC St. Pauli(6.8 / 6.8) -> 6.8
1. FC Heidenheim(6.3 / 6.9) -> 6.6
Spieler
Nikola Vasilj(6.9 / 7.3) -> 7.1
Manolis Saliakas(6.7 / 6.8) -> 6.8
Adam Dźwigała(7.3 / 7.2) -> 7.3
Jakov Medić(6.8 / 6.7) -> 6.8
Karol Mets(7.2 / 7.3) -> 7.3
Leart Paqarada(7.3 / 7.1) -> 7.2
Jackson Irvine(6.9 / 6.2) -> 6.6
Marcel Hartel(8.5 / 8.1) -> 8.3
Connor Metcalfe(6.5 / 6.5) -> 6.5
Lukas Daschner(6.3 / 6.2) -> 6.3
Dapo Afolayan(6.6 / 6.9) -> 6.8
Berücksichtigt sind nur Spieler, die mindestens 25 Spielminuten auf dem Feld waren

Der Blick auf die Zweikampfwerte zeigt, wie gut vor allem die Innenverteidiger des FC St. Pauli unterwegs waren: Adam Dźwigała gewann 79% seiner direkten Duelle und war damit der FCSP-Spieler mit der besten Quote (mit mehr als zehn Duellen – zu Afeez Aremu kommen wir gleich noch…). Ihm folgen Jakov Medić (62%) und Karol Mets (55%), wobei hier jeweils auch die Offensivduelle mit reinzählen.

Stichwort Offensivduelle: Lukas Daschner zeigte eine große Energieleistung, wurde aber in den direkten Duellen konsequent von seinen Gegenspielern abgekocht und verlor alle 17 Offensivzweikämpfe. Connor Metcalfe hatte insgesamt Probleme überhaupt ins Offensivspiel zu finden (er gewann drei von zehn Duellen). Etwas besser kam da Dapo Afolayan zurecht, der mehr als ein Drittel der Offensivduelle gewann (7/20 – insgesamt führte er starke 34 Zweikämpfe und gewann davon 15). Trotzdem: Für die Offensive des FCSP war es besonders in den direkten Duellen ein ganz schweres Spiel.

Der am besten bewertete Spieler ist Marcel Hartel und das, nicht nur aufgrund seines Treffers und des enormen Laufpensums, völlig zurecht. Denn auch die 4/6 erfolgreichen Duelle in der Defensive (3 von 9 offensiv bedeuten die zweitbeste Quote beim FCSP) und die fünf abgefangenen Pässe müssen dazugezählt werden. Eine perfekte Quote bei den Pässen ins letzte Drittel und allgemein eine gute Passquote trotz stets hohem Druck, runden das Bild ab, wie man so schön sagt.

Eindruck hinterließen auch zwei Einwechselspieler: David Otto zeigte sich sehr agil und kombinationssicher, hätte seine Leistung durchaus mit einem Treffer bei einer seiner beiden Großchancen verdient gehabt. Ein Mitgrund für die starke Schlussphase des FCSP war aber ganz sicher auch Afeez Aremu, der das Spiel mit Einfachheit und Klarheit (ich würde wetten, dass auch Fabian Hürzeler genau diese beiden Worte benutzte) beruhigte und genau Null Fehlpässe spielte.

Stimmen

Dieses Mal reduziere ich das alles auf ein Zitat (ich war nicht in Heidenheim in der mixed zone und habe es daher von der Vereinswebseite entnommen). Das beschreibt den FC St. Pauli im Jahr 2023 ziemlich gut und darf zweifelsohne als der wichtigste Baustein von zehn Siegen in Serie angesehen werden:

„Man sieht Woche für Woche, dass wir uns den Arsch aufreißen und alle Bock haben zu verteidigen, um die Null hinten zu halten.“

Marcel Hartel

Ja, das sieht man. Und es bereitet uns große Freude.
// Tim

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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.

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6 thoughts on “1. FC Heidenheim – FC St. Pauli: Stimmen und Statistiken

  1. Danke für die Analyse. Kurze Frage: Angesichts der Riesenchance von Daschner kommen einem die 0,2% XG in der 1.HZ sehr wenig vor und angesichts des Lattentreffers und der anderen Großchance von Otto die 0,8 fürs gesamte Spiel auch. Wie kommt das zustande?

    1. Ich kann es mir nur so herleiten: Beide Chancen waren aus nicht ganz so günstigen Positionen, der Abstand zum Tor betrug jeweils mehr als 15 Meter. Da die Generierung von xG-Werten auf Positionsdaten beruht (es wird nicht jede Chance visuell nachgebessert), ist dieser Abstand entscheidend. So wird auch der Abstand der Gegenspieler einberechnet. Daschner hat zwar eine große Chance, aber Müller war sehr gut positioniert. Otto hatte noch einen Gegenspieler bei sich

      1. Interessant. Aber auch nicht so ganz wasserdicht das System. Nur so zum Beispiel: Dann ist Hartels Tor xG 0.04, weil der Schuss so schwierig war. Aber wenn derselbe Schuss vom Innenpfosten auf die Torlinie gesprungen wäre und dort ein anderer Spieler ihn einfach nur hätte reindrücken müssen, wäre es xG 0.96 gewesen. Richtig?

        1. Aye
          xG-Werte sind nur eine Addition zur Einschätzung von Leistungen. Stell dir vor das Team spielt tolle Angriffe, aber vor dem leeren Tor haut der Stürmer über den Ball. Da gibt es dann gar keinen xG-Wert.

  2. Ich habe Sonntag noch Darmstadt – Paderborn im Stadion gesehen. Die 10km, die beide Teams jeweils weniger gelaufen sind, waren gut erkennbar. Da gab es doch sehr viel mehr Zeit die Bälle anzunehmen und zu verarbeiten.

    Aremu wünsche ich mir häufiger, zumal er bei Seitenwechseln und langen Pässen eine höhere Erfolgsquote hat als Hartel/Irvine. Hartel könnte dafür eine Linie nach vorne rutschen für Metcalfe, der zwar immer mal wieder eine gute Offensivaktion hat, für mich in den Spielen aber doch zu blass bleibt.

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