Chapeau, Dapo!

Chapeau, Dapo!

Oladapo Afolayan hat bisher eine wohlüberlegte Karriere hingelegt, die ihn über den FC Chelsea, Amateurfußball und die Bolton Wanderers zum FC St. Pauli führte. Die Zusammenfassung seines Besuchs bei uns im Podcast.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Am Ende mussten wir eine enttäuschende Mitteilung machen: Nein, die „Chapeau, Dapo!“-Sticker sind aktuell nicht im Fanladen zu erwerben. Auch nicht von der Person, die darauf abgebildet ist. Machte aber nichts, Dapo Afolayan griff sich stattdessen gut gelaunt ein paar andere Sticker, verabschiedete sich freundlich und ließ das ebenso gut gelaunte Podcast-Team des MillernTon zurück.

Denn in der Episode 94 der MillernTon-Monatssendung hatten wir mal wieder einen Spieler zu Gast. Zuletzt war das James Lawrence Anfang 2020, kurz bevor die Corona-Pandemie alles lahmlegte. Auch dieses Mal wurde auf Englisch aufgezeichnet, denn Dapo Afolayan setzte sich vor das Mikro und sprach etwas mehr als eine Stunde über seinen durchaus untypischen Weg zum Profi, was dieser für Vor- und Nachteile mit sich bringt und was ihn vom FC St. Pauli überzeugt hat.
Im Folgenden haben wir das Gespräch übersetzt zusammengefasst. Selbstverständlich empfehlen wir Euch die komplette Folge mit seinen Originalaussagen.

Justus, Dapo, Maik und Tim sitzen rund um den Tisch im Fanladen, zwischen ihnen Podcast-Equipment.
Justus, Dapo, Maik und Tim (von links)

Fast bei Arsenal gelandet

Geboren wurde Afolayan 1997 in der Nähe von London, zog aber im Kindesalter in die Stadt in die Nähe des Wembley-Stadions. Seine ersten Berührungen mit Profifußball hatte er bei Arsenal, wo er in ganz jungen Jahren an einer Art Sichtungstrainings teilnahm. Fast wäre er, als großer Fan von Thierry Henry, auch dort gelandet. Doch als er mit neun Jahren richtig offiziell zu Arsenal hätte wechseln können, entschied er sich kurzerhand für den FC Chelsea.

Was ihn davon überzeugte? „Chelsea war damals einfach das Powerhouse in England, gewann die Titel. Zudem hatten sie sehr gute Jugendtrainer und durch die Trainingsplätze bestand eine Nähe zur ersten Mannschaft.“

Bis er 14 Jahre alt war, spielte er für die Blues. Doch dann vollzog Afolayan einen ungewöhnlichen Schritt: Das Angebot in der Jugendakademie des FC Chelsea zu spielen, dort auch ins Internat zu ziehen, schlug er aus – zugunsten der Schulbildung:
„Es gab eine Menge guter Jugendspieler, die nicht den Schritt in die erste Mannschaft geschafft haben. Wenn Chelsea einen Spieler brauchte, dann haben sie sich ihn gekauft, weil sie das Geld dazu hatten.
Die sicher für einen 14-Jährigen sehr schwere Entscheidung begründete er ganz rational und brutal analytisch:

Es ist einfach ein enorm großes Risiko, mit 14 Jahren aus der Schule herauszugehen, wichtige Jahre dort zu verlieren und wenn es nichts wird mit dem Fußball, das verlorene wieder aufzuholen.“

Je länger das Gespräch mit Afolayan dauerte, umso deutlicher wurde, wie wohl durchdacht und rational diese Entscheidung gewesen ist. Denn er sah sich selbst nicht als einen der besten Spieler seines Jahrgangs an, betonte, dass es später gut ein halbes Dutzend der Spieler aus seinem Team in europäische Top-Ligen geschafft haben. Das Gespräch zeigte auch, dass Afolayan diese wohl überlegten Entscheidungen auch weiterhin während seiner gesamten bisherigen Karriere, egal ob auf oder neben dem Platz, trifft und getroffen hat.

Über Kanada zum Studium

So kam es dann, dass Dapo Afolayan lange Zeit gar nichts mit Profifußball zu tun hatte. Nachdem er aufgrund eines Jobs seiner Mutter, für ein paar Jahre nach Kanada zog, fing er mit 18 Jahren an zu studieren: Bauingenieurwesen an der Loughbourough University in England. Ein Studiengang, den er heute nicht mehr wählen würde:

„Ich möchte zwar irgendwann weiterstudieren, aber nicht Bauingenieurwesen. Ich war in der Schule gut in Mathe und Naturwissenschaften, deshalb habe ich das damals ausgesucht. Heute bin ich mehr an Psychologie interessiert, wie der Kopf arbeitet, besonders beim Fußball. Das kann ich auch für mich bereits jetzt gut nutzen, denn es hilft mir auf dem Spielfeld.“

Von einer Profikarriere hat Dapo Afolayan natürlich geträumt, auch zu der Zeit, als er damit wenig Kontakt hatte – aber da kommt wieder die Rationalität ins Spiel: Er habe so viele gute Spieler erlebt, die es nicht schafften und war deshalb „auch immer realistisch“ und verzweifelte daher nicht am bis dahin unerfüllten Traum des Profifußballers.
Afolayan spielte sich über den Amateur-Fußball hoch in den Profibereich. Anfangs, um nebenbei sein Studium zu finanzieren. Später, mit dem Wechsel zu West Ham, gab es einen Wendepunkt in seinem Leben: Fußball stand fortan über der Bildung und nicht mehr umgekehrt.

Oladapo Afolayan mit West Hams U21 im November 2020 bei Portsmouth.
Dapo mit West Hams U21 im November 2020 bei Portsmouth. // (c) Naomi Baker/Getty Images via OneFootball

Dieser Weg über den Amateurfußball macht Dapo Afolayan zu einem besonderen Fußballprofi zwischen all jenen Spielern, die in Jugendakademien ausgebildet wurden. Und er weiß, was er daran hat, dass er über diesen großen Umweg doch noch den Sprung zum Fußballprofi schaffte:

„Ich bin sehr glücklich, dass es geklappt hat. Und besonders, dass es auf diesem Weg passierte. Denn dadurch kann ich es deutlich mehr wertschätzen.“ Denn „da unten“, wie Afolayan es so schön sagt, „spielen Leute für ihren Lebensunterhalt, für ihre Kinder. Es hat mir geholfen zu lernen, dass jedes Spiel etwas bedeutet. Es geht um die Jobs der Leute. Das hat mich in jungen Jahren sehr geprägt.“

Der Schritt in den Profibereich war aber alles andere als einfach. Bei West Ham musste er sich an das hohe Level gewöhnen. Und als er es erreichte, streikte der Körper aufgrund der Überbelastung. Es folgten wenig erfolgreiche Leihen zu Oldham und Mansfield. Gelohnt haben sich diese Leihen trotzdem, erklärt der 25-jährige, denn auch dort habe er viel über den Fußball und das dazugehörige Geschäft gelernt. Etwa als bei Oldham der von ihm als Mensch sehr geschätzte Paul Scholes als Trainer gehen musste, weil es rund um den Verein Probleme gab.

Über West Ham nach Bolton

Afolayan kehrte zurück zu West Ham und kam dieses Mal dort besser zurecht. Er trainierte teilweise mit dem ersten Team und feierte sein Debüt im FA-Cup. Und wenn es eine Stelle im Podcast gibt, die wir Euch von vielen wirklich guten Momenten empfehlen möchten, dann die, in der Afolayan die Zeit um sein Debüt für das erste Team von West Ham beschreibt („No one can take that moment away from me!“).

Dapo und seine Teamkameraden feiern im Mai 2021 den Aufstieg bei Crawley Town. // (c) Steve Bardens/Getty Images via OneFootball

Für Afolayan ging es ab Anfang 2021 weiter bei den Bolton Wanderers. Sehr erfolgreich sogar, denn der Klub stieg am Saisonende auf und in der Folgesaison war er mit 14 Treffern der beste Torschütze des Teams. Doch nur ein halbes Jahr später schaute er sich nach neuen Möglichkeiten um. Denn der Trainer konnte aufgrund eines veränderten Spielsystems nicht mehr so gut die Stärken von Afolayan ins Spiel integrieren. Die Entscheidung nach Deutschland zu wechseln war dabei, natürlich, alles andere als spontan – und sorgte für die ein oder andere Verwunderung, dass er nicht in England blieb. Mit Jadon Sancho und Reece Oxford habe er sich dazu ausgetauscht, weil beide in Deutschland spiel(t)en.
Und sowieso:

„Die Fans, die Stadien, die Infrastruktur, die Plätze, die Taktik, die Spieler in der 2. Bundesliga, sie verdienen mehr Respekt. Das Level in der 2. Bundesliga ist viel höher, als eine Menge Leute glauben.“

Dank YouTube und Airvine zum FC St. Pauli

Er hörte dann vom Interesse des FC St. Pauli, den er bereits von einem Jugendturnier und aus einer Copa90-Dokumentation kannte (schön zu hören, dass so etwas Einfluss auf Entscheidungen nimmt). Erneut traf Afolayan eine sehr rationale und analytische Entscheidung: „Ich habe dann geschaut, ob der deutsche Fußball zu meinem Spielstil passt oder ob die zweite Englische Liga gut wäre und ich da viel lernen würde.“

Dass Afolayan den gleichen Berater wie Jackson Irvine hat und dieser viel Positives berichtete, habe beim Transfer aber natürlich auch geholfen.
Doch ganz allein die Spielweise und die sportlichen Aussichten seien es nicht gewesen, die Afolayan vom FC St. Pauli überzeugt haben: „Mich als Spieler macht es sehr stolz für einen Verein zu spielen, der für gewisse Werte einsteht.“

Sich selbst sieht der 25-jährige in einem Prozess. Er ist dabei aber schon weiter gekommen, als anfangs vermutet: „Meine Entwicklung schreitet schneller voran als erwartet. Ich fühle mich besser angekommen, als in der Vergangenheit bei anderen Clubs.“
Diesen Prozess geht aus seiner Sicht auch der Verein, der damit eine Art Mentalitätswechsel betreibe:

„Ich weiß, dass der FC St. Pauli lange Zeit großartig neben dem Platz, aber auf dem Platz nur Durchschnitt war. Dies haben mir Leute über den Verein erzählt. Mir wurde vor meinem Wechsel gesagt, dass der FCSP ein stabiles Zweitliga-Team ist, welches weder auf- noch absteigt.
Und ich habe mich gefragt: Warum sollten wir nicht aufsteigen können? Warum können wir uns nicht verbessern? Ich denke, dass das eine Frage der Mentalität ist. Wenn wir das auf dem Platz erreichen, darauf zuarbeiten und weiter so großartig neben dem Platz sind – dann werden wir der perfekte Fußballclub.“

Hamburg, Deutschland, 01.04.2023 - Oladapo Afolayan und Jackson Irvine (beide FC St. Pauli) freuen sich über das Tor gegen den SSV Jahn Regensburg - Copyright: Stefan Groenveld
Dapo bejubelt sein Tor gegen Regensburg. // (c) Stefan Groenveld

Auf diesem Weg sieht er auch das Team schon weiter gekommen, als alle erwartet haben. Und wer weiß, wo es diese Saison noch enden wird. Als Afolayan im Winter 2021 zu den Bolton Wanderers wechselte, war das Team in Abstiegsnöten, lag auf Platz 20 – im letzten Saisonspiel feierte man, auch dank eines Treffers von Afolayan, den Aufstieg in die League One. Ob das alles auch beim FCSP direkt so enden wird? Dapo Afolayan sieht es, natürlich, analytisch: „Wir arbeiten auf ein Ziel hin. Vielleicht erreichen wir es schneller, vielleicht brauchen wir länger, aber so lange wir jeden Tag daraufhin arbeiten, sind wir auf dem richtigen Weg.“
// Tim

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6 thoughts on “Chapeau, Dapo!

  1. Danke für die Zusammenfassung. Mein Englisch ist einfach zu schwach um dem Podcast zu folgen.
    Ich glaube mit Dapo haben wir auf und neben dem Platz einen sehr guten Fang gemacht und ich bin gerne dabei während wir der perfekte Fußballclub werden 🙂

  2. Von mir auch: Danke für die (gut geschriebene!) Zusammenfassung! Ich komme in den nächsten Tagen nicht dazu, den Podcast wirklich entspannt zu hören, deswegen war das echt hilfreich. Und Dapo wirkt sehr reflektiert – hoffentlich hat er eine gute Zeit bei uns und wir mit ihm.

  3. Kurz mal zum Warmmachen für den nächsten Adventskalender:

    Das Jugendtunier muss wohl der Jenö Konrad U14-Cup gewesen sein. 😉

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