Was ist für den FC St. Pauli noch drin in Sachen TV-Gelder vor dem letzten Spieltag der 2. Bundesliga 22/23? Zumindest theoretisch noch einiges, praktisch war der Erfolg in Kiel aber enorm wertvoll.
(Titelbild: Stefan Groenveld)
Wenn es für Teams am Saisonende um wenig geht, dann wird er hervorgekramt: Der Verteilerschlüssel der TV-Gelder. Denn jede Platzierung kann wichtig sein für die Einnahmen der Klubs. Im Falle des FC St. Pauli wären am letzten Spieltag bzw. mit Ende der Relegation zusätzlich zum aktuellen Stand knapp mehr als 1,2 Mio Euro drin. Im schlechtesten Falle aber der Verlust von rund 600.000 Euro.
5-Jahres-Wertung von Interesse
Die genaue Verteilung der TV-Gelder liegt ein eher komplizierter Schlüssel zugrunde.
Generell gibt es vier Säulen:
- Gleichverteilung (50% der Gesamterlöse)
Jeder Club der Bundesliga erhält 25,3 Mio Euro, jeder Zweitligist 7,0 Mio Euro für den Zeitraum der Ausschüttungsperiode (21/22 bis 24/25). - Leistung (43% der Gesamterlöse)
Diese Säule wird in drei Teile gesplittet: Eine getrennte 5-Jahres-Wertung (23%), eine gemeinsame 5-Jahres-Wertung (19%) und eine gemeinsame 10-Jahres-Wertung (1%). - Nachwuchs (4%)
Hier geht es um die Einsatzminuten der eingesetzten U23-Spieler, die in den Klubs oder in Deutschland ausgebildet wurden. - Interesse (3%)
Basierend auf einer Markt- und Werbeträgeranalyse werden insgesamt drei Prozent der Erlöse verteilt. Hierfür werden die Interessen an den Clubs der Ligen in repräsentativen Stichproben abgefragt.
Klar, für die Gleichverteilung ist die aktuelle Platzierung egal, ebenso für die Säulen Nachwuchs und Interesse. Die Säule Leistung ist jene, auf die am Saisonende ganz genau geschaut wird. Und das machen wir jetzt.
Gewichtetes Punktesystem
Die Jahres-Wertungen basieren auf einem Punktesystem. Für Platz 1 in der 2. Bundesliga in dieser Saison gibt es 90 Punkte. Von dort geht es immer fünf Punkte aufwärts (= Platz 18 in der Bundesliga erhält 95 Punkte, Platz 17 erhält 100 Punkte) und fünf abwärts in der 2. Bundesliga. Das bedeutet, dass der FC St. Pauli als aktuell viertplatziertes Team der Liga am Saisonende 75 Punkte erhalten würde.
Auch die Vorjahre haben eine Relevanz für die 5-Jahres-Wertung, allerdings immer mit einem Abzug pro Saison von 20%. Das bedeutet: Für Platz vier in dieser Saison gibt es eben 75 Punkte. Für Platz vier in der Vorsaison 60, in der Vor-Vorsaison 45 und so weiter. Dieses Punktesystem gilt für die getrennte und gemeinsame 5-Jahres-Wertung.
Gemeinsam bedeutet, dass dabei alle 36 Clubs zusammen in einer Tabelle stehen, unabhängig von der aktuellen Ligazugehörigkeit. Aus dieser Wertung könnte also ein zukünftiger Zweitligist wie Hertha BSC bspw. mehr Geld bekommen als ein zukünftiger Erstligist wie Darmstadt 98. Einfach, weil Hertha in der Vergangenheit mehr Punkte für diese Wertung gesammelt hat.
Aber: Die Gesamtsumme, die hierüber ausgeschüttet wird ist eben auch viel geringer.
Zudem gibt es auch eine 10-Jahres-Wertung, bei der keine Gewichtung der Saisons stattfindet. Diese ist auch gemeinsam geführt. Dort hat der FC Bayern München in den letzten Jahren immer 36 Punkte erhalten. Das Schlusslicht der Wertung (= Platz 18 in der 2. Bundesliga) erhält entsprechend 1 Punkt. Mittelmäßige Zweitligisten erhalten aus diesem Topf eine hohe fünfstellige Summe. Das ist viel Geld, aber im Vergleich zu dem der anderen Töpfe eher wenig, weshalb ich das hier mal ausspare.
FC St. Pauli auf Platz 26
Genug der Erklärungen, aber dieser „fünf Punkte pro Tabellenplatz“-Modus musste einmal etwas genauer ausgeführt werden. Die Grundlage für die folgenden Rechnungen liefert übrigens die Webseite fernsehgelder.de.
Der FC St. Pauli steht in den 5-Jahres-Wertungen aktuell auf Platz 26, also knapp unterhalb der gewünschten „Top25“. Basierend auf dem aktuellen Tabellenplatz hat der FCSP am Saisonende 178 Punkte. Vor dem FCSP stehen zwei Clubs, die noch eingefangen werden können: Die SpVgg Fürth (188 Punkte) und Arminia Bielefeld (209 Punkte). Holstein Kiel (162 Punkte) könnte den FCSP noch abfangen.
Aktuell (Platz 8) würde der FCSP lt. der Rechnung von fernsehgelder.de 10.945.671 Euro erhalten.
Es könnte also im besten Fall noch zwei Plätze nach oben gehen, was in etwa einem Plus von 1,2 Mio Euro bedeuten würde (beide 5-Jahres-Wertungen zusammengerechnet). Oder aber es geht im schlechtesten Fall einen Platz nach unten, was einem Verlust von rund 600.000 Euro bedeuten würde. Das Durchschnittsgehalt eines Zweitligaprofis beträgt lt. NDR aktuell etwa 368.000 Euro.
Aber welche Bedingungen müssten erfüllt werden, damit der FC St. Pauli Fürth und Bielefeld noch einholt oder von Holstein Kiel noch eingeholt werden kann?
FCSP würde von Bielefelder Abstieg massiv profitieren
Am einfachsten ist die Rechnung im Fall von Arminia Bielefeld: Wenn die Arminia absteigt, dann verschwinden sie auch aus der TV-Geldtabelle und damit würden alle Teams dahinter um einen Rang aufrücken. Übrigens kann der FC St. Pauli durch einen Abstieg eines anderen Clubs (Braunschweig / Nürnberg) keinen Platz mehr gutmachen, denn diese liegen in der 5-Jahres-Wertung bereits hinter dem FCSP.
Damit der FCSP noch hinter Holstein Kiel zurückfällt, darf der Abstand in der Tabelle nicht weniger als drei Plätze betragen. Das bedeutet: Kiel liegt aktuell auf Rang zehn, kann aber am letzten Spieltag mit einem Sieg und entsprechenden Ergebnissen in anderen Spielen noch an Karlsruhe, Kaiserslautern und Hannover (Gegner von Kiel am letzten Spieltag) vorbeiziehen, wäre dann auf Platz sieben. Sollte der FC St. Pauli dann seinen vierten Platz nicht halten können (weil Düsseldorf und/oder Paderborn noch vorbeiziehen), zöge Kiel vorbei. Die Konstellation zeigt auf jeden Fall wie enorm wertvoll der Auswärtserfolg des FCSP letzten Freitag in Kiel gewesen sein könnte.
Gleichstand mit Fürth?
Sollte der FCSP am letzten Spieltag also nicht gegen den KSC gewinnen können, dann geht der Blick nach Kaiserslautern, wo Düsseldorf zu Gast ist und nur ein Sieg der Fortuna dazu führen könnte, dass Kiel noch am FCSP vorbeiziehen kann. Tricky: Bei einem Unentschieden gegen den KSC, müsste Kiel satte zehn Tore auf Karlsruhe aufholen, um vorbeizuziehen. Klar ist: Mit Blick auf die TV-Geldtabelle ist der letzte Spieltag mit den Duellen FCSP – KSC, FCK – F95 und H96 – KSV hochspannend.
Ähnlich spannend ist das Duell zwischen Fürth und dem FC St. Pauli, bei dem sogar noch ein Gleichstand möglich ist. Wir dröseln das mal auf:
- Wenn zwischen beiden Teams am Saisonende mehr als zehn Tabellenplätze liegen:
(Beispiel: FCSP auf 4, Fürth auf 15)
Dann überholt der FCSP die SpVgg. - Liegen weniger als zehn Tabellenplätze zwischen beiden Teams:
Dann bleibt Fürth vor dem FCSP. - Liegen genau zehn Tabellenplätze zwischen beiden Teams:
Dann herrscht Gleichstand in der 5-Jahres-Wertung und es dürfte zu einer identischen Ausschüttung beider Teams kommen, so wie es in der Vorsaison bei Heidenheim und Paderborn der Fall war. Das wären dann für den FCSP knapp 300.000 Euro mehr als es aktuell der Fall wäre.
So. Und jetzt kassiere ich den ersten Fall gleich mal wieder ein, weil er nur noch theoretisch möglich ist. Denn am letzten Spieltag treffen Braunschweig und Rostock im direkten Duell aufeinander und beide Teams könnten nur dann vorbeiziehen, wenn Rostock trotz Niederlage gegen Braunschweig zehn Tore auf Fürth aufholt, die Fürther also mit mindestens elf Treffern Differenz ihr Heimspiel gegen Darmstadt verkacken. Für den Fall des Gleichstands muss Fürth auf jeden Fall verlieren (weil sie ein so viel besseres Torverhältnis als die Teams unter ihnen haben), es darf kein Unentschieden bei Rostock-Braunschweig geben und der 1. FC Nürnberg muss seine Partie in Paderborn gewinnen. Aus TV-Geld-Sicht ist bei der Partie Rostock – Braunschweig übrigens Braunschweig Favorit des FCSP, weil das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Bielefeld in die Relegation muss.
Alles eher unwahrscheinlich
Nun mal ganz ehrlich: Alle drei Varianten sind dann doch eher unwahrscheinlich. Sowohl für das Kieler Überholmanöver, als auch den Fürther Gleichstand, müssten nicht nur die eigenen Ergebnisse passen, sondern auch einige andere. Und ob Bielefeld mit diesem Kader wirklich absteigt? Es sind Zweifel angebracht. Wahrscheinlich wird es also bei den knapp elf Millionen Euro bleiben. Sehr wichtig war hingegen der Sieg am Freitag.
So sollten wir uns beim letzten Spiel der Saison einfach in bester Hürzeler-Manier „auf uns konzentrieren“, mit einem weiteren Erfolg die Rückrunden-Rekorde brechen und ausbauen und wohlverdiente Spieler gebührend verabschieden.
// Tim
Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.
MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube
Moin, ist der Stand in der TV-Tabelle nicht auch wichtig, wenn es zu diesem Deal der DFL kommt? Ich dachte das wäre dann auch die Grundlage für die Verteilung. Und wäre es nicht auch so, dass Bielefeld (wenn sie absteigen), die eigentlich vor uns stehen und somit aus diesem Pott dann (viel) mehr als wir bekommen würden leer ausgeht – Und wenn sie dann vermutlich wieder aufsteigen die Kosten mittragen müssten?
Ja, wäre natürlich auch relevant. Aber da dort erst einmal Mitteoch abgestimmt werden soll, ob Verhandlungen gestartet werden, gehe ich davon aus, dass nicht die Tabelle dieser Saison relevant sein würde (wenn das überhaupt kommt).
Ja, dass ist ein Riesending, dass Drittligisten bei dem Investoren-Ding komplett leer ausgehen würden und auch bei einem Aufstieg teilweise nichts davon haben, wenn das Geld bis dahin schon verteilt ist. Dazu haben sich einige Drittligisten ja auch bereits geäußert.
Ergänzend: Stand jetzt wird bei dem Investoren-Deal von einer Streckung der Summe über fünf Jahre ausgegangen.
Und da dürfte dann (nehme ich zumindest an) jedes Jahr wieder das jeweils aktuelle Ranking zählen.
(Andere Lösungen wären zwar völlig bescheuert, aber ausschließen kann man da natürlich nichts.)
… und es wurde etwas mehr :
Der FC St. Pauli, Fünfter in der abgelaufenen Zweitligasaison, erfuhr mit einer Steigerung um 1,8 Millionen Euro auf 12,4 Millionen Euro den größten Zuwachs.
https://www.kicker.de/die-tv-geld-rangliste-der-2-liga-bei-schalke-und-hertha-wird-mehr-als-halbiert-955157/artikel