Jetzt treffen sie auch noch!

Jetzt treffen sie auch noch!

Nach Torflaute und Stürmer-Diskussion, ließ der FC St. Pauli satte 15 Treffer in den letzten vier Spielen folgen. Was ist passiert? Ein Blick in die Zahlen.
(Titelbild: Stefan Groenveld)

„Vor ein paar Wochen hatten wir noch eine Stürmer-Diskussion.“ – auf die Worte, die Hauke Wahl nach dem Spiel gegen den 1. FC Nürnberg fand, folgte ein Lächeln vom Innenverteidiger des FC St. Pauli. Nur drei Treffer gelangen dem FCSP in den ersten fünf Ligaspielen. Gleich dreimal spielte man 0:0. Zwar fing man sich auch wenige Gegentreffer in dieser Phase (zwei), doch das Problem war ausgemacht: Der FC St. Pauli hat ein Offensivproblem. Und ging mit dieser Thematik in die Länderspielpause.

Vier Ligaspiele später steht erneut eine Länderspielpause an und der Wind hat sich komplett gedreht. Auf die vier Unentschieden (drei davon torlos) folgten vier Siege, der FCSP erzielte satte 15 Treffer in diesen Partien. Von einer stotternden Offensive war keine Spur mehr. Was ist passiert? War es nur das fehlende Glück, was nun zurückkehrte? Hat das Team taktisch umgestellt? Und wieso ist Johannes Eggestein der beste Torjäger der Liga? Ein Blick in die Zahlen.

Verbessert in relevanten Bereichen

Der Blick auf die Torschuss-Statistiken zeigt bereits, dass sich der FC St. Pauli in der Offensive nochmal verbessert hat: In den ersten fünf Ligaspielen gab das Team knapp 15 Torschüsse pro Partie ab. In den letzten vier Partien waren es mehr als 20. Auch der xG-Wert ist gestiegen: Von 1,4 auf 2,1. Weil der FCSP nicht nur häufiger, sondern auch aus besseren Positionen abschließt (die Torwahrscheinlichkeit pro Torschuss ist ganz leicht von neun auf elf Prozent gestiegen), ist davon auszugehen, dass es dem Team besser gelingt, in die für den Gegner gefährlichen Zonen zu kommen. Diese These wird von den Zahlen klar gestützt: Der FC St. Pauli hatte in den letzten vier Partien deutlich mehr Ballkontakte im gegnerischen Strafraum als zuvor (von knapp 21 rauf auf etwa 28 pro Partie).

Ein entscheidender Unterschied dürfte die Art und Weise sein, wie der FC St. Pauli versucht, in die gegnerische Box zu gelangen. Die Gesamtzahl an Situationen, in denen das Team in den gegnerischen Strafraum kam, hat sich kaum verändert: Etwa 28 Mal pro Partie gelangt der FCSP in den gegnerischen Strafraum. Diese Zahl setzt sich aus drei Arten von Ballbewegungen zusammen: Dribblings, (flachen) Pässen und Flanken. Die Anzahl an Flanken hat nun aber deutlich abgenommen: In den ersten fünf Ligaspielen waren es durchschnittlich elf Flanken pro Partie, über die der FCSP in die gegnerische Box kam. In den letzten vier Spielen lag diese Zahl nur noch bei fünf, während die Anzahl an erfolgreichen flachen Pässen in die gegnerische Box anstieg.

Dapo & Elias: Top of the league!

Wir erinnern uns, dass Dapo Afolayan im ersten Ligaspiel nur von der Bank kam und danach zwei unglückliche Einsätze als Mittelstürmer hatte. Wie wichtig er für das Spiel des FC St. Pauli ist, zeigt seine Pizza-Grafik. Seine Zahlen sind überzeugend: Er kommt oft zum Abschluss, führt viele direkte Duelle, kreiert viele Torchancen, hat die meisten Ballkontakte im gegnerischen Strafraum und insgesamt viele erfolgreiche Offensivaktionen. Oft gibt es in den einzelnen Statistiken genau einen Spieler auf der offensiven Außenbahn in der Liga, der bessere Werte aufweist als Afolayan: Elias Saad. Der ist bereits so gut und es gibt noch so viele Bereiche, in denen man erkennt, dass da noch viel Potenzial vorhanden ist, Wahnsinn. Schaut mal:

Kern-Statistiken von Elias Saad (links) und Oladapo Afolayan (rechts), dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen offensiven Außenbahnspielern der 2. Bundesliga.

Ich bin ehrlich: So richtig passen die Grafiken von Saad und Afolayan nicht in diesen Artikel. Aber ich wollte sie unbedingt zeigen, weil damit deutlich wird, wie hoch die individuelle Qualität des Teams mit diesen Spielern ist.
Doch weiter im Text: Der FC St. Pauli sucht also andere Wege, um in den gegnerischen Strafraum zu kommen, als zu Beginn der Saison. Das hängt natürlich direkt mit dem veränderten Personal in vorderster Reihe zusammen. Bevor wir uns aber mit den fantastischen Zahlen von Johannes Eggestein befassen, möchte ich noch auf zwei weitere Zahlen aufmerksam machen, die ebenfalls als Erklärung für die verbesserte Offensive dienen:

1. Das Team hat seine Quote erfolgreicher Offensivduelle von 37 Prozent (erste fünf Spiele) auf 45 Prozent (letzte vier Spiele) raufgeschraubt. Verbessert haben sich da alle, die Erhöhung dieser Quote ist also nicht an einzelnen Spielern festzumachen.
2. Das Gegenpressing scheint besser zu laufen: Der FC St. Pauli gewinnt mehr Bälle in höheren Zonen auf dem Spielfeld. Zwar hat sich an der Gesamtzahl der Ballgewinne kaum etwas verändert (ist von 80 auf 82 gestiegen), doch in den ersten fünf Ligaspielen waren durchschnittlich 47 dieser Ballgewinne im gegnerischen oder mittleren Spielfelddrittel – in den letzten vier Partien waren es 54. Das ist statistisch mäßig signifikant, aber zumindest ein erster Hinweis darauf, dass es im Gegenpressing besser zu laufen scheint. Übrigens: Der FCSP hat sich in den letzten beiden Partien zwar zwei Gegentreffer durch Ballverluste im eigenen Drittel gefangen. Die Anzahl an diesen Ballverlusten hat sich aber verringert (von 17 auf 12 pro 90 Minuten im Vergleich der ersten fünf zu den letzten vier Ligaspielen).

Johannes Eggestein – Profil eines Torjägers

Es ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die Johannes Eggestein beim FC St. Pauli genommen hat. So lange war er draußen, musste zuschauen, wie seine Kollegen eine erfolgreiche Rückrunde spielten und dann zu Saisonbeginn das Tor nur noch selten trafen. Nach mehr als einem halben Jahr ohne nennenswerte Spielzeit, drängte sich der Name Eggestein in der Stürmer-Diskussion Ende August fast überhaupt nicht mehr auf – und wenn, dann nur bei der Frage, ob er den Verein noch verlassen würde, wenn ein weiterer Stürmer kommt. Der weitere Stürmer kam, Eggestein blieb – und der FC St. Pauli freut sich nun darüber, wieder einen echten Torjäger in seinen Reihen zu haben.

Die Spielweise des FCSP hat sich mit Johannes Eggestein auf dem Platz verändert. Bei eigenem Ballbesitz lässt sich der 25-jährige oft in den rechten Zehnerraum fallen, löst also seine Position im Sturmzentrum auf. Dadurch ist er für seine Mitspieler oft anspielbar. Viel öfter, als er es wäre, wenn er im Sturmzentrum verbleiben würde. Lars Stindl ist der einzige Mittelstürmer, der häufiger angespielt wird als Eggestein (Stindl weicht dabei oft auf die rechte Seite aus). Diese Spielweise ist wichtig für das gesamte Team. Eggestein schafft damit Verbindungen nach vorne, geht in den Dialog mit dem Mittelfeld, wie man im Fachjargon sagt. Doch ergibt sich aus dieser Spielweise, aus dem Verlassen der Position im Mittelsturm ein Problem mit der Besetzung im Strafraum? Nein, wie die Zahlen zeigen:

Kern-Statistiken von Johannes Eggestein, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Mittelstürmern der 2. Bundesliga.

In der 2. Bundesliga ist Johannes Eggestein der Spieler mit den meisten Ballkontakten pro 90 Minuten im gegnerischen Strafraum. Obwohl er im Aufbauspiel oft in den Zehnerraum fällt, ist er dann, wenn der FCSP einen Spieler in der Box braucht, auch dort zu finden. Und, noch viel besser: Er schafft es im gegnerischen Strafraum anspielbar zu sein, ist mit 6,9 Kontakten pro 90 Minuten führend in dieser Statistik. Diese Fähigkeit, dieses Raumgefühl, um im richtigen Moment anspielbar zu sein, ist nur ganz schwer zu trainieren. Eggestein besitzt diese Fähigkeit. Das tat er übrigens schon letzte Saison, denn auch 21/22 war er der Spieler mit den meisten Ballkontakten pro 90 Minuten im gegnerischen Strafraum.

Aus diesen vielen Ballkontakten macht Johannes Eggestein eine ganze Menge. Nur zwei Spieler schießen häufiger als er auf das gegnerische Tor. Rechnet man die Torschussvorlagen zu den eigenen Abschlüssen hinzu (zusammen in der Pizza-Grafik als „Chances created“ dargestellt), so gibt es keinen Spieler in der gesamten Liga, der pro 90 Minuten an mehr Torabschlüssen direkt beteiligt ist als Johannes Eggestein. Damit gelingt es ihm seine in anderen Bereichen nicht so ausgeprägten Fähigkeiten (Dribblings, Kopfballspiel) mehr als auszugleichen. Die Zahlen bestätigen, was auch im Stadion sichtbar ist: Johannes Eggestein ist einer der Gründe, warum der FC St. Pauli offensiv so stark verbessert auftritt.

Vorsprung im Konkurrenzkampf

Klar, vier Spiele sind noch eine etwas dünne Datenlage. Die Zahlen deuten aber mit Nachdruck darauf hin, dass der FC St. Pauli den Mittelstürmer mit dem notwendigen Profil in Person von Johannes Eggestein bereits in seinen eigenen Reihen hatte. Und nun ist Simon Zoller fit und einsatzbereit, wird am heutigen Donnerstag beim Testspiel gegen Werder Bremen (13:00 Uhr – Livestream) zum Einsatz kommen. Auch Maurides wird spielen, wie Fabian Hürzeler gestern nach dem Training ankündigte. Auf beide Spieler wurde beim FCSP lange gewartet. Diese Wartezeit hat Johannes Eggestein für sich genutzt und wird nun erst einmal mit etwas Vorsprung in den weiteren Konkurrenzkampf um die Mittelstürmer-Position beim FC St. Pauli gehen.

// Tim

Alle Beiträge beim MillernTon sind gratis. Wir freuen uns aber sehr, wenn Du uns unterstützt.

MillernTon auf BlueSky // Mastodon // Facebook // Instagram // Threads // WhatsApp // YouTube

Print Friendly, PDF & Email

5 thoughts on “Jetzt treffen sie auch noch!

  1. Moin, hast du Zahlen darüber, wie lange es dauert, bis ein verloren gegangener Ballbesitz wieder zurück erobert wurde? Ich habe diese Statistik bei der Frauen-WM öfters eingeblendet gesehen.

    Interessant wäre hier der Vergleich letzte 4 Spiele vs ersten 5 Spiele und innerhalb der Liga.

    Mein Eindruck (im Stadion, das kann natürlich schnell täuschen) gegen Berlin und Nürnberg war, dass extrem schnell ein verlorener Ball zurück erobert wurde. Das würde ja auch für ein gutes (verbessertes) Gegenpressing sprechen.

  2. Danke für die Analyse, vor allem bei den Grafiken geht mir das Herz auf. Und – was haben wir für eine geile Flügelzange! Wennd er Verein jetzt um Spenden bitten würde um Saad für 10 Jahre zu binden, ich wäre dabei!

  3. Ich frage mich: warum darf Jojo erst jetzt spielen?

    Klar ist, dass Jojo stark an seiner körperlichen Verfassung gearbeitet hat. Er sieht wesentlich muskulöser aus als noch vor einem Jahr und reißt extrem viele Kilometer ab (gegen Berlin über 10km in nur 70 Minuten).
    Aber die körperliche Verfassung wird zu Beginn der Saison ähnlich gut gewesen sein, als wir im Sturm über Hartel, Afolayan und Albers diskutiert haben. Und die Trainingsleistungen waren ja, wie man hört, auch sehr gut. Warum hat er dann seine Chance erst an Spieltag 6 bekommen, wenn auf der 9 bereits vorher so ein großer Mangel geherrscht hat? Das versteht ich einfach nicht

    Aber ist ja jetzt auch egal.. Jetzt haben wir auf der 9 einen hochklassigen Konkurrenzkampf zwischen Eggestein und Zoller. Von Problemposition zu Luxussituation innerhalb von 6 Wochen..

    1. Vielleicht war das tatsächlich ein Fehler und der Trainer hat erst mit den Spielen gelernt, dass Jojo auf dem Platz mehr bringt als seine vorherigen Aufstellungen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert