Vorbericht: FC St. Pauli – Karlsruher SC (11. Spieltag, 23/24)

Vorbericht: FC St. Pauli – Karlsruher SC (11. Spieltag, 23/24)

Der FC St. Pauli möchte am Samstag gegen den KSC seine Serie fortsetzen und kann dafür auf einen vollen Kader zurückgreifen. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Böhmer)

Zur Vorbereitung möchte ich das „Vor dem Spiel“-Gespräch empfehlen. Da hat sich Yannick mit Jörn Kreuzer unterhalten, der nicht nur über die aktuelle sportliche Situation berichtet, sondern auch über Vorfälle beim letzten Auftritt des FC St. Pauli im Wildpark und dessen Folgen, sowie über einiges an Gossip aus den oberen Vereinsebenen.
Und bevor wir in den sportlichen Teil einsteigen: Lieber Nord-Support, herzlichen Glückwunsch zu 15 stets stabilen Jahren!

Ein Blick zurück

Zwei Unentschieden gab es in der Vorsaison zwischen dem FC St. Pauli und dem Karlsruher SC. Das 4:4 im Wildpark markierte nicht nur das Ende der Hinrunde 22/23, sondern war auch das letzte Spiel von Timo Schultz als Cheftrainer des FC St. Pauli. Johannes Eggestein erzielte damals einen Doppelpack und legte zudem einen weiteren Treffer auf. Hier würde ich mich über eine Wiederholung freuen. Auch die damalige Torvorlage von Marcel Beifus für Eric Smith darf sich gerne wiederholen, allerdings müsste Beifus da schon einen kapitalen Fehlpass spielen.

Am Millerntor ist die Bilanz gegen den Karlsruher SC für den FCSP leider maximal durchschnittlich. Seit man wieder in der zweiten Liga spielt (also seit der Saison 11/12) gab es für den FC St. Pauli drei Siege, zwei Unentschieden und vier Niederlagen. Da darf sehr gerne dran gedreht werden.

FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?

Der Kader des FC St. Pauli ist jedenfalls bereit, um die Heimbilanz aufzubessern. Eric Smith, der in Paderborn aufgrund von Adduktorenproblemen aussetzen musste, ist bereits seit Wochenbeginn vollwertiger Teil des Teamtrainings. Abgesehen von Scott Banks und dem angeschlagenen Sören Ahlers, sind alle Spieler nicht nur Teil des Mannschaftstrainings, sondern auch spielbereit. Vor der anstehenden Englischen Woche könnte die Situation im Kader also kaum besser sein.

Karlsruher SC: Wer kann spielen, wer fehlt?

Der Karlsruher SC muss für die Partie gegen den FCSP auf drei Nachwuchskräfte verzichten: Efe Kaan Sihlaroglu, Eren Öztürk und Tim Rossmann (alle unter 20 Jahre alt) werden fehlen. Öztürk ist zwar unter der Woche wieder ins Teamtraining eingestiegen, ein Einsatz dürfte aber noch zu früh kommen. Zudem fehlen KSC-Trainer Christian Eichner zwei Innenverteidiger mit Daniel O’Shaughnessy und vermutlich auch Christoph Kobald. Kobald ist zwar wieder seit zwei Wochen im Training, hat aber seit Juli aussetzen müssen.

Den wohl schwerwiegendsten Verlust könnte es mit Mittelfeldroutinier Jerome Gondorf geben, der krankheitsbedingt am Donnerstag mit dem Training aussetzen musste. Laut Eichner liegen die Chancen bei 50/50, dass der erfahrene Stamm- und Führungsspieler mit im Zug nach Hamburg sitzen wird.

Was hat der KSC zu bieten?

Ein ganz, ganz großes Fragezeichen. Der Karlsruher SC ist wohl das darkeste Horse, die größte Wundertüte, die es in der 2. Bundesliga gibt. Nach zehn Spieltagen können nahezu alle Teams leistungsmäßig eingeschätzt werden. Es kann eingeschätzt werden, ob es gegen den Abstieg, um den Aufstieg oder um ein paar schöne Spiele und Weiterentwicklung geht. Nicht so beim KSC.

Ein „dark horse“

Nachdem bereits vor der Saison der Name KSC in steter Regelmäßigkeit fiel, als es um die Aufstiegsfavoriten ging, nach einem überzeugenden Auftaktsieg gegen Osnabrück, bei dem ich vor allem von der überbordenden Offensivpower beeindruckt war, und einem 2:2 gegen den HSV, bei welchem der Punktgewinn mehr als verdient gewesen ist, war ich komplett davon überzeugt, dass der KSC in dieser Saison zum ganz großen Wurf fähig ist. (Wow, was für ein langer Satz…)

Aus den folgenden sieben Spielen gab es aber nur noch einen einzigen Sieg und so lag das Eichner-Team nach neun Spieltagen auf Platz 14. Von Euphorie und auch der Spielfreude des Teams zu Saisonbeginn, war nur noch sporadisch etwas zu sehen. Beim hochverdienten Heimsieg zuletzt gegen Schalke 04, zeigte das Team dann aber wieder sein Gesicht vom Saisonstart. Und so muss man sich aus FCSP-Sicht fragen, welcher KSC da am Freitag nach Hamburg reisen wird: Der zahnlose Tiger zwischen Spieltag drei und neun? Oder aber das wie ein Aufsteiger spielende Team zu Saisonbeginn und zuletzt. Der KSC 23/24 ist somit aus meiner Sicht das unberechenbarste Team der gesamten Liga.

Mittelfeldraute als qualitatives Herzstück

Der KSC spielt in dieser Saison sehr oft mit einer Mittelfeldraute, teilweise aber auch mit einer Doppelsechs (Hürzeler zeigte sich auf der PK sehr gepannt, mit welcher Mittelfeldformation sie spielen werden). Funktioniert hat schon beides, was zu einem nicht unerheblichen Teil an der individuellen Qualität der vier dort agierenden Spieler liegt.

Natürlich sticht Lars Stindl hervor beim KSC. Der 35-jährige kam im Sommer, nach einer großen Karriere, in der er es in die Champions League und die Nationalmannschaft geschafft hat, zu seinem Heimatverein zurück, was in der durchkommerzialisierten Fußballwelt wohl fast die größtmögliche Fußballromantik ist. Er spielt meist auf der Zehn. Wenn der KSC mit einer Doppelsechs agiert, dann ist Stindl auch mal als zweite Spitze unterwegs. Hinter Stindl, im defensiven Mittelfeld, agiert mit Jerome Gondorf ein ebenfalls 35-jähriger. Auch Gondorf kickte einst in der Jugend für den KSC und hatte nach einer Bundesliga-Karriere bereits vor drei Jahren den Weg zurück in den Wildpark gefunden.

Deutschland, Hamburg, 28.05.2023, Fussball 2. Bundesliga 34. Spieltag, FC St. Pauli - Karlsruher SC im Millerntor-Stadion Marcel Hartel (FC St. Pauli) im Zweikampf mit Marvin Wanitzek (KSC) Copyright: Stefan Groenveld DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Ich mache hier mal ne richtig starke Wort-Bild-Schere, schreibe den KSC stark und zeige nur Bilder, auf denen die KSC-Spieler getunnelt werden (im Titelbild tut es Connor Metcalfe, hier Marcel Hartel).
(c) Stefan Groenveld

Deutlich jünger, nämlich erst 21, ist Paul Nebel, der noch bis Saisonende aus Mainz ausgeliehen ist. Letzte Saison überzeugte er vor allem in der Rückrunde mit acht Torbeteiligungen in elf Spielen. Er ist beim KSC neben Stindl für die kreativen Momente zuständig und spielt meist auf der halbrechten Rautenposition. Neben dem hochtalentierten Nebel und den beiden Rückkehrern mit Bundesliga-Geruch, geht der wohl wichtigste Spieler des KSC der letzten Jahre etwas unter: Marvin Wanitzek, inzwischen 30 Jahre alt, ist zweifelsohne einer der besten Spieler der zweiten Bundesliga. Und für den KSC war er mehr als einmal eine echte Lebensversicherung. Seit seiner ersten Saison in Karlsruhe (17/18, damals in der dritten Liga) hat er immer mindestens zwölf Torbeteiligungen pro Saison verzeichnet. Vorletzte Saison waren es 19, letzte Saison 22. Macht das mal nach.

Flankenabnehmer Matanovic

Für Fabian Hürzeler ist die Sache ziemlich klar: „Das Mittelfeld des KSC ist eines der besten der Liga“. Angesichts der einzelnen Spieler, möchte ich diese Aussage voll und ganz unterstreichen.
Vor diesem Mittelfeld befinden sich zwei Angreifer mit „sehr viel Tiefgang“, wie Hürzeler erklärt. Einer der Angreifer ist Fabian Schleusener. Der erzielte letzte Saison 13 Treffer und hat in den zehn Partien dieser Spielzeit bereits schon wieder sechs Torbeteiligungen vorzuweisen. Neben ihm ließ gegen Schalke 04 ein auf St. Pauli ziemlich bekannter Name aufhorchen: Igor Matanovic legte erst den Treffer von Stindl auf und traf danach höchstselbst. Sein erstes Tor seit über einem Jahr in der 2. Liga. Nach diesem Ausrufezeichen wird er sich ganz bestimmt darauf freuen, ans Millerntor zurückzukehren.

Gefüttert wird diese Doppelspitze zumeist mit Flanken. Vielen Flanken. Der Karlsruher SC schlägt mit Abstand die meisten Flanken der Liga. Hürzeler erklärt hierzu, dass der KSC von Außen „die Box bespielt, wenn sie keinen Druck kriegen“ und dann auch eine Vielzahl an Spielern in der Box habe (das erklärt, warum der KSC nicht nur die meisten Flanken schlägt, sondern auch die zweithöchste Flankengenauigkeit hat). Wenn sie aber Druck bekommen, führt Hürzeler weiter aus, dann können sie aufgrund der Mittelfeldraute (= viele Spieler im Zentrum) die Zwischenräume bespielen. Daher sei es für den FCSP „entscheidend, dass wir Druck auf den Ball kriegen auf den Außen, aber dann nicht den Zwischenraum öffnen.“

Unschlagbar?

OweiOwei, wie wollen wir gegen dieses Top-Team denn nicht untergehen? Ist das überhaupt möglich? Nein, der FC St. Pauli scheint gegen den KSC schlicht chancenlos zu sein!
Ist er natürlich nicht. Alles andere als das. Auch wenn an der Stärke des KSC-Mittelfelds ganz sicher etwas dran ist, so wollte ich den Spieß mal etwas umdrehen. Das überschwängliche Lob, welches dem FCSP aktuell Woche für Woche von der gegnerischen Seite entgegenkommt, einfach mal zurückgeben. Eine interessante Statistik, die das Abendblatt (€) in ihrem Vorbericht zum Spiel liefert: Die letzten sechs Gegner – der KSC eingeschlossen – des FC St. Pauli haben alle ihr Spiel davor jeweils gewinnen können. Gegen den FCSP konnte dann aber nur Paderborn was Zählbares mitnehmen.

Natürlich hat der KSC Schwächen. Sonst würden sie nicht auf Platz 14 stehen. Die Abwehr, insbesondere die Innenverteidigung ist alles andere als sattelfelst. Nur zweimal blieb das Team ohne Gegentreffer: Gegen Braunschweig (die schlechteste Offensive der Liga) und gegen die sich im tiefen Fall befindlichen Schalker. Zudem gelang es den Karlsruhern, wie eingangs erwähnt, in dieser Saison bisher nur teilweise die vorhandene Qualität und offensive Power auch auf den Platz zu bringen.

Mögliche Aufstellung

Ein weiteres Problem des Karlsruher SC zeichnet Jörn Kreuzer im VdS-Gespräch: Dem Kader fehlt es etwas an Tiefe. So könnte zum Beispiel ein Ausfall von Jerome Gondorf schwerwiegende Folgen haben. Nur 22 Feldspieler fasst der aktuelle Kader. Für fünf dieser Spieler kommt ein Einsatz eher nicht infrage aufgrund von aktuellen oder gerade erst ausgestandenen Verletzungen. Da setzt sich der Spieltagskader fast von selbst zusammen. Als Ersatz für Gondorf kämen jedenfalls Dzenis Burnic und Leon Jensen infrage, die aber beide nicht unbedingt das Profil des Routiniers erfüllen – was die Wichtigkeit eines Gondorf-Einsatzes noch einmal unterstreicht.

Erwartete Aufstellung beim Spiel des FC St. Pauli gegen den Karlsruher SC
Erwartete Aufstellung beim Spiel des FC St. Pauli gegen den Karlsruher SC

Smith kehrt zurück

Beim FC St. Pauli steht die Rückkehr von Eric Smith in die Startelf an. Er wird Adam Dźwigała auf die Bank verdrängen. Fabian Hürzeler hat in seiner bisherigen Amtszeit gezeigt, dass er eigentlich nur sehr selten personell rotieren lässt. Ob das nun vor der anstehenden Englischen Woche, mit drei Spielen in sieben Tagen, auch noch der Fall sein wird? Zumindest ist der Trainingsplatz gut gefüllt und viele Spieler haben sich in den letzten Spielen nach ihren Einwechslungen für mehr Spielzeit beworben. Ein wirklicher Qualitätsverlust aufgrund von personeller Rotation, scheint nicht gegeben.

Einer, der ganz besonders hervorsticht und den ich fast als besten 12. Mann der Liga bezeichnen möchte, ist Connor Metcalfe. Er überzeugte erst, in Abwesenheit von Jackson Irvine, im zentralen Mittelfeld und machte nun seine Sache auf der rechten Außenbahn gegen den SC Paderborn richtig gut. Auf der defensiven Außenposition hat er in der Vorsaison bekanntlich auch schon überzeugen können. Metcalfe ist also fast wie ein Schweizer Taschenmesser für Fabian Hürzeler. Dieses Mal ist es aber gar nicht so unwahrscheinlich, dass er auch ohne Ausfälle anderer Spieler jedweder Art in die Startelf rücken könnte.

Connor und Dapo? Elias und Connor? Dapo und Elias?

Denn Elias Saad hatte gegen Paderborn einen ganz schweren Stand, spielte eine schwache erste Halbzeit und wurde dann ausgewechselt. Fabian Hürzeler erklärte aber, dass Saad direkt am Tag darauf wieder voller Elan auf dem Trainingsplatz unterwegs gewesen sei. Wenn man dazu berücksichtigt, dass Saad in der Woche vor dem Paderborn-Spiel leicht erkrankt war, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei ihm nur um einen Ausreißer nach unten handelt, kein Loch in das er nun hineinfällt. Was dann automatisch den Scheinwerfer auf Dapo Afolayan richtet.

Ein Grund, warum ich dieses Fass der Besetzung der offensiven Außenbahnen aufmache, lieferte Fabian Hürzeler auf der PK: Er erklärte, dass er es eigentlich lieber hat, wenn beide Außen als „Inverted Winger“ agieren, also ihren starken Fuß auf der Innenseite des Spielfelds haben. Das ist bei Saad (Rechtsfuß auf links) gegeben. Bei Afolayan, wenn er auf der rechten Seite spielt, nicht. Wenn hingegen Metcalfe auf rechts spielen würde, dann würde das passen. Doch es geht bei dieser Frage nicht nur darum, was Hürzeler für sein Spiel am liebsten hat, sondern auch darum, was der Gegner anbietet und welche Spielweise dann vielversprechender ist. Hürzeler: „Es ist die Frage, ob du auf der Position eher Tiefgang brauchst, um hinter die Kette zu kommen oder eher Spieler, die schneller in die Verlagerung kommen.“

Mir fällt es tatsächlich richtig schwer einzuschätzen, wie die offensiven Außenbahnen des FCSP besetzt werden. Dapo links, Metcalfe rechts? Saad links, Dapo rechts? Saad links, Metcalfe rechts? Alles scheint möglich und – das ist eigentlich das Beste daran – alle Varianten klingen auch nach einer echt guten personellen Aufstellung. Die Qualität auf der offensiven Außenbahn beim FCSP ist wirklich hoch. Etienne Amenyido und Danel Sinani haben in meinen Überlegungen noch nicht einmal stattgefunden. Und wenn ich jetzt noch daran denke, wie gut die Ansätze von Scott Banks vor seiner Verletzung waren. Wow…

Ich schweife ab. Wie schon während des gesamten Vorberichts. Wenn ich nervös bin und große Lust auf das kommende Spiel habe, dann sprudeln die Wörter oft nur so aus meinem Hirn auf die Tasten und meine Finger versuchen hektisch die ganzen Gedanken durch schnelles Tippen einzufangen. Nur das unrythmische Klackern der Tastatur verschafft Linderung gegen meine aufkeimende Nervosität. Ich. Hab. Bock. Auf. Samstag. Ey. Forza!

// Tim

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