Der FC St. Pauli knackt fast die 900, Hürzeler ist imponiert, Smith angeschlagen und Treu voller Energie – die Stimmen und Statistiken zu FCSP vs. S04
(Titelbild: Peter Böhmer)
Damit der FC St. Pauli auch gegen Schalke 04 noch nach einem Rückstand zurückkommen konnte, brauchte es großen Glauben an die eigenen Stärken. Nur so konnte man weiter geduldig seinem Stil treubleiben, der dieses Team so stark macht. Was das Team auch stark machte, waren erneute taktische Umstellungen. Dieses Mal hatte der FC St. Pauli plötzlich wieder einen Zehner auf dem Platz und Smith blieb im Aufbau hinten kleben. Immer mal wieder was Neues also, man wird nicht müde – außer der Gegner. Die Analyse: Müde gespielt
Da heute bereits Mittwoch ist, sich morgen schon der Blick auf die Partie des FCSP in Elversberg richtet und ich leider nur zwei Hände mit insgesamt zehn Fingern (aktuell sogar nur neun, weil Sehnenriss im kleinen Finger – Football, Du Arsch!) und vor allem nur einen Kopf habe, fasse ich die Stimmen und Statistiken zum Pokalspiel in einem Artikel, jeweils etwas verkürzt, zusammen.
Trainerstimmen
Geraerts: „Stolz auf mein Team“
„Das Spiel lief sehr gut für uns. Wir waren gut organisiert, haben die Räume dort gut geschlossen, wo sie hätten Gefahr erzeugen können. (…) Auch in der zweiten Halbzeit waren wir gut organisiert. Der Elfmeter und andere Standardsituationen haben das Spiel entschieden.“
Wie sehr sich die Vorzeichen bei beiden Teams geändert haben, zeigen die Aussagen von S04-Trainer Karel Geraerts nach der Partie. Denn der FC Schalke hat offensiv ein schwaches Spiel gezeigt und stand defensiv vor allem in der zweiten Halbzeit lange nicht mehr so sicher und ließ einige gute Gelegenheiten zu.
Geraerts und seinem Team war bewusst, dass sie nicht viel den Ball haben würden: „Wie erwartet, hatte der FC St. Pauli mehr Ballbesitz. Das ist ihre DNA, so wollen sie Fußball spielen und sie sind sehr gut darin. Aber ich denke, dass wir es gut kontrolliert haben. Sie haben trotz viel Ballbesitz wenige Chancen kreiert.“
Die These mit „wenige Chancen kreiert“ greife ich gleich nochmal bei den Torschüssen und xG-Werten auf.
Aber nochmal: Dass der FC Schalke 04 ans Millerntor fährt, offensiv fast gar nichts auf die Kette bekommt, nicht verhindern kann, dass der FCSP diese Partie verdient gewinnt und sich der Trainer danach trotzdem zufrieden zeigt mit der Leistung seines Teams („Ich bin stolz auf mein Team“), zeigt, dass der FCSP aktuell einfach zu viel zu sein scheint, auch für den FC Schalke 04.
Hürzeler: „sehr imponierend“
Deutlich waren die Worte von Fabian Hürzeler zur ersten Halbzeit seines Teams: „Wir sind behäbig reingekommen, waren nicht gut in der Positionierung, waren schlecht im Passspiel, (…) waren nicht präzise genug.“ Die Probleme des FCSP lagen aber nicht nur am mangelhaften eigenen Spiel, sondern auch am hohen Aufwand, den die Schalker in der ersten Hälfte betrieben: „Schalke hat es sehr gut gemacht. Sie mussten aber sehr viel laufen, um die Räume zu schließen.“
Zur Halbzeit gab es dann Veränderungen beim FCSP, sowohl personell, als auch taktisch. Dann sei es „sehr dominant geworden“, erklärt Hürzeler, doch „im letzten Drittel war es immer noch so, dass wir den letzten Pass nicht konsequent gespielt haben.“
Aber weil der FC St. Pauli nun auch besser positioniert gewesen sei und Bälle schnell zurückeroberte, lief Welle um Welle auf das S04-Tor zu, was es für den Gegner besonders schwer machte, wie der 30-jährige Cheftrainer erläuterte. Zudem blieb der FCSP stabil in der Konterabsicherung („Schalke ist immer gefährlich, hat eine besondere individuelle Qualität. Das haben wir aber sehr, sehr gut wegverteidigt.“) und auch noch spät im Spiel die „Ruhe bewahrt und geduldig Fußball gespielt“, was Hürzeler „sehr imponierend“ fand. Trotz dieser Zufriedenheit mit der Spielweise, fand Fabian Hürzeler zum Ende seines Statements auch noch kritische Worte, auch wenn er mit der Reaktion seines Teams auf diesen Widerstand zufrieden war: „Wir hätten es lieber, dass wir die nächsten Spiele noch konsequenter verteidigen und nicht immer einem Rückstand hinterherlaufen.“
Kern-Statistiken
Fast 900 Pässe hat der FC St. Pauli gespielt. Das sind seehr viele. Aber na klar, die Spielzeit war auch eine halbe Stunde länger als üblich. Trotzdem: Selbst wenn man ein Viertel (also 30 Minuten) von diesen 898 Pässen abzieht, kommt man immer noch bei rund 670 Pässen heraus. Der bisherige Höchstwert lag diese Saison bei 644 Zuspielen (beim 5:1 gegen den 1. FC Nürnberg). Ein Ausdruck der großen Dominanz des FCSP.
FC St. Pauli | Schalke 04 | |
24 (9) | Torschüsse (aufs Tor) | 6 (2) |
10 | Fouls | 17 |
66 % | Ballbesitz | 34 % |
898 (88,5 %) | Pässe (erfolgreich) | 459 (83 %) |
91 (70,3 %) | …davon ins letzte Drittel (erfolgreich) | 47 (55,3 %) |
44 (63,6 %) | …davon lange Pässe (erfolgreich) | 59 (55,9 %) |
375 | erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte* | 119 |
37 | Ballkontakte gegn. Strafraum | 11 |
13 | Deep Completions | 4 |
71 (71,8 %) | Defensivduelle (erfolgreich) | 87 (62,1 %) |
50 (42 %) | Kopfballduelle (erfolgreich) | 50 (46 %) |
15.2 | PPDA | 17.4 |
Ebenfalls ein Ausdruck der Dominanz ist die Anzahl an erfolgreichen Pässen in der gegnerischen Hälfte, welche 3,5 Mal so hoch ist, wie jene des FC Schalke. Nur leider zog sich das nicht ganz bis ins letzte Drittel hinein. Der FC St. Pauli spielte dort hinein, auch aufgrund des Schalker Drucks, deutlich mehr Fehlpässe als sonst. Die Erfolgsquote von über 70 Prozent ist grundsätzlich zwar richtig stark, für den FCSP in dieser Saison ist sie aber klar unterdurchschnittlich.
Expected Goals
Erinnern wir uns an die Worte von Karel Geraerts, der sich mit seinem Team sehr zufrieden zeigte und sagte, dass man wenige Chancen zugelassen hätte. Wenn man den Elfmeter für den FC St. Pauli aus den Zahlen herausrechnet, dann landet man bei einem xG-Wert von 2,0 oder 2,1, je nach Anbieter. Das ist für Schalker Verhältnisse vielleicht sogar gut, weil sie in der bisherigen Saison einen Schnitt von deutlich über 2 beim gegnerischen xG-Wert haben. Der FCSP hat sich also, wie es ja auch bereits das Torschussverhältnis von 24 zu 6 anzeigt, dann doch eine ganze Reihe an guten Gelegenheiten erspielt, besonders in der zweiten Halbzeit. Das Team hätte das Spiel also durchaus schon früher komplett auf seine Seite ziehen können.
FC St. Pauli | Schalke 04 | |
(2,9 / 2,8) | Expected Goals (xG) (Wyscout / FotMob) | (0,6 / 0,5) |
1,6 | xG – herausgespielt | 0,4 |
1,2 | xG – Standards (inkl. Elfmeter) | 0,1 |
2,6 | xGOT* | 0,7 |
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.
Spielerstimmen
Eine Sache, die in den Daten auffällig war, ist die gute Quote bei den Defensivzweikämpfen. Das war auch im Stadion auffällig, dass es den FCSP-Innenverteidigern gut gelang, sich gegen die individuell starken Lasme, Karaman und Terodde durchzusetzen. Zusammen haben Smith, Wahl und Mets sehr starke 16 von 22 Duellen gewonnen. Nur einmal, ausgerechnet beim letzten Spiel gegen Schalke, war die Quote der gewonnenen Defensivduelle in dieser Saison höher als die fast 72 Prozent vom Dienstagabend.
Burchert hielt sich bereit – vor und während des Spiels
Ein Spieler, der durch den vielen FCSP-Ballbesitz und die wenigen Schalker Torabschlüsse fast einen ruhigen Abend verbrachte, war Sascha Burchert. Der seit Montag 34-jährige erklärte in der Mixed Zone in einem bemerkenswert lockeren Gespräch, dass er zumindest einige Tage zuvor von Torwarttrainer Marco Knoop darum gebeten wurde, sich „bereit zu machen“ für das Spiel gegen Schalke, was Burchert aber nicht „als Zusage, sondern Andeutung“ verstand.
So wirklich gefordert wurde Burchert dann selten. Nicht von Schalke, aber auch nicht von den Mitspielern. Durch die Umstellung mit dem zwischen den Innenverteidigern agierenden Smith, wurde Burchert bei Ballbesitz beschäftigungslos. So habe er es genießen können, dass er „dem Team helfen konnte“, auch wenn er gar nicht so viel gefordert wurde. Die geringe Beschäftigung von Burchert machte das Spiel für ihn aber schwierig, weil „man in wenigen Szenen den Druck hatte“ und man entsprechend trotzdem immer wachsam bleiben musste. Burchert zeigte in jedem Fall erneut, dass er ein verlässlicher Rückhalt für sein Team sein kann, auch wenn er im klassischen Torwartspiel noch weniger gefordert wurde, als in der ersten Runde von Atlas Delmenhorst.
Duracell-Hase Philipp Treu
Die Lautstärke, mit der Philipp Treu in die Mikros in der Mixed Zone sprach, war für den sonst eher ruhigen 22-jährigen schon bemerkenswert. Es dürfte zu großen Teilen auf das Adrenalin zurückzuführen sein, welches aufgrund der 120 kräftezehrenden Minuten und des Erfolges noch im Körper war. Wobei, was bedeutet hier eigentlich kräftezehrend? Während Marcel Hartel schon in der Verlängerung schwerfällig lief, immer wieder sichtbar pumpte, zog Treu noch den ein oder anderen Sprint an. Auch in der Mixed Zone stand einer der beiden quickfidel vor den Mikros, während der andere die Hände auf die Knie stützte.
Ein Vorwurf an Hartel ist das natürlich nicht. Er lief unfassbare 18,3 Kilometer (!) in den 120 Minuten. Die Zahlen von Treu dürften nur unwesentlich darunter liegen. Trotzdem wirkte er noch ziemlich frisch nach dem Spiel, wie er auch selbst erklärte: „Ich fühle mich eigentlich relativ gut. Die Athletiktrainer machen immer Spaß mit mir, weil sie wissen, dass ich ziemlich fit bin, haben mich heute noch gefragt, ob ich noch ein paar Läufe machen möchte“ (lacht).
Zufrieden war er mit der Leistung des Teams erst nach der Pause („Wir haben dann einfach kontinuierlich Druck gemacht und sie irgendwann knacken können.“), was wohl auch der Halbzeitansprache von Fabian Hürzeler lag: „Der Coach hat sehr gute Worte in der Pause gefunden. Er war nicht zufrieden mit der ersten Halbzeit, sagte, dass die Intensität, gerade auch gegen den Ball ’nicht St. Pauli-like‘ ist.“
Mit insgesamt 113 Ballaktionen (76 Prozent erfolgreich) hatte Treu auf jeden Fall großen Anteil am Erfolg des FCSP, agierte im ersten Abschnitt als rechter Schienenspieler, später dann aber auf der linken Seite und etwas zentrumslastiger. Auf beiden Positionen konnte er aufgrund technischer Finesse und vorhandenem Tempo für ordentlich Betrieb sorgen. Mögen tue er sowieso beide Positionen und auch, wenn er zentrumslastiger agiert. Er kenne diese dynamischen Positionsanforderungen aus Freiburg und warf dann 19,10 Euro ins imaginäre Phrasenschwein: „Im Endeffekt spiele ich da, wo mich der Trainer aufstellt.“
Smith versucht davon zu kommen
Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze schlich Eric Smith durch die Mixed Zone. Aber keine Chance, dieses Mal wollte ich ihn nicht entkommen lassen. Und dann stieg ich auch noch mit so einer ersten Frage ein „Du musstest ausgewechselt werden – was ist da los?“ (immerhin hatte ich ihm vorher Glückwünsche aufgrund des Sieges zukommen lassen)
„It’s my adductor again. We’ll see tomorrow morning. Hopefully it is not too bad, but it doesn’t feel great.“ (Es sind wieder die Adduktorenbeschwerden. Wir werden morgen mehr wissen. Hoffentlich ist es nicht so schlimm, aber es fühlt sich nicht so gut an) – uff!
Für die zweite Halbzeit, in welcher der FC St. Pauli nochmal ein gutes Stück dominanter wurde, hatte Smith eine Erklärung etwas abseits von taktischen Umstellungen: „I think in most games the opponents are getting quite tired when they play against us in the first half. That affects the second half. When they are a little bit more tired it is easier for us to play. That is how we want to play, we want to get them tired. It worked today and hopefully it will work more times this year.“ (Ich denke in den meisten Spielen werden die Gegner sehr müde, wenn sie gegen uns in der ersten Halbzeit spielen. Das hat Auswirkungen auf die zweite Halbzeit, weil es dann einfacher für uns wird, sie zu bespielen. Und genauso wollen wir spielen, wir wollen sie müde spielen. Das hat heute funktioniert und funktioniert hoffentlich noch weitere Male dieses Jahr.)
„Hätten es auch schon in zweiter Halbzeit entscheiden können“
Und wen wünscht sich Eric Smith jetzt im Achtelfinale? Erstmal wiegelte er ab („For me it doesn’t matter“), lüftete dann aber einen Traum: „For me it would be fun to play away in Dortmund. It is one of my favourite stadiums. Then of course Bayern München is always a dream.“ (Ich hätte Spaß auswärts in Dortmund zu spielen, denn es ist eines meiner Lieblingsstadien. Aber natürlich wäre auch Bayern München ein Traum).
Und jetzt mal ganz ehrlich: War das überhaupt notwendig, in diesem Spiel noch in die Verlängerung zu gehen? „Ich glaube, wir hätten es auch schon in der zweiten Halbzeit entscheiden können. Aber man muss es halt immer so nehmen wie es kommt,“ sagte Johannes Eggestein nach dem Spiel, der nun sechs Mal in den letzten fünf Spielen traf. Angesichts des nun bereits am Freitag folgenden Spiels in Elversberg sei es jetzt natürlich wichtig, „gut zu regenerieren“, aber dann auch den Fokus auf den Start des Spiels zu legen „dass wir da nicht in Rückstand geraten.“ Denn gerade hinten raus könnte es aufgrund der Kräfte nach 120 Minuten Spielzeit schwierig sein noch was zu bewegen, erklärt der Top-Torjäger des FCSP.
Sowieso begreife das Team den engen Spielplan als „Herausforderung“, wie Hürzeler nach Spielende erklärte, gehe aufgrund des Erfolgs mit einem positiven Gefühl in das Spiel und habe einen breiten Kader. Da warte auf den FCSP „eine der formstärksten Mannschaften“, sagt Hürzeler. Sie haben ihr letztes Spiel vor dem Aufeinandertreffen mit dem FC St. Pauli gewonnen. Wie zuvor auch Schalke. Und der KSC. Und Paderborn. Und Nürnberg, Hertha, Kiel… Keine Atempause, Geschichte wird gemacht!
// Tim
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Sofern nicht anders markiert, stammen sämtliche Statistiken von Wyscout.
Wo kann ich denn bei DFB-Pokal Spielen die „Laufleistung“ des Teams finden? Die üblichen Seiten geben die Info leider nicht her.
Nee, habe da auch nichts gefunden. Die 18,3km von Hartel hat der Verein genannt.