Das Wunder von Spiesen-Elversberg?

Das Wunder von Spiesen-Elversberg?

Die SV Elversberg mischt aktuell die 2. Liga auf. Aber wie ist sie dorthin gekommen? Natürlich dank eines Geldgebers. Aber etwas anders, als viele denken.
(Titelbild: Andreas Schlichter/Getty Images/via OneFootball)

Es ist tatsächlich das zweite Mal, dass der FC St. Pauli auf die SV Elversberg trifft. Ja, „die“, weil das SV für Sportvereinigung steht. Ende des Sommers 2020 trat der FCSP zum Pokalspiel bei der SVE an – und verlor, hochverdient, mit 2:4 (Business as usual). Der damalige Regionalligist schaffte dann in der Liga aber nicht den Aufstieg, musste darauf noch eine Saison warten. Zuvor galt die Regel, dass die gegen den FCSP in der ersten Runde spielenden Gegner auch am Saisonende aufsteigen. Die SVE schaffte es so gesehen mit einem Jahr Verspätung. Aus einem anderen Blickwinkel sogar mit deutlich größerer Verspätung.
(Der Podcast „Ein Dorfverein überrascht Fußballdeutschland“ des SR war eine der wichtigsten Quellen für diesen Artikel.)

Mehr Zuschauer, als das Dorf Einwohner hat!

Elversberg ist ein Ortsteil der Gemeinde Spiesen-Elversberg, liegt 16 Kilometer von Saarbrücken entfernt. Ähnlich weit weg liegt Homburg, direkt dran am Ort liegt Neunkirchen. Alles Ortsnamen, die man im Kontext der deutschen Fußballhistorie schon häufiger gehört hat. Doch wenn man sich in den letzten fast 20 Jahren nur mit den ersten zwei Ligen im deutschen Profifußball befasst, dann dürfte keiner dieser Orte irgendwelche Regungen auslösen (klammert aber bitte den DFB-Pokal aus, wo Homburg und Saarbrücken im Achtelfinale stehen). Ein Grund, warum die SV Elversberg so eine Erfolgsstory schreibt, dürfte auch damit zusammenhängen, dass rund um sie herum die Zeichen jahrzehntelang auf Misserfolg standen.

Weniger als 10.000 Menschen leben in Elversberg, um die Dorfverein-Stempel-Kiste mal aufzumachen. Die Größe ist dabei ein Problem. „Es fehlt alles“, sagte Bürgermeister Bernd Huf nach dem Aufstieg in die zweite Liga. Deniz erzählte im „Vor dem Spiel“-Gespräch, dass große Teile des Ortes während der Heimspiele gesperrt sind. Damit in Elversberg Zweitligafußball gespielt werden kann, musste und muss quasi alles an Infrastruktur neu entwickelt und gebaut werden. Teilweise wird sogar noch gebaut. Die DFL-Auflagen an einen Zweitligastandort wird der Verein erst 2025 erfüllen. Aktuell passen knapp 10.000 Menschen ins Stadion, zur Winterpause sollen es mehr werden.

Ein erfolgreicher Regionalligist

Wie es ist, in Elversberg zu verlieren, durften einige Teams der oberen Ligen aber schon zuvor erfahren, nicht nur der FC St. Pauli. In der Saison 22/23 verlor Bayer Leverkusen dort in der ersten Runde. Diese Erfahrung machte auch schon Hannover 96 in der Saison 10/11. Zwischen diesen beiden Siegen ist in Elversberg einiges passiert: Denn die SV Elversberg ist eigentlich ein alteingesessener Regionalligist. Mit Ausnahme der Saison 13/14, als man bereits einmal in der dritten Liga spielte, war der Verein immer Teil der Regionalliga (die ja bis 2008 der Unterbau der 2. Liga war). Seit Anfang der Achtziger gab es nur einmal eine zweijährige Abstinenz aus einer der ersten vier Ligen. Das ist ein wichtiger Unterschied zu Konstrukten wie in Hoffenheim oder Leipzig. Wobei man damals, in und nach der Saison 13/14, schon kurzfristig etwas zu sehr die Brechstange rausholte, Trainer und Spieler verschliss auf der Suche nach schnellen Erfolgen, wie im erwähnten Podcast erzählt wird.

Von diesem Hauruck-Verfahren hat man sich verabschiedet. Schnell ging es trotzdem: Am Ende der Saison 21/22 stand der Aufstieg in die 3. Liga fest, nur knapp mehr als ein Jahr später spielt die SVE in der 2. Bundesliga. In den sieben Jahren Regionalliga zuvor war der fünfte Platz 17/18 die schlechteste Platzierung. Im Herbst 2018 übernahm der heute immer noch an der Seitenlinie stehende Host Steffen den Cheftrainerposten in Elversberg. In den Kader wurden für das Projekt 3. Liga dabei zumindest keine oder kaum Ablösesummen investiert. Die SVE verpflichtet üblicherweise ablösefreie Spieler. Der Erfolg der SV Elversberg ist also nicht durch massive, schnell in den Kader gepumpte Millionen geschehen.

Zwar war der Aufstieg in die dritte Liga lange geplant, aber der Durchmarsch bis in Liga Zwei war zu schnell für die Infrastruktur, die seit den 90ern stetig mitgewachsen ist. Nach einer überragenden Saison 22/23 feierte die SV Elversberg mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga den größten Erfolg der Vereinsgeschichte.
Gespielt wird und wurde all die Jahre in der „Ursapharm-Arena an der Kaiserlinde“ (zu Beginn dieser Saison aber nicht, weil das Stadion noch nicht bereit war). So heißt das Waldstadion Kaiserlinde seit 2014 und liefert damit einen Hinweis, wie es die kleine SV Elversberg in die 2. Bundesliga geschafft hat. Denn natürlich kann harte Arbeit und sinnvoll genutztes Geld zu einem nachhaltigen Erfolg führen. Aber die Personen, die hart arbeiten, und das sinnvoll nutzbare Geld müssen trotzdem vorhanden sein. Und das kommt, wie so oft bei solchen Geschichten, primär aus einer Hand.

OSNABRUECK, GERMANY - SEPTEMBER 03: Head coach Horst Steffen of Elversberg looks on during the Second Bundesliga match between VfL Osnabrück and SV Elversberg at Stadion an der Bremer Brücke on September 03, 2023 in Osnabrueck, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Getty Images)
Horst Steffen ist seit 2018 erfolgreicher Trainer der SV Elversberg und lässt mit dem Team einen ansehnlichen Fußball spielen.
(Christof Koepsel/Getty Images/via OneFootball)

SV Elversberg – eine Familienangelegenheit

Aufsichtsratvorsitzender der SV Elversberg ist aktuell Frank Holzer. Präsident ist sein Sohn Dominik, der selbst auch als Spieler für die SVE in der Oberliga aktiv war. Dieses Amt hatte Holzer Senior ab 1989 inne, ehe es Dominik 2011 übernahm. Frank Holzer, der Name könnte einigen bekannt vorkommen. Denn er war selbst Fußballprofi, kickte von 1971 bis 1976 für den 1. FC Saarbrücken, wurde auch im Saarland (genauer: Neunkirchen) geboren. Mit dem FCS und Teamkollegen wie zum Beispiel Felix Magath stieg Holzer 1976 in die Bundesliga auf.

Es folgte der Wechsel zu Eintracht Braunschweig, wo er von 1976 bis 1980 spielte. Mit Braunschweig spielte er in der Bundesliga (insgesamt 39 Spiele, drei Treffer), ehe er am Ende der Saison 79/80 seine Karriere beendete. Mit nur 28 Jahren, aufgrund einer Knieverletzung. Ja, das war damals üblich, dass schwere Verletzungen zum Karriereende führten.
Auch wenn Frank Holzer nach seinem Karriereende noch als Trainer aktiv war – in den 90ern auch interimsweise bei der SV Elversberg – so ist seine andere Karriere bedeutender für die SVE. Nach einem erfolgreichen Pharmaziestudium (er hat bereits während seiner Zeit in Braunschweig studiert), arbeitete er zuerst als Apotheker, stieg dann aber in das Unternehmen Ursapharm ein, welches 1974 unter anderem von einem gewissen Albrecht Holzer, seinem Vater, gegründet worden war.

Das Pharmaunternehmen, spezialisiert auf Präparate der Augenheilkunde, hatte damals noch eine recht überschaubare Größe, wuchs aber unter der Leitung von Frank Holzer (seit 1988 Geschäftsführer) rasant. Der Umsatz lag 2020 bei knapp 250 Millionen Euro. Die bekannteste Marke von Ursapharm ist „Hylo“, welche auch das Trikot der SVE ziert. Frank Holzer ist auch aktuell noch, zusammen mit Dominik Holzer, Geschäftsführer von Ursapharm. Da beide auch eine bedeutende Funktion bei der SV Elversberg innehaben, Ursapharm Namensgeber der Spielstätte und eine Marke des Unternehmens Hauptsponsor ist, ist der Aufstieg der SV Elversberg untrennbar verbunden mit jenem des Unternehmens Ursapharm. Fast ein klassisches Mäzen-Szenario also. Oder?

Holzer, Ursapharm und die SVE

Nochmal zurück zum Weg von Elversberg in die dritte Liga: Der Verein investiert keine Unsummen in den Kader. Er wird die Spieler zwar natürlich auch nicht nur mit Butter und Brot bezahlen, aber Ablösesummen fließen selten bis nie. Und es wirkt nicht wie ein Szenario, bei dem der Erfolg sofort, mit aller Macht geschehen soll. Auch jetzt nicht, wo die SVE in der 2. Liga angekommen ist. Vize-Präsident Swen Hoffmann betonte, dass man in Elversberg „nicht größenwahnsinnig“ wird. Nicht so wie der Durchmarsch von der TSG Hoffenheim, die 07/08 als Zweitligaaufsteiger mal eben knapp 20 Millionen Euro an Ablösesummen in die Hand nahm. Nicht so wie RB Leipzig, die 14/15 knapp 23 Millionen Euro allein in Ablösesummen für neue Spieler investierten, den Aufstieg nicht schafften, im Jahr darauf nochmal 24 weitere Millionen für Ablösesumme ausgaben und sich dann, endlich, in die erste Liga verzogen.

Trotzdem ist man in Elversberg natürlich abhängig von Holzer und Ursapharm. Der Liga-Etat liegt nach Angaben von Frank Holzer im einstelligen Millionenbereich. Er erklärt, dass dieses „Saarländische Familienprojekt“, wie er es nennt, „bisher noch notwendig“ sei, möchte den Verein aber unbedingt unabhängiger davon machen. Zahlreiche andere Sponsoren sind inzwischen mit im Boot und steuern eine siebenstellige Summe bei. Die Liste der Sponsoren findet ihr hier. Mit Automarke, Sportwetten, Bier, Sportartikelhersteller und lokalem Lotto-Anbieter sind es die „üblichen Verdächtigen“ eines Profifußballclubs (Anmerkung: Ich konnte trotz intensiver Recherche nicht herausfinden, ob und welche familiäre Verbindung die beiden Holzer-Brüder hinter der „Holzer Group“ zu Frank Holzer haben).

Egal, wie man es dreht und wendet: Die SV Elversberg ist ein Dorfverein, kann aus dieser Ecke auch nicht rauskommen. Wer den verlinkten Podcast gehört hat, weiß aber, dass dies den Machern bei der SVE bewusst ist und nicht (mehr) als Makel empfunden wird. Die Arbeit im sportlichen Bereich und Struktur des Vereins, der seit Mitte der 90er stetig wächst, zeigen, dass dort in Elversberg mit Sinn und Verstand, statt mit Größenwahn und Hauruck gearbeitet wird. Trotzdem: Der übliche Reflex über Mäzene und finanzkräftige Unternehmen im Hintergrund zu mosern, ist sicher bei einigen vorhanden, wenngleich er vielleicht nicht unbedingt angebracht ist. Klar, ohne das Geld von Ursapharm, ohne das persönliche Engagement der Familie Holzer, würde in Elversberg sicher weiterhin maximal Regionalliga-Fußball gespielt werden. Das gilt aber für jeden Verein, der es, außerhalb von Großstädten, in den Profibereich schafft.

Strukturell, gerade weil es sich um eine sehr langfristige und langsamere Entwicklung handelt, ticken die Uhren in Elversberg anders, als bei vielen anderen Dorfvereinen, die es in den Profifußball geschafft haben und hatten. Die große Gefahr ist, dass man die SV Elversberg, immerhin ein Dorfverein, sowohl auf als auch neben dem Platz, unterschätzt.

// Tim

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5 thoughts on “Das Wunder von Spiesen-Elversberg?

  1. für mich macht das geld nich den unterschied. ich kenne die vereinsstrukturen der saarländer nicht, aber es riecht doch sehr stark nach „familienbetrieb“. heißt, die entscheidungen werden wohl kaum auf den jahreshauptversammlungen getroffen. da leistet sich ein mäzen ein teures hobby, um es mal provokant auszudrücken. und wenn der mal keine lust mehr hat oder ein anderes hobby interessant findet, was dann? sind die strukturen dort derart gefestigt, daß die sowas ohne qualitätsverlust kompensieren können? nachdem, was ich im artikel lese, wohl kaum. insofern steht der verein in einer reihe mit anderen vereinen, die hier auch genannt wurden. der unterschied liegt lediglich in der höhe der investitionen.
    und ich glaube, selbst der brauseverein aus leipzig finanziert sich mittlerweile zu einem großen teil aus dem spielbetrieb und is nich mehr vordergründig auf das sponsorengeld des namensgebers angewiesen. sprich: die könnten auch mit weniger brausegeld auf erstliganiveau überleben. das große geld von vor jahren war quasi ne anschubfinanzierung. ähnlich wird es bei elversberg sein, nur eben eins zwei nummern kleiner.

    1. Moin, ich seh es ähnlich wie Tim. 99% der Ober/Regionalligisten haben einen Sponsor/Mäzen. Leider lässt sich das sonst heutzutage kaum anders Abbilden. Die Frage ist ja immer wie und in welchem Umfang Geld reingesteckt wird. Es ist schon ein Unterschied, ob ich wie immer weitermache oder knapp 50Mio reinpumpe. Und ob ich einen „normalen“ Aufsteigerkader habe oder fast komplett auszutauschen.

      1. ich komme aus dem osten und hier is das, mit ausnahme der leipziger, ganz und gar nicht so (in jena wurde das mal mit nem belgischen investor probiert, was allerdings komplett in die hose ging). hier fehlen dafür ganz einfach die entsprechenden strukturen. ich will gar nicht so weit gehen und von wettbewerbsverzerrung schreiben. ich weiß auch nich, ob das hier wirklich gewollt wäre, das wohl und wehe eines ganzen vereins vom gusto eines mäzens abhängig zu machen. gut finde ich sowas trotzdem nich. fand ich nich gut zu papa heinz‘ zeiten, auch wenn er uns am leben gehalten hat, und finde ich nich gut bei leipzig, obwohl die die gründungsstadt des dfb und stadt des ersten deutschen fußballmeisters einen erstligaverein haben MUß, und finde ich nicht gut bei elversberg oder sonstwo.

  2. Ich habe gerade mal nachgezählt:
    Bei der Sponsorenübersicht führen sie neben VW als Marke auch noch 7 (sieben!) Autohäuser auf.
    Brumm-brumm, das Auto hat hoffentlich ’ne Bremse…

  3. Danke für die differenzierte Darstellung. Der SVE klingt für mich nach einem Drahtseilakt, der bisher aber von den Verantwortlichen gut und mit einer stabilen Perspektive geführt wird (und damit gefällt er mir besser als die üblichen Verdächtigen). Ich drücke ihnen die Daumen, dass sie diesen Weg weiter erfolgreich gehen.

    Und dafür brauchen sie ja unseren Zug nicht aufhalten. 😉

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