Eine Choreo des FC Hansa Rostock beim Spiel gegen den FC St. Pauli, Aufregung, Empörung – ermüdend und erwartbar. Und der Fokus auf das Wesentliche.
(Titelfoto: Fotostand / Voelker via Imago via OneFootball)
Stöckchen
Bereits in den Tagen vor dem Spiel war davon zu hören, dass die Fanszene von Hansa Rostock erneut eine Choreo vorbereitet, die den Rostocker Stadtteil Lichtenhagen beinhalten soll und damit auch die rassistischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen aus dem Jahr 1992 mindestens indirekt aufgreift. Erneut in einer Art und Weise, die auf der einen Seite schon ermüdend langweilig ist, auf der anderen Seite aber eben auch weiterhin komplett inakzeptabel ist und bleibt.
Klar: Fankultur besteht auch aus Provokationen. Das mögen einige nicht wirklich verstehen, aber es ist ein wichtiges Element von direkter Kommunikation zwischen Fankurven, anderen Fanszenen einen Spiegel vorzuhalten. Bei den gewählten Provokationen geht es aber in der Regel darum, auf Aktionen, Themen oder Probleme anderer Fanszene zu reagieren, diese Aktionen aufzunehmen und daraus eine Tapete/Choreo zu erschaffen, die den Gegner treffen oder ärgern soll.
Dies ist hier anders, denn die Provokation besteht aus einem Thema, welches mit dem Gegner selbst nichts zu tun hat – und es beinhaltet bereits die „Nee, so ist das nicht gemeint, Ihr überinterpretiert das!“-Exit-Strategie.
Am Samstag wurde im Bereich der SUPTRAS zu Spielbeginn eine Blockfahne hochgezogen, welche unter anderem das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen zeigte. Unter der Choreo stand „Plattenbau Rostock“ geschrieben. Zudem wurden Rauchtöpfe gezündet.
Das Sonnenblumenhaus, aus dem Rauch aufsteigt.
Das hat natürlich Alles nichts mit Allem zu tun, so wird die einfache Ausrede lauten. Der Plattenbau gehört zu Rostock, steht unter Denkmalschutz, das Sonnenblumenhaus ist Teil davon, bla bla. Bestimmt gibt es einen Fanclub der „Plattenbau“ heißt und genau jetzt den 100. Geburtstag feiert. Passt schon.
Doch egal, wie man es dreht und wendet: Viele Fans von Hansa Rostock haben sich dazu entschieden, dieses Haus, welches mit den rassistischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten von damals assoziiert wird, in einer Choreo gegen den FC St. Pauli zu zeigen – um zu provozieren. Eine Provokation auf dem Rücken der Opfer von damals. Das ist so erwartbar und ermüdend, aber trotzdem an Armseligkeit nicht zu überbieten.
Natürlich ist das ein hingehaltenes Stöckchen, über das wir springen sollen. Und wir haben intern länger diskutiert, ob wir dazu etwas schreiben oder es einfach ignorieren, zumal auch andere Medien dies inzwischen aufgreifen.
Aber provoziert uns diese verwendete Bildsprache? Ja, natürlich. Sie sollte uns alle provozieren. Alle, die einen Funken Menschlichkeit in sich tragen.
Teile der Fanszene von Hansa Rostock zeigen einmal mehr, dass ihnen kein Bodensatz tief genug ist, sie sich bereitwillig in ein noch tieferes Loch graben. Ja klar, das soll nicht als Pauschalisierung verstanden werden. Es gibt eine Reihe von Hansa-Fans, die anders denken, nicht so stumpf sind. Solange diese aber im Verein und im Fanblock nicht die Oberhand haben, wünschen viele dem Verein nur das Schlechteste.
Awareness
Was aber auch wichtig ist: Im Gästeblock interessierte und provozierte diese Choreo niemanden. Dank der baulichen Situation im Ostseestadion, kann man von dort nicht sehen, was im direkt danebenliegenden Bereich der SUPTRAS passiert. Das war letzte Saison noch etwas anders, als das Lichtenhagen-Banner mit der Sonnenblume extra in Richtung Gästeblock hing und man zumindest mit einem Blick über die zugeklebte Wand einen Eindruck erhaschen konnte. Eine Choreo in der Kurve kann man vom Gästeblock aus aber nicht erkennen, schon gar nicht im Detail.
Die Provokation ist also eben auch eine erst im Internet entfachte und wir wollen hier die Gelegenheit nutzen, sie in die richtige Richtung zu schubsen.
Jetzt, wo Ihr nämlich alle hier seid und diesen Text lest, kümmern wir uns lieber um ein Thema, welches „dank“ des hingehaltenen Stöckchens medial sicher mal wieder nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhalten wird, diese aber ganz sicher verdient hat.
Denn auch im Gästeblock wurde etwas thematisiert: // Instagram
- GEWALT GEGEN FLINTA* IST EIN MÄNNERPROBLEM!
- NOCH 15 FEMIZIDE BIS WEIHNACHTEN!
- MÄNNER MÜSSEN TEIL DER LÖSUNG SEIN!
- FRAUEN LEBEN FREIHEIT!
Dies war auf den Tapeten im Gästeblock zu lesen.
Gestern war der Internationale Gedenktag gegen Gewalt gegen FLINTA*.
170 getötete Frauen und Mädchen in Deutschland im Jahr 2023, dazu sehr viele, teils lebensgefährlich verletzte sowie viele bedrohte Frauen und Mädchen.
Und wäre es nicht schön, wenn wir eben diesem Thema mehr Aufmerksamkeit geben würden?
(Ja, dies schließt uns mit diesem Artikel durchaus ein, indem wir irgendwelchen bemühten Provo-Koggen schon wieder viel zu viel Aufmerksamkeit gewährt haben.)
Das Ignorieren von Hansa wird uns leichter fallen, wenn wir nächste Saison hoffentlich wieder in verschiedenen Ligen spielen – in welcher Konstellation auch immer. Das Bearbeiten des Themas „Gewalt gegen Frauen“ wird uns aber unabhängig davon wohl leider weiterhin beschäftigen. Dieses Thema daher im Stadion so prominent zu platzieren ist wichtig – der im Post des AK Awareness ausgesprochene Dank an die Fanszene des FCSP sollte aber natürlich in erster Linie dem AK Awareness selbst gelten.
Schade, dass es dann doch wieder von den Gedanken von solch einfältigen Personen überlagert wird, noch dazu im Ostseestadion, in dem (zumindest letzte Saison noch) Zettel mit dem Satz „Keine Weiber in den ersten drei Reihen“ verteilt wurden.
Immerhin: Im Gegensatz zu den letzten Jahren gab der FC St. Pauli schon mal eine richtige Antwort auf dem Platz. Versuchen wir also hier gemeinsam, das Thema jetzt auch in der medialen Aufmerksamkeit außerhalb des Rasens nach oben zu bringen.
Mehr Infos zum Thema beim AK Awareness und bei One Billion Rising.
// Tim & Maik
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Das Statement vom FC Hansa Rostock war jetzt auch nicht anders zu erwarten. War ja alles ganz anders gemeint … Und am besten „Die Gruppe sei seit vielen Jahren in der Hansa-Fanszene aktiv und zu keinem Zeitpunkt durch Aktionen oder Äußerungen aufgefallen, „die nicht mit den Werten des FC Hansa zu vereinbaren waren oder sind“.“ Wenigstens ein öffentliches Statement, welche Werte anscheinend bei denen gelebt werden.
Um das Niveau der Rostocker Ultraszene besser einordnen zu können, sollte auch erwähnt werden, dass offenbar das Vorsängerpodest im Gästeblock mit Fäkalien geschmückt wurde.
Suptras in ihrer analen Phase.
Ich finde es einfach nur peinlich, wenn man sich als Fanszene in die Tradition von bepissten Jogginghosen stellt.
Und die Reaktion der Clubführung zeigt, warum man das Problem nicht in den Griff bekommt.
Da bin ich sehr froh im richtigen Block zu stehen.
Vielen Dank, dass ihr auf die Awareness-Aktion aufmerksam gemacht habt.
Sehr gefreut habe ich mich auf der einen Seite, als ich nach dem Spiel im HansaForum spioniert habe: Es gab viele, gefühlt sogar deutlich mehrheitliche Beiträge, die die menschenverachtende Choreo aufs schärfste ablehnten und dem dortigen Vorstand vorwarfen, diesen Kack zu verharmlosen und nicht deutlich zu benennen, dass für Nazis kein Platz ist, auch nicht im Ostseestadion. Was die Ultraszene dort treibt, ist für mich auf der anderen Seite auch ein weiteres warnendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn einzelne Fangruppen in einem Verein zu großen Einfluss gewinnen und dadurch weitgehend rechtsfrei ohne Rücksicht auf die Mehrheit im Stadion dem Verein ihre eigenen Ideen und Vorstellungen aufzwingen können.
Dass die Merheit der Hansafsns solche Aktionen auch bescheuert finde glaube ich gern. Aber dann müssen sie halt auch mal Taten folgen lassen und mindestens das Stadion zu einem Ort machen an dem sich Nazis nicht freiwillig aufhalten. Ich weiß das ist einfach gesagt von außen aber wenn ich dann solche kriecherischen Statements vom Verein lese… das weißt du halt auch sofort Bescheid dass es da null Interesse gibt was zu ändern.
solange die verfasser*innen nur im internet die fresse aufmachen, wird sich da im stadion nichts ändern. vielleicht mal zusammentun und das präsidium unter druck setzen, statt nur in die tasten zu hauen. gibt ja scheinbar genug vernünftige menschen die diesen verein gut finden.
immer wieder geil zu lesen, wie sich leute wie du, die sich st. pauli irgendwann mit 20 ausgesucht haben, anderen vorwerfen nichts gegen nazis zu unternehmen. schön ins gemachte nest gesetzt und jetzt immer feste drauf.
ich glaub ja, wenn ein nazi über ausländer spricht und du über ossis, dann könnte ein hirnforscher feststellen, dass da die gleichen areale aktiv sind.
Und wenn das Nest nicht gemacht ist, bzw. da leider Nazis drin sitzen, dann kann man halt nichts machen, nicht mal wegbleiben? Kann es ja irgendwie auch nicht sein, oder?
ganz bestimmt wollte ich das damit sagen.
und wegbleiben? ernsthaft?
verdammt ist diese welt komplex. verdammt, ich steh leider nicht im RICHTIGEN block.
Um hier mal etwas vermittelnd einzugreifen:
Es ist auch mir oft ein Dorn im Auge, mit welcher gefühlten Überlegenheit viele FCSP-Fans auf andere Vereine schauen, nach dem Motto: „Warum bekommt ihr euer Nazi-Problem nicht in den Griff?“
Dies verkennt die Tatsache, dass dieser Kampf Ende der 80er auch beim FCSP nötig war, zu einer anderen Zeit, in gänzlich anderen Zahlenverhältnissen – und eben auch nicht friedlich stattfand. Inzwischen ist es hier eben der Elfenbeinturm, aus dem man mit Verachtung auf andere schauen kann, weil hier alles so toll ist (was im Übrigen auch nicht ganz stimmt).
Umgekehrt ist es natürlich auch klar, dass es schon ermüdend ist, jedes Jahr wieder den gleichen Mist aus Rostock mitzuerleben, der auch noch von der breiten Masse inkl. Vereinspräsidenten abgefeiert oder zumindest gerechtfertigt wird. Das sollten wir dann aber eben auch denen anlasten, die dafür verantwortlich sind – und nicht auch noch die bepöbeln, die eigentlich auf der richtigen Seite stehen (wozu ich TVSchmidt jetzt unbekannterweise nach seinen Beiträge hier zähle).
Will sagen: Es ist kompliziert, wie so oft.
Zusammenfassend könnte man auch sagen: Rostocker Ultras sind ein Männerproblem.
Ich bin seit 1980 Hansafan + Mitglied….. und daran wird sich nichts ändern. Ich finde die Choreo auch absolut geschmacklos und menschenverachtend. Das muss gesagt werden und da gibt es nichts zu deuteln, nichts Zweideutiges. Traurig und beschämend finde ich, dass der Clubchef Marien in seinem Interview der rechten Szene mit seine Aussage ein Freifahrtschein erteilt.
….und ja, Mehrheit ist gegen diese lauten Nazis. Es wird Zeit, dass die Stille aufhört und Hansafans gg die Nazis auch laut werden, nicht nur im Netz.
Falls die tm.de Hasser hier noch einen Grund haben wollen, tm.de zu hassen. Ich habe da mal ins Rostock-Forum geguckt, dort war eine gute interne Diskussion über das Plattenbaubanner und die meisten haben sich deutlich und mit vernünftigen Worten davon distanziert und hatten die Nase voll davon, dass die Rechten in der Kurve auch noch vom Präsidium „entlastet“ werden.
Und dann hat tm.de das Ganze mit dem Hinweis „keine politischen Diskussionen“ – in diesem Fall kann man das Wort ausnahmsweise tatsächlich benutzen – gecancelt. Oder geaxelt. Oder gespringert.
Ach du meine Güte.
Danke für das Wasser auf manche Mühlen 🙂
Leider kann ich oben nicht mehr antworten, deshalb hier.
Selbstverständlich kann ich jeden verstehen, dem irgendwelche „Pauli“-Maulhelden auf die Nerven gehen. Tun sie mir ja auch.
TVSchmidt ist aber einen einzelnen Poster frontal angegangen („leute wie du“) und hat ihm abgesprochen, etwas gegen Nazis zu unternehmen oder früher unternommen zu haben. Woher weiß er das?
Sollten die beiden sich kennen, wäre es hilfreich gewesen, dass auch zu erwähnen. Falls sie sich nicht kennen, geht seine „Alles-nur-Vourteile-gegen-Ossis“-Keule inlusive fragwürdiger Hirnforschungsanalogie angesichts eigener Vorurteile ins Leere.
Wer hier kurz nach einer weiteren Scheiß-Aktion von Hansafans in einem derart kräftigen Tonfall aufschlägt, wird zwei, drei Rückfragen ertragen können.