Der FC St. Pauli empfängt den Hamburger SV – Spitzenspiel. Derby. Stadtmeisterschaft. Millerntor. Freitagabend. Flutlicht. Alles ist drin. Der Vorbericht.
(Titelbild: Peter Boehmer)
Im „Vor dem Spiel“-Gespräch hat sich Michael mit Marco und Christian unterhalten und ist dabei relativ detailliert auf die mögliche Aufstellung und die aktuelle Auswärtsschwäche des HSV eingegangen.
Klar, besondere Spiele verlangen besondere Vorbereitung: Die Historie der Stadtmeisterschaft haben wir bereits vor mehr als zwei Jahren als opulenten Artikel runtergeschrieben. Diesen haben wir aktualisiert und möchten ihn Euch an dieser Stelle sehr empfehlen: Die Hamburger Stadtmeisterschaft – was bisher geschah.
FC St. Pauli: Wer kann spielen, wer fehlt?
Die personelle Situation beim FC St. Pauli ist auch weiterhin sehr positiv. Scott Banks fehlt aufgrund seines Kreuzbandrisses. Das war es dann aber auch schon. Fabian Hürzeler erklärte auf der Pressekonferenz, dass alle Spieler gut aus dem Rostock-Spiel herausgekommen sind. Somit kann der FCSP zum Start der Englischen Woche fast auf den vollständigen Kader zurückgreifen.
Hamburger SV: Wer kann spielen, wer fehlt?
Anders ist die Situation beim HSV, auch wenn es dort Rückkehrer gibt. Abwehrchef Sebastian Schonlau ist diese Woche zwar wieder ins Training eingestiegen, aber ein Comeback bereits gegen den FCSP wäre sehr verwunderlich. Allein schon, weil Schonlau bereits vor einiger Zeit dem Comeback näher war, aber aufgrund zu früher zu hoher Belastung einen empfindlichen Rückschlag erlitt. HSV-Trainer Tim Walter wollte einen Einsatz von „BaScho“ nicht ausschließen, erklärte aber auch: „Wir wollen da nichts überstürzen.“ Ebenfalls nicht dabei sein wird Mario Vuskovic, der aufgrund seiner Dopingsperre noch bis kommenden November gesperrt ist.
Schonlau und Van der Brempt mit dickem Fragezeichen
Während Schonlau immer wieder Wadenprobleme hat, ist bei Ludovit Reis die Schulter die Problemzone. Bereits in der Sommervorbereitung verletzte er sich dort, fiel längere Zeit aus. Nun macht die Schulter erneut Probleme, sodass der Leistungsträger auch im Derby sicher fehlen wird. Ein richtiger Pechvogel ist der hochtalentierte Anssi Suhonen, der seit der Saison 20/21 insgesamt 71 Pflichtspiele aufgrund von Verletzungen fehlte. Er hat sich das Wadenbein gebrochen, wie schon im Jahr 2022, und wird dem Team noch längere Zeit fehlen.
Wieder in den Kader zurückkehren könnte Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt. Ihn nannte Tim Walter auf der PK in einem Atemzug mit Sebastian Schonlau, das heißt, er versah seinen Einsatz mit einem großen Fragezeichen. Da die Ausfallzeit bei Van der Brempt aber wesentlich kürzer war, könnte ein Comeback schneller folgen. Auch er konnte jedenfalls diese Woche wieder beim Training mitwirken.
Beim Training mitwirken, aber nicht spielen kann Bakery Jatta. Der holte sich im Spiel gegen Braunschweig kurz vor Schluss seine fünfte Gelbe Karte ab und ist gesperrt. Ein herber Verlust, weil Jatta in dieser Saison leistungsmäßig einen Schritt nach vorne gemacht hat. Wieder zurück nach Gelbsperre ist hingegen Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic.
Was hat der HSV zu bieten?
27 Punkte nach 14 Spielen. Das ist eine ziemlich gute Quote, reicht aktuell aber „nur“ für den zweiten Tabellenplatz. Der Hamburger SV ist also, wie auch zuverlässig in den Jahren zuvor, sehr gut in die Saison gestartet. Besonders die ersten Spiele (vier Siege aus den ersten fünf Spielen) waren überzeugend. Es folgte dann aber eine Doppelklatsche, auswärts bei den Aufsteigern aus Elversberg und Osnabrück. Sowieso scheint Auswärts ein Problem für den HSV zu sein: Während man zu Hause alle sieben Spiele gewinnen konnte, gab es auf fremden Plätzen nur einen Sieg (in Hannover). Entsprechend betonte Walter auf der PK, dass es sich ja nicht um ein Auswärtsspiel, sondern um ein Derby handelt. Ob’s hilft, werden wir dann ja sehen.
Beste Offensive, anfällige Defensive?
Der HSV hat den höchsten xG-Wert aller Zweitligateams nach 14 Spieltagen vorzuweisen (knapp 32), erzielte aber „nur“ 28 Treffer (Düsseldorf hat einen Treffer mehr). Das Team hat zusammen mit dem FCSP die meisten Torschüsse abgegeben und sich die meisten Großchancen aller Zweitligisten erspielt. Wenig verwunderlich das Fazit von Hürzeler: „Sie können eine extreme Torgefahr erzeugen.“ Der HSV ist offensiv eine Wucht, das kann man nicht leugnen.
Auf der anderen Seite steht aber der siebthöchste gegnerische xG-Wert (mehr als 23). Weil sich das Team aber trotz dieses hohen Wertes nur 18 Gegentreffer fing, dürfte die Rechnung bisher für Walter & Co. aufgehen. Trotzdem deuten diese Zahlen erneut sehr klar auf ein Problem des HSV hin, welches bereits in den letzten beiden Jahren vorhanden war. Der Vorwurf aus Walter-kritischen Ecken: Die Offensivkraft, welche größtenteils auf individueller Qualität beruhe, habe einen zu hohen Preis. Es fehle an der richtigen Balance, sodass man defensiv immer wieder anfällig sei.
Unterschied in grundsätzlicher Spielidee
Fabian Hürzeler wollte sich, als er auf der Pressekonferenz mit der im vorherigen Absatz beschriebenen These konfrontiert wurde, nicht ganz entlocken lassen, ob die defensive Verwundbarkeit des HSV mit der offensiven Spielidee zusammenhängt. Er erklärte aber, dass der HSV Tormöglichkeiten zulasse, weil sie „offensiv geprägt“ seien, aber: „Ob das ein kalkuliertes Risiko ist, was sie eingehen wollen, kann ich von außen nicht beurteilen.“
Sicher ist aber, dass sich der FC St. Pauli und der Hamburger SV sportlich unter anderem in diesem einen Punkt massiv voneinander unterscheiden: Fabian Hürzeler betont immer wieder, dass die Arbeit gegen den Ball die Basis für den Erfolg seines Teams sei. Die Spielidee von Tim Walter scheint als Basis die eigene Torgefahr zu haben. Klar, beide Seiten haben auch sichtbare Konzepte und Ideen auf der jeweils anderen Seite des Spielfeldes (und sind dort ja auch erfolgreich). Trotzdem wirkt es so, als seien die Startpunkte, von denen aus die jeweilige Spielideen aufgebaut werden, denkbar weit voneinander entfernt.
Glatzel als Fixpunkt
Beide Teams legen einen Fokus auf das eigene Spiel, wollen gerne den Ball in den eigenen Reihen haben. Im letzten Drittel aber unterscheiden sich die Herangehensweisen. Zwar suchen sowohl der HSV als auch der FCSP häufiger das Dribbling – Elias Saad und Dapo Afolayan liegen in der Liga bei der Anzahl auf Platz eins und drei, dazwischen liegt Jean-Luc Dompé – doch die Folgeaktion ist beim HSV viel häufiger die Flanke. Fast 19 Stück davon gibt es pro Spiel, die drittmeisten der Liga.
Der Grund für diese Flankenlastigkeit lautet Robert Glatzel. Der ist als offensiver Fixpunkt auch in der Luft sehr gut anspielbar und wird daher auch oft per Flanke gesucht. Mit zehn Treffern ist er aktuell der beste Torschütze der Liga. Basierend auf einem bemerkenswerten xG-Wert von 10,8 sind das vielleicht sogar zu wenige Treffer. Der zweithöchste persönliche xG-Wert liegt bei 7.6 (Ragnar Ache, der aber auch deutlich weniger Einsätze hat), der Abstand ist also sehr groß. Da Glatzel auch noch fünf Treffer aufgelegt hat, ist er an mehr als der Hälfte aller HSV-Tore direkt beteiligt. Das spricht für seine enorme Qualität, aber nicht für den HSV, weil eine gewisse Abhängigkeit vorhanden ist.
Meffert unbeteiligt – und doch wichtig
Jonas Meffert ist als Sechser des HSV, des Teams mit dem zweitmeisten Ballbesitz der Liga, bemerkenswert unbeteiligt am Spiel. Er bekommt im Schnitt 25 Zuspiele pro Partie. Das ist ein niedriger Wert. Werte von deutlich über 30 sind üblich. Das ist besonders bemerkenswert, da Meffert eigentlich als sehr passsicherer Spieler gilt, der die Rolle des tiefen Spielmachers gut übernehmen könnte. Bei der Beschreibung der Spielweise des HSV erwähnt Fabian Hürzeler aber ein sehr interessantes Detail: „Sie lassen bewusst einen Raum vor der Abwehr frei, Meffert schiebt sehr hoch. Durch Spielen und Gehen wollen sie in diesen Raum reinlaufen oder reinspielen.“
Die oft fehlende Beteiligung von Jonas Meffert am Aufbauspiel ist also ein bewusstes Element des HSV, der sich, wie auch der FCSP, oft mit fünf Spielern in vorderster Linie positioniert. Der Weg nach vorne ist aber ein anderer beim HSV als beim FCSP. Unter anderem durch den freien Sechserraum, der beim FCSP oft nicht nur einfach, sondern teilweise doppelt oder dreifach besetzt ist. Der HSV baut wesentlich öfter direkt über die Außenbahnen auf. Während Meffert sehr wenige Pässe erhält, bekommt Linksverteidiger Miro Muheim die meisten Zuspiele aller Außenverteidiger der Liga.
Das Ziel beider Teams im Aufbauspiel ist aber meist gleich: Sie möchten ihre offensiven Außenbahnspieler in direkte Duelle bekommen. Der HSV versucht das zumeist mit Überladungen der Seiten, indem der ballnahe Achter und der dazugehörige Außenverteidiger mit in den Raum vorne auf der Seite schieben. Beim FCSP wird öfter versucht, die Spieler über Verlagerungen in die Duelle zu bekommen. Und ohnehin versucht das Team öfter, direkt durch das Zentrum aufzubauen (zu den offensiven Halbräumen komme ich am Ende des Vorberichts nochmal).
Mögliche Aufstellung
Der Hamburger SV muss den in dieser Saison bisher sehr starken Bakery Jatta ersetzen. Mögliche Kandidaten dafür sind Levin Öztunali, der beim HSV noch nicht überzeugen konnte, und Ransford-Yeboah Königsdörffer, der die Nase dabei etwas vorn haben könnte.
Sollte Ignance Van der Brempt voll einsatzfähig sein, dann dürfte er William Mikelbrencis auf der Rechtsverteidiger-Position ersetzen. Da aber auch für den HSV eine Englische Woche mit DFB-Pokal ansteht, tippe ich darauf, dass Van der Brempt noch nicht wieder dabei sein wird.
Weitere personelle Veränderungen in der Startelf könnte es in der Innenverteidigung geben. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass Sebastian Schonlau zurückkehren wird, aber Dennis Hadzikadunic könnte Stephan Ambrosius in der Innenverteidigung ersetzen. Allerdings überzeugte Ambrosius zuletzt, während Hadzikadunic das eine oder andere Mal wackelte in dieser Saison. Ich tippe daher auf Ambrosius.
FC St. Pauli unverändert?
Beim FC St. Pauli tippe ich auf gar keine Änderung in der Startelf. Zwar schmerzt es erneut, dass Connor Metcalfe dann nicht von Anfang an spielen würde, aber auf der offensiven Außenbahn braucht man auf jeden Fall eine gewisse Breite, um die Viererkette des HSV maximal auseinanderzuziehen. Da wäre Afolayan ganz rechts hilfreich. Eine Variante mit Saliakas, der dort agiert und Metcalfe dann im offensiven Halbraum positioniert, ginge zwar auch. Aber Afolayan hat zuletzt gegen Hannover und Rostock jeweils in der ersten Halbzeit überzeugen können. Eine Entscheidung für Dapo und nicht gegen Connor also.
Andere Veränderungen in der Startelf sind nicht zu erwarten. Das dürfte dann erst im zweiten oder dritten Spiel der Englischen Woche der Fall sein. Alle Kraft und der gesamte Fokus gilt nun aber vorerst der Stadtmeisterschaft.
HSV zu Anpassung genötigt?
Ein Detail beschäftigt mich schon seit ein paar Wochen: Die Struktur des HSV gegen den Ball. Das Walter-Team agiert mit einem 4-3-3 in der Grundordnung. Und genau diese könnte nicht so recht passen gegen den Spielstil des FC St. Pauli. Denn die beiden Achter, Pherai und Bénes, agieren eigentlich etwas höher gegen den Ball. Nicht selten schieben sie im Pressing sogar richtig weit mit hoch. Das Team splittet sich dann in zwei Fünfergruppen: Eine, die hoch anläuft und eine, die dahinter vorsichtig nachschiebt. Damit bietet der HSV dem Gegner sehr oft sehr viel Tiefe an. Die Entstehung des Platzverweises beim letzten Derby am Millerntor ist ein gutes Beispiel dafür.
Der FCSP positioniert sich oft mit zwei Spielern in den offensiven Halbräumen, also genau hinter den Achtern des HSV. Meffert als alleiniger Sechser kann das eher nicht richten gegen zwei FCSP-Spieler. Der HSV muss gegen den Ball also entweder tiefer fallen oder ein Innenverteidiger schiebt vor (was aber zur Auflösung der letzten Linie führen würde, also zu einer Erhöhung des Risikos).
Könnt ihr euch vorstellen, dass der HSV tiefer fällt? Ich auch nicht.
Auf zur Stadtmeisterschaft!
Forza!
// Tim
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lese ich richtig? gibst du tipps, wie der XXX gegen uns spielen sollte? 😉
is doch fein, wenn sie meffert alleine gegen zwei unserer jungs agieren lassen… aber auf dem platz is dann ja doch immer wieder anders…
zur aufstellung des gegners habe ich noch ne anmerkung: ob königsdörffer spielen wird, is fraglich. agyemang diawusie, der in dieser woche leider verstorbene spieler des jahn regensburg is der cousin von königsdörffer. in der pk wurde walter gestern dahingehend gefragt und er meinte, daß königsdörffer selbst entscheide und der verein jede entscheidung akzeptieren werde, oder so ähnlich. aber wahrscheinlich, so denke ich, würde er spielen. ablenkung is wohl in solch einer schwierigen situation am besten.
einmal werden wir noch wach, heißa dann is derby tach! sport frei
Ich hoffe das wir ..auf alle Fälle Punkten..damit wir ungeschlagen in die Winterpause kommen..Und dann ausgeruht in die Rückrunde starten..Und im Rückspiel.. vielleicht schon aufgestiegen sind..Denn die Verfolger sind alle ausgeglichen..Und lassen alle gegeneinander die Punkte..