Der FC St. Pauli belohnte sich nicht für hohen Aufwand, der Hamburger SV war offensiv so schwach wie nie – die Statistiken zur Stadtmeisterschaft.
(Titelbild: Stefan Groenveld)
Klar, da ist Stolz, weil man das Derby dominierte und sich das alles schon ein wenig selbstverständlich anfühlt. Doch die Enttäuschung überwiegt und sie ist auch notwendig, damit die Sinne scharfgestellt bleiben. Der FC St. Pauli belohnte sich am Freitag im Derby für eine klasse Leistung, vor allem in Halbzeit eins, nicht. Vor allem aufgrund individueller Qualität kam der HSV in diese Partie zurück. Natürlich spielten die Platzverhältnisse eine Rolle, aber auch eine taktische Umstellung sorgte dafür, dass der FCSP in der zweiten Halbzeit nicht mehr so dominant spielen konnte. Die Taktikanalyse: Enttäuschung, die stolz macht.
Kern-Statistiken
Um das alles einmal einzuordnen, damit auch deutlich wird, wer hier sein Spiel durchbrachte: Nie in dieser Saison hatte der Hamburger SV einen so geringen Ballbesitzanteil. Nie haben sie weniger Pässe gespielt. Nie hatten sie so wenige Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Nie so wenige Torschüsse abgegeben. Trotz zweier Gegentore muss man erneut festhalten, dass das defensiv eine richtig, richtig starke Leistung des FCSP gewesen ist.
FC St. Pauli | Hamburger SV | |
16 (5) | Torschüsse (aufs Tor) | 6 (3) |
5 | Fouls | 14 |
58,8 % | Ballbesitz | 41,2 % |
566 (85,7 %) | Pässe (erfolgreich) | 388 (82,7 %) |
39 (66,7 %) | …davon ins letzte Drittel (erfolgreich) | 44 (65,9 %) |
45 (66,7 %) | …davon lange Pässe (erfolgreich) | 45 (42,2 %) |
163 | erfolgreiche Pässe in gegn. Hälfte* | 129 |
24 | Ballkontakte gegn. Strafraum | 9 |
5 | Deep Completed Passes | 5 |
59 (71,2 %) | Defensivduelle (erfolgreich) | 70 (60 %) |
23 (26,1 %) | Kopfballduelle (erfolgreich) | 23 (65,2 %) |
10,2 | PPDA | 15,5 |
127,2 km | Laufdistanz** | 122 km |
247 | Sprints** | 213 |
**Laufdistanz von Bundesliga.de
Laufwerte, die eines Derbys würdig sind
Besonders der Unterschied der Ballkontakte im gegnerischen Strafraum macht deutlich (24 zu 9), wie viel öfter der FCSP in die gefährlichen Zonen gekommen ist. Dass der FC St. Pauli daraus zu wenig machte, sehen wir dann gleich bei den xG-Werten. Deutlich mehr als die Hälfte der Ballkontakte im gegnerischen Strafraum hatte der FCSP im ersten Abschnitt, während der HSV hier nur auf mickrige drei Kontakte kam. Ursächlich für die mageren Offensivaktionen des HSV war auch die überragende Quote des FCSP bei den Defensivduellen von 80 Prozent im ersten Abschnitt. In der zweiten Halbzeit fiel diese Quote auf (immer noch solide) knapp über 60 Prozent.
Etwas gedauert hat es dieses Mal, bis aussagekräftige Laufdaten vorhanden waren (vermutlich aufgrund des starken Schneefalls war die Aufzeichnung gestört). Ab Samstagmittag waren die Zahlen aber verfügbar. Und was für welche: Der FC St. Pauli spulte 127,2 Kilometer ab und zog 247 Sprints an. Beides ist ein neuer Saisonrekord.
Expected Goals
Etwas verwundert dürfte man sich die Augen reiben, ob der xG-Werte der Partie. Denn die Überlegenheit des FC St. Pauli aus der ersten Halbzeit ist in diesen Zahlen nicht wiederzufinden. Beide Teams haben einen, für ihre Verhältnisse sehr niedrigen, xG-Wert von durchschnittlich 0,9. Das liegt unter anderem daran, dass drei ziemlich große Chancen des FC St. Pauli nicht in diesen Zahlen auftauchen. Das Eigentor von Daniel Heuer Fernandes zum Beispiel, aber unter anderem auch zwei starke Klärungsaktionen von Guilherme Ramos. Viele weitere gute Situationen konnte der FCSP teils nicht einmal in Torschüsse ummünzen. Hierüber muss sich das Team von Fabian Hürzeler am meisten ärgern.
FC St. Pauli | Hamburger SV | |
(0,9 / 0,9 / 0,7) –> 0,9 | Expected Goals (xG) (Wyscout / DFL / FotMob) | (0,9 / 1,1 / 0,8) –> 0,9 |
0,4 | xG – herausgespielt | 0,8 |
0,4 | xG – Standards | 0 |
0,8 | xGOT* | 1,0 |
*xGOT: Expected Goals on Target (xGOT) misst die Wahrscheinlichkeit, dass ein gezielter Schuss zu einem Tor führt, basierend auf der Kombination aus der zugrunde liegenden Chancenqualität Expected Goals (xG) und der Endposition des Schusses im Tor. Dabei werden Schüsse, die platzierter sind und in den Ecken landen, besser gewertet als Schüsse, die direkt in die Mitte des Tores gehen.
Den mit deutlichem Abstand höchsten xG-Wert hat der Treffer zum 2:1 von Robert Glatzel mit einer Torwahrscheinlichkeit von 52 Prozent. Die anderen Treffer liegen bei acht (Pherai zum 2:2) und fünf (Irvine zum 1:0) Prozent. Der Abschluss von Heuer Fernandes dürfte aufgrund der Position irgendwo bei 95 Prozent schwirren, aber zählt natürlich nicht hier mit rein. Die größten Chancen ohne Torerfolg hatten Johannes Eggestein (37. Minute, Rechtsschuss, gehalten – 14 Prozent) und Irvine (88. Min., Torschuss nach Eckball, drüber – 10 Prozent).
Einzel-Statistiken
Klar, Elias Saad stellt mit seinem Offensivspiel die Gegner regelmäßig vor große Probleme und sorgte auch gegen den HSV das ein oder andere Mal für einige Unruhe in der gegnerischen Hintermannschaft. Dabei wird dann oft (auch von mir) übersehen, wie gut und wichtig Saad im Spiel gegen den Ball ist. Sieben von elf Defensivduellen hat Saad am Freitag gewonnen. Allein vier davon im letzten Drittel, was für seine starken Leistungen im Gegenpressing spricht. Mit insgesamt neun Wiedereroberungen hat Saad die meisten aller Spieler auf dem Feld.
Metcalfe schießt oft, aber nie auf das Tor
Sehr präsent im gegnerischen Strafraum war Marcel Hartel, der allein acht Ballkontakte dort hatte und insgesamt sechs Chancen herausspielte, womit er klar vor allen anderen Spielern liegt. Connor Metcalfe folgt auf Platz zwei mit sechs Kontakten im gegnerischen Strafraum. Metcalfe war es auch, der die meisten Torschussversuche abgab. Auf das Tor ging davon leider keiner.
Der „Smith-Stat“ des Spieltags sind erneut seine langen Pässe. Elf seiner 15 Versuche waren erfolgreich (die meisten aller Spieler auf dem Platz). Insgesamt spielte er 13 erfolgreiche Pässe ins Angriffsdrittel (die meisten). Zudem gewann er alle seine vier Defensivduelle. Karol Mets und Hauke Wahl waren da nur bedingt weniger erfolgreich: Insgesamt gewann das Defensiv-Trio sehr gute 16 von 19 Duellen am Boden.
In entscheidenden Momenten fehlte etwas
Trotz all der guten Zahlen, zu drei Punkten hat es nicht gereicht. Weil Wahl, Smith und Mets in den zwei Momenten vor den Gegentoren, gar nicht in den Zweikampf kamen. Weil es dem FC St. Pauli im ersten Abschnitt an richtigen Entscheidungen fehlte und so etliche vielversprechende Situation falsch (oder zu spät richtig) ausgespielt wurden. In der zweiten Halbzeit war es vor allem die Passgenauigkeit, die stark abnahm und gute Situationen im letzten Drittel oft jäh beendete. Die Einwechslungen, so ehrlich muss man sein, verpufften leider allesamt komplett.
Das war ungewohnt, dürfte aber auch mit den zunehmend schwieriger werdenden Platzverhältnissen zusammenhängen. Über die Gegentore und die Platzverhältnisse habe ich dann mit einigen Spielern in der Mixed Zone gesprochen. Zumindest mit jenen, die sprechen wollten (die Stimmung war auch bei den Spielern, gelinde gesagt, gedrückt). Auch Fabian Hürzeler hatte nach der Partie noch einige interessante Dinge offenbart. Die möchte ich Euch allen nicht vorenthalten. Der Stimmen-Artikel folgt spätestens Sonntagabend. Danach muss der Blick dann aber auch schon nach Homburg gehen. Immer weiter vor!
// Tim
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